Borderline - Widerspruch zwecklos - Angel Gold - E-Book

Borderline - Widerspruch zwecklos E-Book

Angel Gold

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Beschreibung

Borderline - Widerspruch zwecklos Keine Frage hier wird das sehr wichtige Thema -Borderline-  hautnah und konkret angesprochen. Gerade inhaltlich wird die indirekte sowie direkte fiktive und doch wirklichkeitsnahe toxische Beziehung zwischen dem verheirateten Paar Rachel und Brad intelligent und gewitzt dargestellt. Der Autorin lässt geschickt Wahrheit und Fiktion fast unmerklich verschmelzen. Auf der einen Seite ist Brad der mit seinem persönlichkeitsgestörten Verhalten seine Familie, besonders Rachels Leben mutwillig zu zerstören sucht, auf der anderen Seite steht Rachel, die wie viele andere Frauen überhaupt nicht weiß, dass ihr Mann an Borderline erkrankt ist und sich im Stillen über ihr Tagebuch zu analysieren, zu erklären sowie ihr Leben mit Brad zu beschreiben, versucht. Gerade als sie nicht mehr weiter, weiß bekommt sie durch einen Unglücksfall unerwartet Hilfe! Stets wird Gleichberechtigung groß geschrieben und Sexismus bzw. männliche Dominanz verurteilt - im Job, im öffentlichen Bereich und vom Staat. Trotzdem sieht es hinter den verschlossenen Türen Deutschlands noch mal ganz anders aus, das zeigt "Borderline - Widerspruch zwecklos" sehr deutlich. Es wird tausende Frauen geben, die sich in der Protagonistin Rachels erkennen werden und sich daher durch diese Geschichte wiederfinden werden!

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Seitenzahl: 162

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Ähnliche


Angel Gold

Borderline

Widerspruch zwecklos

Impressum

Josefine Buschmann

Auf Hirtenberg 14

54296 Trier

veröffentlicht und gedruckt bei epubli

Zum Inhalt:

Ihre Familie litt jahrelang unter der herrschsüchtigen Art ihres Ehemanns hinter verschlossenen Türen. Erst als sie bei einem Autounfall beinahe ihr Leben verliert, kommt Licht ins Dunkel.

Rachel Flinnigan ist eine intelligente lebenslustige Frau, die mit Herz und Verstand Berufs- und Familienleben meistert. Mit den Jahren entwickelt sich ihr Ehemann jedoch in einen Narzisten, der ihr alle Schuld an seinem unerfüllten Leben gibt und sie und ihre beiden Töchter terrorisiert. Rachel muss hilflos mit ansehen, wie er ihr unter der Manipulation von seiner Familie und seiner Geliebten immer weiter entgleitet, bis es nicht länger nur um den Erhalt ihrer Familie, sondern um ihre Seele geht …

Als Fiktion mit einem Schuss Wahrheit ist diese Lektüre das Tagebuch einer verzweifelten Frau, die unter der Krankheit ihres Mannes leidet, wie es sie auch heutzutage noch öfter in Deutschland gibt, als man wahr haben möchte - verbale und körperlich Misshandlungen, ohne dass Familie, Freunde, Arbeitskollegen oder gar Nachbarn jemals etwas davon mitbekommen. Ein Sog aus Hass und Gewalt, aus Liebe und Verzweiflung hält sie gefangen.

Content Notes: Diese Geschichte befasst sich mit körperlicher und psychischer Gewalt seitens des Mannes gegenüber seiner Familie. Es gibt zwar keine brutalen körperlichen Misshandlungen, aber vor allem psychischen Terror. Für manche Menschen können die dargelegten Szenen belastend sein, daher achten Sie bitte bei der Lektüre auf sich.

