Blutiges Erwachen - Roger Smith - E-Book
SONDERANGEBOT

Blutiges Erwachen E-Book

Roger Smith

4,5
6,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 6,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Tropen
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2010
Beschreibung

Ein höllisch heißer Sommer in Kapstadt. Das amerikanische Ex-Model Roxy und ihr Mann Joe, ein zwielichtiger Waffenhändler, werden überfallen. Joe wird verwundet, und als die schwarzen Gangster mit seinem Wagen verschwunden sind, handelt Roxy kurz entschlossen und erschießt ihren Mann. Die beiden Gangster, die plötzlich unter Mordverdacht stehen, schwören auf Rache. Doch unverhofft findet Roxy einen Beschützer, den farbigen Billy Afrika, der allerdings seine ganz eigenen Ziele verfolgt. Und sie alle haben Piper im Nacken, einen liebesbesessenen Psychopathen, der brutal entschlossen ist, sich das zu holen, was er für sein Eigentum hält ... "An dem Abend, als sie ausgeraubt wurden, speisten Roxy Palmer und ihr Mann Joe mit einem afrikanischen Kannibalen und seiner ukrainischen Hure."

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 417

Bewertungen
4,5 (34 Bewertungen)
24
4
6
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Besuchen Sie uns im Internet: www.klett-cotta.de/tropen

Tropen

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel "Wake Up Dead" im Verlag Henry Holt and Company, LLC, New York

© 2010 by Roger Smith

By arrangement with Liepman AG, Zürich, Switzerland

© 2010 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Cover: Herburg Weiland, München

Printausgabe: ISBN 978-3-608-20206-0

E-Book: ISBN 978-3-608-10151-5

Für Natalie und Maxwell Smith

KAPITEL 1

An dem Abend, als sie ausgeraubt wurden, speisten Roxy Palmer und ihr Mann Joe mit einem afrikanischen Kannibalen und seiner ukrainischen Hure.

Die Hautfarbe des lässig eleganten, in einen maßgeschneiderten Seidenanzug gekleideten Afrikaners war schwarzblau, und auf den Wangen trug er Stammesnarben. Er sprach ein hervorragendes Englisch mit französischem Akzent, und selbst wenn er aus dem Telefonbuch von Kapstadt vorgelesen hätte, wäre es noch Poesie gewesen. Die Hure hatte blonde Zöpfe, deren dunkle Wurzeln ihre Kopfhaut schraffierten wie Obduktionsnähte einen Leichnam. Sie sprach nicht viel und war während des Essens die meiste Zeit damit beschäftigt, Roxy wegen ihres naturblonden Haares und ihres perfekten amerikanischen Gebisses zu hassen.

Wenn der Kannibale seinen Monolog unterbrach, um zu essen oder zu trinken, versuchte Joe Palmer ein paar Worte einzuschieben. Nach der frankophonen Eloquenz klang der südafrikanische Joe wie ein Lastwagen ohne Kupplung, der mit Zwischengas gefahren wurde.

Sie waren im Blues in Camps Bay mit Blick aufs Meer, und obwohl es bereits fast neun war, als sie sich zum Essen setzten, waren der Strand und die Hänge des Tafelbergs immer noch in die letzten goldenen Sonnenstrahlen getaucht. Kapstadt und Nizza sind Partnerstädte, und an einem Abend wie diesem verstand Roxy auch, warum.

Irgendwann während der Mahlzeit driftete sie ab. Pickte an ihrem Zackenbarsch herum, trank ein Glas Kap-Weißwein mehr, als sie sich normalerweise erlaubte, und ließ sich vom Rhythmus der Stimme des Afrikaners einlullen, ohne wirklich auf seine Worte zu achten. Eine Fertigkeit, die sie sich im Laufe der Jahre mit Joe angeeignet hatte. Allerdings nagte etwas an ihr, ein Erinnerungssplitter, der ihre hart erworbene Distanziertheit durchbohrte.

Dann fiel es ihr wieder ein.

Der Mann, der ihr jetzt hier gegenübersaß und kleine Häppchen Ente à l’orange verspeiste, war während eines der endlosen Bürgerkriege seines zentralafrikanischen Heimatlandes von der Kamera eines Nachrichtenteams gefilmt worden. Er hatte einem Feind bei lebendigem Leib das Herz herausgeschnitten, hatte das noch schlagende Organ aus der Brust des Mannes gezogen und es gegessen. Hatte beim Kauen in die Kamera gegrinst.

Kein französischer Akzent der Welt konnte dieses Bild tilgen. Roxy legte Messer und Gabel aus der Hand, trank einen Schluck Wein und schaute hinaus zum Mond, der über den Wellen aufstieg. Dann warf Joe ihr einen Blick zu, unsichtbar für alle anderen, und sie wusste, dass die Männer ein paar Minuten allein brauchten, um ungestört über Geschäfte zu reden. Waffen oder Söldner. Oder beides.

Roxy stand auf. »Kommen Sie, wir gehen uns mal frisch machen.«

»Ich muss aber nicht«, erwiderte die Hure, der dieser Teil des Spiels ganz offensichtlich neu war.

Der Kannibale stieß ihr den Ellbogen unter die Silikontitten. »Geh pissen.« Aus seinem Mund klang es fast wie ein Segensspruch: Geh in Frieden.

