Boomerang - Küssen auf eigene Gefahr! - Noelle August - E-Book

Boomerang - Küssen auf eigene Gefahr! E-Book

Noelle August

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Beschreibung

Adam Blackwood ist mit nur 23 Jahren bereits an der Spitze angelangt: Als Gründer des Dating-Portals Boomerang hat er mehr Geld, als er ausgeben kann, er sieht blendend aus, und alle Frauen reißen sich um ihn. Doch Adam hat ein Geheimnis, das nicht nur seinen Ruf, sondern auch die Zukunft seiner Firma in Gefahr bringen kann.

Für einen neuen Geschäftsdeal muss die zielstrebige Alison Boomerang genau unter die Lupe nehmen und eng mit Adam zusammenarbeiten. Leichter gesagt als getan, denn die beiden verbindet die prickelnde Erinnerung an eine besondere Nacht. Allen Regeln zum Trotz kommen Alison und Adam sich näher, doch auch Alison verheimlicht etwas …

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Seitenzahl: 408

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Buch

Nie hätte Alison Quick gedacht, dass eine einzige Nacht ihr Leben verändern könnte. Eigentlich will sie sich momentan auch voll und ganz auf ihren neuen Job konzentrieren. Als sie eine Kostümparty besuchen muss, um dort Geschäftskontakte zu knüpfen, nimmt sie sich deshalb fest vor, bald wieder nach Hause zu verschwinden. Doch plötzlich steht ein attraktiver Fremder vor ihr, dessen unergründliche graue Augen sie nicht mehr loslassen.

Adam Blackwood ist jung, gutaussehend und erfolgreich. Er könnte jede haben, flüchtet sich aber nach einer großen Enttäuschung in kurzweilige und oberflächliche Affären. Als er auf einer Party seiner Firma eine Unbekannte sieht, ist er sofort hin und weg. Ganz unverhofft knistert es zwischen den beiden sofort. Doch was als flüchtige Partybekanntschaft beginnt, wird bald noch um einiges turbulenter werden …

Autorin

Was kommt dabei heraus, wenn zwei Freundinnen eine Geschichte schreiben mit viel Gefühl, Humor und Kussszenen, die Herzrasen verursachen? Die Antwort ist: Noelle August – das gemeinsame Pseudonym von New-York-Times-Bestsellerautorin Veronica Rossi und der preisgekrönten Autorin Lorin Oberweger, die zusammen die Boomerang-Trilogie schreiben.

Die Boomerang-Romane bei Blanvalet:

1. Boomerang. Wer küsst, fliegt!

2. Boomerang. Küssen auf eigene Gefahr!

3. Boomerang. Küssen erlaubt, verlieben verboten!

NOELLEAUGUST

Boomerang

Küssen auf eigene Gefahr!

Roman

Aus dem Amerikanischenvon Vanessa Lamatsch

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Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel »Rebound« bei William Morrow, an Imprint of HarperCollinsPublishers.

Besuchen Sie uns auch auf www.facebook.com/blanvaletund www.twitter.com/BlanvaletVerlag.

1. Auflage

Deutsche E-Book-Ausgabe Januar 2016 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Copyright © der Originalausgabe 2015 by Wildcard Storymakers, LLC

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2016 by Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Umschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com

Redaktion: Wiebke Bach

BS · Herstellung: sam

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-16995-4V001

www.blanvalet.de

Für Veronica – für ihre Geduld, ihr unendliches Talent, Gelächter über Sushi und den besten Auberginen-Dip der Welt. Eigentlich den besten aller Zeiten.

– LO

Für S.N.C., meine dänische Schwester

– VR

1

Alison

Manche Nächte verlangen einfach nach einem Catwoman-Kostüm.

Und das ist definitiv eine dieser Nächte.

Grund Nummer eins: Es ist Halloween. Ich habe nicht vollkommen den Verstand verloren, egal was meine Eltern nach meinem Totalaussetzer letztes Semester auch glauben mögen.

Grund Nummer zwei: Ich befinde mich auf dem Weg zu einer Party, die von der neuen Freundin meines Exfreundes gegeben wird. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nach einer Rüstung aus glattem Leder verlangt. Und nach einer Peitsche.

Ich liege steif wie ein Brett auf dem Rücksitz meines Porsche Cayenne, während Philippe – mein bester Freund und inoffizieller Stylist – den Wagen so fährt, wie er beinahe alles andere tut: mit der Grazie eines Eisbären auf Rollerblades. Das ist erstaunlich, denn er ist schlank und durchtrainiert, und sein Stilempfinden ist unglaublich. Und doch scheint er in seinen zweiundzwanzig Jahren Lebenszeit keine Verbindung zwischen Hirn und Gliedmaßen entwickelt zu haben.

Er stoppt abrupt an einer grünen Ampel, und fast wäre ich vom Sitz gerutscht. Der Wagen hinter uns hupt, und Philippe gibt wieder Gas, sodass ich in die weichen Polster gedrückt werde.

»Tut mir leid«, murmelt er und zuckt mit den Schultern.

Wenn ich in diesem Kostüm sitzen – oder nur atmen – könnte, hätte ich ihn nie hinters Steuer gelassen. Doch ein Mädchen muss tun, was ein Mädchen tun muss. Und heute Abend bedeutet das, mich von Philippe in ein hautenges Lederkostüm einnähen zu lassen – komplett mit glänzender Maske, frechen Katzenohren und einem falschen Nerzschwanz –, damit er mich auf einer Party absetzen kann, auf der ich mich der lebenden Erinnerung an einen meiner schlimmsten Fehler stellen darf.

Das alles im Namen der Firma, wie ich mir immer wieder vor Augen halte, um die Aufregung zu unterdrücken. Die Geschäftsordnung für heute: reingehen, sicherstellen, dass niemand, inklusive mir selbst, verletzt wird, und wieder verschwinden.

Das bedeutet: nichts Stärkeres trinken als Sodawasser. Das ist eine Lektion, die ich durch schlimme, beschämende Erfahrungen gelernt habe. Ich muss nur ein paar Leute höflich begrüßen und lange genug bleiben, um meine baldigen Kollegen und besonders Adam Blackwood zu begutachten, den Geschäftsführer von Boomerang, dem mein Vater eine obszöne Menge Geld zukommen lassen will.

Philippe lenkt den Wagen durch die gewundene Straße im Canyon. Zarte Wolken hängen vor einem diesigen Nachthimmel, der von den Lichtern der Stadt grau eingefärbt wird.

»Wie geht es Ihnen dahinten, Miss Daisy?«, fragt er.

»Sehr witzig. Hättest du es nicht so eng gemacht, könnte ich mit dir vorne sitzen. Du wirst mich aus dem Kostüm rausschneiden müssen.«

»Nun, ich habe dich eingenäht«, antwortet er. »Ich kann dich auch wieder befreien.« Philippe schürzt die Lippen und wirft einen kurzen Blick in den Rückspiegel. »Und gib doch zu, du siehst fantastisch aus.«

Ich versuche, tief Luft zu holen, und lasse meine Hände über das Mieder des Kostüms gleiten, das elegant verstärkt und perfekt geschnitten ist. Philippe hat ein absolutes Wunder vollbracht, denn in diesem Ding habe ich Kurven und wirke sexy, aber nicht billig.

Ich kämpfe mich in eine halb sitzende Position. »Das stimmt.«

Heute Abend fühle ich mich dank seiner Hilfe wunderbar und tollkühn – so weit entfernt von Alison Quick, dem Mädchen aus guter Gesellschaft, wie es gerade noch möglich ist, ohne aus meiner Haut zu springen. Und plötzlich wird mir klar, dass es genau das ist, was ich jetzt brauche.

