Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Geschichte spielt während der Kolonialzeit in Nordamerika, kurz vor beginn des Franzosen und Indianerkrieges . Erzählt wird die Geschichte aus Sicht zweier Ranger, die zum 2. Virginia Milizenregiment gehören und deren Erlebnisse, eingebettet in einen historischen Rahmen die Grundlage der Erzählung bilden. Insbesondere die langsame aber stetige Eskalation zwischen Briten und Franzosen einerseits, aber auch zwischen den ansässigen Indianerstämmen andererseits werden anhand historischer Ereignisse in Erzählform präsentiert. Dabei wird auch die atemberaubende Landschaft des westlichen Virginias, Pennsylvanias und des Ohio Tals mit endlosen Wäldern, Bergen und Flüssen in eindrucksvoller Form beschrieben.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 482
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Virginia 1756
Blutige Fährten
by J. Probst
Texte: © Copyright by Joe Probst
Umschlaggestaltung: © Copyright by Peak Advisor
Verlag:
Joe Probst
Danziger Str. 5
35415 Pohlheim
Herstellung: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin
Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]
Inhalt
Prolog .................................................................. 2Kapitel 1: Die Schatten des Monongahela ....22Kapitel 3: Winter im Ohio Tal .......................92Kapitel 4: Der neue Kommandeur ..............123Kapitel 5: Auf gefährlichen Pfaden .............150Kapitel 6: Am Ohio .......................................191Kapitel 7: Flucht nach Osten ........................230Kapitel 8: Durch die Alleghenies .................274Kapitel 9: Die Belagerung .............................335Kapitel 10: Brennende Grenze .....................382Kapitel 11: Kampf um Pennsylvania ...........430Kapitel 12: Kittanning ..................................473
Prolog
Westwärts jener mächtigen Erhebungen, welche die Weisen des Landes die Blue Ridge Mountains nennen, erstreckte sich ein unermessliches Gefilde der Wildnis, ein Pantheon der Natur, geziert mit endlosen Wäldern, die ihre tausendjährigen Wurzeln in die ursprüngliche Erde gruben, durchschnitten von reißenden Gewässern, deren klare Fluten noch ungetrübt von der Hand des zivilisierten Menschen waren, und überragt von zerklüfteten Bergkuppen, die wie steinerne Wächter über das unberührte Land wachten. In diesem Paradies des Jägers und Fallenstellens, wo die Luft noch den süßen Duft ungezähmter Freiheit trug, hatten die Roten Männer seit Zeiten, die kein Chronist des weißen Volkes je verzeichnete, ihr Dasein geführt. Sie jagten in diesen heiligen Hainen, wandelten auf Pfaden, die nur ihren geübten Augen sichtbar waren, und kämpften jene ehrenhaften Schlachten, die das Herz eines Kriegers mit Stolz erfüllen. Doch das Vordringen der blassen Gesichter, die wie eine unaufhaltsame Flut aus dem Osten herandrängten, begann das zarte Gleichgewicht, das in dieser Region bestanden hatte, langsam und mit der Beharrlichkeit des fallenden Wassers auf den Stein, zu verändern.
Die mächtigste Vereinigung unter den Ureinwohnern dieses Landstriches waren gewiss jene Menschen, die von den Weißen die Irokesen genannt wurden, ein majestätisches Bündnis aus sechs edlen Stämmen – die Mohawk, stolz und kriegerisch; die Oneida, weise in ihren Ratschlüssen; die Onondaga, Hüter des heiligen Feuers; die Cayuga, bekannt für ihre Redekunst; die Seneca, zahlreich und kühn; und die Tuscarora, die später in den Verbund aufgenommen wurden. Diese formidable Gemeinschaft, die sich selbst Haudenosaunee nannte, oder, wie manche übersetzten, "Das Volk der Langhäuser", hatte über unzählige Sommer und Winter hinweg eine beherrschende Stellung im Nordosten des Kontinents erlangt. Durch eine Mischung aus martialischem Geschick, das an die alten Römer gemahnte, diplomatischer Finesse, würdig der europäischen Höfe, und weitreichenden Handelsbeziehungen hatten sie die Kontrolle über Territorien gewonnen, die weit über ihre ursprünglichen Jagdgründe hinausreichten. Diese Herrschaft erstreckte sich auch über jene Ländereien westlich der Blue Ridge, wo sie durch ein geschicktes Netz aus Bündnissen und, wenn nötig, durch die Demonstration ihrer furchteinflößenden Kriegskunst, andere Stämme unter ihren Einfluss brachten.
Die Irokesen hatten durch eine Folge von Kriegszügen, die mit kalter Berechnung und heißem Mut geführt wurden, und durch politische Finten, die an die subtilsten Schachzüge europäischer Monarchen erinnerten, viele der kleineren Nationen der Region unter das Joch ihrer Herrschaft gezwungen oder zumindest ihre Vorherrschaft anerkennen lassen. Stämme wie die Shawnee, deren Kriegskanus einst frei die Flüsse befuhren; die Delawaren, die sich selbst die Lenni Lenape nannten und deren Ahnen die ersten Menschen gewesen sein sollen, die diese Ufer betraten; und die Mingo, ein abgetrennter Zweig des mächtigen Irokesenstammes selbst – sie alle standen entweder in einem Bündnis mit dem großen Rat der Sechs Nationen oder mussten sich der eisernen Faust ihrer Macht beugen. Selbst Stämme, deren Lagerfeuer in der Ferne des Westens brannten, wie die Miami und Illinois, spürten den langen Schatten, den die militärische Macht der Irokesen warf, gleich einem dunklen Vorzeichen auf dem glänzenden Wasser eines klaren Sees.
Doch während die Irokesen ihre Vormachtstellung mit der Hartnäckigkeit eines Wolfs verteidigten, der sein Revier bewacht, waren sie sich der wachsenden Gefahr bewusst, die von den europäischen Siedlern ausging – jenen blassen Menschen, deren Zahl sich mit der Unerbittlichkeit der Schneeschmelze im Frühling vermehrte. Die Engländer, angeführt von Männern, deren Augen vor Begehrlichkeit funkelten bei dem Anblick der reichen Ländereien jenseits der Berge, drängten von Osten immer tiefer in die Wildnis vor, während die Franzosen, listig und wagemutig, von den nördlichen Gewässern Kanadas aus entlang der Großen Seen und des majestätischen Ohio-Tals nach Süden vorgedrungen waren. Beide europäischen Mächte, gleich Raubvögeln, die über einem Beutetier kreisen, versuchten mit Eifer, die Indianerstämme auf ihre Seite zu ziehen, eine Strategie, die wie ein vergifteter Pfeil neue Spaltungen und Feindschaften zwischen den einst verbündeten Nationen säte.
Die Stämme, die westlich der gewaltigen blauen Bergkette lebten, wie die kühnen Shawnee, die listenreichen Mingos und die stolzen Delaware, befanden sich in einer Lage von besonderer Bedrängnis, gleich einem Hirsch, der zwischen zwei hungrigen Wölfen steht. Auf der einen Seite lauerten die Franzosen, deren Forts wie steinerne Pilze entlang des Ohio-Flusses emporschossen und die mit süßen Worten und glänzenden Geschenken versuchten, diese Stämme gegen die Engländer aufzubringen. Auf der anderen Seite drohten die Engländer, deren Zahl wie die Blätter der Bäume im Sommer wuchs, die in immer größeren Scharen die Grenze überschritten und das Land für sich beanspruchten, ohne Rücksicht auf die Rechte jener, die es seit Jahrhunderten bewohnten. Die Siedler, deren Augen vor Habgier und Abenteuerlust glänzten, betrachteten die Weite des Landes als ein göttliches Geschenk, das nur darauf wartete, in Besitz genommen zu werden, unbekümmert um die uralten Ansprüche der Indianer, die dieses Land als heilige Gabe der Großen Geister ansahen.
Mit jeder Axt, die in den ehrwürdigen Stamm einer alten Eiche schlug, mit jedem Blockhütte, die in einer Lichtung errichtet wurde, wo einst nur der Wind durch die Blätter flüsterte, verschärfte sich der Konflikt wie ein langsam anschwellendes Gewitter am Horizont. In Gefilden, wo einst die flinken Krieger der Shawnee und Delaware ihren Jagdkünsten nachgingen, errichteten nun die Engländer ihre hölzernen Behausungen, rodeten den Wald, der seit Anbeginn der Zeit gestanden hatte, und legten Felder an, wo einst das Wild ungestört äste. Die kristallklaren Bäche, die den Indianern als Quelle des Lebens gedient hatten, wurden nun von gierigen Händen aufgestaut und umgeleitet, gleich als wollte man den natürlichen Lauf der Schöpfung selbst ändern. Die edlen Tiere des Waldes – der majestätische Hirsch, der mächtige Bär, der listige Fuchs – zogen sich immer weiter zurück, als würden sie vor der Ankunft einer neuen Zeit fliehen, einer Zeit des Eisens und des Feuers.