Die Wasserstoffblondine rappelte sich mühsam auf in ihrer brutal engen gefakten Diesel-Jeans und auf den fünfzehn Zentimeter hohen Absätzen. Roxy schob sich elegant zwischen den Tischen durch, besetzt mit Kapstadts reichen, sonnengebräunten und vorwiegend weißen Restaurantgästen. Die Ukrainerin taumelte hinter ihr her. Alle Blicke waren nur auf Roxy gerichtet. Das konnte sie immer noch – sämtliche Blicke auf sich ziehen –, auch wenn die Dreißig nur noch Erinnerung war.

Sie betraten die geflieste und wohlriechende Damentoilette. Aus den Deckenlautsprechern rieselte leise Musik von Michael Bolton. Roxy verschwand in eine Kabine, schloss die Tür und setzte sich. Sie musste nicht pinkeln, aber sie brauchte ein oder zwei Minuten für sich allein. Um cool zu bleiben und fokussiert, wie man sagt.

Als sie wieder herauskam, zog die andere Frau an den Waschbecken eine Line weg. »Willste auch?«

Roxy schüttelte den Kopf, während sie sich die Hände wusch. Sie hatte seit Jahren kein Koks mehr angerührt.

»Wo hast du ihn kennengelernt?« Schniefend und sich die Nasenflügel reibend warf sie Roxy im Spiegel einen Blick zu. »Deinen Mann?«

»In einem Lokal wie diesem.« Roxy trocknete sich die Hände ab und machte mit ihren Haaren eine dieser völlig sinnfreien Übungen, wie es Frauen vor Toilettenspiegeln eben so tun.

Die Hure versuchte zu lächeln und gab dabei den Blick auf Meisterwerke der Zahntechnik aus der Vor-Glasnost-Ära frei. »Vielleicht hab ich ja auch mal Glück. Wenn du’s geschafft hast, kann ich’s auch.«

»Klar«, meinte Roxy.

Und dachte: Einen Scheißdreck wirst du, Tschernobyl -Fresse. Aber war sie denn so anders als diese Frau? Richtig auf den Strich gegangen war sie nie, aber während ihrer Jahre als Model hatte es zahllose reiche Männer gegeben, die für ihre Zeit und Zuneigung bezahlt hatten.

Genau wie Joe jetzt.

Sie ließ diese Gedanken auf der Damentoilette zurück.

Disco De Lillys Fluch war, dass er gottverdammt gut aussah. Das sagte ihm jeder, als Kind schon und noch heute. Seine Schönheit hatte ihm – wie Schönheit das eben so macht – Türen geöffnet. Aber gleichzeitig hatte er sich damit auch ohne Ende Ärger eingehandelt.

Wie er da auf dem Beifahrersitz des gestohlenen Nissan saß, verkrampften sich bei der Erinnerung an die erste Nacht im Pollsmoor Prison unwillkürlich seine Arschmuskeln. Ein Martyrium, nach dem er zerrissen und total verängstigt war, bis er seinen Beschützer fand. Der ihm dann wirklich zeigte, was die Hölle auf Erden war.

»Willste nochma?« Godwynn MacIntosh hielt ihm die kleine Glaspfeife hin, die immer noch von der Hitze der Flamme seines Feuerzeugs blubberte.

Disco nahm einen Zug, behielt das Crystal in der Lunge und hustete den Rauch dann aus. Er brauchte es, um die Nerven zu beruhigen, das Bild des Gefängnisses aus dem Kopf zu verbannen und sich auf den anstehenden Job konzentrieren zu können.

Godwynn nahm die Pfeife zurück, und während er den letzten Rest des Meth inhalierte, war das tick-tickende Geräusch zu hören, von dem die Droge in der hiesigen Szene ihren Namen hatte. Während Disco groß und schlank war, war Godwynn stämmig und gedrungen. Und dunkelhäutig. Nichts, worauf man unbedingt stolz sein konnte auf den bezüglich Hautfarbe selbstbewussten Cape Flats, wo die Geburt eines dunkelhäutigen Kindes kein Grund war, eine Kiste Wein zu knacken und zu feiern.

Mit einem leichten Surren im Schädel stellte sich Disco amüsiert vor, wenn er und Godwynn Kaffee wären, dann würde er ein Cappuccino sein und Goddy ein doppelter Espresso.

Er lachte.

»Ja? Was ist so scheißwitzig?«, fragte Goddy.

Disco schüttelte den Kopf, behielt die Augen fest auf den Benz geheftet, der in der Kurve drei Autos vor dem Nissan parkte. Vor zwei Stunden war Goddy in Discos Hinterhof-Hütte aufgekreuzt. Erzählte ihm, Manson, der Boss der Paradise-Park-Americans-Gang – Goddys Boss –, hätte gesagt, er solle sich gottverdammt besser erst dann wieder blicken lassen, wenn er am Steuer eines Mercedes-Benz 500 SLC säße. Das aktuelle Modell.

Also waren sie rüber nach Camps Bay mit seinen Straßencafés und Abzock-Restaurants. Die schicken Schüsseln wurden von der noblen Strandpromenade angezogen wie Zecken vom Arschloch eines streunenden Hundes.