»Und sind wir oder sind wir nicht auf dem Weg in die Höhle des Löwen, die mit Exliebhabern und Leuten gefüllt ist, die du eines Tages vielleicht feuern musst?«

Ich lache. »Ich liebe deine Fantasie, aber ich glaube, es braucht mehr als eins von einer Sache, um den Plural zu rechtfertigen.«

Er wirft mir einen bedeutsamen Blick zu, während er den Wagen fast gegen einen Busch setzt.

»Pass auf«, sage ich. Aber er hat recht. Ein Exfreund. Und ein großer Fehler. Das rechtfertigt wahrscheinlich die Verwendung des Plurals.

Das Navi führt uns in eine steile Seitenstraße. Wir nähern uns einem weitläufigen, modernen Haus, das aussieht, als wäre es aus der Klippe gemeißelt worden. Der hintere Teil des Hauses muss einen fantastischen Blick über die Stadt bieten.

»Ich kann wirklich mit dir reinkommen«, bietet Philippe zum dritten Mal an.

»Aber du hast kein Kostüm«, ziehe ich ihn auf.

Es ist sehr verlockend, ihn als Schutzschild mitzunehmen. Doch wenn er mit mir auf die Party kommt, hängen wir den ganzen Abend zusammen, und ich muss mich unter die Leute mischen. Obwohl ich nun wirklich keine große Begabung für diesen Teil des Spiels aufweise. Besonders nicht nüchtern.

»Das macht nichts. Ich kann behaupten, dass ich als sexy Mode-Ikone verkleidet bin.«

Ich lache. »Stimmt. Aber ehrlich, das wird schon. Und wenn ich dich brauche, bist du ja nur einen Anruf entfernt.«

Als wir uns dem Haus nähern, sehe ich, dass die lange Auffahrt mit Autos vollgestopft ist, was bedeutet, dass ein steiler Aufstieg in High Heels vor mir liegt. Natürlich sind die kniehohen Gucci-Stiefel diese Unbequemlichkeit wert. Außerdem mache ich nie halbe Sachen, und mit vernünftigen Schuhen kann man nicht als Catwoman auftreten.

Philippe hält den Wagen an, und ich erinnere ihn daran, die Handbremse anzuziehen, bevor er aussteigt, um mir vom Rücksitz zu helfen.

Er lässt den Motor laufen, dann kommt er nach hinten und reicht mir die Hand, während ich mich aus dem Wagen winde wie eine Makrele, die auf dem Deck der Jacht meines Dads umherspringt.

Schließlich gelingt es mir, meine Stiletto-Absätze in Kontakt mit dem Boden zu bringen. »Wow«, meine ich. »Ich habe mich noch nie so elegant gefühlt.«

»Das Leder gibt noch nach«, verspricht Philippe. Er mustert mich, dann beißt er sich vor Konzentration auf die Unterlippe, während er ein paar letzte Korrekturen an meinem Kostüm vornimmt. Unter anderem streckt er seine Hand in mein Mieder, um meine Brüste zurechtzurücken.

»Hey, immer langsam.« Ich schaue mich peinlich berührt nach anderen Partybesuchern um, doch glücklicherweise sind wir allein. Michael Jacksons »Thriller« dringt aus dem Haus zu uns, zusammen mit Gesprächsfetzen und Gelächter. Wieder fühle ich einen Anflug von Nervosität, gepaart mit gespannter Erwartung.

»Ach bitte.« Philippe verdreht die Augen. »Für mich ist das nur Staffage.«

Ich haue ihm auf die Finger. »Ich möchte mich gegen die Verwendung des Wortes nur in Bezug auf meine Brüste verwehren.« Vor allem, weil es wahr ist. Und besonders auch, weil ich gleich Ethans neuer Freundin Mia gegenüberstehen werde, deren kurviger Körperbau eher dem Typ Scarlett Johansson entspricht.

Philippe lässt seine Finger über meine Maske gleiten und zieht sie noch ein kleines Stück nach unten. Sein Issey-Miyake-Aftershave steigt mir in die Nase, ein Geruch, der mir so vertraut ist wie der Duft des Meeres oder der Ställe, in denen meine Pferde stehen – alles Düfte, die ich liebe.

»Du siehst unglaublich aus, Ali. Ehrlich, sonst würde ich dich da gar nicht reingehen lassen.«

»Ich weiß.« Ich beuge mich vor, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. Mit diesen Absätzen bin ich wahrscheinlich einen Meter fünfundachtzig groß, womit ich gute fünfzehn Zentimeter über Philippe aufrage. »Du bist der Beste. Und ich komme schon klar.« Jetzt, wo ich wirklich angekommen bin, freut sich ein Teil von mir auf den Abend. Nicht darauf, Ethan wiederzusehen, aber darauf, ein Gefühl für die anderen zu bekommen und später meinem Dad den ersten Bericht zu liefern. Er erklärt immer wieder, dass ich in Bezug auf Menschen einen unfehlbaren Instinkt hätte. Allerdings bin ich mir noch nicht sicher, ob ich selbst das auch glaube.

»Ich habe absolutes Vertrauen in dich«, erklärt Philippe. »Und jetzt zieh los und hab Spaß.«

»Das hier ist Arbeit«, erinnere ich ihn.

Er verdreht nur die Augen. »Schön. Aber ›Zieh los und hab Arbeit‹ klingt einfach nicht. Außerdem kannst du dich ruhig auch amüsieren.«

»Ich weiß, ich weiß.« Ich wende mich dem Haus zu und nehme die Schultern zurück. »Auf zum Spaß haben.«

2

Adam

Ich nehme den Hügel zum Haus der Gallianos ziemlich schwungvoll, fahre um die Kurve die steile Einfahrt hinauf und halte mit quietschenden Reifen vor dem Haus an. Es ist elf Uhr, und gemessen an den heftigen Bässen und den Leuten vor der Tür, die in meine Richtung schauen, als das Geräusch meiner Ankunft zu ihnen hinüberhallt, hat die Halloween-Party inzwischen Schwung aufgenommen.

Ein Mitarbeiter vom Parkdienst joggt zu dem Mini Cooper vor mir. Ich kenne dieses Auto. Es gehört dem Chef meiner Personalabteilung, Rhett Orland. Ich kupple aus, um den Motor abkühlen zu lassen, und lächle, als meine Angestellten nacheinander aus dem Auto steigen.

Paolo, der auf dem Beifahrersitz gesessen hat, trägt einen schicken Smoking und glänzende Lederschuhe. Sobald er in der Einfahrt steht, setzt er sich einen Zylinder auf und lässt den Gehstock in seiner Hand herumwirbeln. Er gibt die perfekte Latino-Version von Fred Astaire ab.

Sadie gleitet in einem feuerroten Bodysuit vom Rücksitz, bevor sie ihre hoch aufragende blaue Perücke zurechtrückt. Auf ihrer Brust prangen in großen Buchstaben die Worte »Ding 1«. Als nächste folgt Pippa, und sie ist »Ding 2« – kaum überraschend, nachdem die beiden immer alles gemeinsam machen. Wie sie da nebeneinander in der Einfahrt stehen, schaffen sie es, diese absurden Kostüme ziemlich gut aussehen zu lassen.

Schließlich erhebt sich Rhett vom Fahrersitz. Für einen Moment glaube ich schon, er wäre nackt, doch dann erkenne ich, dass er einen Lendenschurz trägt.

Tarzan. Natürlich. Rhett ist gut gebaut, und dieses Kostüm macht es ihm möglich, der Welt seinen Körper zu präsentieren. Seine vielen Trainingsstunden haben sich endlich ausgezahlt.

