Blutroter Schnee - Sharon Sala - E-Book

Blutroter Schnee E-Book

Sharon Sala

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Beschreibung

Caitlin Doyle Bennett lebt im Luxus. Die Schriftstellerin ist schön, reich und wird von vielen bewundert. Doch ihr Leben ändert sich schlagartig, als sie plötzlich blutverschmierte Briefe erhält: Jemand will ihr etwas antun, da ist sie sich sicher. Dennoch schenkt die New Yorker Polizei Caitlin keinen Glauben, zumal die Ermittler mit einer Serie brutaler Frauenmorde beschäftigt sind. So bleibt der jungen Frau keine Wahl: Sie braucht Schutz und muss den einen Mann um Hilfe bitten, den sie mehr als jeden anderen verachtet - und gleichzeitig begehrt: Connor McKee. Der Sicherheitsexperte ist sofort zur Stelle. Doch obwohl er Tag und Nacht bei ihr ist, kann auch Connor nicht verhindern, dass Caitlin in tödliche Gefahr gerät ...

Weitere Romantic-Suspense-Romane von Sharon Sala bei beTHRILLED u.a.: "Der ohne Sünde ist", "Tief unter die Haut" und "Wie ein stummer Schrei".

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.


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Seitenzahl: 436

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinWeitere Titel der AutorinTitelImpressum1. KAPITEL2. KAPITEL3. KAPITEL4. KAPITEL5. KAPITEL6. KAPITEL7. KAPITEL8. KAPITEL9. KAPITEL10. KAPITEL11. KAPITEL12. KAPITEL13. KAPITEL14. KAPITEL15. KAPITEL16. KAPITEL17. KAPITEL18. KAPITEL19. KAPITELEPILOG

Über dieses Buch

Caitlin Doyle Bennett lebt im Luxus. Die Schriftstellerin ist schön, reich und wird von vielen bewundert. Doch ihr Leben ändert sich schlagartig, als sie plötzlich blutverschmierte Briefe erhält: Jemand will ihr etwas antun, da ist sie sich sicher. Dennoch schenkt die New Yorker Polizei Caitlin keinen Glauben, zumal die Ermittler mit einer Serie brutaler Frauenmorde beschäftigt sind. So bleibt der jungen Frau keine Wahl: Sie braucht Schutz und muss den einen Mann um Hilfe bitten, den sie mehr als jeden anderen verachtet – und gleichzeitig begehrt: Connor McKee. Der Sicherheitsexperte ist sofort zur Stelle. Doch obwohl er Tag und Nacht bei ihr ist, kann auch Connor nicht verhindern, dass Caitlin in tödliche Gefahr gerät …

Über die Autorin

Sharon Sala veröffentlichte ihr erstes Buch 1991. Die New-York-Times-Bestsellerautorin schreibt sehr erfolgreich in fünf unterschiedlichen Genres und ist besonders bekannt dafür, dass sie in ihren Romanen gekonnt sinnliche Romantik und fesselnde Spannung miteinander verknüpft. Sie wurde unter anderem mit dem Career Achievement Award des Romantic Times Magazine ausgezeichnet. Ihre Fans kennen sie auch unter dem Namen Dinah McCall.

Weitere Titel der Autorin:

Eine fast perfekte Lüge

Der ohne Sünde ist

Tief unter die Haut

Wie ein stummer Schrei

Im Zeichen der roten Rose

SHARON SALA

BLUTROTERSCHNEE

Aus dem Amerikanischen von Rainer Nolden

beTHRILLED

Digitale Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2001 by Sharon Sala

Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Snowfall«

Originalverlag: Mira Books, Toronto

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This edition is published by arrangement with Harlequin Books S.A.

This is a work of fiction, Names, characters, places and incidents are either the product of the author’s imagination or are used factiously, and any resemblance to actual persons, living or dead, business establishments, events or locales is entirely coincidental.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30131 Hannover

Für die deutschsprachige Erstausgabe:

Copyright © der deutschen Übersetzung 2002 by MIRA Taschenbuch

Verlag: Cora Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat/Projektmanagement: Johanna Voetlause

Covergestaltung: Massimo Peter-Bille unter Verwendung von Motiven © shutterstock: Yanchous | Paolo Sartorio | Aleshyn_Andrei | Mikhail Kolesnikov

eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-4225-3

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

1. KAPITEL

Du wirst für deine Sünde büßen.

Caitlin Bennett holte tief Luft. Sie zitterte am ganzen Körper, als sie den Brief in ihrer Hand noch einmal las. So oft sie ihn auch studierte – die Warnung blieb dieselbe. Es war der jüngste in einer Serie von Drohbriefen, die sie in den vergangenen sechs Monaten erhalten hatte. Und jeder war schlimmer als der vorhergehende.

Nachdem die ersten bei ihr eingetroffen waren, hatte sie noch geglaubt, es bloß mit einem enttäuschten Bewunderer zu tun zu haben. Schließlich waren es nicht die ersten seltsamen Botschaften, die C. D. Bennett, Autorin von Krimi-Bestsellern, in ihrem Briefkasten vorfand. Aber als dann das zweite und dann das dritte Schreiben kam, jedes mit einer ähnlichen Androhung von Vergeltung, wurde sie allmählich nervös. Immerhin wurden Persönlichkeiten, die im Licht der Öffentlichkeit standen, aus viel geringfügigeren Gründen ermordet.

Sie hatte beschlossen, lieber übervorsichtig zu sein, und Boran Fiorello angerufen, einen alten Freund der Familie, der Detective im 45. Revier war. Als sie ihm die Briefe zeigte, gab er sich zwar sehr verständnisvoll, hielt sie jedoch nicht für wirklich bedrohlich. Und im Nachhinein konnte sie seine Reaktion sogar verstehen.

Die ersten drei Briefe klangen wirklich nicht unbedingt einschüchternd, sondern eher wie »Ich kann dich aus folgenden Gründen nicht leiden …« Kein Wunder, dass er sie nicht ernst nahm. Fiorello hatte ihr auf die Schulter geklopft und sie nach Hause geschickt, nicht ohne ihr zu versprechen, sie demnächst einmal zum Abendessen einzuladen.

Aber es kamen noch mehr Briefe, und das, was in ihnen stand, hörte sich immer gefährlicher an, und ihre Angst wuchs. Überzeugt davon, dass Fiorello sie diesmal wirklich ernst nehmen würde, rief sie ihn noch einmal an. Doch er war sehr kurz angebunden, fast schon abweisend. Er hatte ihr gesagt, dass kein Gesetz irgendjemandem verbieten könne, ihre Romane nicht zu mögen und ihr das auch mitzuteilen. Und da es sich auch nicht um eine körperliche Bedrohung handelte, hätte sie seiner Meinung nach auch gar keinen Grund, sich zu ängstigen. Caitlin war einigermaßen beruhigt und ließ es dabei bewenden, obwohl der Ton der Briefe immer Furcht einflößender wurde.

Inzwischen hatte sie mehr als zwei Dutzend erhalten, und alle stammten ganz offensichtlich von ein und derselben Person. Der letzte war an diesem Morgen gekommen. Die leuchtend rote Schrift eines Filzstifts auf blütenweißem Papier sprang ins Auge – genau das hatte der Schreiber vermutlich beabsichtigt. Aber es waren die purpurroten Tropfen unter jedem Wort, die ihr eine Gänsehaut verursachten. Die Briefe schienen blutgetränkt zu sein, und an der Stelle, wo normalerweise die Unterschrift stand, war ein großer roter Fleck. Es war der perfekte visuelle Angriff – er erfüllte mit Schrecken, ohne dass ein einziger Schlag nötig gewesen wäre.

Sie hatte Angst. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so sehr gefürchtet, obwohl diese Furcht nur von ein paar Worten erzeugt wurde. Sie war nicht belästigt worden, sie hatte nie einen beängstigenden Telefonanruf erhalten, und sie war nicht einmal auch nur einen Moment lang körperlicher Gewalt ausgesetzt gewesen.

Als die kleine Uhr auf ihrem Schreibtisch zur vollen Stunde schlug, fuhr Caitlin erschrocken zusammen. Bestürzt stellte sie fest, wie spät es schon war. Sie legte den Brief zu den anderen und ging rasch ins Schlafzimmer.