Goddy setzte sich gerade hin. »Sieh dir das an!«

Disco beobachtete das Pärchen, das sich dem Benz näherte. Der Mann, kräftig, schwabbelig und weiß, trug eine schwarze Hose und ein helles Hemd – keine Krawatte. Die Anzugjacke lässig über dem linken Arm. Die Frau war blond, und irgendwas an ihrem Gang erinnerte an diese spindeldürren Mädels im Fashion Channel. Nur, sie war nicht spindeldürr; sie war verdammt gut gebaut.

»Glaubste, der hat ’ne Wumme?«, fragte Goddy.

Disco sah, dass der Mann seine Fettrollen in das enge Hemd gezwängt hatte wie in eine Wurstpelle. Da war kein Platz für eine Kanone. Er schüttelte den Kopf. Goddy tauchte unter das Armaturenbrett, fummelte an den Drähten, die lose von der Lenksäule herunterhingen, und versuchte, den Nissan zu starten.

Disco beobachtete, wie der Fettsack dem Typen, der auf die parkenden Autos aufpasste, eine Münze zuschnippte. Die Alarmanlage des Benz piepte einmal kurz, die Blinker leuchteten eine Sekunde lang gelb auf. Der Mann hielt der Blondine die Beifahrertür auf. Sie glitt förmlich in den Wagen und zeigte dabei im Licht der Straßenlaterne viel von ihrem schönen Bein. Seine Jacke warf er auf den Rücksitz. Die Jacke hatte den kleinen silbernen Diplomatenkoffer verborgen, den er in der linken Hand hielt. Das Weißbrot öffnete den Kofferraum und warf den Koffer hinein, schlug die Klappe zu, stieg in den Wagen und ließ den V8-Motor röhren.

»Die Sardinen machen die Dose auf«, kommentierte Disco, als das Dach des Benz zurückglitt und zwei Köpfe zum Vorschein brachte: der eine blond, der andere dunkel.

Der Nissan sprang sprotzend an, und Goddy tauchte unter dem Armaturenbrett wieder auf. »Können die’s einem nicht was leichter machen?«

Der Benz glitt auf die Victoria Road hinaus. Goddy ließ einen anderen Wagen vorbei, dann folgte er ihm. Disco spürte das Tik in seinen Adern und den Colt, der sich vorn an seinen Waschbrettbauch schmiegte.

Zeit, an die Arbeit zu gehen.

»Scheiße, Roxanne, du hättest dich ruhig ein bisschen mehr ins Zeug legen können«, schimpfte Joe. Auch nach fünf Jahren in Kapstadt tat ihr dieser tonlose Akzent noch in den Ohren weh.

Roxy schwieg.

»Mein Gott, ich wünschte, du kämest langsam drüber weg. Ich meine, hey, scheiße, gottverdammt wie lange denn noch …?« Er fuhr zu schnell, wie immer. In der Nähe von Glen Beach überholte er ein Auto in einer unübersichtlichen Kurve.

Sie hielt den Mund. Wusste, dass es ihn total anpisste, wenn sie ihn ignorierte. Wartete auf die Wut, die Joe heimsuchte wie ein Schatten.

Aber er schüttelte nur den Kopf und brummte: »Ach, scheiß doch der Hund drauf …«

Roxy vermutete, dass er einen super Deal mit dem Afrikaner gemacht hatte, den Erfolg noch auskostete und sich seine gute Laune nicht verderben lassen wollte. Sie betrachtete seine Hände auf dem Lenkrad des Mercedes. Schöne Hände. Wenn man nicht den Mann sah, der an ihnen dranhing, hätte man sie für die Hände eines Pianisten oder Chirurgen halten können. Nicht die eines übergewichtigen Schlägertypen, der sich seine Brötchen mit dem Verkauf des Todes verdiente.

Die Nacht war heiß und windstill, als sie den unteren Hang des Lion’s Head Richtung Bantry Bay hochfuhren. Der Tafelberg war nur eine flache schwarze Silhouette vor dem Hintergrund des mondbeschienenen Himmels. Die nächsten Minuten verstrichen in Stille. Sie beobachtete, wie der Mond das Meer silbern anmalte, und sie konnte das V-förmige Kielwasser eines Kreuzfahrtschiffes sehen, als es auf dem Weg ins offene Meer Robben Island hinter sich ließ.

Sie ertappte sich einen Moment lang bei der törichten Vorstellung, sie wäre auf diesem Schiff.

»Ich übernehme den Fahrer, okay?« Goddy behielt die Hecklichter des Benz immer in Sichtweite, während sie zu den Häusern der Reichen den Berg hinauf kurvten.

»Ja. Cool.«

Disco dachte an die Blondine in dem vor ihnen fahrenden Wagen, wie das Kleid sich von ihrem Bein löste, als der weiße Arsch ihr die Tür aufgehalten hatte. Zu blöd, dass sie sie nicht mitnehmen konnten.

Dann musste er ans Gefängnis denken und drehte sich zu Goddy um. »Hey, Bruder, scheiße Mann, du knallst sie doch nicht ab, oder?«

Der Benz wurde langsamer, der Blinker leuchtete.

Goddy bremste ebenfalls. »Entspann dich, Alter«, sagte er. »Nur, wenn’s sein muss.«

Joes Hand auf dem Lenkrad bewegte sich, und sie hörte das gedämpfte Ticken des Blinkers. Er stoppte den Wagen in der Einfahrt und betätigte die Fernbedienung am Schlüsselanhänger, um das hohe Tor zu öffnen. Nichts passierte. Er versuchte es wieder, der Wagen im Leerlauf, die Scheinwerfer auf das Holztor gerichtet, das sich anscheinend nicht in Bewegung setzen wollte.

