Blutige Sprossen - Jörg Verges - E-Book
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Jörg Verges

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Beschreibung

In den staubigen Ausläufern der Sierra Madre ist das Gesetz ein ferner Mythos – und Loyalität ein tödliches Spiel. Ricardo, ein junger Soldat im Dienste eines alternden Drogenbosses, will mehr als überleben. Er will aufsteigen. Um jeden Preis.
Als ein Auftrag eskaliert und seine Einheit in einem Blutbad endet, überlebt Ricardo – weil man es so will. Mit einer Botschaft auf den Lippen und dem Tod im Nacken kehrt er zurück. Doch was als Warnung gedacht war, entfesselt etwas viel Größeres: Paranoia, Machtkämpfe und den Verdacht eines Verrats in den eigenen Reihen. Während Don Mateos Imperium zu bröckeln beginnt, muss Ricardo entscheiden, ob er Spielfigur bleibt – oder zum Spieler wird.
Ein gnadenloser Roman über Macht, Verrat und das Streben nach Kontrolle in einer Welt, in der Vertrauen tödlich ist. Dreckig. Realistisch.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Kapitel 1 - Botschaft im Flussbett 

Der Staub der Sierra Madre brannte in Ricardos Lungen, ein vertrauter Geschmack nach Trockenheit und Gefahr. Er kniete im Schatten eines verrosteten Pick-ups, die Läufe seiner Schrotflinte ruhten auf dem Oberschenkel, heiß von der unbarmherzigen mexikanischen Sonne. Die schwere Automatikpistole in seinem Hüftholster drückte vertraut gegen seine Seite. 

Unter ihm, im ausgetrockneten Flussbett, lagen die Reste des Konvois von El Martillo – ausgebrannte Fahrzeuge, zerfetzte Leichen, die bereits von Geiern vernascht wurden. Ein notwendiges Übel. Eine Botschaft.

Die Luft roch nach verbranntem Fleisch, Benzin und Verwesung. Einer der Körper war beim Aufprall auf einen Felsen in zwei Hälften gerissen, der Torso noch in der blutgetränkten Weste eingeklemmt, während die Beine mehrere Meter entfernt lagen – grotesk verdreht, als hätte ein Kind achtlos mit Puppenteilen gespielt. Eingeweide hingen wie schlaffe Girlanden aus einem aufgeschlitzten Bauch, Fliegen summten im Chor, angelockt von der offenen Fleischwunde, in der sich ein Teil des Darms wie eine fettige Schlange kringelte. Ein anderer Mann, kaum noch als solcher zu erkennen, lag halb unter einem qualmenden Pick-up. Sein Schädel war geplatzt wie eine überreife Frucht, das Gehirn hatte sich in einem matschigen Schwall über den staubigen Boden ergossen, vermischt mit Zahnsplittern und Blut, das nun in dunklen Schlieren trocknete.

Ein Arm – allein, abgerissen – ragte aus dem Gestrüpp, noch mit einem goldenen Armband um das blutverschmierte Handgelenk, das im Sonnenlicht funkelte wie Hohn auf den Mann, dem er einst gehörte. Die Geier waren nicht zimperlich gewesen. Einer hatte einem der Toten ein Auge herausgepickt, das nun wie eine weiche Murmel in einem Klumpen Sand lag. Ein anderer Körper war bis auf die Rippen freigelegt worden, als hätte man ihn wie ein Tier ausgenommen. Es war schwer zu sagen, ob der Mann noch lebte, als man ihn aufgeschlitzt hatte – aber Ricardo vermutete, dass es zumindest bei einigen so gewesen war. Sie hatten die Botschaft deutlich machen wollen. Keine Gnade. Kein Zurück. Kein Zweifel daran, wer hier die Sprache des Blutes beherrschte.

Ricardo war niemand. Noch nicht. Einer von Dutzenden jungen Männern, die für Don Mateo arbeiteten, dem alternden Jefe, dessen Griff um das Territorium langsam, aber sicher nachließ. El Martillo hatte die Schwäche gewittert, hatte versucht, eine von Mateos Routen zu übernehmen. Ein fataler Fehler. Ricardo und die anderen waren die Antwort gewesen – schnell, brutal, effizient.

Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, der sich mit dem Staub zu einer schmutzigen Paste vermischte. Es war kein Triumphgefühl, das er empfand, eher eine kalte Leere. Das hier war nur ein weiterer Tag im Geschäft. Töten oder getötet werden. Aufsteigen oder im Staub liegen bleiben wie die Männer da unten.

Sein Blick wanderte zu dem Anführer ihres kleinen Stoßtrupps, Hector. Ein Mann mit toten Augen und einem Lächeln, das nie seine Lippen erreichte. Hector war einer der Sicarios, die direkt unter Don Mateo standen. Eine Position, die Ricardo begehrte. Nicht aus Loyalität zu dem alten Mann, sondern weil sie ein Sprungbrett war. Ein Weg aus diesem Dreck, ein Weg zur Macht.

"Aufstehen, muchacho", knurrte Hector, ohne sich umzudrehen. "Die Arbeit ist getan. Die Geier können den Rest haben."

Ricardo erhob sich, die Muskeln schmerzten. Er warf einen letzten Blick auf das Gemetzel. Jeder Tote dort unten war eine Sprosse auf der Leiter, die er erklimmen wollte. Er wusste, dass der Weg nach oben mit Blut gepflastert war. Und er war bereit, dafür zu zahlen – und andere zahlen zu lassen. Er musste nur die richtigen Gelegenheiten erkennen und skrupellos genug sein, sie zu nutzen. Die Schwäche von El Martillo war die erste gewesen. Don Mateos Schwäche war eine Melange aus Alter, Starrsinn und wachsender Paranoia. Er klammerte sich an alte Loyalitäten, während er gleichzeitig jeden jüngeren, ehrgeizigen Mann mit Argwohn betrachtete. Seine Reaktionen waren nicht mehr so schnell, seine Entscheidungen manchmal von einer Sentimentalität getrübt, die in diesem Geschäft tödlich war. Ricardo roch die Schwäche wie Blut im Wasser. Er musste nur geduldig sein. Und tödlich.

Die Ladefläche des Pick-ups warf Ricardo hin und her, als der Wagen über die unbefestigte Piste holperte. Der Gestank von billigem Benzin, Schweiß und dem metallischen Geruch von Blut hing schwer in der Luft. Niemand sprach. Die anderen drei Männer, die mit ihm auf der Ladefläche saßen, starrten entweder ins Leere oder versuchten, auf den harten Metallrippen eine halbwegs bequeme Position zu finden. Ihre Gesichter waren ausdruckslose Masken, die Augen müde oder leer vom Adrenalinabsturz.

Ricardo lehnte sich gegen die Fahrerkabine und beobachtete Hectors Silhouette durch die verdreckte Heckscheibe. Der Sicario fuhr konzentriert, aber Ricardo bemerkte die leichte Anspannung in seinen Schultern, die Art, wie seine Finger das Lenkrad umklammerten. Auch für Hector war das hier kein Spaziergang, auch wenn er es nie zugeben würde. Er war derjenige, der Don Mateo berichten musste – über den Erfolg, aber vielleicht auch über den Munitionsverbrauch, den Zustand der Fahrzeuge, jeden unvorhergesehenen Zwischenfall. Jede Operation war ein Test, auch für die Männer in Hectors Position.

Der Weg zurück führte sie tiefer in die staubige Einöde, weg von jeglicher Zivilisation. Hier draußen galten nur Mateos Gesetze. Ricardo dachte über die Schwäche des Dons nach. Alter, Starrsinn, Paranoia. Eine gefährliche Mischung. Aber wie konnte man sie nutzen? Direkt gegen Mateo vorzugehen, wäre Selbstmord. Noch. Aber vielleicht konnte man seine Paranoia füttern? Ihn gegen andere aufbringen? Oder seinen Starrsinn ausnutzen, ihn in eine Falle locken, die von jemand anderem aufgestellt wurde?