Die Irokesen, die von den Engländern mit einer Mischung aus Respekt und Berechnung als Verbündete und Handelspartner betrachtet wurden, erkannten mit der Weisheit, die ihre Ratsgremien auszeichnete, dass die stetig wachsende Flut der Siedler nicht nur den unterworfenen Stämmen, sondern letztlich auch ihnen selbst zum Verhängnis werden würde. Doch sie befanden sich in einer Zwickmühle, so verzwickt wie die Windungen eines Flusses im tiefen Wald. Einerseits hatten sie durch ihre Allianz mit den Engländern Vorteile im Pelzhandel erlangt und Waffen erhalten, die ihre Macht weiter festigten, andererseits konnten sie das unaufhörliche Vordringen der Siedler, dessen Lärm bereits das Echo in ihren heiligen Wäldern weckte, nicht länger ignorieren, ohne ihr eigenes Schicksal zu besiegeln.
Für die kleineren Stämme jenseits der Appalachen, deren Häuptlinge mit Sorge die Veränderungen in ihrem Land beobachteten, bedeutete die Expansion der weißen Siedler nicht nur den Verlust ihrer angestammten Jagdgründe, sondern das Ende einer Lebensweise, die so alt war wie die Bäume selbst. Sie sahen sich vor die grausame Wahl gestellt, entweder die Hand der Franzosen zu ergreifen, deren Versprechen so glatt wie Otter im Wasser waren, oder zu den Waffen zu greifen und mit der Wildheit des gehetzten Panthers zu kämpfen, um die Siedler zu vertreiben. Immer häufiger hallten die Kriegsschreie durch die entlegenen Täler, wo Farmen in Flammen aufgingen, Siedler fielen oder als Gefangene fortgeführt wurden, um ein ungewisses Schicksal zu erleiden. Es war ein Kampf von äußerster Brutalität, ein Ringen um das nackte Überleben und den Erhalt eines Landes, das die Indianer als ihr Geburtsrecht betrachteten.
In den dichten, geheimnisvollen Wäldern Virginias, den unberührten Weiten Kentuckys und den tiefen Tälern des Ohio-Gebietes lag eine besondere Atmosphäre in der Luft, gleich dem drückenden Gefühl vor einem gewaltigen Sturm – eine Mischung aus banger Erwartung, tiefsitzender Furcht und der stets gegenwärtigen Möglichkeit plötzlicher Gewalt. Die Siedler, deren grobe Hände die Kunst der Kriegsführung an der Grenze schnell erlernten, errichteten wehrhafte Blockhäuser, um sich vor den nächtlichen Überfällen zu schützen, und bildeten Milizen, während die Indianerstämme sich tiefer in die Wälder zurückzogen und mit zunehmender Verzweiflung und Wut auf die Bedrohung ihrer Existenz reagierten. Es war ein letztes, verzweifeltes Aufbäumen gegen die unaufhaltsame Flut der Eroberung, und die Irokesen, Shawnee, Delaware und andere Stämme ahnten in ihren Herzen, dass sich das Schicksal ihrer Völker entscheiden würde, während die Kolonialmächte wie zwei Bären um das reichste Honignest stritten.
Für die Trapper, Waldläufer und Jäger, jene einsamen Gestalten, die wie Geister durch die endlosen Wälder streiften und oft mehr von der Lebensweise der Indianer annahmen als von der ihrer eigenen Vorfahren, war es eine tägliche Herausforderung, in diesem gefährlichen Grenzland zu bestehen. Sie verstanden die Sprache der Wildnis wie kein anderer und begegneten den Indianern, mit denen sie oft in Kontakt kamen, mit einem Respekt, der aus tiefer Kenntnis ihrer Sitten und Bräuche entsprang. Doch auch sie wussten, dass die unerbittliche Ausbreitung der Siedlungen nicht aufzuhalten war, dass die Grenze zwischen der zivilisierten Welt und der Wildnis sich stetig nach Westen verschob, gleich einer langsamen, aber unaufhaltsamen Flut.
Mit jedem weiteren Sonnenaufgang, der neue Siedler in diese Region lockte, verschärfte sich die Lage weiter, bis die unruhige Grenze zu einem Pulverfass geworden war, das nur auf den Funken wartete, der es zur Explosion bringen würde. Und der Krieg, der sich am Horizont abzeichnete wie ein drohendes Unwetter, würde nicht nur über das Schicksal der weißen Siedler entscheiden, sondern auch über das der stolzen Ureinwohner und des gesamten Landes, das sich in seiner majestätischen Schönheit vor ihnen ausbreitete. Und dann, als ob die Vorsehung selbst eingegriffen hätte, entzündete ein einzelner Funke das Pulverfass an einem abgelegenen Ort im westlichen Pennsylvania, der später unter dem Namen Jumonville Glen in die Annalen der Geschichte eingehen sollte.
Die schicksalhaften Ereignisse von Jumonville Glen nahmen ihren Anfang in jenen nebligen Tagen des Frühlings im Jahre des Herrn 1754, als die Spannungen zwischen den britischen und französischen Interessen im üppigen, von Gott gesegneten Ohio-Tal einen gefährlichen Höhepunkt erreichten, gleich zwei Hirschen, die mit gesenktem Geweih aufeinander zustürmen. Die Briten, angeführt von dem ehrgeizigen Gouverneur Dinwiddie von Virginia, einem Mann, dessen Blick so scharf war wie der eines Falken und dessen Herz brennend für die Interessen der Krone schlug, hatten erkannt, dass die französischen Vorstöße entlang der Großen Seen und die zunehmende militärische Präsenz im Ohio-Tal eine unmittelbare Bedrohung für ihre Pläne darstellten. Es sei jedoch nicht verschwiegen, dass der gute Gouverneur auch persönliche Interessen an den unerschlossenen Gebieten jenseits der Blue Ridge Mountains hegte, da er als treibende Kraft hinter der Ohio Company stand, jener Handelsgesellschaft, die diese Ländereien gewinnbringend an neue Siedler zu veräußern gedachte.
Fort Duquesne, eine Bastion, die ursprünglich als bescheidener britischer Handelsposten von William Trent gegründet worden war und nun in den Händen der Franzosen wie ein Dorn im Fleisch der britischen Ambitionen saß, galt als Drehscheibe dieser französischen Expansionsbestrebungen und als steinernes Symbol ihres Anspruchs auf das Land. Um diesem Affront entgegenzutreten, entsandte Gouverneur Dinwiddie mit der Entschlossenheit eines Mannes, der sein Recht verteidigt, eine Truppe britischer Soldaten und lokaler Milizionäre, etwa 160 Mann stark, in das wilde Grenzland – unter dem Kommando eines jungen Offiziers, dessen Name George Washington lautete und der später noch oft in der Geschichte Erwähnung finden sollte.
Washington, ein junger Adliger von kaum zweiundzwanzig Sommern, erblickte in dieser gefährlichen Mission seine Chance, sich in den Augen seiner Vorgesetzten zu beweisen und sich einen Namen zu machen, der Bestand haben würde. An seiner Seite zog eine Gruppe tapferer Virginia-Milizionäre, Männer, die mit der Büchse ebenso vertraut waren wie mit dem Tomahawk, sowie ein Kontingent verbündeter indianischer Krieger, angeführt von Tanacharison, einem Häuptling der Seneca, der auch als der "Halb-König" bekannt war und der die Briten als natürliche Verbündete gegen die verhassten Franzosen betrachtete. Tanacharison, dessen Augen die Weisheit vieler Winter widerspiegelten, hatte seine Gründe für diese Allianz: Die Franzosen hatten sein angestammtes Land besetzt, und er sah in den Engländern, trotz aller Vorbehalte, bessere Verbündete für die Zukunft seines bedrängten Volkes.
Nach einem beschwerlichen Marsch durch das dichte und unbarmherzige Gelände des Allegheny-Plateaus, wo die Pfade oft nur dem geübten Auge des Waldläufers erkennbar waren, schlug Washington sein Lager in der Nähe einer weiten Lichtung auf, die als Great Meadows bekannt war. Die Stimmung unter den Männern war angespannt wie die Sehne eines Bogens vor dem Schuss, und die nächtlichen Geräusche des Waldes schienen Unheil zu verkünden. Die Späher, die wie Schatten durch das Unterholz glitten, berichteten, dass eine Gruppe französischer Soldaten unter dem Kommando von Ensign Joseph Coulon de Villiers de Jumonville etwa zehn Meilen entfernt ihr Lager aufgeschlagen hatte. Diese Männer, so wurde behauptet, hätten den Auftrag, Washington in friedlicher Absicht zur Aufgabe seiner Mission zu bewegen und ihn zum Rückzug zu überreden. Doch Tanacharison, der die Sprache der Franzosen und ihre Hinterlist kannte, warnte Washington mit der Eindringlichkeit eines Mannes, der die Gefahr wittert: Jumonville würde nicht ohne feindliche Absicht tief in britisches Territorium eindringen, wie ein Wolf nicht ohne Hunger in die Nähe der Schafherde kommt. Washington, verunsichert durch die Warnungen der Indianer und seine eigene Furcht vor einem bevorstehenden Überfall, fasste den Entschluss, dem französischen Trupp einen überraschenden Besuch abzustatten, um Gewissheit über ihre wahren Absichten zu erlangen.