Rhett gibt dem Mitarbeiter vom Parkdienst seinen Schlüssel, dann greift er noch mal ins Auto, um einen Bund Bananen herauszuziehen. Nettes Detail, das muss ich zugeben.

Ich fahre das Fenster nach unten, als ein weiterer Mitarbeiter auf mich zusteuert und sich zu mir herunterbeugt.

»Ist das wirklich ein Bugatti?« Er reißt die Augen auf, als sein Blick durch den Innenraum meines Autos gleitet. »Heilige Scheiße. Es ist einer«, sagt er und beantwortet damit seine eigene Frage. »Tut mir leid. Ich habe nur noch nie einen Bugatti auf der Straße gesehen.«

»Verständlich. Sie sind ziemlich selten.«

»Hören Sie, Sir«, sagt er, obwohl er aussieht, als wäre er ungefähr in meinem Alter, etwa Anfang zwanzig. »Ich gebe es direkt zu: Ich glaube nicht, dass ich den Mut haben werde, dieses Ding für Sie rückwärts einzuparken.«

»Kein Problem.« Ich rücke meine schwarze Maske zurecht und steige aus, wobei ich den Schlüssel im Zündschloss stecken lasse. »Wie wäre es, wenn wir ihn hier stehen lassen?« Ich ziehe einen Hunderter aus der Tasche und drücke ihm den Schein in die Hand.

Ich mache mir keine Sorgen um mein Auto, und so sehr ich auch immer bereit bin, einen Abend mit Freunden und Angestellten zu verbringen – die Möglichkeit, schnell zu verschwinden, wann immer mir danach ist, erscheint durchaus attraktiv.

»Sicher, danke!« Der Junge nimmt den Schein entgegen. »Vielen Dank!«

»Hey! Adam!« Sadie winkt mir von der Haustüre zu. Ihre riesige Perücke leuchtet im Licht neonblau. Sie sind alle da und warten auf mich, als ich mein Auto umrunde und die Stufen nach oben jogge.

»Woher wusstest du, dass ich es bin?«, erkundige ich mich, während ich die Arme weit öffne.

Pippa lächelt und mustert mein Kostüm. »Verdammt, Zorro. Du siehst gut aus. Das solltest du im Büro tragen.«

Wäre ich nicht Präsident und Geschäftsführer der Firma in Personalunion, wäre ich durchaus in Versuchung. Irgendetwas an dieser Maske fühlt sich gut an.

»Nein«, sagt Rhett. Er verlagert seine Bananen in den anderen Arm. »Bitte, trag das nicht bei der Arbeit, Adam.«

Als Chef der Personalabteilung ist Rhett immer die Stimme der Vernunft.

»Ich schließe mich Pippas Meinung an.« Paolo hebt seinen Gehstock und zeigt damit auf mich. »Wir könnten Anzeigen schalten, in denen du dieses Kostüm trägst, Adam. Die Damenwelt würde nur so herbeiströmen. Na ja, noch mehr herbeiströmen. Und jetzt lasst uns Party machen.« Er tippt mit dem Stock auf Sadies Hintern. »Beweg dein Popöchen.«

Wir halten direkt auf die Bar im riesigen Wohnzimmer zu und bestellen Drinks. Ich nippe an meinem Scotch und halte Ausschau nach den Gastgebern, meinen Bekannten Joe und Pearl Galliano.

Ihr Haus ist schick eingerichtet, passend für eine berühmte Fotografin – modern und schnittig und vollgestopft mit teurer Kunst. Doch heute sieht es irgendwie anders aus. Weniger wie das Haus von Pearl und Joe und mehr wie ein Halloween-Rave.

In der Mitte des Raums und auf der Terrasse tanzen Leute. Auf einer Plattform in einer Ecke steht ein DJ. Überall, wo ich hinsehe, entdecke ich farbenprächtige Masken und Kostüme. Aliens. Sturmtruppen. Zwanzigerjahre-Mädchen und Engel. Sie alle sind hier versammelt.

Cookie, meine Marketingchefin, kommt herüber und schließt sich uns an. Zusammen stehen wir als Sechsergruppe an der Bar, und je großzügiger die Drinks fließen, desto lauter wird das Lachen. Rhett hat sich den Oberkörper mit Wachs enthaaren lassen, um heute Abend als Tarzan erscheinen zu können, und Sadie und Pippa wollen die Details, Haar für Haar. Wirklich faszinierend.

Meine Angestellten sind gesellig. Das ist eine Voraussetzung, um Teil meines Teams zu werden. Ich verkaufe persönliche Kontakte – und das beginnt bei der Unternehmenskultur. Doch sie sind auch eine eingeschworene Gemeinschaft. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sie sich als Gruppe treffen, bevor sie losziehen.

»Das ist so toll«, sagt Sadie. Das Gespräch dreht sich jetzt um Cookies Kostüm. »Was genau soll es darstellen?«

Cookie nippt schlechtgelaunt an ihrem Midori Sour. »Das geht dich nichts an«, sagt sie, doch gleichzeitig streicht sie sich mit der freien Hand nervös über das silberne Kleid mit hohem Kragen, langen Ärmeln und einer kleinen Schleppe, die mit winzigen, glitzernden Kristallen besetzt ist.

Wollte ich es mit einem Wort beschreiben, würde ich es streng nennen. In einem Satz ausgedrückt: Sie sieht aus wie das Chrysler Building.

»Sie ist die böse Hexe aus diesem Disney-Film«, rät Paolo. Er lehnt sich theatralisch an die Bar. »Du weißt schon. Die mit den weißen Haaren?«

»Cruella De Vil?«, fragt Sadie. »Maleficient?«

»Hat eine von denen stachelige weiße Haare?« Paolo schüttelt den Kopf. »Himmel. Ihr wisst wirklich nicht das Geringste über Disney-Hexen. Ha!«

»Ich weiß! Elsa aus ›Die Eiskönigin‹!«, rät Sadie. »Deswegen trägst du auch diesen blauen Lidschatten. Richtig, Cookie?«

Wenn Sadie sich mal in ein Thema verbissen hat, gibt sie so schnell nicht auf.

»Cookie ist kein Disney-Charakter, Leute«, meint Pippa. »Sie ist die Hexe aus diesem Narnia-Film. Schaut euch doch ihre Schulterpolster an. Sie sieht aus wie, na ja, die Eiskönigin oder so.«

»Die Weiße Hexe, ihr unbelesenen kleinen Idioten«, blafft Cookie, als könne sie es nicht mehr ertragen. »Aber ihr irrt euch alle.« Sie schüttelt den Kopf. »Jesses. Ihr seid die menschliche Version von Betäubungsmittel. Ich spüre förmlich, wie mein Hirn taub wird.«

»Ich habe eine Frage«, schaltet sich Paolo wieder ein. »Wie fühlt man Taubheit?«

»Sollen wir eure jährlichen Bewertungen auf heute vorziehen, Kinder?«, fragt Cookie. »Wie gefällt euch die Idee?«

Damit findet dieses Thema ein abruptes Ende. Alle nutzen den Moment, um an ihrem Drink zu nippen. Sie sind etwas eingeschüchtert, doch gleichzeitig kämpfen sie gegen ein Lachen an. Nur Pippa, Sadie und Paolo sind direkt Cookie unterstellt, aber eigentlich haben alle Angst vor ihr. Obwohl sie letztendlich ein Yeti-Monster mit weichem Kern ist. Sie strahlt einfach diesen arktischen Charme aus. Ich allerdings vertraue ihr bis in die Tiefen ihres eisigen Herzens.