»Der Scheißmotor macht immer noch Mucken!« Er griff nach dem Türöffner.

Als Joe sich aus dem Wagen wuchtete, trat der dunkelhäutige Mann aus dem Schatten, die Waffe wie eine Verlängerung seines Arms. Roxy hörte, dass ihre Tür geöffnet wurde, und sie spürte etwas Kaltes auf der Wange und eine grobe Hand auf ihrer Schulter. Die an ihr zog.

»Steig aus. Beweg dich!«

Der zweite Mann, der auch mit einer Waffe herumfuchtelte, zerrte Roxy aus dem Wagen, wobei ihr das Kleid die Oberschenkel hochrutschte. Sie sah sein Gesicht im Licht der Straßenlaterne. Sah, dass er so hübsch war wie ein Model von Calvin Klein. Ihr rechter Schuh verhakte sich und blieb im Wagen, als der Mann an ihr zog. Sie stolperte auf die Straße, schürfte sich die Knie am Backsteinpflaster, sagte sich: Das hier passiert jetzt nicht wirklich. So was liest man nur in der Zeitung, so was passiert immer nur anderen Leuten. Sie sah, dass Joe mit dem anderen Mann kämpfte. Macho Joe.

Ein Schuss, ohrenbetäubend in der Stille der Nacht.

Die Zeit beschleunigte sich.

Die Männer saßen im Mercedes, der jetzt zurücksetzte und davonbrauste. Einen Sekundenbruchteil konnte sie nichts anderes denken, als dass sie ihren Schuh hatten, ihren Manolo Blahnik. Das Paar, dass der Designer ihr nach einer Modenschau in Mailand höchstpersönlich geschenkt hatte. Dann sah sie Joe, der auf dem Rücken in der Einfahrt lag, die Arme weit ausgebreitet, als würde er sich am Pool sonnen. Roxy stand auf, humpelte auf ihrem einen Absatz. Schleuderte den Schuh fort und lief zu ihm hinüber.

»Joe!«

Sie kniete sich neben ihn. Die das Tor flankierenden Kutschenlampen warfen genug Licht, um zu erkennen, dass er dicht oberhalb des rechten Knies blutete. Aber er bewegte sich, versuchte aufzustehen.

»Verschissene Drecksäcke!« Joe umklammerte sein verwundetes Bein mit der linken Hand und benutzte den rechten Arm, um das Gleichgewicht zu halten, während er sich mühsam auf die Knie stemmte.

Etwas lag neben Joe auf den Ziegeln, etwas, das ölig und schwarz in der Nacht schimmerte. Eine Waffe. Fallen gelassen während des Kampfes. Bevor Roxy sich erlaubte nachzudenken, fanden ihre Hände die Pistole und hoben sie auf. Joes Augen folgten der Bewegung, starrten zu ihr hoch, wie sie da stand, die Haare wie ein Heiligenschein vor dem Licht der Straßenlaterne. Sie richtete die Waffe auf ihn, staunte, dass ihre Hände nicht mal zitterten.

Er stieß ein sehr joemäßiges Halblachen aus. »Roxy?«

Sie schoss ihm genau zwischen die Augen.

KAPITEL 2

Billy Afrika wusste, dass er wieder zu Hause war, als die Stammesfrau auf dem Johannesburger Flughafen beim Passieren des Metalldetektors Alarm auslöste.

Er war mit einem britischen Frachtflugzeug von Bagdad nach Dubai geflogen. Dann war’s mit Emirates weitergegangen zum O. R. Tambo International in Jo’burg, die Maschine vollgepackt mit Südafrikanern, die von ihrer Shoppingtour im zollfreien Wüstenparadies zurückkehrten. Sie wanderten wie Zombies durch die Gänge des Airbus und waren immer noch ganz fiebrig, nachdem sie tagelang ihr Kreditkartenplastik zum Qualmen gebracht hatten.

Billy befand sich im Inlands-Terminal, Abflüge, wegen seines späten Anschlussflugs nach Kapstadt. Ein schlanker, braunhäutiger Mann von Mitte dreißig, drahtig, die Haare bis auf den Schädel rasiert. Beobachtete die Welt mit den grünen Augen seines deutschen Vaters, den er nie kennengelernt hatte.

Er war hinter der Stammesfrau, als sie durch die Sicherheitsabfertigung gingen. Sie barfuß, in eine bestickte Decke gehüllt, das Haar mit Perlen geflochten, an Beinen und Armen zahlreiche Reifen und Spangen aus Draht. Was den Metalldetektor ordentlich in Stimmung brachte.

Als Billy seine Tasche vom Gepäckband nahm, sah er, wie die Frau zur Leibesvisitation geführt wurde. Später sah er sie noch einmal, als sie vor dem Hintergrund in Flutlicht getauchter Boeings auf Zulu in das neueste Nokia-Handy sprach.

Er hatte durchgehalten, seit er in Bagdad abgeflogen war. Hatte sich auf die unmittelbar vor ihm liegende Aufgabe konzentriert, hatte sich dabei von seinem Zorn antreiben lassen. Als er dann schließlich in der 737 saß, fühlte er sich seinem normalen, beherrschten Selbst so nahe wie seit einer Woche nicht mehr.