Die Nacht war kalt und regnerisch, ein Vorhang aus Nässe und Dunkelheit, als Washington mit einer kleinen Auswahl seiner tapfersten Männer und einigen indianischen Kriegern leise durch das dichte Unterholz schlich, jeder Schritt bedacht, jeder Atemzug kontrolliert. Sie mussten äußerste Vorsicht walten lassen, denn der Regen hatte den Waldboden in eine tückische Falle verwandelt, wo ein unbedachter Tritt einen Mann zu Fall bringen konnte. Als sie das französische Lager in den frühen Morgenstunden des 28. Mai 1754 erreichten, als das erste Licht des Tages kaum die Wipfel der Bäume berührte, lagen die meisten Männer von Jumonville noch in ihren Decken eingehüllt, und einige wenige bereiteten sich auf ein kärgliches Frühstück vor, ahnungslos, dass feindliche Augen sie aus dem Schutz des Waldes beobachteten.
Es ist bis zum heutigen Tage ein Rätsel, welche Hand zuerst die tödliche Kugel abfeuerte, doch die Spannung war in der Luft so greifbar wie der Nebel, der zwischen den Bäumen hing. Tanacharison, der Halb-König, schien fest davon überzeugt, dass die Franzosen eine tödliche Bedrohung darstellten, und er drängte Washington mit der Leidenschaft eines Kriegers, der den Kampf herbeisehnt, zum sofortigen Angriff. Plötzlich durchbrach ein Schuss die morgendliche Stille, hallte durch das Tal wie ein Donner und ließ die Vögel erschrocken aus den Bäumen auffliegen. Die britischen Soldaten, angestachelt durch den ersten Schuss, eröffneten das Feuer, und der kleine Trupp der Franzosen geriet in Panik, wie Rehe, die von Hunden überrascht werden. Jumonville und seine Männer versuchten verzweifelt, sich zu verteidigen, doch sie waren zu überrascht und zu unvorbereitet, um eine wirksame Gegenwehr zu organisieren. Innerhalb weniger Augenblicke, die sich wie eine Ewigkeit dehnten, war der Großteil der Franzosen niedergestreckt oder gefangen genommen worden. Washington, der die chaotische Situation zu kontrollieren versuchte, wurde Zeuge einer Tat, die sein Gewissen für lange Zeit belasten sollte: Tanacharison, möglicherweise getrieben von altem Hass oder dem Wunsch nach Vergeltung für erlittenes Unrecht, trat mit der ruhigen Würde eines Vollstreckers auf den verwundeten Jumonville zu, schwang seine Streitaxt in einem tödlichen Bogen und erschlug den französischen Offizier vor den Augen aller Anwesenden, bevor dieser die Chance hatte, seine Mission zu erklären. Dabei rief er: „Du bist noch nicht tot, mein Vater!“
Diese Tat, so brutal sie auch erscheinen mochte, besiegelte das Schicksal Washingtons und legte den Grundstein für einen Konflikt, der die Welt erschüttern sollte. Die Briten hatten nicht nur einen französischen Trupp angegriffen, sondern auch einen Offizier getötet, der möglicherweise als diplomatischer Abgesandter unterwegs gewesen war, ein Umstand, der nach dem Gesetz der zivilisierten Nationen schwerer wog als der Tod eines gewöhnlichen Soldaten. Washington, der die Tragweite des Geschehenen erkannte, ließ seine Männer das Lager in größter Eile verlassen, um sich auf die unvermeidliche französische Vergeltung vorzubereiten, die so sicher folgen würde wie die Nacht dem Tage.
Die Reaktion der Franzosen auf diese blutige Provokation ließ nicht lange auf sich warten. Der Tod Jumonvilles entfesselte einen Sturm der Vergeltung, angeführt von seinem eigenen Bruder, Captain Louis Coulon de Villiers, einem Mann, dessen Herz vor Trauer und Rachedurst brannte. Washington und seine Männer hatten sich inzwischen nach Great Meadows zurückgezogen, jene offene Fläche, die ihnen zunächst als Lager gedient hatte, und dort in fieberhafter Eile eine provisorische Befestigung errichtet, die Washington mit einer Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung "Fort Necessity" taufte. Doch dieses "Fort" verdiente kaum seinen Namen, denn es war wenig mehr als ein dürftiger Wall aus hastig gefällten Baumstämmen und aufgeworfener Erde, umgeben von sumpfigem, wassergetränktem Gelände – eine Position, die jedem erfahrenen Militärstrategen als alles andere als ideal für eine Verteidigung erschienen wäre.
Am Morgen des 3. Juli 1754, als der Himmel seine Schleusen öffnete und unablässiger Regen auf die Erde fiel, erschien de Villiers mit einer überlegenen Streitmacht französischer Soldaten und indianischer Verbündeter in der Nähe von Fort Necessity, seine roten Wangen ein Zeugnis der langen Märsche und der brennenden Entschlossenheit, die ihn antrieb. Der Regen prasselte unerbittlich auf die erschöpften Verteidiger herab, verwandelte den Boden in ein Meer aus Schlamm, in dem die britischen Soldaten bis zu den Knien versanken, als wäre die Erde selbst ihr Feind. Washington, dessen jugendliches Gesicht bereits die Linien der Sorge trug, versuchte mit aller Kraft, seine durchnässten und entmutigten Männer aufzurichten und die Verteidigung zu organisieren, doch der unablässige Regen machte es nahezu unmöglich, die Musketen trocken und einsatzbereit zu halten. Die Soldaten kämpften mit der gleichen Verzweiflung gegen die Elemente wie gegen den menschlichen Feind, der sie umzingelt hatte. Als der Nachmittag kam, verließ auch noch ein Großteil der indianischen Verbündeten, deren scharfe Augen keine Hoffnung auf einen erfolgreichen Kampf sahen, heimlich das Fort, gleich Ratten, die ein sinkendes Schiff verlassen.
Stundenlang hielten die Briten unter dem heftigen Feuer der Franzosen stand, der Donner der Musketen vermischte sich mit dem Grollen des Himmels zu einer infernalischen Symphonie. Doch die Situation war so hoffnungslos wie die eines Hirsches, der von einer Meute Wölfe umzingelt ist. Das sumpfige Gelände, das Washington in seiner Unerfahrenheit für die Verteidigung gewählt hatte, erwies sich als tödliche Falle, denn es verhinderte jede Beweglichkeit und jede Möglichkeit, dem französischen Feuer auszuweichen. Die Männer, deren Körper von der Kälte und Nässe durchdrungen waren wie alte Baumstämme vom Wasser eines Sees, litten unsäglich, und ihre Moral sank mit jedem Regentropfen, der auf sie niederprasselte. Nach einem langen Tag voller Kampf und Leid, als die Dämmerung die Schatten der Bäume verlängerte, erkannte Washington mit der bitteren Weisheit eines Mannes, der seine erste große Niederlage erfährt, dass weiterer Widerstand sinnlos war. Zwei Drittel seiner tapferen Truppe war tot oder verwundet, und den Überlebenden drohte ein ähnliches Schicksal, wenn der Kampf fortgesetzt würde. Mit schwerem Herzen begann er am Abend desselben Tages, Verhandlungen mit dem Feind aufzunehmen.
De Villiers, ein Mann von Ehre trotz seines brennenden Verlangens nach Rache, bot Washington die Möglichkeit zur Kapitulation an, ein Angebot, das unter den gegebenen Umständen einem Geschenk der Vorsehung gleichkam. Doch diese Gnade hatte ihren Preis, denn der französische Kommandant bestand darauf, dass Washington ein Dokument unterzeichnete, in dem er die volle Verantwortung für den Tod Jumonvilles übernahm. Washington, der die Sprache des Dokumentes, das in elegantem Französisch verfasst war, kaum verstand und dessen Geist von der Last der Niederlage beschwert war, willigte in der Hoffnung ein, seine Männer zu retten, und setzte seine Unterschrift unter das Papier – möglicherweise ohne vollständig zu begreifen, dass er damit eine Schuld anerkannte, die weit über seine tatsächliche Verantwortung hinausging und die ihn in den Augen der Welt als einen Mann erscheinen ließ, der einen Friedensboten getötet hatte. Am 4. Juli, einem Tag, der in späteren Jahren noch große Bedeutung für die amerikanische Nation erlangen sollte, zogen sich Washington und seine geschlagenen Männer, deren Stolz so gebrochen war wie ihre Waffen, aus dem Ohio-Tal zurück und überließen Fort Necessity den triumphierenden Franzosen.
Die Schlacht bei Fort Necessity, die demütigende Kapitulation und der Tod Jumonvilles, der wie ein dunkler Schatten über Washingtons früher militärischer Karriere hing, waren die ersten Takte einer größeren, weltumspannenden Melodie des Krieges, die als Siebenjähriger Krieg in die Annalen der Geschichte eingehen sollte. Für Washington selbst, dessen Stern trotz dieser frühen Niederlage noch hoch am Firmament der Geschichte aufsteigen sollte, war dies eine bittere, aber notwendige Lektion über die Kunst der Kriegsführung und den hohen Preis, den Fehler und Fehleinschätzungen in der Wildnis fordern konnten.
Noch Jahre nach diesem schicksalhaften Tag im regendurchnässten Fort Necessity haftete Washington das Stigma des Verlierers und des Auslösers eines internationalen Konflikts an, wie ein Geruch, der sich nicht abwaschen lässt, obwohl dieser Vorfall für die Franzosen natürlich nur ein vorgeschobener Grund war, um ihre eigenen territorialen Interessen in der Region zu unterstreichen und zu rechtfertigen. Der Krieg, der mit diesem kleinen, blutigen Zusammenstoß in den Wäldern Pennsylvanias begann, sollte die Zukunft des amerikanischen Kontinents maßgeblich prägen und Washington auf seinem langen, beschwerlichen Weg zu einem der größten Führer seiner Zeit begleiten – doch die Narben von Jumonville Glen und Fort Necessity würden, gleich Zeichen in seiner Seele, ihn für immer begleiten und an die harten Lektionen erinnern, die er in der Wildnis gelernt hatte.