Die meisten Leute denken, Erfolg beruhe auf tollen Ideen, doch sie irren sich. Erfolg beruht auf tollen Ideen, die in die Hände von fantastischen Leuten gegeben werden. Und ich habe ein Talent, genau solche Leute zu finden. Mein Team wirkt mitunter vielleicht ein wenig exzentrisch, doch alle Mitglieder sind engagiert, loyal und brillant in ihren jeweiligen Jobs – Cookie eingeschlossen.

Pippa und Sadie beschließen, dass der DJ heiß ist, und ziehen los, um ihn zur Strecke zu bringen. Eine halbe Sekunde später kommt Paolo zu derselben Erkenntnis und verschwindet ebenfalls.

Ich warte ab, bis Rhett mit der Barkeeperin beschäftigt ist, dann flüstere ich in Cookies Ohr: »Du hast vergessen, dass es eine Kostümparty ist, oder?«

Sie sieht mich an. Ihre Lippen sind zu einer dünnen Linie zusammengepresst. Dann nickt sie. »Ja. Aber erzähl ihnen das nicht.«

Ich wusste es. Sie ist als sie selbst verkleidet. Ich zwinkere ihr zu. »Dein Geheimnis ist bei mir sicher.«

Sie entschuldigt sich mit der Behauptung, sie bräuchte ein wenig frische Luft, doch ich weiß genau, dass sie nur loszieht, um Möglichkeiten zu finden, Paolo zu schikanieren. Ich sehe, dass Rhett seine Bananen inzwischen der Bar gespendet hat. Nachdem er und die Barfrau in eine intensive Diskussion über das Mixen von Daiquiris versunken sind, schaue ich mich im Raum um.

Ein zierliches Mädchen in einem hautengen Tarnanzug und Kampfstiefeln fängt meinen Blick auf. Ihr Lächeln schickt mir eine klare Botschaft. Sie ist süß, aber nicht mein Typ. Direkt vor mir checkt ein Mädchen in einem Sailor-Moon-Kostüm einen großen Cowboy mit einem weißen Stetson-Hut ab. Er steht mit dem Rücken zu ihr, doch er muss ihre Aufmerksamkeit spüren. Er dreht sich um und tippt sich an den Hut, um sie auf Westernart zu begrüßen, und ihr Lächeln wird breiter.

Ich nehme noch einen Schluck und staune über die Verbindung, die sich direkt vor meinen Augen zwischen den beiden aufbaut. Anziehungskraft ist schon etwas Erstaunliches. Sie ist mächtig. Man kann eine Menge Geld damit machen. Und genau das habe ich getan.

Mit Boomerang habe ich den Spaß des Dating-Spiels auf einer schicken Website eingefangen und eine stetig wachsende Online-Community geschaffen. Ich habe damit genug Geld verdient, um mir die Dinge leisten zu können, die ich liebe. Gutes Essen und Surfurlaube. Ein Haus am Strand von Malibu und ein Auto, das meinen Drang nach Geschwindigkeit auf wunderbare Weise befriedigt. Doch das Beste an Boomerang ist, dass mich die Firma ständig daran erinnert, dass es sich bei Beziehungen mit Frauen nur um Spaß drehen sollte – und sie nicht lange andauern sollten.

Der DJ muss Pippa und Sadie kennengelernt haben, denn plötzlich erklingt der Song »You Sexy Thing« und die beiden hüpfen auf die Tanzfläche.

»Ich liebe dieses Lied«, verkündet Rhett an meiner Seite, dann singt er: »I believe in miracles. Since you came along!«

Er schmettert den Gesang in den Raum, als wäre ihm vollkommen egal, wer ihn hört. Beim Refrain schließe ich mich ihm an.

»Mensch, Adam!«, sagt Rhett und sieht mich an. »Du kannst ja wirklich singen!«

»Nö. Du vergleichst mich nur mit dir selbst.«

Rhett grinst. »Dafür bin ich zu klug. Hey, schau nicht hin, aber dieses Armygirl checkt dich ab.«

»Habe sie schon gesehen. Aber ich bin ein Liebhaber, kein Kämpfer.«

Rhett lacht. »Genau.«

Wir wissen beide, dass das nicht wahr ist. Wenn ich etwas will, wie zum Beispiel den bevorstehenden Investmentdeal mit Quick Enterprises, dann kämpfe ich, bis ich meinen Willen bekomme.

Eine Nonne, eine Stripperin und mehrere Vampire treten durch die Verandatür in den Raum. Irgendwie erscheint mir das wie die erste Zeile eines schlechten Witzes.

»Wo ist Raylene heute Abend?«, frage ich. Raylene und Rhett haben sich vor wenigen Monaten kennengelernt, und es ist etwas Ernstes. Sie sind eine der Boomerang-Erfolgsgeschichten – wenn man davon ausgeht, dass das Endziel eine echte, richtige Beziehung ist.

Rhett zuckt mit den Achseln. »Sie will sich hier mit mir treffen. Ich glaube, ich habe sie sogar draußen gesehen, als wir angekommen sind. Ich werde sie in einer Minute suchen gehen.«

Etwas in seiner Stimme sorgt dafür, dass ich ihn ansehe. »Ist alles in Ordnung?«

Sollte es anders sein, wäre das eine Schande. Ich habe den Kerl nie zuvor so glücklich gesehen.

»Oh ja. Alles okay. Alles prima.« Er hebt seinen Bananen-Daiquiri an die Lippen und senkt das Glas wieder, ohne getrunken zu haben. »Ich habe mich nur gefragt, wie es bei dir so läuft.«

Ich weiß genau, was er wissen will, doch ich stelle mich dumm. »Gut. Die nächste Woche wird sehr spannend, mit den Leuten von Quick Enterprises im Büro. Aber wir sind bereit. Vor Ende des Jahres wird das Geld uns gehören, Rhett.«

»Sicher, zweifellos. Wir werden Quick überzeugen. Die werden uns noch anbetteln, bei uns investieren zu dürfen.«

»Verdammt richtig.«

»Genau.« Rhett fährt sich mit einer Hand über seine kurzrasierten Haare. »Aber ich habe von dir gesprochen, nicht von der Firma. Du weißt schon, weil bald die Feiertage kommen.«

Ich nippe an meinem Whiskey, um mir einen Augenblick Zeit zu erkaufen.

Wie Cookie ist Rhett schon von Anfang an bei mir. Seit vier Jahren, als ich noch ein neunzehnjähriger Neuling war, der Boomerang in einem Lagerraum in Oxnard gestartet hat. Rhett war damals achtundzwanzig und noch nicht der Chef meiner Personalabteilung. Zu der Zeit hat er einfach erledigt, was eben erledigt werden musste. Boomerang aufzubauen hat mir nach Chloe meine geistige Gesundheit gerettet, doch damals quälte ich mich noch sehr. Und Rhett sieht alles, so war es schon immer. Er bekam mehr mit, als er hätte mitbekommen sollen. Was zur Folge hat, dass er die einzige Person in der Geschäftswelt ist, die etwas über meine Vergangenheit weiß.

»Alles in Ordnung, Rhett.« Dann nicke ich in Richtung der Körper, die sich im Takt der Musik winden. »Hey. Geh, und hab Spaß, Tarzan. Dein Mädchen wartet wahrscheinlich auf dich. Gib ihr Süßes oder Saures oder irgendwas. Und wenn du wählen kannst, entscheid dich für Süßes.«

»Okay, Adam«, antwortet er lächelnd. Er versteht, dass dieses Gespräch für mich beendet ist. »Das werde ich. Aber amüsier du dich auch ein wenig, okay?«

Als ich sein Lächeln erwidere, gräbt sich die Zorro-Maske in meine Wangen. »Natürlich.«

Rhett kneift die Augen zusammen, als hätte sein innerer Lügendetektor gerade angeschlagen, doch dann verschwindet er nach draußen.