Als Rachel den Wagen vor ihrem Haus parkte und die Silhouette ihres Ehemanns wartend vor dem Fenster sah, ahnte sie bereits, dass die Hochstimmung nicht mehr lange anhalten würde. Sie vertrieb den Gedanken jedoch und versuchte sich nicht verrückt machen zu lassen.

„Wir haben wirklich gewonnen!“, jubelte Tina erneut beim Aussteigen.

„Ich weiß, meine Süße“, antwortete Rachel und strich ihr liebevoll durchs Haar. „Und ich bin fuuurchtbar stolz darauf!“

Tina strahlte und lief zusammen mit ihrer Schwester zum Haus. „Ich muss es Papa sagen.“

Rachel zuckte sogleich zusammen. Sie befürchtete, dass Brad die Leistung ihrer Töchter nicht würdigen würde – und ärgerte sich sogleich über ihren Pessimismus. Wo kam der nur her? Sie war doch eigentlich eine gut gelaunte, optimistische Frau, die stets das Beste sah. Womöglich würde Tinas Euphorie Brad aus seiner selbstzerstörerischen Spirale von Hass und Ablehnung reißen, und sei es nur für ein paar Stunden. Dann wäre er, wenigstens für kurze Zeit, wieder der Mann, den sie geheiratet hatte.

Rachel schloss die Haustür auf und die Kinder stürmten ins hellerleuchtete Innere. Brad wartete bereits im Flur. Kein gutes Zeichen.

„Papa, wir haben gewonnen!“, rief Tina und umarmte ihn.

„Großartig“, antwortete er tonlos und nahm Rachel aus kleinen Augen ins Visier. „Und wo ist meins?“

„Wie?“, fragte sie ängstlich. Bevor er jedoch explodieren konnte, verstand sie, was er meinte: die McDonalds-Tüte in ihrer Hand. „Oh, ich hatte versucht dich zu erreichen. Du hast ja meine Nachrichten gelesen und Hannah hatte dich angerufen.“

„Wer sagt, dass ich die Nachrichten gelesen habe?“, beschwerte sich Brad.

„Na, die Häkchen sind blau“, erklärte Rachel nachsichtig. „Die Nachricht wurde also aufgerufen.“

„Das kann alles Mögliche heißen! Vielleicht bin ich da draufgekommen oder ich wurde gehackt. Jedenfalls hab ich nichts gesehen.“

„Ist auch gar nicht so wichtig.“ Rachel holte aus der Tüte einen Burger und eine Getränkeflasche heraus. „Ich weiß ja, was du magst. Einmal ein Cheeseburger und eine Cola.“

Brad starrte beides missmutig an. Hannah und Tina schauten ängstlich, aber keinesfalls verwundert zwischen ihren Eltern hin und her. Solche Szenen hatte es inzwischen häufig genug gegeben.

„Geht schon mal in eure Zimmer, während euer Vater noch isst, ja?“, sagte Rachel und die beiden Mädchen schlurften enttäuscht davon.

„Was ist jetzt? Bekomm ich noch was zu essen oder soll ich hier verhungern?“, knurrte Brad.

Rachel streckte ihm den Burger entgegen, woraufhin er empört den Kopf schüttelte.

„Na, pack ihn aus! Muss ich dir alles erklären oder was?“

Rachel entschied sich, keine Szene zu machen. Sie ging in die Küche, füllte die Cola in ein Glas und drapierte den Burger auf einem Teller, den sie vor Brad auf den Tisch stellte. „Guten Appetit.“

Brad hob kritisch die obere Brötchenhälfte an. „Sind da saure Gurken drauf? Ich hasse saure Gurken.“

Rachel versteifte sich. „Ich … Das hast du noch nie erwähnt.“

Brad schnaufte und biss trotz seiner angeblichen Abneigung gegen Gurken herzhaft in den Burger. „Was bist du überhaupt für eine Mutter, dass du deiner Familie diesen Fraß vorsetzt, statt etwas Gesundes zu kochen?“