Nein, das war zu kompliziert, zu riskant für jemanden auf seiner Stufe. Der direktere Weg führte über Männer wie Hector. Wenn Hector fiel, wurde sein Platz frei. Und Hector hatte seine eigenen Schwachstellen. Er war vielleicht loyal zu Mateo, aber er war auch arrogant, genoss die kleinen Privilegien seiner Position ein wenig zu sehr. Und er unterschätzte die jungen Wölfe unter sich. Männer wie Ricardo.

Der Pick-up verlangsamte seine Fahrt, als sie sich einer getarnten Abzweigung näherten, die zu einem der vielen Unterschlüpfe des Kartells führte – einer heruntergekommenen Ranch, die auf keiner Karte verzeichnet war. Die Sonne stand schon tief und tauchte die stacheligen Büsche und den nackten Fels in ein blutrotes Licht.

Als der Wagen zum Stehen kam, sprang Hector heraus, noch bevor der Motor verstummte. "Ausladen, aufräumen, bereitmachen", bellte er die knappen Befehle, ohne einen der Männer direkt anzusehen. Seine Aufmerksamkeit galt bereits seinem Satellitentelefon.

Ricardo schwang seine Beine über die Ladekante, der Staub federte unter seinen Stiefeln. Er griff nach seiner Schrotflinte, prüfte kurz den Mechanismus. Ein weiterer Tag überlebt. Ein weiterer kleiner Schritt getan. Die Leichen im Flussbett waren vergessen, nur noch Futter für die Geier. Jetzt zählte nur noch das Hier und Jetzt – und die nächste Gelegenheit, die sich bieten würde. Er warf einen kurzen, unmerklichen Blick auf Hector, der mit wichtiger Miene in sein Telefon sprach. Geduld, ja. Aber auch Wachsamkeit. Jedes Wort, jede Geste konnte ein Hinweis sein. Der Weg nach oben war lang, aber Ricardo hatte Zeit. Und einen unerschütterlichen Willen.

 

Kapitel 2 - Warten auf den Don 

Die Ranch war ein Labyrinth aus staubigen Lehmhütten, notdürftig errichteten Wellblechschuppen und einem größeren, solider wirkenden Haupthaus, vor dem zwei glänzende SUVs parkten – ein krasser Gegensatz zum Rest des Geländes. Der Geruch von Tierdung, billigem Tequila und Angst hing schwer in der trockenen Luft, vermischt mit dem allgegenwärtigen Staub. Männer lehnten an Wänden, rauchten, putzten Waffen oder spielten Karten im spärlichen Schatten. Ihre Blicke waren misstrauisch, leer oder fiebrig. Dies war kein Ort der Ruhe, sondern ein Nervenzentrum des Geschäfts, ein Sammelpunkt für die Soldaten des Kartells.

Hector beendete sein Gespräch mit einem Grunzen und schob das Satellitentelefon in seine Westentasche. Er musterte die Männer, die von der Ladefläche gesprungen waren, sein Blick blieb kurz an Ricardo hängen, ohne ihn wirklich zu sehen. "Die Waffen reinigen, sofort. Und stellt sicher, dass die Fahrzeuge betankt und bereit sind. Mateo will vielleicht bald einen Bericht – persönlich." Ein Anflug von Selbstzufriedenheit lag in seiner Stimme, als er das letzte Wort betonte.

Die Erwähnung des Dons ließ einige der Männer kurz aufblicken. Eine Begegnung mit Don Mateo konnte eine Ehre sein, aber auch gefährlich. Seine Launen waren völlig unberechenbar geworden; ein falsches Wort konnte sanftes Nicken in tödliche Wut verwandeln. Ricardo spürte ein leichtes Kribbeln. Mateo persönlich zu sehen, war selten für Männer auf seiner Stufe. Es war eine Gelegenheit, zu beobachten, zu lernen – Schwächen aus nächster Nähe zu studieren.

Während die anderen Männer murrend begannen, die Waffen und Ausrüstung aus dem Pick-up zu holen, trat Ricardo einen Schritt zur Seite, scheinbar damit beschäftigt, den Schlamm von seinen Stiefeln zu kratzen. Seine Augen jedoch folgten Hector, der mit federndem Schritt auf das Haupthaus zuging. Er sah, wie Hector kurz mit einem der Wächter am Eingang sprach, ein kurzes, herablassendes Nicken, bevor er im Inneren verschwand. Arroganz, dachte Ricardo. Hectors Arroganz wird sein Verderben sein. Er übersah zu viel, fühlte sich zu sicher in seiner Position unter dem alternden Löwen.