Im strengen Winter des Jahres 1754, als eisige Winde durch die kahlen Wälder und tief verschneiten Täler Pennsylvanias und Virginias fegten und selbst die wildesten Kreaturen des Waldes Schutz vor der Kälte suchten, formte sich in den Köpfen der britischen Militärführung ein Plan von großer Tragweite. Gouverneur Dinwiddie und die britischen Kommandeure, deren Entschlossenheit durch die Niederlage bei Fort Necessity nicht gebrochen, sondern vielmehr verstärkt worden war, erkannten mit der Klarheit von Männern, die eine große Aufgabe vor sich sehen, dass der französische Einfluss in der Region gebrochen werden musste, um die Sicherheit und Zukunft der Kolonien zu gewährleisten. In den prächtigen Sälen Londons, weit entfernt von den rauen Bedingungen der amerikanischen Grenze, reifte deshalb ein kühner Plan heran: Eine mächtige Expedition sollte die Franzosen im Herzen des Ohio-Tals treffen und das Fort Duquesne – jenes strategische Bollwerk am Zusammenfluss von Monongahela und Allegheny River – einnehmen.
General Edward Braddock wurde dafür von den Briten bestimmt. Ein erfahrener, jedoch von eigenwilligen Methoden geprägter Offizier, dessen militärische Laufbahn an die Schlachtfelder Europas gebunden war. Braddock war ein Mann von disziplinierter Strenge, geformt durch den Drill und die Dogmen der europäischen Kriegsführung. Im Frühjahr 1755, nach einer gefährlichen Überfahrt über den Atlantik, kam er in den Kolonien an, bereit, mit eisernem Willen die französische Bedrohung niederzuschlagen.
Kaum in Virginia eingetroffen, begann Braddock mit den Vorbereitungen für die Expedition. Seine ersten Wochen verbrachte er damit, eine Truppe zusammenzustellen und die Materialien für den Marsch zu organisieren. Es war eine gewaltige Aufgabe, nicht nur wegen der Menge an Proviant und Ausrüstung, die für einen monatelangen Feldzug nötig war, sondern auch wegen der Notwendigkeit, einen Weg durch die fast undurchdringlichen Wälder des Grenzlandes zu schlagen. Es mussten Maultiere, Kanonen und Vorräte herangeschafft werden – die Märsche des britischen Heeres, dachte Braddock, würden nichts an Präzision und Disziplin missen lassen. Doch das raue Gelände war ihm unbekannt, und die Abgeschiedenheit und Weite des Grenzlandes überstieg alles, was er aus den wohlgeordneten europäischen Feldern und Hügeln kannte.
In den Siedlungen und Außenposten Pennsylvanias und Virginias machten bald Gerüchte die Runde: Eine Armee, größer und prächtiger als je zuvor, würde gegen die Franzosen marschieren. Überall entlang der Grenzlinie bereitete man sich darauf vor, die Truppen zu versorgen und zu unterstützen. Kolonisten, Milizen, Jäger und sogar einige verbündete Indianer sollten die Expedition begleiten und dem britischen Heer den Weg weisen.
Der junge George Washington, dem Braddock die Rolle eines militärischen Beraters und Scouts anvertraute, war skeptisch. Er kannte die Härten des Grenzlandes und wusste um die Tücken des Geländes, da er früher schon hier das Land vermessen hatte. Washington versuchte, Braddock davon zu überzeugen, dass die europäischen Taktiken in den Wäldern nicht ohne weiteres umsetzbar waren. Doch der General, stolz und überzeugt von der Überlegenheit britischer Kriegskunst, wischte Washingtons Bedenken beiseite. Braddock wollte nicht hören, dass die Wildnis einen eigenen Krieg verlangte, dass man lernen musste, wie die Indianer zu kämpfen und zu überleben, dass ein Mann in einer roten Uniform in diesen dichten Wäldern so auffällig war wie eine Fackel in der Dunkelheit.
Als die ersten Frühlingstage den Schnee in Matsch verwandelten, sammelte Braddock schließlich seine Truppen bei Fort Cumberland, am Rande der Kolonien. Über vierzehnhundert britische Soldaten, beeindruckend diszipliniert und gut ausgerüstet, verstärkt durch etwa siebenhundert koloniale Milizionäre und ein kleines Kontingent verbündeter indianischer Krieger, standen nun unter seinem Kommando. Die Straßen um das Fort füllten sich mit Wagen, vollgepackt mit Proviant, Munition und Kanonen, und den schwer beladenen Maultieren, die das britische Heer begleiten sollten. Die Männer wärmten sich an den Lagerfeuern, schworen den Sieg und lauschten den Geschichten, die die Abenteurer und Trapper erzählten – von den endlosen Wäldern, den unergründlichen Sümpfen und den kühlen, klaren Flüssen, die sich durch das Grenzland schlängelten.
Während die Truppen sich in Bewegung setzten, stand Braddock hoch zu Ross an der Spitze des Zuges, seine rote Uniform glänzte im ersten Morgenlicht. Washington, der sich als junger Offizier an der Seite von Braddock ritt, beobachtete seine Männer und sorgte sich, dass Braddock die Unbarmherzigkeit der Wildnis unterschätzte. Doch nun gab es kein Zurück mehr.
Tag für Tag schlugen sich die Truppen durch das unwegsame Gelände, fällten Bäume, bauten Brücken und trieben die Wagen über schlammige Pfade. Es ging nur mühselig voran, an manchen Tagen nur wenige Meilen. Die Männer litten unter den Strapazen, doch die Vorfreude und der Stolz hielten sie aufrecht. Die Expedition war ein riskantes Unterfangen, das Braddock zu einer Art Held der Kolonien machen oder ihn mit Schande und Fehlschlägen überziehen könnte.
Und hier geneigter Leser, beginnt unsere Geschichte. Eine Geschichte über zwei Waldläufer, die die Grenze wie kaum ein anderer kannten. Zwei Männer, die zwischen Pflicht und Gewissen zerrissen waren, die Freunde und Feinde auf indianischer Seite hatten. Diese Erzählung folgt den beiden bei ihren Abenteuern im wilden Grenzland des Ohio Tals über das westliche Pennsylvania bis nach New York und den großen Seen.
Kapitel 1: Die Schatten des Monongahela
Der 9. Juli 1755 war ein Tag, der tief in das Gedächtnis der jungen Kolonie eingebrannt werden sollte. Der Weg von Winchester nach dem heutigen Pittsburgh, den General Edward Braddocks Armee im Sommer diesen beschritt, war eine endlose Reihe von Strapazen, die jeden Mann in der Kolonne an die Grenzen seiner Ausdauer trieben. Von den sanften Hügeln Virginias ausgehend, mussten die Soldaten bald feststellen, dass der Marsch durch die Wildnis alles andere als ein geregelter Feldzug werden würde. Schon zu Beginn ihrer Reise war die Hitze der Hochsommertage unerbittlich. Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel, und der Schweiß lief den Männern in Strömen die Gesichter hinab, während sie ihre schweren, roten Wolluniformen trugen. Staub stieg von den ungepflasterten Pfaden auf, auf denen sie sich vorwärtsquälten, und das laute Knirschen der Räder von Munitionswagen, Kanonen und Proviantkarren vermischte sich mit dem Grunzen der Ochsen und dem Fluchen der Offiziere.
Die Armee bewegte sich langsam. Es war nicht nur die Hitze oder die Unwegsamkeit des Geländes, die ihnen zu schaffen machte. Braddock bestand darauf, die Straße nach Westen auszubauen, um den schweren Tross mit Artillerie und Versorgung durchzubringen. Bäume mussten gefällt, Felsen beseitigt, Flüsse überquert und Sümpfe überbrückt werden. Dies bedeutete, dass sich die Männer oft tagelang nicht mehr als ein paar Meilen vorwärts bewegten, da das Aufbrechen der ungezähmten Wildnis unzählige Stunden harter Arbeit erforderte.
„Diese Hölle wird kein Ende nehmen“, murmelte ein Milizionär am Lagerfeuer eines Abends, während er seine Ledermokassins abstreifte und seine geschwollenen Füße anschaute. „Wir haben kaum den Anfang des Weges gemacht, und ich schwöre, der Marsch tötet uns, bevor wir überhaupt die Franzosen sehen.“
Sein Kamerad, der neben ihm saß und langsam einen Lederriemen an seiner Waffe festzog, nickte grimmig. „Und das ist noch das Leichte, mein Freund. Warte ab, bis wir in die Allegheny Mountains kommen. Dort wird’s richtig hart.“
Und der Mann sollte Recht behalten. Als die Armee die Ausläufer der Allegheny Mountains erreichte, verschlechterten sich die Bedingungen noch weiter. Die Wälder verdichteten sich zu einem grünen Dschungel, der das Sonnenlicht kaum durchließ. Die Luft war schwer und drückend, die Feuchtigkeit setzte sich in der Kleidung der Männer fest und verwandelte die ohnehin schon schwere Last ihrer Uniformen in feuchte, klebrige Gewänder. Der Boden, oft moorig oder von dichtem Unterholz und großen Felsbrocken durchzogen, machte das Vorwärtskommen zur Qual. Die schwerfälligen Artilleriewagen blieben im weichen Boden stecken, und die Soldaten mussten immer wieder unter Flüchen und Geschrei der Offiziere anpacken, um die Geschütze vorwärtszuziehen.