Rachel zwang sich zu einem Lächeln. „Das war eine Ausnahme. Die Mädchen haben gewonnen, zum ersten Mal. Da habe ich gedacht, zur Feier des Tages …“

„Zur Feier des Tages lädst du sie auf meine Kosten ein, ja, schon klar“, schmatzte Brad. „Und ich krepiere hier zu Hause. Das hätte dir noch besser gefallen, was?“

„Du krepierst?“, wagte es Rachel einzuwerfen. „Sieht nicht danach aus.“

Brad zog demonstrativ ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich. „Obwohl ich krank bin, hast du mich allein gelassen. Was für eine Ehefrau tut so etwas?“

Langsam wurde es Rachel zu bunt. „Ich habe dich doch gefragt, bevor ich gegangen bin, ob das wirklich in Ordnung ist. Du hast gesagt, es ist nur ein Schnupfen – offenbar so ein schlimmer Schnupfen, dass du nicht mit zu dem Wettkampf kommen konntest, aber nicht schlimm genug um pausenlos bemuttert werden zu müssen.“

„Was weißt du denn schon, wie es mir geht?!“, donnerte Brad.

Brad überhörte Rachels freundliche Antworten stets aufs Geflissentlichste, weil er wusste, dass er weder krank war, und sehr wohl von ihr behandelt wurde, war er wirklich erkrankt. Selbst ein Schnupfen ließ Rachel sofort in die nächste Apotheke rennen um ihm die bestmögliche Pflege zukommen zu lassen. Wie kam er nur auf so etwas? Rachel fixierte ihn. „Hat dir deine Mutter diesen Floh ins Ohr gesetzt? Deine Schwester? Oder sie?“

Brad schaute konzentriert auf seinen Burger. „Ich weiß nicht, wen du meinst.“

„Doch, das weißt du.“

Schließlich sah Brad doch auf und warf ihr einen hasserfüllten Blick zu. „Und wenn es so wäre, mein Leben geht dich nichts an, kapiert?!“ Er warf den letzten Bissen heftig auf den Teller zurück, stand auf und ging. „Mir ist der Appetit vergangen, besten Dank!“

„Notruf Polizeiruf, Hansen.“

„Wo?“

„Wie viele Personen sind beteiligt?“

„Zur Aufnahme Ihrer Daten bleiben Sie bitte am Apparat, ich verbinde Sie.“ Hansen drückt auf ein Funkgerät: „An alle verfügbaren Einheiten, die sich in der Nähe der belgischen Autobahn 3 befinden, kurz vor der Ausfahrt des Lütticher Hofs: Autokollision, eine Verletzte, mehrere Beteiligte. Ambulanz ist informiert.“

„Bestätigung: Sind bereits vor Ort, wir übernehmen.“

Moskau … Fremd und geheimnisvoll,

Türme aus purem Gold, kalt wie Eis, Moskau,

doch wer das wirklich kennt, der weiß wie Feuer brennt,

jetzt wird es heiß …

„Als ich in der Grundschule exakt zu diesem Song meinen ersten öffentlichen Auftritt hatte und Beifall ohne Ende erhielt, dachte ich, mir gelingt alles.“ Dieser Satz war das Erste, was ich von Rachel hörte. Wir freundeten uns drei Jahre nach ihrem legendären Auftritt im Gymnasium an.

Rachels Leben verlief nicht ganz nach ihren Träumen, sie wurde, wie viele andere Frauen auch, die aus Scham schweigen, in einen Sog aus Gewalt, Hass und Lügen hineingezogen.