Ich beobachte, wie er sich seinen Weg durch die Menge bahnt, um die Terrassentüren zu erreichen.

Er hat recht. Ich sollte mich ein wenig bemühen, doch die Finsternis schleicht sich an mich heran. Ich brauche ein wenig Zeit, um sie verblassen zu lassen.

Du weißt schon, weil bald die Feiertage kommen.

Ich schüttle den Kopf.

Ja. Ich weiß.

Ich erblicke Mia und Ethan, meine Expraktikanten, auf der anderen Seite des Raums. Mia ist als Marilyn Monroe verkleidet, und ihr Busen quillt förmlich aus dem weißen Kleid. Ethan trägt eine alte Yankee-Uniform – Joe DiMaggio –, und sie stehen eng nebeneinander. Ethan kann kaum die Finger von Mia lassen, was durchaus verständlich ist. Sie sieht unglaublich aus.

Sie so zusammen zu sehen macht mich glücklich. Und dann steigt der Hunger nach einem weiblichen Körper in mir auf.

Sex ist – wie Surfen – immer etwas Gutes und genau das, was ich jetzt brauche.

Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche und scrolle zu Julias Eintrag. Sie hat ein aktuelles Selfie als Foto hochgeladen, und sie sieht gut aus. Glänzende rote Haare und rote Lippen. Sie sieht darauf sogar besser aus als im wahren Leben, doch so oder so ist sie eine Wucht.

Sie würde kommen, wenn ich ihr eine Nachricht schreibe; das tut sie immer. Doch etwas hält mich davon ab. Vielleicht langweilt sie mich langsam. Oder vielleicht hat es auch etwas mit ihrer eifersüchtigen Ader zu tun – die ich erst in letzter Zeit bemerkt habe. Ich bin einfach nicht bereit, mich heute Abend damit auseinanderzusetzen.

Ich halte die Dinge gerne unverfänglich. Unterhaltsam. Sexbezogen. Sobald ein Mädchen versucht, eine Schublade in meinem Haus zu erobern oder nach dem Code meines Handys fragt, wie Julia es neulich getan hat, bedeutet das den Anfang vom Ende. Ich bin nicht interessiert an einer tieferen Beziehung, an etwas länger Dauerndem oder … Echtem.

Chloe hat das für mich zerstört. Sie hat den Teil von mir vernichtet, der etwas Echtes will.

Verdammt, ich muss dringend flachgelegt werden.

Ich schaue mich im Raum um und denke noch einmal über das Armygirl nach, bis ich sehe, dass sie gerade einen irischen Stepptanz aufführt. Während sie sich einen Schnaps hinter die Binde gießt. Wirklich witzig, aber nicht ganz meine Hausnummer.

Ich schaue in Richtung Tür und erstarre.

Gerade betritt der Inbegriff all meiner Fantasien den Raum, mit einer Peitsche in der einen und einem Katzenschwanz in der anderen Hand.

Ich kann mich kaum entscheiden, wo ich zuerst hinschauen soll. Es gibt viel zu viel, auf das ich mich konzentrieren will. Ihre langen Beine. Die schlanke Taille. Die wunderschönen Brüste. Die Art, wie ihre Hüften sich bewegen, als sie sich durch die Menge schlängelt. Das Mädchen hat einfach alles. Alles an ihrem Aussehen ist perfekt.

Catwoman.

3

Alison

Ich bin die härtesten schwarzen Pisten gefahren und von einem Pferd in die Brust getreten worden, doch in fünfzehn Zentimeter hohen Absätzen und hautengem Lederkostüm einen steilen Hügel zu erklimmen könnte den Preis für die größte körperliche Anstrengung meines Lebens gewinnen. Irgendwann habe ich es allerdings geschafft und werde von der Menge durch die weit offene Tür ins Haus der Gallianos geleitet.

Obwohl ich eine Maske und ein Ganzkörperkostüm trage, fühle ich mich seltsam nackt. Oder unvollständig, wie ich nach kurzer Zeit erkenne. Ich umklammere zwar mit einer Hand die Peitsche, und in einer kleinen Tasche an meinem Catwoman-Gürtel habe ich mein Handy und einen Lippenstift, doch ich trage keinen Aktenkoffer, kein Pferdehalfter und auch keine Sporttasche. Und am schlimmsten ist, dass ich kein Gastgeschenk dabeihabe. Ich tauche niemals ohne Geschenk auf. Das hat mir meine Mom beigebracht.

Ich muss davon ausgehen, dass mich die Aussicht auf diesen Abend mehr erschüttert hat, als ich mir selbst eingestanden habe. Doch jetzt kann ich nichts mehr daran ändern, wenn ich nicht wieder nach draußen gehen will und mich an dem gepflegten Garten bedienen, um den Gallianos dann ihre eigenen Blumen zu präsentieren.

Stattdessen folge ich einer Blondine in einem langen Kleid, auf dessen Schultern winzige Drachen sitzen, in das Chaos der Party. Wir bewegen uns durch einen kurzen Flur in ein riesiges Wohnzimmer mit gigantischen Panoramafenstern, die bis an die mit glatten Ebenholzbalken abgestützte Decke reichen. Die Möbel sind der reine Luxus, eine Mischung aus Designerstücken aus den Fünfzigerjahren und Art déco, und die Wände sind mit Fotografien geschmückt. Einige davon erkenne ich aus den Kunstkursen am College, und bei anderen vermute ich, dass sie von Pearl Bertram stammen: Sie sind mutig, impressionistisch und absolut fesselnd.

Der Raum ist voll, doch ich entdecke Ethan fast sofort. Erstaunlich, dass ich mir seiner auch nach mehr als einem Jahr immer noch so bewusst bin, als gäbe es in mir einen kleinen Sensor, der auf seine Schwingungen kalibriert ist. Er trägt eine altmodische Baseballuniform und steht in einer Gruppe mit ein paar anderen Leuten – einem muskulösen Kerl im Lendenschurz und zwei zierlichen Mädchen, die scheinbar rote Pyjamas tragen. Na ja, sexy Stretchpyjamas mit blauem Pelzbesatz an den Knöcheln.

Ethan hat den Arm um eine kleine Blondine gelegt. Es kostet mich eine Sekunde zu verstehen, dass es seine neue Freundin Mia ist, die sich als Marilyn Monroe verkleidet hat, passend zu seinem Kostüm, von dem ich erst jetzt kapiere, dass es Joe DiMaggio darstellen soll. Mias Körper füllt das klassische Kleid ideal aus. Und sie sieht fantastisch aus mit dieser platinblonden Perücke, auch wenn man erkennt, dass sie Probleme hat, ihre wilden dunklen Locken zu zügeln. Immer wieder muss sie einzelne Strähnen zurück unter die Perücke schieben.

Die Musik und die Gespräche um mich herum scheinen zu verstummen, als ich die beiden zusammen beobachte. Sie unterhalten sich mit anderen Leuten, doch gleichzeitig sind sie verbunden. Ihre Körper berühren sich, und seine Hand streicht geistesabwesend über die nackte Haut an ihrer Schulter, als er über einen Witz seines Gesprächspartners lacht.

Ich weiß, dass ich zu ihnen gehen sollte, sie begrüßen sollte und mich den anderen vorstellen lassen, die sich vielleicht sogar als meine zukünftigen Kollegen bei Boomerang entpuppen werden. Doch irgendetwas lässt mich wie angewurzelt stehenbleiben. Plötzlich überwältigt mich Schüchternheit, weil ich mich aus Ethans zufriedenem kleinen Kreis ausgeschlossen fühle.