In weniger als einer Stunde würde ein Wagen vor ihrem Haus halten, um sie zu den DBC-Studios zu fahren. Kenny Lowell, ihr PR-Manager, hatte ihr den Auftritt bei der Talk-Show Leben mit Lowell besorgt, damit sie ihr jüngstes Werk, Abgeschnitten, vorstellen konnte. Diese Werbeveranstaltungen waren der Teil des Geschäfts, der ihr am wenigsten gefiel, aber sie fand sich damit ab. Sie hasste Fernsehauftritte, vor allem, wenn sie im Sender DBC stattfanden. Während sie ihr Make-up auflegte, überlegte sie sich, welche Fragen man ihr stellen könnte.

Es war wohl unvermeidlich, dass der Gastgeber dieser Show Devlin Bennett, ihren Vater, erwähnen würde, den Mann, der neben vielem anderen auch die Devlin Broadcasting Company gegründet hatte. Danach würde er wohl unweigerlich auf die millionenschweren Unternehmen, zu denen auch DBC gehörte, zu sprechen kommen, die Caitlin geerbt hatte. Das hieß, bei ihrem Fernsehauftritt würde sie spitze Bemerkungen über sich als Eigentümerin des Senders ertragen müssen und dass sie mit seiner Hilfe den Weg in den Ruhm geschafft hatte. Ihren redegewandten Talk-Show-Gastgeber würde es wohl auch kaum beeindrucken, dass die Auflage ihrer Bücher in der Regel zu fünfundachtzig Prozent verkauft wurde, was an und für sich genommen bereits phänomenal war. Lowell kam es einzig und allein auf die Lacher in seinem Publikum an. Sie konnte seine schnippischen Bemerkungen nicht ausstehen, aber sie wusste sie schlagfertig und souverän zu parieren und hatte für jeden seiner Sätze eine entsprechende Antwort parat. Man musste ihm zugutehalten, dass ihm so etwas gefiel – genauso wie sie ihm gefiel. Er konnte ja nicht wissen, dass sie jedes Mal innerlich zusammenzuckte und sie viel lieber zu Hause gesessen, alte Filme auf Video angeschaut und dabei ihr Lieblingsessen genossen hätte – ein Sandwich mit Erdnussbutter und Gurkenscheiben.

Zu viele Leute auf dieser Welt hielten sie bloß für das arme, reiche Mädchen, das so gerne Schriftstellerin sein wollte. Obwohl ihr Vater schon vor fünf Jahren gestorben war, hatte Caitlin sich damit abfinden müssen, dass sie immer in seinem Schatten leben würde. Nicht zum ersten Mal in ihrem Leben sehnte sie sich nach einem Mann – und vielleicht auch Kindern. Sie war nicht nur ängstlich, sie war auch einsam. Aber Wünschen allein führte zu nichts.

Nachdem sie mit ihrem Make-up fertig war, durchsuchte sie ihren Schrank, griff nach den ersten warmen Kleidungsstücken, die sie fand, und begann sich anzuziehen. Das war das Positive im Leben einer Schriftstellerin: Niemand erwartete von einem, dass man hübsch aussah. Es reichte, schlagfertig zu sein. Und als der Wagen vorfuhr, war sie auf alles vorbereitet.

»Nun … Caitlin … darf ich Sie Caitlin nennen, oder sollte ich lieber Miss Bennett sagen? Immerhin sind Sie ja mein Boss.«

Caitlin lächelte – ein nachsichtiges Lächeln, wie sie hoffte – und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Meine Güte! Wo holten die sich bloß ihre Leute her? Ron Lowell war ein attraktiver Mann, aber in seinem Gehirn schien beständig die »Wiederholen«-Taste gedrückt zu sein. Jetzt war sie schon zum vierten Mal innerhalb von vier Jahren Gast in seiner Show, um für eines ihrer Bücher zu werben, und jedes Mal begann er das Gespräch mit genau denselben Worten.

»Es ist mir egal, wie Sie mich nennen, solange Sie nur das Buch kaufen«, parierte Caitlin seine Begrüßung.

Das Publikum brüllte vor Lachen, und Ron Lowell strahlte. Das war ein guter Anfang für ein Interview. Er nahm das Buch zur Hand und tat so, als ob er die Seiten überflog, aber sein Blick ruhte eindeutig auf der Rundung ihrer Brüste, die sich unter ihrem schwarzen Strickkleid abzeichneten.

»Ihr neues Buch heißt Abgeschnitten. Erzählen Sie uns etwas darüber.«

Caitlin beugte sich nach vorn. »Es ist ein Thriller, Ron.«

Er grinste. Sie hatte ihm das passende Stichwort gegeben.

»Und das heißt, Sie werden uns keine pikanten Einzelheiten verraten?«

Wieder erklang eine Welle von Gelächter aus dem Publikum. Obwohl Lowell die Zuschauer nicht sehen konnte, strahlte er in die Richtung, aus der das Lachen kam.

»Das habe ich nicht gesagt«, antwortete Caitlin. »Aber ich kann Ihnen verraten, dass es weder mit Friseuren noch mit Schneidern zu tun hat. Stellen Sie sich bitte Folgendes vor. In einem Luxushotel in den Adirondacks haben sich einige Leute versammelt, um ein wunderschönes Wochenende zu verbringen. Ein früher Wintereinbruch sorgt für sechzig Zentimeter Neuschnee in den Bergen, so dass die Straßen unpassierbar und die Hotelbewohner eingeschlossen sind. Sämtliche Geräte funktionieren nicht mehr. Kein Telefon, kein Strom. Es gibt keine Verbindung zur Außenwelt. Und dann beginnen die Leute zu sterben – aber nicht eines natürlichen Todes.«

»Aaah, kapiere«, sagte Lowell. »Die Kommunikation ist abgeschnitten.« Dann zog er die Augenbrauen hoch, als ob er in Sorge sei. »Und der Mörder muss einer der Hotelgäste sein, denn es kann ja keiner hinein- oder hinauskommen, stimmt’s?«

Caitlin lächelte nur.

Lowell strahlte zurück. »Ich weiß, ich weiß. Lesen Sie das Buch.«

»Aha … Sie sind also nicht nur gutaussehend, sondern auch noch intelligent«, sagte Caitlin.

Wieder lachten die Zuschauer, und Lowells Gesicht wurde rot vor Begeisterung.

Ein paar Minuten später kam der Werbeblock, und Caitlin erhob sich, um zu gehen. Lowell stand ebenfalls auf, um ihr die Hand zu reichen, und als er sie schüttelte, hielt er sie ein wenig länger als üblich fest.

»Wie wäre es mit einem Abendessen nach der Sendung?«

Caitlin lächelte, als sie Lowell ihre Hand entzog.

»Das würde ich sehr gerne, Ron, aber lieber ein anderes Mal, einverstanden? Der Abgabetermin für mein nächstes Buch ist schon sehr nahe, und ich habe noch eine Menge Arbeit. Erst mal vielen Dank für das nette Interview, und ich hoffe, dass Ihnen das Buch gefällt.«

Sie schlug sein Angebot so elegant aus, dass er den Korb gar nicht bemerkte, den sie ihm gegeben hatte. Als sie das Studio verließ, wurde ihr vor lauter Nervosität ein wenig übel.

»Caitlin, Liebste! Du warst wie immer großartig!«

Caitlin zog eine Grimasse, als Kenny ihr in den Mantel half.

»Das nächste Mal fragst du mich, bevor du mir einen solchen Auftritt verschaffst. Ich muss besser vorbereitet sein.«

Kenny küsste sie auf die Wange und zwinkerte. »Natürlich«, meinte er, während er ihr den Mantel an der Schulter glattstrich. »Es ist affenkalt heute Abend. Sieht so aus, als könnte es sogar schneien.«

Caitlin zitterte bei dem Gedanken und kümmerte sich nicht weiter um die Tatsache, dass er ihr keine Versprechungen hinsichtlich ihrer Termine gemacht hatte. Seufzend rief sie sich ins Gedächtnis, dass er ja schließlich nur seinen Job erledigte, und ein neuer Schauder durchfuhr sie. Wie sie den Winter hasste! Hätte Kenny nicht die Werbekampagne für ihr neues Buch in dieser Stadt organisiert, dann wäre sie schon vor Wochen in den Süden gefahren.