Der wahrgenommene Albtraum – Vorspiel

Rachel erwachte schweißgebadet, gefangen in einem Chaos der Gefühle. Sie war erschrocken, dass sie überhaupt eingeschlafen war, zugleich verspürte sie eine seltsame Glückseligkeit aus dem Traum. Sie sah sich vorsichtig im Bett um, Brad war schon aufgestanden. Erleichtert lehnte sie sich zurück, blickte auf die Uhr und stellte fest, dass sie, nachdem sie um 06.00 Uhr die Mädchen geweckt, Frühstück gemacht und sie zum Bus begleitet hatte, ihrem Mann Brad Kaffee und Zitronensaft ans Bett gebracht hatte und noch angezogen in einen kurzen intensiven Tiefschlaf gefallen war.

Beruhigt, dass sie alles Wichtige erledigt hatte, nahm sie sich kurz Zeit um ihren Traum Revue passieren zu lassen. Darin hatte sie gegen eine unsichtbare Person gekämpft, wurde von dieser aufs Heftigste gewürgt, sodass sie nach Atem rang. Die fehlende Luftzufuhr geleitete Rachel auf einen strahlend hellen, weißen Gang, der von lauter freundlich lächelnden Gesichtern gesäumt wurde, keines davon das einer ihr bekannten Person.

Verwirrt begann sie, diesem Gang zu folgen, von dem sie nicht wusste, wohin er führte. Es fiel ihr schwer, sich in Bewegung zu setzen, doch mit jedem Schritt, den sie tat, wurde das Laufen leichter: erst kämpfte sie sich voran, dann lief sie, rannte und hob beinahe ab. Gerade als sie sich hochgehoben fühlte, glaubte, zu schweben, wurde sie von einer tiefen, überaus angenehmen Stimme überrascht, die sie direkt ansprach: „Rachel, deine Zeit ist noch lange nicht gekommen. Wir müssen uns jedoch kurz treffen, du bist herzlich willkommen.“

Nach diesen Worten verschwanden der Gang und das gleißende Licht und Rachel befand sich hellwach im Schlafzimmer. Sie stand auf, richtete das Bett, schnappte sich die leeren Becher und ging in die Küche. Dort bereitete sie das Müsli für Brad vor. Kurz bevor sie das Radio einschaltete, hörte sie Brad aus dem Badezimmer kommen und stellte fest: Bis auf diesen Traum war alles wie immer an diesem Morgen.

Kaum zu Ende gedacht, polterte Brad im Anzug die Treppe hinunter und verschwand im Büro, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Dort rief er: „Rachel, hast du meine Buchhaltung erledigt?“

„Ja, Schatz, wir …“ Der Rest ihres Satzes wurde von Telefonklingeln übertönt und Brad beantwortete den Anruf direkt, ohne Rachel weiter zu beachten: „Hallo, Mama, ja, es geht mir gut, habe gut geschlafen, meinen Kaffee getrunken und fahre jetzt ins Büro. Lass uns telefonieren, sobald ich im Auto sitze. Bin noch zu Hause. Bis gleich, Mama.“

Er wollte bereits ohne einem Abschiedsgruß an Rachel vorbeieilen, stoppte jedoch plötzlich. Rachel schöpfte Hoffnung, doch er hatte lediglich das Müsli in ihrer Hand gesehen, riss es nun an sich und verschwand.

Rachel blickte auf die zuknallende Tür und brach in Tränen aus. Wieder ein schrecklicher, gesprächsarmer Morgen. Brad, der Ehemann wider Willen, war fort. Endlich konnte Rachel ihren Gefühlen freien Lauf lassen.

Nachdem sie ihre Tränen getrocknet hatte, mit den Hunden Gassi gegangen waren, die Küche aufgeräumt und alle Räume gesaugt hatte, schrieb sie zwei Artikel über „Krieg, Hungersnot und Flüchtlingswellen – Ursachen und Folgen“ für zwei namhafte Zeitungen, bei denen sie als Freelancerin auf Honorarbasis arbeitete. Anschließend bereitete sie das Abendessen für ihre Töchter vor, die Semesterferien hatten und diese zu Hause genossen – mehr oder weniger. Beide befanden sich derzeit mit Freunden auf einer Segeltour und sollten am Abend zurück sein.