Bis Abdul sich herabbeugte und ihm sagte, er solle sich anschnallen. Natürlich war es nicht der beschissene Abdul, sondern nur irgendein muslimischer Flugbegleiter aus Kapstadt mit schwarzem Schnauzer und üblem Mundgeruch.

Aber Schweißperlen kribbelten auf Billys Stirn, und er merkte, wie seine Hände die Armlehnen umklammerten, als er wieder den erschütternden, dumpfen Schlag der Explosion auf der linken Seite des BMW spürte, die die Panzerung durchbohrte und den irakischen Fahrer enthauptete, dessen Kopf Billy Afrika daraufhin auf den Schoß flog. Abdul hatte zu ihm aufgeschaut und dabei den Mund zu einem Lächeln verzogen, so als wolle er gerade einen Witz über sunnitische Frauen und Wüstenesel reißen. Die Wucht der Explosion drückte das Chassis des BMW ein und bog Billys Tür auf, womit sich sofort ein neues Ziel bot: er.

Eine Kugel krachte in seine Kevlar-Weste. Der vorausfahrende Wagen war im Rauch verschwunden, aber er sah, dass der dritte Wagen stoppte, die Männer darin sich hinlegten und Feuerschutz suchten. Er stieß Abduls Kopf beiseite, warf einen kurzen Blick in den Fond und sah nach dem Kunden, dem VIP, den er eigentlich beschützen sollte: der Schwede oder Däne oder was immer er war. Jetzt war er gar nichts mehr. Er war nur noch über die komplette Rückbank verschmiert. Am besten Deckel drauf und nicht mehr nachsehen.

Billy trat die Tür ganz auf und rollte sich mit der tschechischen MP schießend hinaus, einer für den Nahkampf modifizierten Waffe. Ein Querschläger prallte von seinem Helm ab, was ein Klingeln in seinen Ohren hinterließ. Er rannte zu dem Wagen dahinter und hätte es fast geschafft, als die zweite Explosion ihn von den Beinen holte und einen Salto schlagen ließ, ihm zuerst Helm, Splitterschutzweste und Stiefel wegriss, bevor sie ihn dann brutal zu Boden schleuderte.

Als er vier Stunden später wieder die Augen aufschlug, im Twenty-eighth Combat Support Hospital, starrte er auf die sich pellende rosa Nase des Albino-Buren Danny Lombard, der weißeste Mann, dem er je begegnet war.

»Es gibt gute Neuigkeiten«, sagte Lombard, »und es gibt schlechte Neuigkeiten.«

»Was sind die guten Neuigkeiten?«

»Du hast noch deine Eier.«

»Und die schlechten Neuigkeiten?«

»Dein Arsch ist gefeuert.«

»Warum?«

»Irgendwer muss es schließlich ausbaden, dass wir den Kunden verloren haben. Und von den Yanks wird’s keiner sein.«

Billy zuckte mit den Achseln. Bei der Bewegung pochte ihm der Schädel. »Ich werde mit den Rekrutierungsleuten zu Hause reden.« Er sah das Gesicht des Albino. »Was ist?«

Es kam noch schlimmer.

Die Südafrikaner waren von einer Agentur für Dienstleistungen im Sicherheitsbereich in Kapstadt angeworben worden, die sie wiederum an eine amerikanische Firma im Irak weitervermittelt hatte, Clearwater Tactical. Clearwater bezahlte den Vermittler, der wiederum sie bezahlte, indem er jeden Monat das Geld auf ihre Bankkonten zu Hause überwies. Oder es zumindest tun sollte. Aber bei jedem von ihnen war er mit dreißigtausend im Rückstand, und der Vermittler ging nicht ans Telefon.

Wenn man dreißigtausend mit sieben multiplizierte, kannte man den Grund, warum Billy im Irak seinen Arsch riskierte. Zweihundertundzehntausend Rand. Als er noch Polizist in Südafrika gewesen war, hatte er mehr als drei Jahre gebraucht, um so viel Geld zu verdienen.

Billy dachte an den Mann, der draußen auf den windgepeitschten Cape Flats beerdigt lag, und an das Versprechen, das er ihm gegeben hatte. Spürte, wie etwas durch die zerbröckelnde Mauer zu sickern begann, die er diese letzten beiden Jahre um sich herum errichtet hatte.

Mit ein paar blauen Flecken und mörderischen Kopfschmerzen hatte er sich selbst aus dem Lazarett entlassen. Er kehrte nach Hause zurück. Zurück nach Kapstadt.

Die 737 stieß sich von der Startbahn ab und tauchte in den Nachthimmel ein. Billy Afrika wusste, was er zu tun hatte. Und wen er treffen musste.

Den Vermittler. Joe Palmer.

Bis auf die überraschend kleinen Eintrittswunden in Stirn und Bein sah Joe ziemlich genau so aus, wie er morgens früh zunächst immer aussah: weiß und ungesund und splitternackt. Sein Schwabbelbauch und sein Schwanz hingen traurig Richtung behaartem Oberschenkel herunter. Das linke Auge war geschlossen. Das rechte Auge starrte zu Roxy auf, mit schwerem Lid, träge. Als würde er ihr zuzwinkern. Ein Schildchen hing am dicken Zeh seines linken Fußes. Roxy bemerkte, dass er dringend eine Fußpflege benötigt hätte.