Manche Tage vergingen, ohne dass die Armee mehr als fünf Meilen zurücklegte. Schlimmer noch waren die Nächte. Der Lärm des Waldes – das Heulen der Wölfe, das Summen der Insekten und das gelegentliche Knacken von Zweigen – ließ viele der unerfahrenen Soldaten kaum schlafen. Die Moskitoplage war erbarmungslos. Ohne richtige Abwehr gegen die Stechmücken war das Nächtigen im Freien eine ständige Tortur. Die Männer kratzten sich die Wunden und Blasen, die durch den endlosen Marsch und die Insekten entstanden waren, bis viele von ihnen bluteten.
Einige der Offiziere, die noch nie zuvor solch eine Wildnis durchquert hatten, waren sichtlich entnervt von den Herausforderungen. Die britische Arroganz, mit der sie die Natur zu bezwingen hofften, wurde von den realen Bedingungen des Grenzlandes gedämpft. „Das hier ist kein ehrenhafter Feldzug“, knurrte einer von Braddocks Leutnants, als er auf seine
schmutzverkrusteten Stiefel schaute. „Das ist eine Bestrafung. Wir kämpfen nicht gegen die Franzosen, sondern gegen diese verfluchten Bäume, diese Flüsse und den gottlosen Sumpf!“
Noch bevor die ersten Schüsse gefallen waren, war Braddocks Armee bereits dezimiert. Krankheiten wie Ruhr, Skorbut und Fieber verbreiteten sich rasch unter den Männern, da die Lager oft auf feuchten, ungesunden Böden errichtet wurden. Sauberes Trinkwasser war zwar durch die zahlreichen die Flüsse und Bäche in der Nähe erhältlich, oftmals war der Vorrat aber schneller verbraucht als er aufgefüllt werden konnte.
Tag für Tag kämpften sich die Männer weiter durch die Wildnis. Flüsse und kleinere Bäche mussten überquert werden, und die Strömung war oft tückisch. Einige Soldaten ertranken, als sie versuchten, ihre schweren Ausrüstungen über die Flüsse zu tragen. Die Kälte des Wassers war ein scharfer Kontrast zur drückenden Hitze des Tages, und viele der Soldaten erlitten Fieber oder zogen sich schwere Verletzungen zu. Doch es gab kein Innehalten, kein Rückzug. Braddocks Stolz und sein militärischer Ehrgeiz trieben die Armee unerbittlich weiter.
Je näher sie Fort Duquesne, dem Ziel ihrer Mission, kamen, desto größer wurde die Nervosität und die Angst in den Reihen der Männer. Sie wussten, dass die Franzosen und die mit ihnen verbündeten Indianer das Gelände weitaus besser kannten als sie. Die Wälder waren voller Augen, die jede Bewegung der Kolonne beobachteten, und die Soldaten konnten nur hoffen, dass der bevorstehende Angriff nicht so gnadenlos sein würde wie der Marsch selbst.
Doch das war ein vergeblicher Wunsch. Braddocks Marsch von Winchester bis in die Nähe von Fort Duquesne war nicht nur ein Kampf gegen die Wildnis, sondern auch ein Beweis für das Missverhältnis zwischen der Ordnung der europäischen Kriegsführung und der unbarmherzigen Realität des amerikanischen Grenzlandes. Die Strapazen, denen die Armee ausgesetzt war, hatten sie bereits zermürbt, lange bevor der erste Schuss in der Schlacht am Monongahela fiel. Und als dieser Schuss schließlich fiel, waren viele der Männer körperlich und geistig nicht mehr in der Lage, den Kampf zu bestehen.
Manch einer aus der Region hatte schon angemerkt, dass eine Route weiter nördlich die bessere Wahl gewesen wäre. Einige der Milizionäre aus den Kolonien, unter ihnen Acton McBride und Samuel Holt, marschierten unruhig am Rand des langen Zuges. Sie kannten die Wälder, sie kannten die Gefahren—und sie wussten, dass dieser Marsch ins Verderben führen könnte. Sie waren für die Flankensicherung und Spurensuche abgestellt und bewegten sich etwa 50 Yards linkerhand von der Hauptarmee entfernt durch das dichte Unterholz. Beide waren erfahrene Grenzmänner, die schon längere Zeit bei der Miliz von Virginia als Scouts eingeschrieben waren.
„Wir sind kaum in der Lage, die eigene Marschordnung zu halten“, bemerkte Samuel Holt eines Abends zu Acton McBride, als sie sich ein Stück Pökelfleisch teilten. „Wie sollen wir dann noch die Franzosen und ihre Indianeralliierten schlagen, wenn wir sie jemals erreichen?“
Die Kleidung passte perfekt zu den harten Bedingungen, die das Leben als Ranger und Scout in diesen Zeiten mit sich brachte. Beide Männer waren keine regulären Soldaten der britischen Armee; ihre Erscheinung war weit entfernt von den prunkvollen roten Uniformen, die die regulären Truppen trugen. Stattdessen waren sie gekleidet wie die Männer, die das Grenzland seit Jahren durchstreiften—mit pragmatischer Einfachheit, die auf Überleben in der Wildnis ausgerichtet war. Samuel Holt, mit seinen tiefbraunen Haaren, trug eine Jagdjacke aus gegerbtem Hirschleder, die durch die Zeit und die Strapazen des Gebrauchs dunkel und glänzend geworden war. Sie bot ihm Schutz vor den rauen
Wetterbedingungen und war dennoch leicht genug, um Bewegungsfreiheit zu gewährleisten. Die Jacke war lang, reichte bis zur Mitte seiner Oberschenkel und besaß tiefe Taschen, die er nutzte, um Munition, Feuersteine und andere wichtige Utensilien zu verstauen. Darunter trug er ein grobes Leinenhemd, das durch Schweiß und Schmutz von den vielen Tagen in der Wildnis fast braun geworden war. Seine Hosen waren ebenfalls aus Leder, mit Bändern an den Knöcheln, um sie eng an seinen Beinen zu halten und vor Dornen und niedrigem Gestrüpp zu schützen. Seine Füße steckten in Mokassins, wie sie viele Siedler und Indianer trugen. Sie waren aus weichem Leder gefertigt, boten nicht den besten Schutz gegen die Kälte, aber waren unschlagbar in Sachen Leichtigkeit und Lautlosigkeit—perfekt für jemanden, der sich in der Wildnis lautlos bewegen musste. Am Gürtel trug er ein robustes, etwa 30 cm langes Messer, das er ebenso für den Kampf wie für alltägliche Aufgaben wie das Häuten von Wild oder das Schnitzen von Werkzeugen einsetzte.
Acton McBride war ähnlich gekleidet, doch seine Erscheinung unterschied sich durch kleine Details. Auch er trug eine lederne Jagdjacke, aber seine war mit Fransen verziert, die an den Ärmeln und am Saum herunterhingen—eine zusätzliche Eigenart, die ihn in der Ferne fast wie einen Schatten im Wind erscheinen ließ, wenn er sich bewegte. Actons Jacke war etwas kürzer als die von Samuel, was ihm noch mehr Bewegungsfreiheit gab. Unter der Jacke trug auch er ein Leinenhemd, doch seines war blasser, fast weiß, und an den Armen bereits geflickt von früheren Abenteuern. Seine Hosen waren aus schwerem Wolle-Leinen-Mischgewebe, ideal, um der Kälte in den Bergen zu trotzen. Als Kopfbedeckung trug er eine weiche Filzhutkrempe, die ihm Schutz vor Regen und Sonne bot und ihn zusätzlich als Grenzlandbewohner kennzeichnete. Samuel hingegen trug ein einfaches Leinenkopftuch, das ihm nicht nur die Haare aus dem Gesicht hielt, sondern auch den Schweiß aufnahm.
In dieser unbarmherzigen Welt war die richtige Bewaffnung entscheidend für ihr Überleben. Sowohl Samuel als auch Acton waren mit der damals bevorzugten Langwaffe der Grenzbewohner ausgestattet: der Long Rifle, auch als Pennsylvania Rifle bekannt. Diese Gewehre waren im Vergleich zu den Muskete der britischen Armee leichter und besaßen eine viel größere Reichweite und Genauigkeit—wesentliche Merkmale für jemanden, der in der Wildnis auf Wild oder Feinde schießen musste. Die Langgewehre waren nicht verziert, sondern funktional: Der Schaft war aus dunkel poliertem Walnussholz, und der Lauf glänzte matt von jahrelangem Gebrauch und Pflege. Am Schulterriemen trugen beide Männer ein ledernes Pulverhorn welches mit Schwarzpulver gefüllt war. Am Gürtel befestigt war bei beiden eine lederne Patronentasche, in der sie ihre selbstgefertigten Kugeln und Ersatzmunition aufbewahrten. Die Ladezeit für eine Long Rifle war länger als bei einer Muskete, weshalb jeder Schuss zählte. Zusätzlich zu den Gewehren trug jeder von ihnen eine Pistole im Holster, die als letzte Verteidigung diente. Diese Waffen waren weniger präzise als ihre Gewehre, aber in einem Nahkampf unschätzbar wertvoll. Auch ein Tomahawk, das sowohl als Werkzeug als auch als Waffe diente, hing an ihrem Gürtel. Diese kleinen Äxte waren handlich genug, um sie zu werfen oder im Nahkampf zu führen, und viele Grenzer hatten von den Indianerstämmen gelernt, sie geschickt einzusetzen.