Während des Tages führte Rachel, wie so oft, gedankliche Zwiegespräche mit Brad, die ihr ohne Wenn und Aber die erschreckende Verwandlung ihres Gatten vor Augen führten. Wie jedes Mal begann die Diskussion, indem sie ihm die Augen öffnen wollte: „Schatz, merkst du nicht, dass die jahrelange sorgfältig durchgeplante Manipulation seitens deiner Mutter und Schwester unsere Ehe zerstört?

Du wirst demontiert und manipuliert. Schatz, bitte wach endlich auf und beende diesen Albtraum.“

Als ob Brad sie gehört hätte, kam seine wuterfüllte Antwort – die entsprang nicht nur ihrer Fantasie, Brad hatte es ihr gegenüber am Vortag bereits so gesagt, als sie ihn gebeten hatte, offen und sachlich miteinander zu sprechen. Während Brad seinen Kaffee getrunken hatte und auf Rachels Vorschlag eingegangen war, berichte sie von ihrem gestrigen Tag, das brachte ihn direkt auf 180. Sie sah, wie seine Halsschlagader anschwoll, die Zornesfalte tiefer wurde, seine hellen braungrünen Augen sich bedrohlich verdunkelten, dennoch hörte er ihr angespannt zu. Als sie ihn jedoch daraufhin darum bat ,ebenfalls von seinem Tag zu berichten, explodierte er. „Das geht dich überhaupt nichts an! Halt endlich dein Maul! Ich werde von dir vergiftet, kontrolliert und ausspioniert!“, brüllte er Rachel an.

Die fragte ihn brüskiert: „Was war an meinem Vorschlag falsch?“

Doch Brad beschäftigte sich gedanklich mit seiner Affäre. Durch sein dummes Verhalten – er hatte sie überall eingefügt: WhatsApp , Facebook, LinkedIn, Twitter, Instagram, TikTok, Xiang, Messenger, Viber und und und, Kanäle, auf denen er auch mit Rachel verbunden war – war sie ans Tageslicht gekommen, daher wich er auf ein anderes Thema ab: „Merkst du nicht, dass ich dir nichts sagen will?! Wir haben keine Konversation, weil du dich ständig in mein Leben einmischst! Was willst du von mir? Es geht dich nichts an, was ich mache! Ich bin ein freier Mann! Du bist ein Nichts! Rachel, du bist ein Niemand! Merkst du nicht, wie unglücklich ich hier bin? Meine Mutter sagt, du machst mich krank und ich muss auf meine Gesundheit aufpassen, was du ja nicht machst.“

Brad überhörte Rachels freundliche Antworten stets aufs Geflissentlichste, weil er wusste das er weder krank war noch schlecht von ihr behandelt wurde. Was er nicht wahrhaben wollte, war, dass an seinem irrationalen Verhalten alleine seine Mutter und seine Schwester Schuld trugen, denn die hatten ihren Sohn und Bruder über Jahre hinweg mit Dauertelefonaten so manipuliert, dass ihm, dem seine gegründete Familie einst das Wichtigste war, alles zu viel wurde. Aus unbekannten Gründen war er jedoch nicht in der Lage, seiner Mutter oder Schwester die Stirn zu bieten, nein, alles, was ihm aufgebürdet wurde, ließ er grundsätzlich an Rachel aus. Seit Neuestem fragte seine Mutter gar, ob Rachel anwesend war oder sie mit ihm sprechen könnte. Sie tat alles, um Brads Ehe zugrunde zurichten, scheute vor nichts zurück und hatte es tatsächlich geschafft, dass ihr Sohn seine Angetraute mittlerweile abgrundtief hasste, obwohl diese nichts Negatives getan hatte. Rachel war ihrer Schwiegermutter, ihrer Schwägerin und somit Brads Launen gnadenlos ausgeliefert.