Die Art, wie er da steht – so auf Mia eingestellt, so bodenständig und selbstbewusst –, sorgt dafür, dass sich mir die Kehle zuschnürt. Plötzlich steigt die Erinnerung an diese schrecklichen letzten Monate am College in mir auf. Nicht nur an Ethan und die Nacht, in der ich ihn betrogen habe, sondern auch an die zerstörerische Abwärtsspirale, in die ich danach gefallen bin.

Ich versuche, tief durchzuatmen, und dränge die Erinnerungen zurück. Komm schon, Ali, ermahne ich mich selbst. Das ist eine Party. Und du bist Catwoman. Sie würde hier nicht trübselig herumstehen. Sie ist schick und mächtig und bekommt jede Aufgabe erledigt. Zumindest hat Philippe das behauptet, als er mich zu diesem Kostüm überredet hat. Und genau so lautet mein Plan für heute Abend.

Ich bin dankbar für meine Maske. So, wie ich hier stehe, könnte ich jede sein. Hinter all diesem Leder bin ich vollkommen anonym, auch wenn die Peitsche, die hochhackigen Stiefel und das glänzende, hautenge Kostüm verhindern, dass ich als unauffällig durchgehe. Aber das ist in Ordnung. Es macht mir nichts aus, angesehen zu werden, und ich habe ebenso kein Problem damit, andere anzusehen. Mich begeistert die Macht, selbst zu entscheiden, wem ich mich zu erkennen gebe und wann.

Ein Gorilla schiebt sich schwerfällig neben mich und stößt mich mit seinem haarigen Ellbogen an.

»Drink?« Seine Stimme erklingt tief aus dem Kostüm, und im selben Moment drückt er mir ein Kristallglas mit Bowle in die Hand. Es hat ungefähr die Größe eines kleinen Goldfischglases, und auf der Oberfläche schwimmen Fruchtstücke wie tote Fische.

»Tut mir leid«, erkläre ich ihm mit einem Lächeln. »Ich nehme nie Drinks von Primaten an, die ich nicht kenne.«

»Hey, dann lass mich dir etwas von der Bar besorgen«, meint der Gorilla. »Dann kannst du der Barfrau dabei zusehen, wie sie eingießt.«

»Ist schon okay.«

Auf der anderen Seite des Raums stellt Mia sich auf die Zehenspitzen und zieht Ethans Kopf zu sich herunter, um ihm einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen zu drücken. Die Leute um sie herum lächeln und wenden höflich den Blick ab, doch die beiden sind in ihrer ganz eigenen kleinen Welt.

Ich schlucke schwer und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf den Gorilla, der sich inzwischen bemüht, den Drink in seinen eigenen Mund zu kippen. Die Flüssigkeit ergießt sich in die Falten seiner Gummimaske und tropft auf das Fell seines Kostüms.

»Mist«, sagt er. »Ich bin ein hoffnungsloser Fall.«

»Nun, mit diesem Kostüm ist trinken sicher nicht einfach.«

»Erzähl mir was Neues.«

»Wie wäre es mit einem Strohhalm?«, schlage ich vor. Immer die Problemlöserin.

»Superidee!«, ruft er, während er sich geistesabwesend in einer sehr affenartigen Geste die Brust kratzt. »Bist du dir sicher, dass ich dir keinen Drink bringen kann? Ich meine, das hier ist eine Party. Selbst Superhelden müssen sich ab und zu mal einen Abend freinehmen.«

Ethan lacht über irgendetwas. Das Geräusch durchschneidet den Partylärm und bringt mich dazu, meinen Kopf wieder zu drehen und die beiden zu beobachten, während er über die Witze eines anderen lacht. Sie berühren sich.

Plötzlich erscheint mir ein Drink doch wie eine tolle Idee.

Die Barkeeperin schenkt mir ein Lächeln, als ich mich nähere. »Was soll es sein, Catwoman?«, fragt sie. Auf dem Tresen steht eine riesige Bowleschüssel, die mit Spinnweben verziert ist.

»Was für eine Bowle ist das?«

»Sie nennt sich Jungle Rum Blast«, erklärt sie. »Probier mal.« Sie taucht die Schöpfkelle ein und gießt mir eine ordentliche Menge in ein Glas.

Ich rieche daran. Fruchtig, aber mit einer Bourbon-Note. »Was ist da drin?«

»Es ginge schneller, wenn ich dir sage, was nicht drin ist«, antwortet sie grinsend. »Vertrau mir – das Zeug schmeckt fantastisch.«

Ich nippe kurz, dann nehme ich einen größeren Schluck. Der Punsch gleitet durch meine Kehle. Er ist perfekt – herb, fruchtig und mit gutem Alkoholgehalt. Oh, warum nicht. Ich habe einen Fahrer, der auf mich wartet. Und neun Leben.

Bevor ich weiß, wie mir geschieht, habe ich das gesamte Glas geleert, das wahrscheinlich zwei Drinks enthielt. Die Barfrau schenkt mir nach, füllt mein Glas fast bis zum Rand. Dann wandere ich mit der Bowle in der Hand davon.

Wärme breitet sich in mir aus, und die Musik und die Gespräche scheinen mich auf angenehme Weise einzuhüllen. Ich fange an, mich durch die Menge zu bewegen. Der Boden fühlt sich ein wenig schwammig an. Oder vielleicht bin ich ja schwammig. Das ist schwer zu sagen.

Wieder beschließe ich, dass ich wirklich dringend Ethan begrüßen sollte, ihn wissen lassen sollte, dass ich da bin und dass es mir gut geht. Wir können Freunde sein. Wir sind inzwischen Freunde. Alles ist gut.

Auf dem Weg zu Ethan stoppt mich der Anblick eines Kerls, der ganz in Schwarz gekleidet ist und wie ich eine Maske trägt. Zorro, realisiere ich nach einem Moment. Ich kann sein Gesicht nur zum Teil sehen, doch das, was ich sehe, ist kantig und extrem attraktiv. Scharfe Linien, die vollen Lippen zu einem leichten Lächeln verzogen.

Ich fühle seine Augen auf mir, als ich seinen gutgebauten Körper in der engen schwarzen Hose und dem schwarzen Hemd mustere, das über seiner breiten Brust geschnürt ist. Ich habe keine Ahnung, ob es am Alkohol oder der Hitze in seinem Blick liegt, doch ich fühle mich plötzlich lebendiger, mehr wie ich selbst. Und ich fühle mich sexy. Philippe wusste wirklich, was er tat, als er mich zu diesem Kostüm überredet hat. Aber das weiß er eigentlich immer.

Ich entscheide, dass ich noch dieses Glas austrinken werde, bevor ich rübergehe und mich Zorro mal vorstelle. Es ist doch nichts Schlimmes daran, wenn man neben der Arbeit auch ein wenig Spaß hat, oder?

Ich habe gerade einen Schluck getrunken, als ein Mädchen, das als Riddler verkleidet ist, sich durch die Menge drängt, die sich in der Mitte des Raumes bewegt. Sie stürzt auf mich zu, und die Fragezeichen, mit denen ihr grünes Kleid übersät ist, tanzen vor meinen Augen. »Mein Erzfeind!«, ruft sie.

Die Leute um uns herum lachen. Und dann lache ich mit. Die Musik pulsiert – »Blister in the Sun«, einer meiner Lieblingssongs.

Ich nehme noch einen Schluck und sehe mich im Raum um. Ein Kerl, der als Harry Potter verkleidet ist, reibt sich an einer Nonne. Sailer Moon, ein Cowboy und ein Mädchen, das offensichtlich Eva im Paradies darstellt, tanzen als Dreiergruppe, wobei sie ab und zu sehr kreative – und nicht jugendfreie – Aktionen mit der Gummischlange vollführen, die Eva über der Schulter trägt.