Sie wollte gerade ihren Mantel zuknöpfen, als Kenny ihre Hand ergriff.

»Lass mich das machen, Liebes«, sagte er. »Deine Finger sind ja ganz blau. Hast du denn keine Handschuhe?«

»Ich glaube, ich habe sie im Wagen liegen gelassen.«

»Armes Baby«, murmelte Kenny, während er die Knöpfe schloss. Dann umfasste er ihre Hände, als ob er sie wärmen wollte.

Aber in Wirklichkeit ging es ihm darum, ihre Hand zu halten, und Caitlin wusste es. Seit einiger Zeit hatte er ihr schon unmissverständliche Angebote gemacht, die sie taktvoll zurückweisen musste, um die Basis ihrer Zusammenarbeit nicht zu gefährden.

»Sie sind wieder wärmer, danke schön«, sagte sie und steckte die Hände in die Tasche, während einer der Produktionsassistenten sie durch die verwirrenden Gänge des Senders zum Ausgang geleitete.

In einem engen Zufahrtsweg wartete bereits die Limousine. Kenny öffnete die Tür, ehe der Chauffeur aussteigen konnte. Caitlin schlüpfte hinein, versank in den komfortablen Ledersitzen und genoss die Wärme.

»Oh, diese Temperatur ist genau richtig für mich«, seufzte sie. »Warum zum Teufel ist es in den Studiogebäuden immer so kalt?«

»Zu teuer, Darling«, antwortete Kenny und rückte so nahe wie möglich an sie heran. »Hier, zieh deine Handschuhe an. Ich möchte nicht, dass mein bestes Mädchen krank wird.«

Caitlin stülpte die weichen beigefarbenen Kalbslederhandschuhe über ihre Finger und ignorierte das »beste Mädchen«. Während sie schweigend durch die belebten Straßen fuhren, kehrten ihre Gedanken zu den Briefen zurück.

Einerseits hätte sie gerne mit jemandem darüber gesprochen, aber sie hatte nur wenige wirklich enge Freunde. Sie hatte schon früh gelernt, Personen, denen sie ein Geheimnis anvertrauen konnte, sehr sorgfältig auszuwählen, damit sie es nicht am nächsten Tag in allen Zeitungen wiederfand. Aus den Augenwinkeln schaute sie Kenny an und überlegte, wie er diese Nachricht wohl aufnehmen würde; dann verwarf sie den Gedanken jedoch wieder. Sie traute ihm durchaus zu, dass er die Briefe als unsauberes Mittel benutzen würde, um noch mehr Bücher zu verkaufen. Sie konnte sich bereits die Schlagzeilen vorstellen: Krimi-Autorin wird mit Todesdrohungen bombardiert.

Als sie erneut seufzte, beugte Kenny sich zu ihr hinüber und nahm ihr Gesicht in seine Hände.

»Was ist los, Schätzchen? Sag mir ja nicht, dass alles in Ordnung ist, denn dafür kenne ich dich zu gut.« Als Caitlin schwieg, setzte er mit Nachdruck hinzu: »Du kannst mir vertrauen.«

Sie lächelte. »Es ist nichts, Kenny. Mir ist nur kalt, und ich bin müde.«

»Möchtest du heute Abend ein wenig Gesellschaft?«

Ihr Lächeln war so kühl wie ihre Hände. Manche Männer waren wirklich dämlich. Wie oft musste sie noch Nein sagen, bis er es endlich kapierte?

»Danke, aber ich möchte einen ruhigen Abend verbringen und allein sein, verstehst du?«

In Leibowitz’ Augen schimmerte die Enttäuschung, die er niemals in Worte fasste.

»Aber klar, Liebes. Kein Problem. Vielleicht geht es dir morgen wieder besser.« Er schaute aus dem Fenster, als der Wagen langsamer fuhr. »Wir scheinen am Ziel zu sein.«

Der Chauffeur stieg aus und öffnete ihnen die Tür. Kenny war als Erster auf der Straße und reichte Caitlin den Arm, als sie den Wagen verließ.

»Gute Nacht«, sagte er zärtlich und küsste sie auf die Wange.

Caitlin winkte ihm zum Abschied zu. Der Portier öffnete ihr die Tür, und sie eilte ins Haus. Der Wachmann hinter der Rezeption blickte auf und lächelte ihr zu.

»Guten Abend, Miss Bennett.«

»Guten Abend, Mike. Wie geht’s der Familie?«

Mike Mazurka grinste. »Gut, sehr gut. Tom, mein Jüngster, ist gerade Vater geworden. Ich bin wieder Grandpa. Können Sie sich das vorstellen?«

Caitlin lachte. »Wie viele Enkel haben Sie denn jetzt?«

»Sieben. Aber eigentlich habe ich das Zählen aufgegeben«, antwortete er.

Sie winkte ihm zum Abschied zu, als sie zu den Aufzügen ging. Doch sobald sie die Kabine betreten und ihren Kartenschlüssel in den Schlitz gesteckt hatte, wurde sie wieder wachsam. Sie würde sich erst sicher fühlen, wenn sie die Tür ihres Apartments hinter sich geschlossen hatte. Obwohl sie mit diesem Aufzug bis in ihr Penthouse fahren konnte, ohne dass er auf anderen Stockwerken hielt, war sie sich ihrer Verletzlichkeit nur allzu bewusst.

Schnell verließ sie den Aufzug und eilte über den Korridor zu ihrer Wohnungstür. Rasch drehte sie den Schlüssel um, betrat das Apartment, warf die Tür hinter sich zu und legte die Schlösser vor. Erleichtert sackte sie in sich zusammen und lehnte sich gegen die Wand. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, und ihre Haut fühlte sich feucht an. Je länger sie dort stand, umso mehr verachtete sie sich.

»Ich will so nicht weiterleben«, murmelte sie. Sie ging ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen, und auf dem Weg dorthin schaltete sie die Lampen an.

Doch wem konnte sie sich anvertrauen? Sie überlegte, ob sie Fiorello noch einmal anrufen sollte, schob den Gedanken aber rasch wieder beiseite. Er hatte ihr beim ersten Mal nicht geglaubt und sie beim zweiten Mal mit ein paar nichtssagenden Floskeln abgewimmelt. Auf noch mehr hämische Bemerkungen seinerseits hatte sie nun wirklich keine Lust. Aber als sie sich fertigmachte, um ins Bett zu gehen, fasste Caitlin den Entschluss, den Tatsachen ins Auge zu sehen: Es musste etwas geschehen, und sie selbst musste sich darum kümmern.

Gleichmäßig fraß sich die Schere durch das Papier. Die Klingen warfen Schatten auf Buddys Zeitung und trennten den Artikel über C. D. Bennett vom Rest der Seite. Er befestigte ihn an der Wand über seinem Bett, wo schon die anderen hingen, und trat einen Schritt zurück.

Bennett kann einen neuen Erfolg verbuchen.

Er lachte verächtlich. Der Erfolg war Bennetts Begleiter, seitdem sie geboren worden war.

Ein Windstoß rappelte an der Fensterscheibe und erinnerte ihn an die schneidende Kälte da draußen, aber er hatte keine Angst vorm Erfrieren. Die Wut in seinem Innern würde ihn warmhalten.

Sein Magen knurrte. Seit Mittag hatte er nichts mehr gegessen, und nun war es fast Mitternacht. Der neue Tag würde also bald schon anbrechen, aber er war jetzt hungrig, und bis aufs Frühstück zu warten, dauerte ihm zu lange.

Seine Arbeit erlaubte ihm ohnehin kaum regelmäßige Mahlzeiten. Die Hälfte der Zeit aß er, während er unterwegs war, und wenn es ihm einmal gelang, sich an einen Tisch zu setzen, dann kam garantiert irgendetwas oder irgendjemand dazwischen. Verdammt! Das war keine Arbeit für ihn – ständig nach anderer Leute Pfeife zu tanzen. Er sollte derjenige sein, der die Befehle gab, anstatt dauernd herumkommandiert zu werden.