Das begann mit ihren unterbezahlten Jobs, denn aufgrund der Kinder arbeitete sie nur halbtags dreimal die Woche im Hotel plus nebenbei als Freelancerin. Rachel hatte diese Jobs angenommen, um wenigstens ein minimales Gefühl der Selbstständigkeit zu behalten. Seit die Töchter jedoch studierten, versuchte Rachel alles, um eine Festanstellung zu bekommen – was ihr Brad mit seiner negativen Energie zunichte machte. Einerseits wollte er, dass sie arbeitete, andererseits hatte er grundsätzlich an allem etwas auszusetzen. Sein Gebrüll ließ Rachel nicht zur Ruhe kommen, geschweige denn einen festen Job an Land ziehen. Brad fand immer einen Grund, ihr das Leben schwerzumachen, sogar wenn er im Büro war. Und obwohl er bereits halb aus dem gemeinsamen Heim ausgezogen war, wollte er weiterhin alles kontrollieren, denn laut Brad hatte niemand außer ihm selbst Rechte, hatte niemand in seiner Familie das Recht, unabhängig zu existieren. es sollten alle von ihm abhängig sein.

„-Niemand sagt mir, was ich tun oder lassen soll. Ich mache, was ich will, weil ich Brad Finnigan heiße-. Was du, Rachel, davon hältst oder was du eventuell willst, ist mir persönlich scheißegal. Denn meine Mama und meine Schwester kümmern sich jeden Tag um mich, im Gegensatz zu dir, Rachel.“

Einmal hatte sie es gewagt, ihm zu widersprechen: „Das ist kein Kümmern, die sitzen in San Francisco und bombardieren dich von morgens bis abends mit Anrufen und Nachrichten, weil sie sonst nichts zu tun haben! Denen ist es egal, ob du schläfst, arbeitest oder mit uns zusammen bist. Merkst du nicht, dass du bei diesen telefonischen Dauerbelagerungen minutiös ausgefragt wirst, haarklein berichten musst, was deinen Tagesablauf angeht? Und diese deine Familie, unsere Familie wird systematisch zerstört, weil du es zulässt, anstatt das Handy zu ignorieren!“

Brads Reaktion grenzte in ihren Augen an Wahnsinn: „Mama fragt nach! Sie liebt mich, zeigt Interesse an mir, an meinem Leben im Gegensatz zu dir!

„Oh, Brad, wenn ich das mache, dann …“

„Dich hat mein Leben nichts anzugehen, du nutzloses faules Weib!“

„Bist du noch bei Sinnen? Ich bin hier, weil ich dich liebe, obwohl du mich wie Scheiße behandelst. Du wirst von diesen Anrufen so abgelenkt, dass du nicht mehr unsere Familie siehst. Kein Wunder, wenn du täglich von morgens bis abends telefonisch von all den Mitgliedern deiner Familie auf Trab gehalten wirst. Geh doch einfach mal nicht ans Telefon! Ignoriere das Klingeln. Das ist Telefonterror, dem du da ausgesetzt bist.“

Brad winkte lakonisch ab: „Das ist meine Mutter, die braucht mich!“

„Ach? Und wir brauchen dich nicht? Deine Mutter hat kein eigenes Leben. Obwohl sie Enkelkinder, die Schwiegertochter und ihre Tochter vor ihrer Haustür hat, muss sie dich fünfmal am Tag kontaktieren, um nichts aus deinem Leben zu verpassen?“ Rachel schnaubte ungläubig. „Davon abgesehen, von uns, von deiner Familie sprichst du ja sowieso nicht! Es geht in den Telefonaten stets nur um dich: Ich war … Ich habe … Ich mache … Was soll dieses egoistische Verhalten? Willst du deine Familie glauben lassen, ich würde nichts tun, so wie du es dem Arzt vor drei Jahren weismachen wolltest?“