Samuel und Acton trugen beide Lederrucksäcke, die ihnen als mobile Vorratskammern dienten. Diese waren jedoch nicht prall gefüllt—der Platz war knapp und die Prioritäten klar gesetzt. In ihren Rucksäcken befanden sich kleine Mengen getrockneten Fleisches, etwas Maismehl, sowie eine Feldflasche aus Ziegenleder, die sie regelmäßig auffüllen mussten. In einem kleineren Seitenfach befanden sich Feuerstein und Zunder für das Entfachen von Feuer, ein unverzichtbares Werkzeug in der feuchten und kalten Wildnis. Acton trug auch ein kleines Stück Leinwand bei sich, das als Zelt- oder Wetterschutz diente. Es war leicht genug, um es über die Schultern zu werfen, aber groß genug, um bei einem plötzlichen Unwetter Schutz zu bieten. Samuel hatte stattdessen ein Wolltuch, das ihm nicht nur als Decke diente, sondern auch als Umhang, wenn die Kälte unerträglich wurde.
In ihrer Gesamtheit gaben Samuel und Acton das Bild von Männern ab, die keine Fremden in der Wildnis waren. Ihre Kleidung war abgenutzt, aber funktional; ihre Waffen sorgfältig gepflegt und tödlich, und ihre Ausrüstung war minimalistisch, aber durchdacht. Sie wussten, dass jeder überflüssige Gegenstand sie langsamer machte und dass sie nur das bei sich trugen, was ihnen half, zu überleben und zu kämpfen. Die Jahre des Lebens an der Grenze hatten sie in diesem einfachen, aber effizienten Stil geformt—und es war dieser Stil, der ihnen immer wieder das Leben rettete.
Acton McBride war eine eindrucksvolle Erscheinung, die niemand so leicht übersah. Mit seinen breiten Schultern, die wie geschaffen schienen, um die Lasten der Welt zu tragen, und einer Größe, die ihn über die meisten anderen Männer hinausragen ließ, füllte er jeden Raum, den er betrat. Sein dunkles, dichtes Haar, das sich in wilden Locken um seinen Kopf kringelte, schien so ungezähmt wie er selbst, ein Spiegel seiner ungestümen Natur. Er hatte ein Gesicht, das zu-gleich hart wie gemeißelt und voller Wärme war, als ob die raue Erde und der goldene Schein der Sonne sich darin vereint hätten.
Geboren und aufgewachsen westlich von Albany, wo die Felder weit, die Flüsse reißend und die Wälder tief waren, war Acton der zweitälteste Sohn einer Familie, die ebenso robust war wie das Land, das sie bewohnte. Sein Vater hatte ihm schon früh beigebracht, dass das Leben oft ein harter Kampf war, aber auch voller Abenteuer, wenn man nur den Mut hatte, sie zu suchen. Und Acton hatte diesen Mut – im Übermaß. Er war schon als Junge derjenige gewesen, der höher auf die Bäume kletterte, weiter in die Wälder vordrang und tiefer in die kalten Flüsse sprang als alle anderen.
In seinen tiefbraunen Augen, die stets funkelten wie das Sonnenlicht, das durch die dichten Blätter der Wälder fiel, lag eine ständige Unruhe. Eine Rastlosigkeit, die ihn immer wieder dazu trieb, über die vertrauten Pfade hinauszugehen. Acton war ein Draufgänger, jemand, der selten zweimal überlegte, bevor er sprang – ob es nun in einen wilden Fluss war oder in eine spontane Auseinandersetzung. Er konnte jähzornig werden, wenn ihn das Blut einmal in Wallung brachte, und hatte oft ein hitziges Temperament, das wie ein Sommersturm über ihn hinwegfegte. Doch genauso schnell, wie es entflammte, verflog sein Zorn auch wieder.
Trotz seiner wilden Natur war Acton kein Mann, der seine Freunde im Stich ließ. Es war genau diese Herzlichkeit, die ihn für viele so liebenswert machte. Er hatte ein offenes, breites Lächeln, das sich oft über sein Gesicht zog, und seine rauen, kräftigen Hände konnten überraschend sanft sein. Besonders, wenn er einem Freund in Not zur Seite stand oder einen seiner jüngeren Geschwister tröstete.
Actons Talent als Schütze war legendär in der Region. Man sagte, er könne ein Eichhörnchen aus der Baumkrone holen oder einen fliehenden Hirsch mit nur einem einzigen Schuss zur Strecke bringen, und das, ohne mit der Wimper zu zucken. Wenn er den Bogen spannte oder das Gewehr anlegte, wurde er zu einer Statue der Konzentration, als würde der ganze Lärm der Welt in einem Moment des stillen Fokus verschwinden.
Doch in ihm brannte ein Feuer, das nicht durch das ruhige Leben westlich von Albany gezähmt werden konnte. Schon lange träumte er davon, hinaus in die weite Welt zu ziehen, Abenteuer zu suchen, die seinen rastlosen Geist stillen könnten. Irgendetwas in ihm sehnte sich nach dem Unbekannten, dem Wilden, dem Gefährlichen – und es war nur eine Frage der Zeit, bis Acton McBride seiner Heimat den Rücken kehren und sich in ein neues Abenteuer stürzen würde.
Samuel Holt hingegen war ein Mann, der sich nur schwer fassen ließ – wie der Nebel, der am frühen Morgen vom Susquehanna River aufstieg und sich in den dichten Wäldern verlor. Von mittlerer Größe und drahtiger Statur, wirkte er auf den ersten Blick unscheinbar, doch wer ihn näher kannte, wusste um die unerschütterliche Stärke, die in seinem schmalen, zähen Körper steckte. Sein Haar, eine lange, rotblonde Mähne, fiel ihm oft ungebändigt über die Schultern, und in der Sonne schimmerte es wie das Herbstlaub, das den Waldboden bedeckte.
Samuel war kein Mann vieler Worte. Eine ruhige, fast schon kontemplative Stille umgab ihn, die auf andere beruhigend wirkte. Er war ein aufmerksamer Zuhörer, einer, der seine Umgebung stets mit wachen, graugrünen Augen beobachtete. Diese Augen hatten schon vieles gesehen, und doch lag in ihnen kein Zorn, sondern eine leise Melancholie, die jene spürten, die ihn lange genug kannten.
Geboren als ältester Sohn deutscher Einwanderer, wuchs Samuel in einer kleinen Siedlung am Ufer des Susquehanna River im mittleren Pennsylvania auf. Seine Kindheit war geprägt von harter Arbeit und der Wärme einer liebevollen Familie, doch all das wurde ihm an einem einzigen schrecklichen Tag genommen. Susquehannas, vom Schmerz über das verlorene Land und die gebrochenen Versprechen der Siedler getrieben, hatten sein Elternhaus überfallen. Samuel entkam als Einziger, versteckt in einem nahen Dickicht, während die Schreie seiner Eltern und jüngeren Geschwister die Nacht erfüllten. Nicht fähig jenen zu helfen welche er am meisten liebte, hatte ein tiefes, dauerhaftes Trauma in ihm hinterlassen, welches er nie loswerden sollte.
Der Achtjährige wurde von Nachbarn aufgenommen, die ihn wie einen eigenen Sohn behandelten, doch die Wunden dieser Nacht heilten nie vollständig. In den stillen Momenten, wenn das Feuerholz in der Glut knackte oder der Wind durch die Baumwipfel rauschte, konnte er die Schreie noch immer hören. Doch er hatte gelernt, diese Geister in sich zu verschließen, so wie man die Tür zu einer verborgenen Kammer verschließt.
Was Samuel auszeichnete, war seine Fähigkeit, Spuren zu lesen, wo andere nur die Unordnung der Natur sahen. Er war ein begnadeter Fährtenleser und Fallensteller, ein Mann, der die Sprache des Waldes verstand. Kein Tritt im feuchten Moos, kein abgebrochener Zweig entging seinem Blick. Es war, als könnte er die Geschichten, die die Erde erzählte, mit einer Klarheit lesen, die anderen verwehrt blieb. Sein Können hatte ihn in der Umgebung zu einem geschätzten Verbündeten gemacht – ob es darum ging, verlorene Tiere wiederzufinden oder frisches Wild zu jagen.
Trotz seiner Talente und seiner stillen Entschlossenheit kämpfte Samuel mit inneren Dämonen, die ihn nie ganz losließen. Der christliche Glaube, der ihm von Kindheit an eingeflößt worden war, hatte ihm wenig Trost gespendet, als seine Familie ermordet wurde. Er haderte mit Gott, zweifelte daran, dass ein gütiger Schöpfer solche Grausamkeiten zulassen konnte. Und doch, auf seltsame Weise, verspürte er Verständnis für jene, die ihm alles genommen hatten. Er sah in den Indianern nicht nur Feinde, sondern Menschen, die ebenso um ihr Überleben kämpften wie er selbst – getrieben von ihrem eigenen Schmerz und Verlust.