Er starrte auf die Bilder und Zeitungsausschnitte an der Wand. Caitlin Doyle Bennett. Was zum Teufel bildete sie sich eigentlich ein, ganze Regale in den Buchläden für sich zu beanspruchen? Es hatte noch nicht einen einzigen Tag in ihrem Leben gegeben, an dem sie hätte Geld verdienen müssen. Sie hatte doch keine Ahnung, was es hieß, nicht zu wissen, woher die nächste Mahlzeit kommen oder ob sie nächste Woche noch ein Dach über dem Kopf haben würde. Wenn sie ihr Gewissen nur ein einziges Mal befragte, dann würde sie jenen den Vortritt lassen, die es wirklich verdient hatten.

Ein erneutes Magenknurren unterbrach seine Überlegungen, aber als er zum Kühlschrank ging, wurde ihm beim Anblick der Lebensmittel fast schlecht. Stirnrunzelnd schlug er die Tür zu. Er wollte nicht essen, er wollte vergessen, und das klappte am besten mit Hilfe von Alkohol. Die Kneipe an der Ecke würde noch einige Stunden offen sein. Das war es, was er jetzt brauchte – einen Drink oder zwei, vielleicht ein paar Salzbrezeln und ein paar Nüsse dazu und ein wenig Unterhaltung.

Er griff nach seinem Mantel und klopfte die Taschen ab, um sicherzugehen, dass seine Schlüssel drinsteckten. Sein Klappmesser beulte die rechte Tasche aus, der Schlüsselbund die linke. Das Messer war ein Überbleibsel aus seiner Kindheit, und er trennte sich nur ungern davon. Als er jünger war, hatte es ihn mehr als einmal davor bewahrt, halb tot geschlagen zu werden, und als Erwachsener fand er es beruhigend, eine Waffe zu haben, sollte er einmal überfallen werden.

Er öffnete die Tür seines Apartments im vierten Stock und lief die Treppen hinunter. Als er auf die Straße trat, nahm ihm der schneidende Wind fast den Atem, aber während er lief, gewöhnte er sich an die Temperatur und genoss schließlich sogar die Kälte, die etwas Reinigendes hatte.

Trotz der späten Stunde und der eisigen Temperaturen herrschte in der Kneipe Hochbetrieb. Er grinste, während er sich umsah, und als jemand seinen Namen rief, winkte er ihm zu, schob sich auf einen Barhocker und bestellte einen Drink.

»Sieht ganz so aus, als wäre ich nicht der Einzige, der sich von der Kälte nicht abschrecken lässt«, meinte er, während er eine Hand voll Brezeln aus der Schale nahm, die ihm am nächsten stand.

Der Barkeeper lachte. »Kaltes Wetter ist immer gut fürs Geschäft«, sagte er. »Was darf’s denn sein?«

»Ein dunkles Bier.«

»Und welche Sorte?«

»Egal. Hauptsache dunkel und mild.«

Kurz darauf stellte der Barkeeper ein hohes Glas mit einer braunen Flüssigkeit vor ihn hin. Mit dem Bier spülte Buddy die Brezeln hinunter. Das kühle Gebräu schmeckte wunderbar herb nach Hefe und Hopfen. Den Geruch mochte er fast ebenso sehr wie den Geschmack, als es durch seine Kehle lief. Er war froh, dass er gekommen war, stützte die Ellbogen auf die Theke und schloss die Augen. Die Atmosphäre von anonymer Geselligkeit durchdrang seine Seele. In diesem Moment fiel es ihm leicht sich einzureden, er sei unter Freunden.

Eine Stunde später erhob er sich, warf ein paar Banknoten auf den Tresen und winkte zum Abschied, als er hinausging. Die beißende Kälte trieb ihm die Tränen in die Augen. In der kurzen Zeit, die er in der Kneipe verbracht hatte, waren die Temperaturen noch tiefer gefallen. Schnell streifte er seine Handschuhe über und klappte den Mantelkragen hoch bis zu den Ohren.

Er blieb stehen und schaute zum Himmel. Er hätte gerne die Sterne gesehen. Aber in einer Stadt von der Größe New Yorks war die Nacht oberhalb der Straßenlaternen kaum wahrnehmbar. Unvermittelt sehnte er sich nach dem Haus seiner Mutter am Rande von Toledo. Da er nicht mit den Geistern der Erinnerung ins Bett gehen wollte, machte er auf dem Absatz kehrt. In der Hoffnung, diese Stimmung loszuwerden, lief er in die entgegengesetzte Richtung und entfernte sich wieder von seinem Apartment.

Die Bürgersteige waren wie leergefegt, während der Autoverkehr kaum nachgelassen hatte. Nach einer Weile hatte er keine Lust mehr, in die Scheinwerfer der entgegenkommenden Wagen zu blinzeln, und bog links in eine Seitenstraße ein. In dieser windstillen Ecke schienen die Autoabgase in der eiskalten Luft zu hängen. Angewidert rümpfte er die Nase. Manchmal erblickte er sein Spiegelbild in einer Fensterscheibe. Wenn er schon nicht reich geboren worden war, so musste er sich wenigstens nicht über seine Erscheinung beklagen. Er war überdurchschnittlich groß, hatte einen muskulösen Körper und sah wirklich sehr gut aus. Mit etwas Glück würde er noch gut fünfzig Jahre zu leben haben, ehe er diese Erde verlassen musste. Ziellos streifte er durch die Gegend, genoss seine kraftvollen Bewegungen und das Wissen darum, dass er ein Mann war, die Krone der Schöpfung.

Die Auslagen in den hell erleuchteten Schaufenstern wirkten verlockend, obwohl die Läden längst geschlossen waren. Sie erinnerten ihn an die Zeit, als seine Mutter ihn in die Stadt mitgenommen hatte, um die Festtagsdekorationen anzuschauen.

Schau dir das mal an, Buddy. Sieht das nicht prächtig aus?

Er musste lächeln. Seine Mutter hatte Übertreibungen geliebt. Er hatte sie deswegen oft aufgezogen. Jetzt hätte er alles gegeben, um sie wieder bei sich zu haben. Dass sie den Kampf gegen den Krebs verloren hatte, war schwer genug gewesen, aber dass er sich selbst verloren hatte, war ein noch härterer Schlag gewesen. Sie war die Einzige, die ihn Buddy genannt hatte, und er bedauerte, dass niemand sonst es zu ihm sagte. Jeder kannte ihn unter einem anderen Namen, aber tief in seinem Herzen würde er immer Buddy sein.

In nostalgische Gedanken versunken, war er schon fast an dem Buchladen vorbeigegangen, als ihm bewusstwurde, was er dort sah. Beim Anblick der Schaufensterdekoration, die sich ausschließlich C. D. Bennetts jüngster Publikation widmete, überstürzten sich seine Gedanken. Er begann unkontrolliert zu zittern, und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Gab es denn nicht einen einzigen verdammten Ort in dieser Stadt, der keinen Kotau vor ihr machte?

Lange Zeit stand er vor dem Schaufenster, ohne sich zu rühren. Als er wieder klar denken konnte, merkte er, dass er fror. Die Wut brannte heiß in seinem Inneren, als er dem Laden den Rücken zuwandte. Er drückte das Kinn auf die Brust, um sich gegen die Kälte zu schützen, und lenkte seine Schritte nach Hause. Erst die Stimmen und das herzerwärmende helle Lachen zweier Frauen rissen ihn aus seinen Gedanken.

Auf der anderen Seite der Straße umarmten sich zwei Frauen, die auf der Treppe eines Hauses aus rötlich braunem Sandstein standen, und bevor sie sich trennten, winkten sie einander noch einmal zu. Als eine von ihnen die Stufen hinabstieg und über die Straße lief, trat er zurück in den Schatten. Er hatte keine Lust zu reden, nicht einmal ein paar Worte im Vorübergehen.

Er beobachtete die Frau, die den Rinnstein vor dem Bürgersteig mit einem kleinen Sprung überwand. Als sie an einer Straßenlaterne vorbeiging, konnte er ihr Gesicht klar und deutlich erkennen. Sie ging mit hoch erhobenem Kopf und gestrafften Schultern, als gäbe es nichts auf der Welt, das ihr auch nur die geringsten Sorgen bereitete. Ihr schmales, jugendliches Gesicht wurde von üppigem, glatt fallendem schokoladenbraunen Haar eingerahmt.