»Mein Gott, könnt ihr ihn nicht wenigstens zudecken?« Dick Richardson, Joes Anwalt, stand an Roxys Seite neben der offenen Kühlschrankschublade.

Der Mitarbeiter des Leichenschauhauses, ein junger brauner Mann mit fleckigem weißem Kittel, zuckte nur mit den Achseln.

»Und warum zum Teufel sind wir nicht in einem anständigen Aufbahrungsraum?«, fragte Dick.

»Aufbahrungsräume alle belegt.«

Roxy war nach den Ereignissen der Nacht immer noch benommen, und sowieso, sie hatte Joe schon in schlimmerer Verfassung gesehen. Der Angestellte beäugte sie, als wäre sie essbar, und wartete darauf, dass sie etwas sagte.

»Ja. Das ist mein Mann.«

Er machte sich eine Notiz auf einem Klemmbrett und drückte die Schublade zu.

»Eine Scheißgeschichte«, meinte Dick, als er ihren Arm ergriff und sie wegführte. »Diese verfluchte Stadt ist völlig außer Kontrolle.«

Er hielt ihr eine abstoßend cremefarbene Tür auf und ließ sie auf den Korridor hinaustreten.

Ein Chaos aus Leichen auf Bahren, Bullen, gestressten Mitarbeitern des Leichenschauhauses, die versuchten, sich um die Flut an Toten und ihre trauernden Hinterbliebenen zu kümmern. Extra starkes Desinfektionsmittel führte einen aussichtslosen Kampf gegen den süßlichen Geruch verwesenden menschlichen Fleischs.

Dick näherte sich, um wieder ihren Arm zu nehmen, doch sie wich ihm geschickt aus. Sein rötlichblondes Haar wurde grau, und Seglerfalten fächerten sich an seinen hellen Augen auf. Er kultivierte eine entfernte Ähnlichkeit mit dem jüngeren Robert Redford.

»Tut mir leid, dass Sie das über sich ergehen lassen mussten. Ich habe die Polizei gefragt, ob ich das nicht übernehmen könnte, aber die haben darauf bestanden, dass Sie Joe identifizieren.«

»Schon in Ordnung.«

Sie gingen in ein Büro, wo Roxy den Erhalt von Joes persönlicher Habe quittieren musste. Eine asthmatische Frau mit welker gelber Haut schnaufte schwer, als sie eine prall gefüllte Plastiktüte auf die Schaltertheke knallte. Die Frau nahm einen Gegenstand nach dem anderen heraus, den Roxy identifizieren musste. Joes Schuhe, Socken, Unterwäsche, Anzughose, Gürtel und das blutbefleckte weiße Hemd. Eine Brieftasche war da, mit seinem Führerschein und den Kreditkarten, aber das Bündel Bargeld war fort, das sie am Abend zuvor kurz gesehen hatte, als er das Essen bezahlte. Genau wie sein Ehering, das Handy und die Patek-Philippe-Armbanduhr, die sie ihm zu seinem letzten Geburtstag gekauft hatte.

Gekauft von seinem eigenen Geld, aber trotzdem.

Roxy machte sich nicht die Mühe, nach den fehlenden Dingen zu fragen. Wenn schon die Lebenden in dieser Stadt ständig abgezockt wurden, warum dann nicht auch die Toten? Sie unterschrieb das Formular. Die Frau saugte an einem Inhalator und stopfte die Kleidungsstücke zurück in die Tüte. Roxy nahm die Tüte und folgte Dick hinaus auf den Korridor.

»Es haben Sachen gefehlt, stimmt’s?«, fragte er.

Sie zuckte mit den Achseln. »Ist mir egal.«

»In diesem Laden hier kann man schon froh sein, wenn sie einem nur das Telefon oder das Geld klauen. Letzte Woche erst haben sie einem armen Drecksack, der bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war, den Fuß abgesägt.« Jetzt war sie aufmerksam. »Wahrscheinlich haben sie den für muti verkauft.« Mit seinem nasalen Akzent kam es als muuuh-tie heraus. »Hexerei, verstehen Sie? Diese Scheißwilden.«

Er hielt eine weitere Tür auf, und dann standen sie draußen im hellen Morgenlicht Kapstadts; die harte afrikanische Sonne offenbarte gnadenlos sämtliche Makel des Salt-River-Leichenschauhauses und der schäbigen umliegenden Gebäude am Rande der Stadt.

Roxy setzte die Sonnenbrille auf. Als sie zu Dicks Range Rover hinübergingen, trällerte sein Handy los. Er nuschelte eine Entschuldigung und nahm den Anruf entgegen. Roxy blieb stehen und schaute zum Tafelberg hoch, der über den ärmlichen Gebäuden aufragte, und zu einer flauschigen weißen Wolke, die über dem flachen Gipfel schwebte wie Gischt, während der Wind von Süden landeinwärts wehte.

Es war immer noch recht früh am Tag, gerade mal acht Uhr morgens. Die Nacht zuvor hatte sie nicht geschlafen, hatte auf dem Bett im Gästezimmer gelegen – hatte nicht ins Schlafzimmer gehen können, wo immer noch alles nach Joe roch – und ins Dunkle gestarrt, bis die Sonne das felsige Antlitz des Lion’s Head berührte. Sie lag wach, als Dick um sieben anrief, um ihr mitzuteilen, dass sie Joe für die Polizei förmlich identifizieren müsse, damit sie mit der Autopsie beginnen könnten. Die Kugeln aus ihm herauspulen.