Vampire, Geister und Superhelden umringen mich. Es ist surreal und perfekt. Niemand kennt mich, aber ich gehöre dazu. Diese positive, ausgelassene Stimmung im Raum berauscht mich.

Die Wohltätigkeitsveranstaltungen meiner Mutter fühlen sich nie so an. Sie wirken eher, als würde man sich in einem Raum voller Wissenschaftler aufhalten, die sich versammelt haben, um jeden im Raum zu analysieren und jede Bewegung abzuschätzen. Das hier erinnert mich an Partys, die ich früher mit Ethan besucht habe, und auf denen ich willkommen war, weil ich mit ihm unterwegs war.

Bevor ich weiß, wie mir geschieht, habe ich meinen Drink abgestellt, mich zu voller Körpergröße aufgerichtet und Riddler mit dem Griff meiner Peitsche auf die Schulter getippt.

Sie dreht sich zu mir um, und ich erkläre ihr, dass wir noch eine alte Rechnung offen haben.

»Tanzduell. Jetzt!«, höre ich mich selbst sagen. Ich hatte ganz vergessen, wie gut sich das anfühlt. Das Verschwinden von allem, was mich zu Alison Quick, Tochter und ständige Enttäuschung, macht. Dieses Mädchen ist nicht mehr hier. Hier gibt es nur mich und meine Maske, und ich kann sein, wer ich sein will.

Riddler lacht und vollführt einen ersten Tanzschritt, wobei sie ihren grünen Tüllrock zur Seite wirft. »Oh, nur zu!«, ruft sie. Sie packt meine Peitsche und zieht mich in die Mitte des Raums. Die Menge teilt sich vor uns.

Ich werfe einen kurzen Blick zu Zorro und bemerke, dass er immer noch dort steht und uns beobachtet.

Meine Schuhe und das enge Leder meines Kostüms machen es mir schwer, mich wirklich zu bewegen, doch ich gebe mein Bestes. Ich umkreise Riddler. Sie umkreist mich. Andere füllen den Raum zwischen uns, sodass ich in der einen Minute mit einer Schäferin tanze, und in der nächsten schon mit meinem Freund, dem Gorilla. Der Tanz ist gleichzeitig ernst und lustig. Irgendwann gibt das Leder ein wenig nach – und ich kann mich bewegen. Richtig bewegen.

Zorro drängt sich in die vorderste Reihe und beobachtet mich, ein verführerisches Lächeln auf den Lippen. Er ist so heiß, dass es mich wundert, dass der Boden unter seinen Füßen nicht schmilzt.

Ich fange an, nur für ihn zu tanzen, als wären alle anderen nicht im Raum. Es ist lange her, dass ich mich so gefühlt habe, komplett auf eine andere Person konzentriert. Gewöhnlich erwacht mein Körper nur beim Laufen, Skifahren oder beim Reiten zum Leben. Doch jetzt fühlt es sich an, als wäre sein einziges Ziel, einfach hier zu sein, mitten auf der Tanzfläche, und sich im Takt der Musik zu bewegen, während Zorro mich beobachtet.

Ich ergebe mich der Musik und den Bewegungen meines Körpers, doch wieder und wieder wende ich mich Zorro zu. Und jedes Mal sind seine Augen unverwandt auf mich gerichtet. Jedes Mal bedenkt er mich mit diesem umwerfenden Lächeln, das mich in meinem Innersten trifft.

Schließlich kann ich es nicht mehr aushalten. Ich tanze in seine Richtung und lasse dabei den Nerzschwanz durch meine Finger gleiten. Ich lächle ihn an. Ich fühle mich locker und entspannt – als könnte niemand auf der Welt es wagen, mir etwas zu verweigern.

»Tanz mit mir«, sage ich.

»Ist das eine Frage?«, meint er, während er die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Bizeps spannt sich unter dem weiten Stoff seines Hemdes, und seine Augen, die ein tiefes, durchdringendes Grau zeigen, mustern mich amüsiert.

»Nein«, antworte ich und wiege mich im Takt der Musik, die uns umgibt. »Komm.«

Er zögert, und der Moment scheint sich zu dehnen. Worauf wartet er? Versteht er denn nicht, wie dringend ich jetzt mit ihm tanzen muss?

Ich trete näher an ihn heran, spüre die Anziehungskraft seines Körpers wie die Schwerkraft. Ich komme näher und dann noch näher. Dann lasse ich eine Hand über den seidigen Stoff seines Hemdes und die harten Konturen seines Torsos gleiten und sage: »Bitte, bitte?«

Ich trete zurück, und sein Lächeln wird breiter. Schließlich streckt er mir eine Hand entgegen, und ich nehme sie.

»Okay, Catwoman«, sagt er. »Lass uns tanzen.«

4

Adam

Catwoman und ich treten auf die Tanzfläche und fangen an, uns gemeinsam zu bewegen.

Es ist voll um uns herum, und die Luft ist stickig und heiß. Pippa und Sadie tanzen in unserer Nähe. Beide haben ein breites Grinsen im Gesicht, während sie von mir zu Catwoman schauen, die ihren Körper vor mir windet, als hätte sie keine Knochen.

Als sie mich ansieht, erkenne ich ein blaues Blitzen hinter ihrer Maske – ein fahles Blau, wie der Himmel vor meinem Schlafzimmerfenster früh am Morgen –, doch es ist ihr Körper, der mich fesselt. Ich kann nicht aufhören, sie anzustarren. Der Lederanzug umschmeichelt jede ihrer Kurven, und sie ist absolut atemberaubend.

Ich sehe auf und bemerke, dass sie mich anschaut.

»Hi, Zorro«, sagt sie. Ihr Lächeln ist entwaffnend süß. Überraschend, wenn man bedenkt, wie sie sich bewegt.

Ich trete näher an sie heran und lege meine Arme um sie. »Hallo.«

Sie zögert einen Augenblick lang.

»Ist das okay?«, frage ich, doch da schlingt sie bereits ihre Arme um meinen Hals.

»Definitiv.«

»Werwolves of London« ist kein langsamer und nicht mal ein guter Song, doch wir kriegen es irgendwie hin, uns gemeinsam im Takt zu wiegen. Ich lasse meine Hände über ihre Seiten gleiten, um ihre Kurven zu fühlen. Die Bewegungen ihrer warmen Muskeln unter meinen Händen haben einen hypnotisierenden Effekt.

»Dieser Song«, sagt sie laut. Um uns herum heulen fast alle Leute den Mond an, so laut sie nur können. Sie lacht – pinke Lippen, gerade weiße Zähne. »Der ist so schlecht!«

»Grauenhaft.«

Sie deutet auf ihren Kopf. »Meine Katzenohren bluten!«

Ich lache, weil … na ja, das war süß.

Selbst ohne die Absätze an ihren Stiefeln ist sie groß. Wir sind uns so nahe, dass es mir schwerfällt, ihr nicht direkt in die Augen zu starren, also konzentriere ich mich darauf, ihre Hüften mit meinen Händen zu steuern, bis wir uns in absolutem Gleichklang bewegen. Sie ist schlank, aber stark. Athletisch.

Genau wie es mir gefällt.

Während wir tanzen, kommt sie näher, bis ihre Brust meine berührt. Ihr Kostüm hat einen tiefen V-Ausschnitt, der jede Menge Dekolleté enthüllt. Makellose Haut. Ich stecke in Schwierigkeiten. Dieses Mädchen hat mich verzaubert.

»Werwolves of London« geht in einen Song von Jay-Z über. Nachdem das Heulen vorbei ist, steigt das Energielevel um uns herum, doch ich lasse Catwoman nicht los.