Samuel hatte gelernt, dass die Welt nicht so einfach in Gut und Böse zu teilen war, wie er einst geglaubt hatte. Seine Erfahrungen hatten ihn weiser, aber auch einsamer gemacht. Er blieb oft für sich, zog die Stille der Wälder dem Getümmel der Siedlungen vor. Doch für die wenigen, die sein Vertrauen gewonnen hatten, war Samuel Holt ein Fels in der Brandung, jemand, auf den man sich in den dunkelsten Stunden verlassen konnte. Ein Mann der Stille, der Verlorenheit – und doch einer, der inmitten all dessen ein Stück unerschütterliche Menschlichkeit bewahrt hatte.
Der Tag begann heiß und stickig, die Luft schwer von der drückenden Feuchtigkeit des Waldes. Die Männer waren müde, aber die Offiziere trieben die Regulären an und sorgten dafür dass sie ihren Tritt hielten. Die Disziplin der britischen Armee war straff wie eh und je. Bei genauerer Betrachtung vermochte man aber die Anspannung und Erschöpfung in ihren Gesichtern deutlich zu erkennen.
„Die machen hier einen solchen Lärm, dass sie jedes Lebewesen in diesen Wäldern aufschrecken“, murmelte Samuel, während er misstrauisch die Umgebung beobachtete. „Insbesondere die Indianer.“
„Sie denken und handeln genauso als wären sie auf irgendeinem europäischen Schlachtfeld“, antwortete Acton düster. „Aber sie gehören nicht in diesen Wald und der Feind weiß vermutlich schon lange Bescheid über unser Kommen und wird sich entsprechend auf uns vorbereiten.“
Samuel grunzte zustimmend und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Er griff nach seinem Wasserschlauch, öffnete ihn und nahm einen kräftigen Schluck und sagte: „Wird Zeit, dass wir bald unseren Wasservorrat wieder auffüllen können. Bei dieser Hitze hält das kaum jemand lange aus mit den Rationierungen“
Aus einiger Entfernung konnten sie den Tross beobachten, der sich immer tiefer in den Wald hinein bewegte. In den vergangenen Tagen wurden die Bäume immer dichter und ließen das Licht des Tages fast vollständig verschwinden, als ob der Wald selbst die Männer verschlucken wollte. Die Männer, die den Weg ebneten hatten einen noch schwierigeren Job als zuvor.
Gegen späten Nachmittag aber lichtete sich der Wald endlich etwas und kurz darauf konnte die Vorausabteilung die glitzernde Oberfläche des Monongahela erkennen. Die Hauptarmee betrug zu diesem Zeitpunkt etwa Vierzehnhundert Mann, da aber Oberst Dunbar mit allem schweren Gerät wie Kanonen aber auch Proviantwagen bei Great Meadows zurückgelassen wurde, um den Vormarsch zu beschleunigen, waren in der vorgesehenen Angriffstruppe nur etwa Elfhundert Mann verfügbar. Der Plan war es, schnell Vorzustoßen und die Franzosen in Fort Duquesne zu überraschen. Diese hatten allerdings schon Tage zuvor von der nahenden Gefahr erfahren und, obwohl stark in der Unterzahl, außerhalb von Fort Duquesne am westlichen Ufer des Monongahela Befestigungen aus gefällten Bäumen und Buschwerk errichtet, unsichtbar für die vorrückenden britischen Truppen.
Und es kam wie es kommen musste. Die Briten, die ihre Scouts nur in Sichtweite des nachfolgenden Truppenverbandes vorausschickten, begannen mit der Überquerung des Flusses an einer der wenigen geeigneten Furten, ohne eine nennenswerte Absicherung. Kaum hatte die Vorhut unter Lieutenant Colonel Thomas Gage den Monongahela überquert, brach ohne Vorwarnung, ein Feuerhagel auf die Kolonne nieder. Die Irokesen, Huronen und Ottawas die auf der Seite der Franzosen kämpften, hatten eine perfekte Position in den dichten Wäldern eingenommen und eröffneten das Feuer mit tödlicher Präzision.
Chaos brach aus. Die britischen Truppen, in ihren leuchtend roten Uniformen, waren ein leichtes Ziel in dem dichten Grün. Zudem war ein Rückzug kaum möglich, da die nachrückenden Truppen von ihren Offizieren Richtung Fluss vorangetrieben wurden und mit der Vorhut kollidierten. Ihre Disziplin wurde ihnen zum Verhängnis, als sie versuchten, in Reih und Glied zu bleiben, während die unsichtbaren Feinde aus allen Richtungen auf sie schossen. Die Milizionäre, die es gewohnt waren, in der Wildnis zu kämpfen, versuchten, Deckung zu suchen und zurückzuschlagen, aber die Verwirrung und das Fehlen klarer Befehle führten zu noch mehr Durcheinander.
„Runter!“, schrie Acton, als eine Kugel knapp an seinem Kopf vorbeipfiff. Er zog Samuel zu Boden und beide suchten Schutz hinter einem umgestürzten Baumstamm.
„Das ist Wahnsinn!“, rief Samuel. „Unsere Truppen haben keine Chance mit dieser Taktik! Sie werden einfach niedergemacht“
„Wir müssen uns eine bessere Position suchen. Hier geraten wir schnell ins Kreuzfeuer.“ Acton schaute sich um und machte schnell eine gute Stellung auf einer der zahlreichen, bewaldeten Hügel aus, die ihnen zumindest vorläufig Sicherheit gab. Beide sprangen auf und rannten in geduckter Haltung in die entsprechende Richtung, immer Deckung suchend durch die Bäume. Unversehrt erreichten sie die Anhöhe und sie verschanzten sich sofort hinter einem einzelnen Felsbrocken, wie sie zahlreich in dieser Gegend zu finden waren. Von dort aus beobachteten sie, wie die britischen Offiziere versuchten Ihre Männer in eine Linie zu bekommen, was aus Platzgründen schon kaum darstellbar war.
„Braddock ist blind vor Arroganz“, knurrte Acton. „Er führt uns alle ins Verderben. In Formation antreten in diesen Wäldern ist wie Vieh zur Schlachtbank führen. Und trotzdem besteht er darauf.“
Inmitten des Durcheinanders hörten sie die Rufe britischer Offiziere, die weiter verzweifelt versuchten, ihre Männer zu formieren, doch es war zwecklos. Die Truppen gerieten in Panik, und einige von ihnen begannen, auf ihre eigenen Männer zu schießen, unfähig, Freund von Feind zu unterscheiden. Ein lautes Krachen links von ihnen ließ Acton und Samuel zusammenzucken—ein Dutzend Milizionäre wurde von britischen Kugeln niedergestreckt, da die britischen Soldaten sie irrtümlich für ihre Gegner hielten.
„Sie schießen auf unsere eigenen Leute!“, brüllte Samuel und wollte aufspringen, doch Acton hielt ihn zurück.
„Bleib unten! Wenn wir jetzt aufstehen, sind wir tot.“
Kurz darauf brachen zwei Ottawas aus dem dichten Gebüsch hinter den beiden hervor und stürzten sich in wildem Geschrei auf die beiden Scouts. Acton brachte es fertig, seine Muskete gerade noch rechtzeitig abzufeuern, bevor der Wilde sich auf ihn warf. Samuel hatte weniger Glück. Der Angreifer packte sein Gewehr und drängte es beiseite und gleichzeitig versuchte er mit seinem Tomahawk den Schädel seines Feindes zu spalten. Acton reagierte blitzschnell, zog sein Messer und warf sich auf den verbliebenen Angreifer. Dies gab Samuel genügend Zeit, sein eigenes Tomahawk aus dem Gürtel zu ziehen und er schlug mit der flachen Seite gegen den Kopf des Indianers. Dieser fiel betäubt von dem Hieb zu Boden und wurde sofort von McBride erstochen. Tief durchatmend sahen sich die beiden an.
„Das war knapp!“ knurrte Holt. „Fast hätte ich mir über einen neuen Haarschnitt keine Gedanken mehr machen müssen. Zudem auch nicht über irgendetwas sonst.“
„Wir müssen unsere Position besser sichern oder uns komplett zurückziehen!“
„Rückzug ist der einzige Weg. Ich habe keine Lust hier meinen Skalp zurückzulassen!“ Acton war sehr bestimmt in seiner Aussage.
Sie sahen sich um und konnten erkennen, wie die im Kampf gegen Indianer erfahrenen Milizen versuchten auszuschwärmen, Deckung nahmen und das Feuer in Richtung der Französischen Stellungen erwiderten. Immer wieder aber wurden die Männer von britischen Offizieren dazu aufgefordert, wieder in Linie anzutreten. Einige weigerten sich und wurden daraufhin mit vorgehaltener Waffe dazu gezwungen. Andere, die dies sahen setzten sich ab und ließen das Schlachtfeld hinter sich um aus sicherer Entfernung das Abschlachten zu beobachten oder um sich einfach nur in Sicherheit zu bringen.
McBride und Holt arbeiteten sich durch das unwegsame Gelände um aus der Hauptkampfzone zu gelangen. Vorsichtig bewegten sie sich, immer eine Deckung nutzend aus dem umkämpften Gebiet heraus und gelangten nach etwa einer Stunde an einen Sammelpunkt der britischen Truppen. Sie waren erschrocken wie wenige Männer es geschafft hatten.