Sie kam ihm bekannt vor, und während er sie unverwandt anstarrte, überlegte er, ob er sie womöglich durch seine Arbeit kannte. Aber erst als sie an einer weiteren Straßenlaterne vorbeiging, traf ihn die Erkenntnis wie ein Blitz. Sie sah Caitlin Bennett so ähnlich, dass sie ihre Zwillingsschwester hätte sein können.

Er hielt den Atem an, als sie auf ihn zukam. Ein Geschmack von Galle machte sich in seinem Mund breit – genauso bitter wie seine Gedanken. Ohne nachzudenken, trat er aus dem Schatten und packte sie an der Kehle. Er hatte nichts gegen sie bis auf den Umstand, dass sie der falschen Frau ähnlichsah, und er hielt es auch für unnötig, ihr das zu sagen, da er bereits fest entschlossen war, sie umzubringen.

Er erstickte ihre Schreie, indem er ihren Hals mit seinen Fingern umklammerte und sie aus der Helligkeit in den Schatten der Gasse zog. Knapp zwanzig Meter von der Einmündung der Straße entfernt ließ er sie fallen.

Mit zerquetschtem Kehlkopf lag sie auf dem Rücken wie eine kleine, zerbrochene Puppe, zu schockiert, um sich zu bewegen. Ein dünner Blutfaden lief aus einem Augenwinkel, dort, wo sein Ring in das Fleisch geschnitten hatte. Ihre Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen, und sie schnappte nach Luft, aber es war ihr fast unmöglich, durch den verletzten Hals zu atmen. Als sie sah, dass er den Reißverschluss seiner Hose öffnete, schloss sie die Augen und betete darum zu sterben.

Sein Angriff war brutal, und das Ritual der Reinigung empfand er als phänomenal. Je mehr sie blutete, umso weniger Schmerzen empfand er. Als er mit ihr fertig war, fühlte er sich euphorisch. Er erhob sich schwankend und atmete tief durch, um seinen adrenalingeschwängerten Körper mit dem nötigen Sauerstoff zu versorgen. Sein Kopf war leer, und sein Körper fühlte sich auf seltsame Weise erleichtert. Sie war tot, aber er brachte es einfach nicht fertig wegzugehen.

Er schaute sie noch einmal an, als sähe er sie jetzt zum ersten Mal, und dann lächelte er befriedigt. Er hatte ihr diesen selbstgefälligen Blick aus dem Gesicht vertrieben. Aber je länger er sie anschaute, umso tiefer wurden die Falten auf seiner Stirn. Ihre dunkelbraunen Augen, die immer noch in Tränen schwammen, waren weit geöffnet und schauten ihn mit stummem Vorwurf an.

»Schau mich nicht so an«, knurrte er wütend.

Er holte sein Klappmesser heraus, und in einem letzten Akt der Gewalt ritzte er zweimal diagonal über ihr Gesicht. Das Fleisch teilte sich unter der Klinge in vier Viertel, als hätte er einen Apfel aufgeschnitten. Er wischte das Messer an ihrem Mantel ab, dann ließ er die Klinge vorsichtig zuschnappen und trat aus der Gasse heraus, als sei nichts passiert.

Knapp eine Stunde später war er zu Hause. In dieser Nacht träumte er von Weihnachten. Seine Mutter stand am Herd und rührte in der Bratensoße, und er lächelte im Schlaf.

Es war bereits Morgen, als Donna Dorians Leiche gefunden wurde, und als die Polizei eintraf, hatte es angefangen zu schneien.

2. KAPITEL

»Meine Güte, was für ein Schneegestöber«, sagte Sal Amato und hievte seinen massigen Körper vom Beifahrersitz des Streifenwagens, während Paulie Hahn, sein Partner, den Motor abstellte.

Am Ort des Geschehens standen bereits einige Einsatzwagen, und trotz der frühen Stunde hatte sich schon eine Gruppe von Schaulustigen hinter den gelben Absperrbändern gesammelt.

Hahn schlug den Mantelkragen hoch und stülpte sich die Handschuhe über, während er um den Wagen herumging. Er zuckte zusammen, als er die Leiche erblickte, die nur wenige Meter vor ihm in der Gasse lag. Ein uniformierter Beamter hob das Band hoch, damit sie sich nicht so tief hinunterbeugen mussten.

»Ganz schön schlimm, wenn die Schicht so anfängt«, murmelte der Polizist.

Amato zog sich den Hut ein wenig tiefer über den fast kahlen Schädel und warf einen Blick in die Gasse. Sogar aus dieser Entfernung konnte er sehen, dass es ein ziemlich brutaler Mord war.

»Wenigstens leben Sie noch, Knipski. Wissen wir, wie das Opfer heißt?«

»Ja. Ihre Handtasche lag drei Meter von ihr entfernt. Sie heißt Donna Dorian. Ihre Mutter hat sie heute Morgen als vermisst gemeldet. Sie sagte, dass sie mit einer Freundin im Kino war und nicht nach Hause gekommen ist. Zuerst hatte sie gedacht, dass sie die Nacht bei der Freundin verbracht hat. Heute Morgen hat sie bei ihr angerufen, bevor sie zur Arbeit gegangen ist, und da hat sie erfahren, dass die beiden sich kurz nach ein Uhr heute Nacht voneinander verabschiedet hatten. Danach hat sie uns verständigt.«

»Wer hat die Leiche gefunden?«, fragte Amato.

»Ein Jogger.« Der Polizist drehte sich um, ließ seinen Blick über die Menge schweifen und streckte den Zeigefinger aus. »Der da in dem rotschwarzen Trainingsanzug ist es, der sich gerade in den Gully übergibt.«

»Danke«, sagte Amato. »Komm, Paulie.«

»Ich könnte mich diesem Jogger glatt anschließen«, meinte Paulie.

»Wir warten, bis er sich ausgekotzt hat, ehe wir mit ihm reden«, sagte Sal.

»In Ordnung«, stimmte Paulie zu. Er zog ein Taschentuch aus der Hosentasche, weil seine Nase zu laufen begonnen hatte.

Paulie Hahn hatte Halsschmerzen, und sein Schädel dröhnte. Er schnäuzte sich und zog sich den Hut in die Stirn, damit ihm die Schneeflocken nicht in die Augen flogen. Verdammte Grippe. Es war noch nicht einmal Weihnachten, und er war schon krank. Aber als sie neben der Leiche standen, wünschte er sich, er hätte sich am Morgen krankgemeldet, wie seine Frau es ihm vorgeschlagen hatte.

»Jesus«, sagte er und bekreuzigte sich, ehe er einen tiefen Atemzug nahm und die kalte Luft in seine Lungen drang. »Sal, wie lange arbeiten wir schon zusammen?«

Amato runzelte die Stirn. »Seit meinem zweiten Jahr als Detective, und ich glaube, das war vor siebzehn Jahren. Warum?«

Paulie zeigte angewidert auf die Leiche. »In der guten alten Zeit haben die Leute sich gegenseitig erschossen. Ein sauberer kleiner Mord, weißt du. Ein paar Kugeln. Ein paar ordentliche Löcher. Peng, und du bist tot. Aber was zum Teufel soll diese Scheiße mit der Schlitzerei? Was für perverse Typen laufen auf unseren Straßen herum, die glauben, so was tun zu müssen? Hat es ihm nicht gereicht, sie umzubringen?« Er schaute auf das, was vom Gesicht der jungen Frau übriggeblieben war, und hätte am liebsten geheult. »Musste er sie denn so bestialisch zurichten?«

Amatos Falten auf der Stirn wurden tiefer. »Sie war vermutlich schon tot, als es passierte.«

»Wie kommst du darauf?«

»Die Schnitte sind gleichmäßig und glatt. Also hat es keinen Kampf gegeben.«

Paulie zog sein Taschentuch hervor und schnäuzte sich wieder. Dann winkte er einen anderen Polizisten zu sich.

»Ist der Gerichtsmediziner schon verständigt?«

»Ja, Sir, er ist unterwegs«, antwortete der Officer.

»Und hier kommen Neil und Kowalski«, verkündete Paulie.

Amato drehte sich um und nickte zur Begrüßung.

Das Lächeln auf dem Gesicht von Detective Trudy Kowalski verschwand.