Sie hört auf zu tanzen. Zusammen stehen wir inmitten des Gedränges auf der Tanzfläche. Ihr Lächeln ist verschwunden. Sie steht so unbeweglich, dass ich mir nicht mal sicher bin, ob sie noch atmet. Auf der glatten Haut ihres Halses glänzt ein leichter Schweißfilm, und ich sehe, dass ihr Puls rast.

Sie muss wissen, wie sehr ich sie will. Es ist verdammt noch mal offensichtlich.

»Ach, was ich dir noch sagen wollte«, sage ich, wobei ich eine Hand über ihre Wirbelsäule nach unten gleiten lasse, bis ich den weichen Stoff erreiche, der auf Höhe ihres Steißbeines befestigt ist. »Dein Schwanz gefällt mir.«

Ihr Lächeln kommt zurück. »Wirklich?«

»Ja. Sehr sogar«, sage ich, während ich das Pseudofell durch meine Finger gleiten lasse. »Das ist der beste Schwanz, den ich heute Abend gesehen habe. Eigentlich sogar seit Monaten.«

Das ist die Wahrheit. Ich habe sie noch nicht ohne Maske gesehen, habe ihr Gesicht noch nicht gesehen, aber sie ist trotzdem das Heißeste, was ich seit langer Zeit gesehen habe.

»Danke.« Sie lehnt sich ein wenig zurück, um mich von oben bis unten zu mustern. »Aber was ist mit dir? Ich dachte, Zorro sollte eigentlich ein Schwert haben.«

Ich kann nichts dagegen tun. Ich lache. »Willst du mein Schwert sehen?«

Sie reißt den Kopf hoch, und unsere Blicke treffen sich. Sie sagt nichts, aber die Antwort steht in ihren Augen.

»Sollen wir hier verschwinden?«, frage ich, doch sie hat bereits ihre Hand in meine geschoben.

Wir bahnen uns unseren Weg durch die Tanzenden, dann durch die Leute, die auf der Veranda feiern, bis wir einen gepflasterten Weg erreichen, der vom Haus wegführt. Der Weg teilt sich. Links führt er weiter zu einem abgelegenen Pavillon in einer Ecke des Gartens. Das wäre eine akzeptable Möglichkeit, aber er liegt immer noch ein wenig offen und ist von der Veranda aus zu sehen. Doch ich war schon einmal zum Abendessen hier, also kenne ich das Grundstück und habe eine bessere Idee.

»Wo gehen wir hin?«, fragt sie.

Ihre Hand liegt kühl in meiner. Weiche Haut, fester Griff. Hier draußen kann ich auch ihre Stimme besser hören. Feminin und kultiviert. Volltönend, wie ein Kristallglas, das mit einem Messer angeschlagen wurde.

»An einen abgeschiedenen Ort.«

Ich erreiche die freistehende Garage der Gallianos und lege die Hand auf die Klinke, erleichtert, als sich die Tür mühelos öffnet. Im Innenraum ist es dunkel. Das einzige Licht kommt von den Deckenfenstern und den roten Akkulämpchen der Elektrowerkzeuge auf der hinteren Werkbank.

Als ich die Tür hinter uns schließe, verklingt der Lärm der Party. Zurück bleibt nur das entfernte Dröhnen der Bässe. Garagengerüche steigen mir in die Nase. Motoröl und Autowachs. Gerüche, die ich liebe.

Catwoman lässt meine Hand los und dreht sich zu mir um. Ihre Augen glitzern wie Diamanten. Ich warte darauf, dass meine Sicht sich ein wenig an die Dunkelheit anpasst. Dann mustere ich sie von Kopf bis Fuß.

Sie ist schön. Groß und schlank. An den richtigen Stellen kurvig. Jedes Mal, wenn ich sie anschaue, sieht sie besser aus.

»Willst du mir deinen Namen verraten?«, frage ich, weil ich glaube, es gehört sich so.

Catwoman schweigt eine Sekunde. Dann schüttelt sie den Kopf. »Nein.«

»Okay. Ist okay für mich.« Tatsächlich ist es mehr als okay. Es ist ein gutes Gefühl, nicht erklären zu müssen, wer ich bin oder was ich tue. Und sie wirkt auf diese Weise sehr mysteriös. Wie etwas, was direkt einem Traum entsprungen ist. Die Masken sorgen dafür, dass ich mich fühle, als ginge es nur um das Jetzt, um diesen Moment. Und ich habe das Gefühl, dass genau das auch ihr gefällt.

Ich trete vor und nehme sie in die Arme. Meine Finger wollen ihre Hüften umklammern, als ich mich vorbeuge, um sie zu küssen. Sie fühlt sich so gut an. Ich kann mich nicht erinnern, wann ein Mädchen das letzte Mal meine Selbstbeherrschung auf eine so harte Probe gestellt hat.

»Warte«, sagt sie. Sie drückt die flachen Hände gegen meine Brust und lehnt sich zurück. »Ich möchte dich noch einen Moment einfach anschauen.«

Ich nicke. »Okay.« Ich rechne damit, dass sie genau das tut, was ich noch vor kurzem getan habe – als ich ihren Körper betrachtet habe wie ein Geschenk, das zu öffnen ich kaum erwarten kann –, doch sie sieht mir in die Augen. Tief in die Augen, als starre sie in einen aufgewühlten Teich und warte darauf, dass sie unter der Oberfläche wieder etwas sehen kann.

Nicht, was ich erwartet habe – absolut nicht –, doch ich zwinge mich dazu, stehenzubleiben und den Blick nicht abzuwenden. Ich brauche diese Nacht. Ich will sie. Also bewege ich mich nicht.

Die Leute sagen immer, die Augen wären die Fenster zur Seele. Ich bin davon überzeugt, dass sie damit recht haben, weswegen ich darauf achte, meine Fenster verschlossen und vernagelt zu halten. Obwohl sie meinen Blick nur eine Sekunde hält, höchstens zwei, breitet sich langsam Panik in meiner Brust aus.

Ich stehe kurz davor, den Blick abzuwenden, als Catwoman sich auf die Zehenspitzen stellt und ihre Lippen über meine streicht. Es ist eine sanfte, federleichte Berührung.

Mein Körper entspannt sich. Ich ziehe sie an mich und tue, was ich mir gewünscht habe, seitdem ich sie zum ersten Mal gesehen habe.

Ihre Lippen sind weich, ihre Zunge noch weicher, und sie schmeckt nach Beeren und Zimt. Sie schmeckt so süß. Ich ziehe ihre Hüften an mich. Sie stößt ein kleines Geräusch aus, das gleichzeitig von Überraschung und Vergnügen spricht, als sie spürt, welchen Effekt sie auf mich hat. Reine Lust überkommt mich. Ich brauche mehr von ihr – jetzt.

Ich hebe sie hoch und schiebe sie gegen das Auto. Ich koste ihre Haut direkt unter ihrem Ohr, an ihrem Hals, dann rutsche ich tiefer und lasse meine Zunge über die perfekte Rundung ihrer Brüste über dem Kostüm gleiten. Ich lasse meinen Finger über die harte Spitze gleiten, die ich unter dem warmen Leder fühle. »Du fühlst dich unglaublich an.«

Sie legt ihre Hand auf meine und drückt den Rücken durch. »Das fühlt sich so gut an, ähm … Zorro.«

Dann kichert sie leise, und ich kann der Versuchung nicht widerstehen, zu ihr aufzusehen. Ihr Lächeln ist atemberaubend. Ich will es immer dort sehen.

»Don Diego de la Vega, wenn es dir lieber ist.« Ich grinse, als ich die Autotür öffne und sie mit einer Geste in den Innenraum einlade. »Mylady.«

Sie klettert in den Nissan Murano der Gallianos.