Roxy ging zu einem Abfalleimer auf dem Bürgersteig. Unrat ergoss sich daraus auf den Asphalt, weswegen sie die Plastiktüte auf den Müllberg neben dem Eimer legte. Aus einem nahegelegenen Hauseingang löste sich torkelnd ein Obdachlosenpärchen. Vornübergebeugt wie Matrosen auf einem sturmgepeitschten Deck steuerten sie eilig auf den Abfall zu. Roxy drehte sich zum Auto um. Dick telefonierte immer noch, mit der freien Hand strich er sein rötlichblondes Haar zurück, das vom Wind zerzaust wurde.

Roxy hörte Rufe und schaute sich um. Das Pärchen stritt sich wegen der Tüte. Der Mann zog Joes Hemd aus den Händen der Frau und faltete es auseinander, hielt es vor seine Brust, wobei der Stoff flatterte wie eine blutige Kapitulationsfahne.

Roxy sah Joes Leiche, umgeben von Bullen und Sanitätern, blitzende Lichter auf den Dächern der Einsatzfahrzeuge tauchten die Straße in Rot und Blau. Und sie sah sich selbst, in die Decke eines Sanitäters gehüllt, während sie ihre Geschichte erzählte. Es waren zwei Männer gewesen. Nein, sie hatte keinen von beiden richtig zu sehen bekommen. Es war alles viel zu schnell gegangen. Einer von ihnen schoss zweimal auf Joe, und dann flüchteten sie mit dem Mercedes in die Nacht.

Sie redigierte sorgfältig weg, dass sie, nachdem sie diesen Schuss abgefeuert hatte, die Waffe über die Klippe in das Gestrüpp weit unterhalb geworfen hatte. Die falschen Tränen einer trauernden Witwe, während sie zusah, wie die Sanitäter Joes Leiche in den Leichenwagen schoben, als brächten sie den Müll weg.

Sie war immer noch überrascht, wie einfach es gewesen war, wie leicht sich die Waffe in ihrer Hand angefühlt hatte, wie der Rückschlag geschmeidig ihren Arm hinauf und in ihre Schultern geflossen war. Wie leicht ihr die Lügen über die Lippen gekommen waren.

KAPITEL 3

Zuerst ließen sie ihn sein eigenes Grab ausheben.

Weil sie jung waren – mit seinen sechzehn war Piper der Älteste, und Goose mit dem verkümmerten Arm war gerade mal zwölf –, waren sie ungeduldig, und das Grab war nur flach. Dann schlugen sie ihn mit Fäusten zu Boden und traten ihn, während er sich zu einer Kugel zusammenrollte in dem vergeblichen Versuch, sich zu schützen. Piper, der bereits in diesem Alter den Unterschied zwischen Verwunden und Töten bestens kannte, kniete über ihm und setzte die Klinge an.

Die Ehre, das Benzin auszuschütten, fiel dem geistesschwachen Elvis zu, der kicherte und seine fehlenden Frontzähne zeigte, als er das Opfer übergoss. Piper entzündete ein Stück Stoff und warf es. Sie alle traten zurück und schauten zu, wie die Flammen tanzten, und sie lachten, als er schrie und sich krümmte.

Nach einer Minute rollten sie seinen brennenden Leib in das Grab.

Zwei von ihnen, schwarz vor dem ausgebleichten Himmel, arbeiteten mit den Schaufeln, die anderen drei schoben mit Händen und Füßen den sandigen Boden der Cape Flats. Die Erde legte sich schwer auf seine Glieder, füllte ihm Mund und Nase und bedeckte seine Augen, bis er nichts mehr sah außer Schwärze.

Billy Afrika kämpfte sich aus der Finsternis heraus. Fand sich wieder im Bett eines Backpacker-Hotels, während das Licht durch die geschlossenen Fensterläden hereinsickerte.

Schweißgebadet streifte er T-Shirt und Jeans über, um das Narbengewebe zu verdecken, das Beine und Rumpf überzog wie das Fell eines gescheckten Pferdes, und trat dann auf den breiten Balkon hinaus, der sich über die gesamte Länge des Gebäudes zog. Er blinzelte gegen die Sonne, sog gierig die Luft ein und umklammerte das Geländer. Seine Finger schlossen sich um filigran gearbeitetes Schmiedeeisen im viktorianischen Stil.

Es war Jahre her, seit er diesen Traum das letzte Mal gehabt hatte.

Er hatte erheblich länger geschlafen als geplant, und der Verkehr unter ihm knurrte wütend. Das Hotel für Rucksacktouristen an der Long Street, dem preiswerteren Touristenviertel von Downtown Kapstadt, war billig, anonym und laut. Auf dem Plastiktisch neben ihm türmten sich Bierflaschen und schmutzige Aschenbecher. Unter Jetlag leidend hatte er am Abend zuvor damit gekämpft, endlich einzuschlafen, wurde aber von den Balzrufen französischer und deutscher Kids wach gehalten, die mit hart dreinblickenden, karamelfarbenen einheimischen Mädels soffen und Gras rauchten. Nur eine weitere Wasserstelle auf ihrer afrikanischen Sex-Safari.