»Meine Güte«, murmelte sie, als sie die Leiche betrachtete. Dann wandte sie den Blick ab. »Ich hoffe, wir finden ihren Ausweis, sonst wird es nicht einfach sein, sie zu identifizieren.«

»Das Schwein war nett. Er hat ihre Handtasche zurückgelassen«, sagte Amato.

J. R. Neil, Trudys Partner, starrte auf die Leiche und rührte sich nicht.

»Offenbar ging es ihm nicht um ihr Geld«, meinte er. »So wie sie aussieht, war er wohl stocksauer. Weiß man schon, ob sie einen Freund oder Ehemann hatte?«

»Wir sind auch gerade erst gekommen«, murmelte Amato. »Aber da Sie so scharf darauf sind, uns zu helfen – da drüben am Anfang der Gasse kotzt sich ein Jogger die Seele aus dem Leib. Warum gehen Sie nicht zu ihm hin und fragen ihn, was er weiß? Und wenn Sie schon mal dabei sind, dann nehmen Sie den Rotschopf mit und erkundigen sich in den Wohnungen hier in den Häusern und auf der Straße da drüben, ob irgendeiner in der vergangenen Nacht etwas gehört hat.«

Trudy Kowalski warf ihre kupferrote Haarmähne in den Nacken und zwinkerte.

»Sie sind ja nur neidisch, weil ich Haare habe und Sie nicht«, sagte sie und versetzte ihrem Partner einen Rippenstoß. »Komm, J. R., du kümmerst dich um den Jogger. Ich fange mit den Wohnungen hier in der Straße an. Da können Amato und Hahn wenigstens wichtig hier herumstehen, wenn der Gerichtsmediziner kommt.«

Neil grinste den beiden älteren Detectives zu und entfernte sich mit seiner Kollegin. Er lachte über eine Bemerkung von ihr, während sie die Gasse entlanggingen. Als sie die Einmündung der Straße erreicht hatten, trennten sie sich.

Amato legte die Stirn in Falten, während er ihnen nachsah. Er mochte Kowalski. Sie war klein und stämmig und genauso feurig wie ihr Haar, und sie konnte ebenso gut austeilen wie einstecken. Aber wenn er ehrlich sich selbst gegenüber war, musste er zugeben, dass er Neil nicht halb so gut leiden konnte. Es war schwer, einen Mann zu mögen, der hochgewachsen war, gut aussah und noch alle seine Haare hatte.

Ein kalter Windstoß wirbelte die Schneeflocken wie Rauchwolken aus einem Schornstein umher. Paulie putzte sich schon wieder die Nase, während Amato sich neben die Leiche hockte und sorgsam darauf achtete, nur ja keinen Hinweis zu zerstören, ehe die Kollegen von der Spurensicherung ihre Untersuchungen aufgenommen hatten.

»Bei den Temperaturen schicken sie bestimmt den neuen Assistenten des Gerichtsmediziners hierher«, meinte er.

»Auf diese Wette gehe ich nicht ein«, murmelte Paulie. »Denn wahrscheinlich hast du Recht.« Er warf noch einen Blick auf die Leiche. Das Opfer musste ungefähr so alt wie seine Tochter sein. Dann schaute er wieder zu Amato.

»Weißt du, woran ich mich nie werde gewöhnen können?«

»Was denn?«, wollte Sal wissen.

»Dass wir sie nicht zudecken dürfen. Das Mädchen ist nackt von der Taille abwärts, und ihr Gesicht ist zerfetzt. Verdammt noch mal. Wir sollten wenigstens eine Decke über sie legen dürfen.«

Amato erhob sich und klopfte seinem Partner auf den Rücken. »Und wenn genau das den Hinweis zerstören würde, den wir brauchen, um das Schwein zu kriegen, das ihr das angetan hat?«

Paulie seufzte. »Ich weiß. Ich habe nur laut nachgedacht, klar?« Er ließ seine Blicke wandern. »Es wird nicht leicht sein, bei diesem Schneetreiben noch irgendwelche brauchbaren Indizien zu finden.«

»Tja«, meinte Sal und drehte den Kopf in die Richtung, aus der die Geräusche der herannahenden Einsatzwagen kamen. »Das dürfte der Gerichtsmediziner sein.« Als er eine große, magere und dunkelhäutige Frau aus dem Wagen klettern und eine Tasche aus dem Laderaum des Kombis holen sah, musste er grinsen. »Sieht ganz so aus, als hätte ich die Wette gewonnen. Es ist Booker.«

»Guten Morgen, Gentlemen«, sagte Angela Booker in ihrer schleppenden Sprechweise, während sie ihre Tasche abstellte und das Schloss öffnete.

Sal hatte den Inhalt solcher Taschen schon Tausende Male gesehen, und trotzdem musste er immer wieder an den Koffer für kleine Wissenschaftler denken, den er einmal zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte und in dem jede Menge Instrumente und Objektträger lagen, von denen er gar nicht wusste, was er mit ihnen anfangen sollte. »Haben Sie da drin auch was Heißes zu trinken?«, fragte er, während sie die Autohandschuhe auszog und Gummihandschuhe überstreifte.

»Ziehen Sie Leine, Amato. Meine Hormone fahren Achterbahn, und ich bin absolut nicht in Stimmung für solche Scherze.«

Die beiden Männer grinsten sich an und gingen zum Anfang der Gasse zurück. Es war Zeit, mit der Arbeit zu beginnen, für die sie bezahlt wurden.

Caitlin schreckte aus dem Schlaf hoch. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, und ihre Augen waren vor Schreck weit aufgerissen. Es dauerte eine Weile, bis ihr klar wurde, dass die Angst von dem Albtraum herrührte, den sie gehabt hatte, und nicht von irgendetwas, das im Haus war.

Aber der Traum war zu wirklichkeitsnah gewesen, und sie wollte nicht wieder einschlafen. Deshalb schwang sie die Beine aus dem Bett und stand auf. Sie zog eine Grimasse, als sie sah, dass es gerade erst fünfzehn Minuten nach sechs war.

Doch als sie aus dem Badezimmer kam, war sie hellwach. Sie schlüpfte in ihre Lieblingspantoffeln und den bequemsten Morgenmantel, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und ging in die Küche. Wenn sie schon einmal wach war, dann konnte sie den Tag genauso gut früh beginnen.

Als sie die Küche betrat, schaute sie aus dem Fenster und sah das Schneetreiben. Sie war dankbar, dass ihre Arbeit sie nicht dazu zwang, die Wärme und Behaglichkeit ihrer Wohnung verlassen zu müssen, und schlenderte hinüber in ihr Arbeitszimmer, wo sie den Computer einschaltete. Während sich das Programm hochlud, ging Caitlin zurück in die Küche und begann, die Schränke zu durchsuchen. Sie stellte fest, dass sie weder Cornflakes noch Eier, weder Milch noch Tee im Haus hatte. Sie schob zwei Scheiben Brot in den Toaster, warf ein paar Eiswürfel in ein Glas und füllte es mit Cola. Nachdem sie die Hälfte getrunken hatte, zeigte das Koffein seine Wirkung. Der Geruch des warmen Toasts ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen, aber erst als sie das Messer in ein Glas mit Erdnussbutter steckte, erinnerte sie sich wieder an ihren Traum.

Er hatte sie mit einem Messer angegriffen. Und sogar als sie sich umdrehte und weglief, wusste sie, dass sie ihm nicht entkommen konnte.

Sie schauderte, holte tief Luft und betrachtete das Messer. Mit einer trotzigen Bewegung zog sie es heraus, leckte es ab und steckte es wieder in die Erdnussbutter. Den großen Klumpen auf der Klinge verteilte sie großzügig über den frisch gerösteten Toast. Eine zweite Scheibe bestrich sie mit Orangenmarmelade, klappte die beiden Hälften zusammen, legte sie auf einen Teller und warf das Messer in die Spüle. Nachdem sie ihr Glas noch einmal mit Cola gefüllt hatte, ging sie ins Wohnzimmer, um zu frühstücken.