Ricardo wandte sich seiner Schrotflinte zu. Das Metall war immer noch warm. Er zerlegte die Waffe mit geübten Handgriffen, die Finger bewegten sich automatisch. Jeder Teil wurde sorgfältig mit einem öligen Lappen gereinigt, jede Spur von Staub und Blut entfernt. Es war eine monotone Arbeit, aber sie gab ihm Zeit zum Nachdenken. Die Ranch, die Männer, Hectors Verhalten, die bevorstehende Möglichkeit, Mateo zu sehen – es waren alles Teile eines Puzzles. Er musste nur erkennen, wie sie zusammenpassten und wo er seinen Hebel ansetzen konnte.

Ein anderer junger Sicario, den Ricardo nur als Chucho kannte – ein nervöser Typ mit einem hässlichen Brandmal am Hals –, kam zu ihm herüber und begann ebenfalls, sein Gewehr zu reinigen. "Hector hat gute Laune", murmelte Chucho, ohne aufzusehen. "Der Schlag gegen Martillo lief glatt. Vielleicht gibt's 'ne Prämie." Ricardo zuckte nur mit den Schultern. "Glatte Arbeit bringt kein Bonus, sie wird erwartet." Chucho lachte nervös. "Du bist immer so ernst, Ricardo. Man muss die kleinen Siege genießen." "Kleine Siege halten dich klein", erwiderte Ricardo leise, mehr zu sich selbst als zu Chucho. Er bemerkte den schnellen, unsicheren Blick, den Chucho ihm zuwarf, bevor dieser sich wieder seiner Waffe widmete. Gut. Ein wenig Furcht oder zumindest Respekt konnte nicht schaden.

Er beendete die Reinigung, setzte die Schrotflinte sorgfältig wieder zusammen. Ein leises Klicken bestätigte, dass alles passte. Er lehnte die Waffe gegen die Wand und ließ seinen Blick über das Gelände schweifen. Die Sonne war fast verschwunden, lange Schatten krochen über den staubigen Boden. Die Ranch wirkte jetzt noch bedrohlicher, ein Ort voller verborgener Gefahren und flüsternder Intrigen. Er war nur ein kleines Rädchen hier. Aber Rädchen konnten ganze Maschinen zum Stillstand bringen, wenn sie am richtigen Ort blockierten. Er musste nur diesen Ort finden. Und auf den richtigen Moment warten.

Die Dunkelheit kroch nun endgültig über die Ranch, verschluckte die letzten Reste des blutroten Abendhimmels. Nackte Glühbirnen, die hier und da an Masten hingen, warfen spärliche Lichtkegel auf den staubigen Boden und ließen die Schatten tanzen. Das Summen der Insekten wurde lauter, mischte sich mit dem gedämpften Lachen einiger Männer und dem leisen Klirren von Flaschen. Die anfängliche Anspannung nach der Ankunft war einer müden, aber wachsamen Routine gewichen. Man wartete. Auf Befehle, auf Essen, auf den nächsten Auftrag. Man wusste, Don Mateo war im Haupthaus. 

Ricardo saß auf einer umgedrehten Kiste im Schatten eines Schuppens, die Schrotflinte griffbereit neben sich. Er aß lustlos einen trockenen Tortilla, den jemand herumgereicht hatte. Chucho hockte nicht weit entfernt und kaute nervös auf einem Grashalm. Die meisten Männer mieden jetzt Ricardos Nähe, spürten seine kühle Distanziertheit.

Endlich öffnete sich die Tür des Haupthauses und warf einen hellen Lichtstreifen nach draußen. Hector trat heraus, gefolgt von zwei stämmigen Leibwächtern, die Ricardo vorher nicht gesehen hatte. Hectors Miene war undurchdringlich, aber seine Schritte wirkten immer noch federnd, selbstsicher. Er blieb auf den Stufen stehen und ließ seinen Blick über die versammelten Männer schweifen. Die Gespräche verstummten.