Schon wieder ruhiger kehrte Billy ins Zimmer zurück, zog sich bis auf die Unterhose aus und ging dann auf den Holzfußboden runter. Nach hundert Liegestützen spürte er eine andere Sorte Schweiß von seinem Körper tropfen. Er machte weiter, mit warmen und geschmeidigen Muskeln.

Zweihundert.

Hob sich auf die Fingerspitzen.

Dreihundert.

Schweißtropfen platschten aufs Holz. Ohne seinen Rhythmus zu unterbrechen, legte er die linke Hand auf seinen Rücken, spreizte die rechte Handfläche flach auf dem Boden und machte einarmig weiter.

Vierhundert.

Rollte sich dann in eine sitzende Position, hakte die Füße unter den Bettrahmen, verschränkte die Hände im Nacken. Fünfhundert Sit-ups. Schnell. Sein narbiger Körper nur mehr ein verschwommener Fleck von Muskeln und Schweiß in Bewegung.

Dann legte er sich auf den Boden zurück, starrte unter die hohe Zimmerdecke aus gepresstem Metall, ließ den Schweiß abkühlen, zog durch die Nase Luft in die Lungen. Das Grauen war aus seinem Körper gewichen. Während er spürte, wie sein Puls sich verlangsamte, verstaute er sorgfältig die Bruchstücke seiner Vergangenheit.

Sie steckten in Dicks Range Rover im morgendlichen Berufsverkehr zwischen Woodstock und der Innenstadt fest. Roxy hatte ihr Fenster geöffnet und kümmerte sich nicht darum, dass ihr der heiße Wind die Haare in die Augen blies. Dick stank nach dem Aftershave, von dem ihm eine Fernsehwerbung eingeflüstert hatte, es mache unwiderstehlich. Es war eine Lüge.

Er manövrierte in eine Lücke im Verkehr und suchte nach Worten, um die Stille zu füllen. »Mein Gott, ich kann das immer noch nicht begreifen. Kann einfach nicht glauben, dass Joe tot ist. Er war einzigartig.«

»Ja, das war er«, sagte sie.

Nein, war er nicht, dachte sie. Er war wie die meisten Männer, mit denen sie seit Teenagertagen zusammen gewesen war. Wie der Mann, der jetzt neben ihr saß, der sie ansah, als wäre sie ein hübsches Accessoire, ein Wanderpokal, der jederzeit aus dem Bett des einen reichen Mannes in das Bett des nächsten weitergereicht werden konnte. So wie sie es zugelassen hatte, dass man sie ansah. So wie sie sich selbst gesehen hatte.

Jetzt nicht mehr.

»Wie sieht’s bei Ihnen mit Bargeld aus, Roxanne?«

»Keine Ahnung. Darum hat Joe sich immer gekümmert.« Spielte das Dummchen. Männer wie Dick standen auf Dummchen.

»Wissen Sie, man wird seine Bankkonten ohne Ausnahme einfrieren, bis die rechtlichen Einzelheiten seines Nachlasses geklärt sind. Aber ich habe für ihn eine gewisse Summe treuhänderisch verwaltet, die ich Ihnen unter den gegebenen Umständen zur Verfügung stellen könnte. Es handelt sich um etwa einhundertfünfzigtausend Rand.«

Etwa zwanzigtausend Dollar.

»Danke, Dick. Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen.«

»No problemo! Geben Sie mir zwei Tage, Maximum.« Er strahlte wie ein Golden Retriever, der jeden Moment seine Schnauze zwischen den Beinen einer Frau vergraben würde. »Darf ich Sie jetzt zu einem Frühstück einladen? Das Mount Nelson ist an einem Tag wie diesem einfach fabelhaft.«

Seine Gefühllosigkeit ließ Roxy beinahe lachen. »Ein anderes Mal, okay?«

»Klar.« Er verbarg seine Enttäuschung hinter einem breiten Grinsen. »Wenn Sie irgendwas brauchen, brüllen Sie einfach. Rund um die Uhr. Egal, um was es geht.«

Sie blickte zu einem kleinen Auto hinunter, das an einer Ampel neben ihnen stand. Ein Kind – ein Mädchen mit flaumigem blonden Haar – war auf dem Rücksitz angeschnallt, wo es eine angeregte Diskussion mit einer Puppe führte. Sie schaute auf, bemerkte Roxy und bedeckte ihr Gesicht mit einer Hand, reagierte schüchtern, linste allerdings mit einem Auge herüber. Einen Moment lang überkam Roxy eine fast überwältigende Traurigkeit, sofort gefolgt von einem Aufflammen der gleichen Wut, die sie veranlasst hatte, den Abzug zu drücken und ihren Mann umzubringen.

Als dann der Range Rover im Verkehr beschleunigte und das Mädchen hinter sich ließ, war es, als würde die Wut ebenfalls zurückgelassen, und Roxy empfand mit einem Mal ganz intensiv ihre eigene, neugewonnene Freiheit. Eine leise Stimme nörgelte, sagte ihr, dass es unmöglich so einfach sein könne. Sie müsse irgendetwas empfinden. Schuld. Angst.

Aber so war es nicht. Noch nicht.

Sie fühlte sich sauber. So sauber wie schon seit Jahren nicht.

KAPITEL 4

Der Cape Doctor, der Sturm, der vom Indischen Ozean hereingefegt kam, blies Billy Afrika zurück in seine Vergangenheit draußen auf den Cape Flats. Der Tafelberg eine Fata Morgana in der Ferne.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!