Eher aus Gewohnheit denn aus Neugier auf das, was in der Welt geschehen war, schaltete sie den Fernseher ein. Als ein Reporter, der irgendwo auf einer Straße stand, von einem Mitternachtsmord zu reden begann, griff sie zur Fernbedienung und zappte so lange weiter, bis sie einen Sender gefunden hatte, auf dem Zeichentrickfilme liefen. Und bis sie ihr Frühstück beendet hatte, hatte Maus Jerry dem Kater Tom drei Mal gezeigt, was eine Harke ist, und ihre Stimmung war besser geworden.

Nachdem sie das schmutzige Geschirr in der Spüle abgestellt hatte, ging Caitlin in ihr Arbeitszimmer und beschloss, sich anzuziehen, sobald sie ihre E-Mails gelesen hatte.

Stunden später schaute sie auf die Uhr und stellte fest, dass es schon fast Mittag war. Sie hatte nicht nur ihre Post beantwortet, sondern auch zehn Seiten ihres neuen Kapitels geschrieben. Sie drückte die »Speicher«-Taste, lehnte sich lächelnd zurück und grinste immer noch glücklich, als ihr Telefon klingelte.

»Bennett.«

»Caitlin, hier ist Aaron. Bist du gesellschaftsfähig?«

Ihr Lächeln wurde breiter. Wenn jemand sie nach ihrem besten Freund gefragt hätte, dann würde sie Aaron Workman, ihren Verleger, auf den Spitzenplatz der Liste setzen. Die Tatsache, dass er homosexuell war, machte alles nur noch einfacher. Außer den Büchern, die sie schrieb, wollte er von ihr nur noch ihre Freundschaft – und ihre Schuhe.

»Was glaubst du denn?«, fragte sie.

Sie hörte ihn seufzen und wusste, dass er jetzt vermutlich die Augen verdrehte.

»Wahrscheinlich hast du dich noch nicht mal gekämmt, vom Zähneputzen ganz zu schweigen.«

Caitlin lachte. »Du kennst mich wirklich gut.«

»Komm mit mir Mittag essen«, schlug Aaron vor.

Caitlin stöhnte. »Es ist kalt, und außerdem schneit es.«

»Es hat schon vor einer Stunde aufgehört zu schneien, und außerdem hast du einen Mantel. Zieh dich an und komm um halb zwei in den Memphis Grill. Wir müssen uns unterhalten.«

»Lädst du mich ein?«, fragte sie und hörte sein verächtliches Schnaufen.

»Ist das alles, was dir dazu einfällt?«, knurrte er.

»Okay, okay, ich werde da sein.«

»Ich habe schon deinen Chauffeur verständigt. Er holt dich um ein Uhr ab.«

Jetzt war Caitlin an der Reihe, verächtlich zu schnauben.

»Und wenn ich Nein gesagt hätte?«

»Hast du aber nicht, oder? Jetzt sei ein liebes Mädchen, zieh deine schrecklichen Klamotten aus und etwas an, das sexy ist.«

Caitlin grinste. »Sexy? Aaron, willst du mir etwas Bestimmtes mitteilen – zum Beispiel, dass du die Seiten gewechselt hast?«

Sie hörte ein weiteres herablassendes Schnauben, und dann kam Aarons Antwort. »Wohl kaum. Aber es könnte tatsächlich sein, dass du demnächst den Mann deiner Träume triffst. Ich möchte, dass du dafür bereit bist.«

Caitlin runzelte die Stirn. »Das solltest du besser nicht noch einmal tun. Du hast ja keine Ahnung, wie knapp du mit dem Leben davongekommen bist, als du versucht hast, mich mit Mac zu verkuppeln.«

»Woher sollte ich wissen, dass meine zwei besten Freunde wie Katz und Hund miteinander sind? Schließlich ist es nicht meine Schuld, dass du und mein Stiefbruder euch nicht ausstehen könnt.«

»Wir können uns nicht ausstehen, weil Connor McKee ein Macho ist mit Testosteron bis unter die Haarwurzeln und absolut ätzenden Ansichten. Ich bin um halb zwei da, und du kommst besser allein.«

»Falls nicht, dann hat sich der Typ vom Nachbartisch zu mir gesetzt. Also mach dich auf jeden Fall schick. Ich bin nämlich schon hungrig.«

Caitlin lächelte, als sie den Hörer auflegte. Obwohl es draußen scheußlich war, hatte die Aussicht, mit Aaron zu essen, etwas Verlockendes. Danach würde sie zum Markt gehen und auf dem Nachhauseweg ein paar Lebensmittel kaufen. Plötzlich versprach der Tag, doch noch ein Erlebnis zu werden.

Kenny Leibowitz griff in den Humidor auf seinem Schreibtisch, holte eine lange, dünne Zigarre heraus und trat ans Fenster. Während er die Zigarre anzündete, schaute er hinaus. Trotz des Schnees wimmelte es auf der Straße von Menschen, die für die Festtage einkauften und mit bunten Tüten voller Geschenke beladen waren. Als das Ende der Zigarre aufglomm, nahm er einen langsamen Zug und genoss das süßlich-scharfe Aroma des Tabaks auf seiner Zunge. Sorgfältig formte er die Lippen zu einem O und blies vier vollkommen runde Rauchringe in die Luft.

Er sah ihnen nach, während sie sich auflösten, und lächelte, als er sich an das lange verregnete Wochenende seines sechzehnten Geburtstags erinnerte und wie schlecht ihm geworden war, als er damals seine erste Zigarre geraucht hatte. Seitdem war er weit gekommen. Er hatte einige andere Laster ausprobiert und war dankbar, dass er keinem verfallen war.

Während er am Fenster stand, nahm er sein Spiegelbild wahr. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schob einige der dicken, welligen Strähnen an ihren Platz zurück. Ja, er war ein Glückspilz, denn er sah ausgesprochen attraktiv aus, hatte nur wenige Laster und war keiner Sucht verfallen.

Doch dann überlegte er es sich anders. Er war zwar keiner Sucht verfallen, aber er war jemandem verfallen. Er hatte eine gut gehende Public-Relations-Agentur mit sechs bedeutenden Klienten und sieben weiteren, die auf dem besten Wege waren, es zu werden. Er leistete ausgezeichnete Arbeit, und das wusste er. Sein einziges Problem war, dass er mehr von Caitlin Bennett wollte als nur eine Geschäftsbeziehung. Sie jedoch betrachtete die Bekanntschaft mit ihm als rein beruflich, und das machte ihn fast wahnsinnig. Jede Nacht träumte er von ihr, und tagsüber gab er sich verwegenen Fantasien hin. Er stellte sich ihren nackten Körper vor und den verschleierten Blick in ihren Augen, wenn sie ihm die Lippen bot, damit er sie küssen konnte.

»Dummkopf«, murmelte er und nahm einen weiteren Zug aus der Zigarre. Dieses Mal konnte er sich nicht an den perfekt geformten Rauchringen erfreuen. Er wusste, was er wollte und was er schon seit langem brauchte. Caitlin. Sie besaß alles, was er begehrte. Geld. Ansehen. Einen Namen, an den sich die Leute erinnerten. Sie gehörte zu ihm. Er musste sie nur noch davon überzeugen. Eines Tages würde sie erkennen, dass sie mehr von ihm benötigte als nur seine Dienste für ihre Buchveröffentlichungen.

Frustriert wandte er sich vom Fenster ab und ging zu seinem Schreibtisch zurück. Er blätterte durch seinen Terminkalender und seufzte. Keine Verabredungen. Um die Feiertage herum lagen keine PR-Veranstaltungen an, und das bedeutete nichts Anderes, als dass er ebenfalls Ferien machen konnte.

Er ließ den Blick durch sein Büro wandern und runzelte die Stirn. Weshalb bin ich eigentlich hier? Einer plötzlichen Eingebung folgend, griff er zum Telefonhörer. Es war der perfekte Zeitpunkt, um Caitlin zum Mittagessen einzuladen.

Er wählte ihre Nummer und lächelte erwartungsvoll, als das Freizeichen ertönte. Nachdem es fünfzehn Mal geläutet, aber niemand abgenommen hatte, legte er missmutig auf. Sie hatte nicht einmal den Anrufbeantworter eingeschaltet. Er suchte in seinem Telefonverzeichnis nach ihrer Handynummer und wählte erneut. Als er aufgefordert wurde, eine Nachricht in ihrer Mailbox zu hinterlassen, warf er den Hörer zurück auf die Gabel, ohne etwas zu sagen, und drückte seine Zigarre aus. Es war einfach lächerlich.