Über eine Stunde tobte das Chaos weiter. Reihe auf reihe der britischen Regulären liefen an und wurden einfach niedergemacht. Erst als Braddock selbst schwer verwundet wurde und sein Kommando vollständig zusammenbrach, wurde der Befehl zum Rückzug erteilt. Der junge Adjutant, Colonel George Washington, der erfolglos versucht hatte Braddock vor genau dieser Gefahr zu warnen, übernahm das Kommando und ordnete für die übriggebliebenen Truppen einen mehr oder weniger geordneten Rückzug an. Die Männer flohen in alle Richtungen, viele von Panik ergriffen, da sie sahen wie die Indianer über die Toten und Verwundeten herfielen und alles skalpierten was sie unter ihre Messer bekamen. Der Feldzug, der mit solcher Zuversicht begonnen hatte, endete in einer Katastrophe. Als die Sonne schließlich sank, waren die Schreie der Verwundeten das einzige, was die Stille des Waldes durchbrach. An die 900 Männer waren tot oder verwundet, darunter eine ungewöhnlich hohe Zahl an Offizieren. Am schlimmsten erging es aber denjenigen, die lebend den Indianer in die Hände fielen. Eine grausame Folter und ein langsamer, schmerzhafter Tod erwarteten diese Unglücklichen.
Der Rückweg nach Winchester war eine düstere und erschöpfende Odyssee, die den Männern der überlebenden Truppen die letzten Reserven abverlangte. Nach der katastrophalen Niederlage war die Disziplin in der Armee endgültig zusammengebrochen. Die Männer, die dem französischen Hinterhalt und den gnadenlosen Angriffen der Indianer entkommen waren, schleppten wie Geister durch die dichten Wälder Pennsylvanias. Verwundet, hungrig und ohne jegliche Hoffnung auf einen geordneten Rückzug, kämpften sie nur noch ums nackte Überleben.
Die Marschkolonne, die einst aus Hunderten stramm marschierender Männer bestanden hatte, war zu einer zerstreuten, verzweifelten Ansammlung von Überlebenden geworden. Viele hatten ihre Musketen verloren oder aufgegeben, einige hatten ihre Uniformen zerrissen, um Verbände für ihre Wunden zu improvisieren. Andere, völlig ausgezehrt und wahnsinnig vor Angst, hatten sich schlichtweg in den Wald geschlagen, ohne Rücksicht auf die Richtung. Doch die meisten hielten sich an den brüchigen Überresten des militärischen Verbandes fest, in der Hoffnung, unter den Anweisungen von Colonel Washington oder einem anderen Offizier vielleicht doch noch lebend nach Winchester zurückzukehren.
Samuel Holt und Acton McBride gehörten zu jenen, die sich mit den letzten Kräften an die Gruppe klammerten, die unter Washingtons Kommando stand. Die Tage nach der Schlacht verschwammen in einem endlosen Marsch, immer in der Angst, von feindlichen Indianern verfolgt zu werden. Das Gras war hoch, der Wald unbarmherzig. Nachts wagten sie kaum Feuer zu machen, aus Angst, dass das Licht ihre Position verraten könnte. Stattdessen kauerten sie sich in kleinen Gruppen zusammen, bedeckt vom kalten Tau, während die Dunkelheit ihnen das Gefühl gab, der Wald würde sie langsam verschlucken.
„Samuel“, flüsterte Acton eines Nachts, als sie unter einem dichten Blätterdach Schutz suchten. „Ich weiß nicht, wie viel länger wir das noch durchhalten können. Unsere Vorräte sind fast aufgebraucht, und diese verfluchten Mücken machen uns den Schlaf zur Hölle.“
Samuel starrte in die Dunkelheit, sein Gesicht angespannt, als er eine Hand hob, um eine der lästigen Insekten zu vertreiben. „Es gibt keinen anderen Weg außer weiterzugehen“, antwortete er. „Winchester ist unser einziges Ziel. Wir können nur hoffen, dass wir es bis dahin schaffen, ohne dass uns die Huronen aufspüren.“
Es gab immer wieder kleinere Attacken von feindlichen Eingeborenen, allerdings zumeist aus dem Hinterhalt. Eine offene Konfrontation entsprach auch nicht deren Taktik. Aber selbst diese vereinzelten Hinterhalte sorgten für eine ständige Furcht bei den Männern, insbesondere bei den jüngeren, unerfahrenen britischen Infanteristen.
Ihre Schritte waren schwer und langsamer als bei ihrem Aufbruch. Verletzte, die ihre Wunden notdürftig verbunden hatten, hinkten hinterher. Viele Männer waren barfuß oder trugen provisorische Sandalen, da ihre Stiefel durch den Marsch durch Sumpfgebiete und über felsige Hügel aufgerieben waren. Der Boden war schlammig und rutschig, und die Regenfälle machten das Fortkommen noch beschwerlicher. Jeder Schritt war eine Qual, und viele mussten sich an Ästen oder anderen Kameraden abstützen, um nicht zu Boden zu sinken.
Die Sorge um Proviant wuchs mit jedem Tag. Das Pökelfleisch und das Trockenbrot, die sie aus dem zerstörten Tross retten konnten, waren längst aufgebraucht. Einige der Männer fingen an, Beeren und Wurzeln zu sammeln, während andere sich auf die Jagd nach Kaninchen oder Eichhörnchen begaben – wenn sie das Glück hatten, eines zu erlegen. Doch auch das brachte nur wenig Linderung. Die Wälder hatten nur spärlich Nahrung zu bieten, und jeder Bissen war ein bitterer Kampf gegen den Hunger.
„Weißt du, was mich fertig macht, Acton?“ fragte Samuel eines Nachmittags, als sie eine Pause auf einem Hügelkamm einlegten. „Es sind nicht nur die Franzosen oder die Indianer. Es ist, dass wir es besser wissen mussten. Braddock war blind für das Land und die Menschen, gegen die wir kämpfen. Und jetzt bezahlen wir alle dafür.“
Acton nickte und blickte hinunter auf das Tal, das sich vor ihnen erstreckte. Leichter Nebel, der sich über dem Tal ausgebreitet hatte, ließ keine Fernsicht zu. Und doch wirkte der Anblick inmitten der Katastrophe irgendwie friedlich. "Wir müssen uns überlegen wie es weitergeht wenn wir zurück sind. Nach diesem Desaster werden wir vermutlich sehr viel zu tun bekommen."
"Das denke ich auch. Eigentlich wollte ich nach diesem Feldzug aus der Miliz austreten und mit meinen jüngeren Brüdern nach Kentucky ziehen um dort zu jagen und mit den Shawnee zu handeln. Die gesamte Region ist noch fast unberührt und in den dichten Wäldern und dunklen Tälern kann man unbelästigt jagen und leben."
"Ich hörte davon, einer der Fuhrmänner sprach vor Wochen davon, dieser Junge, ich glaube sein Name war Boone. Er schwärmte von dem Wildreichtum und der natürlichen Schönheit der Region. Wenn nur nicht die Wilden wären. Ich traue weder den Shawnee noch den Cherokee. Zu häufig haben sie die bestehenden Verträge gebrochen." Acton spuckte aus, seine Art dem Aberglauben zu begegnen.
„Nun ja, in der Regel sind es die Weißen, welche die Verträge brechen und dann kann man andererseits nicht erwarten, dass die Indianer zu ihrem Wort stehen. Es wird noch viel Blut fließen bevor dieser Kontinent zur Ruhe kommt!“
Acton brummte nur vor sich hin. So sehr er Samuel auch verbunden war, manch eine seiner Vorstellungen und Meinungen konnte er einfach nicht teilen.
Die Tage vergingen, und der Wald schien endlos. Selbst als sie die offenen Felder von Maryland und Virginia erreichten, blieb die Angst, dass sie verfolgt wurden, allgegenwärtig. Diese permanente Vorsicht, hatte ihren Tribut gefordert. Sie waren erschöpft, ausgemergelt und müde, der Gedanke an Nahrung und Ruhe war das einzige, was sie noch antreiben konnte.
Als sie endlich die ersten Anzeichen von Zivilisation erblickten – eine kleine Ansammlung von Hütten, die in den Hügeln von Winchester verstreut lag – war es, als ob eine schwere Last von ihren Schultern fiel. Die Männer, die übrig geblieben waren, sammelten sich, und einige brachen weinend zusammen, als sie die Sicherheit der Siedlung erkannten. Doch der Anblick von Winchester, so vertraut er auch war, konnte die schmerzhaften Erinnerungen der letzten Wochen nicht auslöschen.
Als Samuel und Acton schließlich den Marktplatz von Winchester erreichten, meldeten sie sich, zusammen mit den Überlebenden der Virginia Miliz, sofort bei Colonel Mercer, der inzwischen das Kommando übernommen hatte. Mercer war ein Mann von kalter Entschlossenheit, und obwohl er den Rangern seinen Dank aussprach, konnte er die Anspannung in seinem Gesicht nicht verbergen. Die Lage war düster – nicht nur wegen der Niederlage am Monongahela, sondern auch wegen der wachsenden Gefahr an der Grenze und den Misserfolgen am Lake George.