Rachel war nur durch Zufall auf diese Kuriosität aufmersakm geworden. Dem Arzt war es dem Himmel sei Dank sehr spanisch vorgekommen, dass Brad bei einem Vollzeitjob von 09.00 Uhr bis 21.00 Uhr noch in der Lage gewesen sein sollte, nebenbei täglich im Dauereinsatz zu kochen, zu waschen, zu putzen, zu Taxifahrer für unsere Töchter Organisator von Partys zu spielen, Elternabende zu besuchen, Gartenarbeit zu verrichten und außerdem Küche und Bäder auszuräumen und neu zu gestalten.“

Rachel schüttelte verzweifelt den Kopf. „Brad, wer bist du? Wo bist du? Was ist in deinem Kopf? Deine Synapsen arbeiten nicht richtig! Siehst du nichts? Du wirst von vorne bis hinten bedient und bist dennoch unzufrieden, obwohl ich als deine Frau beim kleinsten Leiden von dir aufspringe, mich ständig um dich kümmere, dir all deine Wünsche erfülle, während du wortwörtlich im Bett liegst und dich beklagst.“

„Über meine anstrengende Woche!“

„Die du sicherlich hattest, wohlgemerkt. Allerdings bist du ja inzwischen nur drei Tage im Büro, zwei im Homeoffice, nicht zu vergessen deine Mittagessen in Restaurants. Weißt du, was ich mache?“

Brad setzte zu einer gepfefferten Antwort an, vermutlich, dass ihn das sowieso nicht interessierte und er es schwerer habe, doch da fuhr Rachel bereits fort: „Ich muss meine Jobs, den Haushalt und die Kinder unter einen Hut bringen.“

„Die Mädchen studieren längst“, warf Brad pampig ein.

„Seit einem Jahr“, korrigierte Rachel streng. Seitdem gab es nur noch Brad und Rachel – obwohl der floh ja vor der Realität und weilte lieber bei einer anderen als zu Hause.

Rachel liefen schon wieder Tränen über die Wangen, doch ihr Kopfkino arbeitete unentwegt weiter, wieder hörte sie sich zu Brad sprechen: „Und jetzt das! Ständig muss man sich mit dir beschäftigen, bekommt keinen Freiraum, um sich möglicherweise eigene Träume zu erfüllen, denn die erstickst du aus Angst, ich könnte besser sein.“

Um diesen Monologen, die ihren Kopf beherrschten, zu entfliehen, rief Rachel ihre beste Freundin Lynn an, setzte sich kurz danach ins Auto und traf sich mit ihr im Café.

Im Café

Im Café „Pulverfass“ wartete Lynn auf Rachel. Mit einer viertelstündigen Verspätung traf die endlich ein. Lynn hatte in weiser Voraussicht schon zwei große Latte Macchiatos bestellt, da das Café wegen der Mittagspause von Angestellten nahegelegener Firmen komplett überlaufen war.

Rachel überlegte laut, während sie die größtenteils männlichen Gäste betrachtete: „Sag mal, was bedeutet eigentlich Frauenquote und vor allem, wem bedeutet Frauenquote etwas? Was habe ich davon, wenn ich studiert habe, eine Ausbildung erfolgreich absolviert, unsere Kinder groß- und erzogen habe, als Freelancer arbeite, um allen gerecht zu werden, und trotz massiver Bewerbungen keine Zusage für einen festen Job bekomme?“

„Hm?“, meinte Lynn. „Also um deinen Gedanken aufzugreifen, Frauenquote bedeutet, dass Frauen prozentual, gerade in höheren Positionen, ausreichend oft angestellt werden. Wie viele Bewerbungen hast du denn verschickt?“

„Mittlerweile fast 200 Bewerbungen! Mir ist schon klar, was Frauenquote bedeutet, ich meinte, das auf mich bezogen. Wo ist diese Emanzipation, für die sich Alice Schwarzer so eingesetzt hat, für mich?“