Die gute Laune war Enttäuschung und Frustration gewichen, als er zur Tür ging. Seine Sekretärin schaute auf, als er aus dem Büro kam, und lächelte.

»Susan, ich werde heute früher zu Mittag essen.«

»Gut, Sir. Soll ich einen Tisch für Sie bestellen?«

»Nein danke. Ich versuche es auf gut Glück.«

Er schlüpfte in seinen Mantel und schlang sich den Schal um den Hals. Mit zielstrebigen Schritten verließ er das Büro. Wenn alle fest entschlossen waren, in Feiertagsstimmung zu kommen, dann wurde es höchste Zeit, dass er das ebenfalls tat – mit seiner oder ohne seine Lieblingsklientin.

Caitlin lächelte ihren Chauffeur an, während er ihr aus dem Wagen half. Streng genommen hätte sie ihm helfen müssen. Doch obwohl John Steiner fast siebzig Jahre alt war und an Arthritis litt, war er zutiefst beleidigt, wenn ihm jemand Hilfe anbot. Mehr als zwanzig Jahre hatte er für ihren Vater gearbeitet, und nach Devlin Bennetts Tod hatte er beschlossen, weiterhin zu ihrer Verfügung zu stehen, statt in Rente zu gehen. Sie benutzte den großen Wagen zwar nicht oft, aber allein die Tatsache, dass sie ihn besaß, sorgte dafür, dass John Steiner Beschäftigung hatte und glücklich war.

»Vielen Dank, Onkel John. Du brauchst nicht zu warten. Ich nehme mir ein Taxi, um zurückzufahren.«

John runzelte missbilligend die Stirn, und seine buschigen Augenbrauen sahen aus wie haarige Raupen.

»Hören Sie, Miss, ich bleibe besser hier. Es ist doch viel zu kalt, um auf der Straße zu stehen und auf ein Taxi zu warten.«

»Genau deshalb wirst du nach Hause fahren. Ich esse mit Aaron zu Mittag, und du kennst ihn doch. Abgesehen davon hatte Aaron überhaupt kein Recht, dich zu bestellen. Also bitte, fahr nach Hause … mir zuliebe.«

John versuchte, ein weiteres Stirnrunzeln zustande zu bringen, aber es verfehlte seine Wirkung. Caitlin Bennett war die Tochter, die er niemals gehabt hatte. Er liebte sie abgöttisch, und er hatte ihr noch nie einen Wunsch abschlagen können.

»Also gut, wenn Sie meinen.«

Caitlin gab ihm einen Kuss auf die Wange, wie sie es auch bei ihrem Vater getan hätte. »Vielen Dank, Onkel John. Fahr bitte vorsichtig. Wir können uns später noch unterhalten.«

Sie winkte ihm zum Abschied zu und sah ihm nach, wie er wegfuhr. Dann betrat sie das Restaurant und drängelte sich an einer kleinen Gruppe von Leuten vorbei, die auf einen Tisch warteten. Als sie vor der Chefkellnerin stand, lächelte sie.

»Ich bin Caitlin Bennett und mit Aaron Workman zum Mittagessen verabredet. Ist er schon hier?«

Die Kellnerin lächelte. »Ja, Miss Bennett. Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«

Caitlin schlängelte sich an den Tischen vorbei. Am anderen Ende des Raumes saß ein Paar, das sie kannte. Sie winkte den beiden zu, während sie hinter der Kellnerin herlief.

Als Aaron sie kommen sah, erhob er sich und küsste sie zur Begrüßung auf beide Wangen.

»Liebling, du siehst großartig aus. Ist das ein neues Kleid?«

»Du weißt genau, dass es nicht neu ist. Als ich es das letzte Mal trug, hast du mir gesagt, dass es meine Haut grün aussehen lässt. Also – was soll das jetzt?«

Aaron achtete gar nicht auf ihre Antwort, sondern rückte ihren Stuhl zurecht.

»Bitte setz dich doch. Wir sollten es uns wenigstens gemütlich machen, bevor du anfängst mich anzuschreien.«

Caitlin schenkte ihm ihr süßestes Lächeln.

»Ich habe dich noch nie angeschrien.« Sie nahm die Speisekarte in die Hand. »Ich verhungere. Was nimmst du denn?«

Der Themenwechsel passte Aaron gut. Er würde noch genug Zeit haben, ihr zu erklären, warum er sie angerufen hatte, nachdem sie gut gegessen und sich angeregt unterhalten hatten.

»Ich überlege, ob ich den gegrillten Lachs und einen dieser wundervollen kleinen Salate nehmen soll.«

Sie zog die Nase kraus. »Ich mag keinen Fisch.«

Aaron verdrehte die Augen. »Ich weiß«, sagte er gedehnt. »Aber ich mag ihn, und du hast mich gefragt, was ich nehmen möchte und nicht, was du meiner Meinung nach essen sollst.«

Sie lachte, als sie sich über den Tisch beugte und Aarons Hand tätschelte.

»Du hast ja so Recht, und ich entschuldige mich dafür, dass ich so zickig bin.«

Er schien besänftigt, nachdem er seinen Standpunkt klargemacht hatte, und wandte sich mit einem Lächeln wieder seiner Speisekarte zu.

Sie entschieden sich schnell, und kurz darauf wurden die Speisen serviert. Während sie aßen, unterhielten sie sich über die Höhe der Auflage und das Titelbild des Buches, an dem sie gerade arbeitete. Erst als der Kellner ihre Bestellung für das Dessert entgegengenommen und den Kaffee serviert hatte, beendete Caitlin abrupt ihren gemütlichen Small Talk.

»Okay, ich bin gefüttert und getränkt worden, und jetzt wüsste ich gerne, warum es so wichtig war, dass ich mein gemütliches warmes Heim verlasse, um mit dir zu Mittag zu essen. Nicht dass deine Gesellschaft nicht großartig wäre«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu.

Aaron strich seine Weste glatt. Dann beugte er sich nach vorn und dämpfte seine Stimme, als er sprach.

»Es geht um ein paar Fanbriefe, die an unser Büro geschickt wurden und die dich betreffen.«

Unvermittelt wurde ihr übel.

»Was ist damit?«

Aaron runzelte die Stirn. Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet. Caitlin war blass geworden und zitterte.

»Geht es dir gut? Wenn du dich nicht wohl fühlst, können wir das Gespräch auch ein andermal fortsetzen.«

Sie fiel ihm mit ihrer Frage ins Wort.

»Was hat es mit diesen Fanbriefen auf sich?«

Er seufzte. Er kannte Caitlin gut genug, um zu wissen, dass sie nicht eher Ruhe geben würde, bis sie über alles informiert war.

»Gut … aber ehe ich dir davon erzähle, möchte ich dir versichern, dass der Verlag Hudson House hundertprozentig hinter dir steht.«

»Aaron … bitte komm endlich zum Thema.«

»Sofort. In den vergangenen Monaten haben wir ein halbes Dutzend Briefe erhalten, die uns dafür verfluchen, dass wir deine Bücher veröffentlichen.«

Caitlin versuchte zu lachen. »Vermutlich von einem frustrierten Möchtegernschriftsteller, dessen Manuskript zurückgeschickt wurde und der seine Wut nun an mir auslässt.«

»Der Meinung sind wir nicht.«

»Warum?«

»Es sind keine Beschwerden. Es sind Drohungen.«

Caitlin erstarrte. »Was für Drohungen?«

Aaron seufzte. »Der Letzte enthielt eine Bombendrohung.« Er sah, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich, und wünschte, sie wären nicht an einem so öffentlichen Ort, denn sie war kurz davor, in Tränen auszubrechen. »Es tut mir leid, Liebling, aber wir dachten, dass du es wissen solltest … für alle Fälle … nun ja, damit du gewarnt bist. Du verstehst?«

»Mein Gott.« Ungläubig ließ sie ihre Blicke durch das Restaurant und über die anderen Gäste schweifen. Wie konnten sie so ruhig dasitzen, während ihre eigene Welt aus den Fugen geriet?

»Caitlin. Liebling. So sag doch etwas.«