Born to be bad - Josie Charles - E-Book
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Born to be bad E-Book

Josie Charles

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Beschreibung

Sie sind sich nahe gekommen. Er hat sie benutzt. Jetzt holt das Schicksal ihn ein.
Das ergreifende Finale der Dark Romance-Reihe von Josie Charles

Ausgerechnet Dane Cooper, Erzfeind der Black Bones, kennt das dunkelste Geheimnis der attraktiven Hackerin Terra. Um Rache an ihrer Gang zu nehmen, erpresst er sie damit. Doch eine unfassbare Entdeckung ändert für die beiden alles. Terra ist gezwungen, eine fatale Entscheidung zu treffen, und Dane scheint auf einmal festzustellen, dass sie ihn alles andere als kaltlässt. Sind seine Gefühle wirklich echt? Und reißt er die Frau, die seine Rettung sein könnte, mit sich ins Verderben? Nun zählt jede Entscheidung: Für oder gegen die Gang? Für oder gegen die Freiheit? Für oder gegen die Liebe?

Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Titels Born to be bad – Entfesselt.

Alle Bände der Black Bones Kingdom-Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.

Weitere Titel dieser Reihe
Bad to the Bone (ISBN: 9783987784484)
Bad to the Blood (ISBN: 9783987784477)

Erste Leser:innenstimmen
„Sehr gelungener Abschluss der Romance Trilogie, es geht wieder spannend und leidenschaftlich zu!“
„Eine mitreißende Mischung aus Action, Intrigen und Romantik.“
„Die Charaktere sind vielschichtig und entwickeln sich auf beeindruckende Weise.“
„Die Dark Romance hält bis zur letzten Seite in Atem und die Beziehung zwischen Dane und Terra ist voller Konflikte, aber auch emotionaler Tiefe. Großer Lesegenuss!“

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Seitenzahl: 393

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Über dieses E-Book

Ausgerechnet Dane Cooper, Erzfeind der Black Bones, kennt das dunkelste Geheimnis der attraktiven Hackerin Terra. Um Rache an ihrer Gang zu nehmen, erpresst er sie damit. Doch eine unfassbare Entdeckung ändert für die beiden alles. Terra ist gezwungen, eine fatale Entscheidung zu treffen, und Dane scheint auf einmal festzustellen, dass sie ihn alles andere als kaltlässt. Sind seine Gefühle wirklich echt? Und reißt er die Frau, die seine Rettung sein könnte, mit sich ins Verderben? Nun zählt jede Entscheidung: Für oder gegen die Gang? Für oder gegen die Freiheit? Für oder gegen die Liebe?

Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Titels Born to be Bad – Entfesselt.

Alle Bände der Black Bones Kingdom-Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.

Impressum

Überarbeitete Neuausgabe August 2023

Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98778-452-1 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98778-437-8

Copyright © 2018, Josie Charles Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2018 bei Josie Charles erschienenen Titels Born to be Bad – Entfesselt (ISBN: B07J47XQ45).

Covergestaltung: Anne Gebhardt unter Verwendung von Motiven von adobe.stock.com: © ASjack shutterstock.com: © Ozz Design elements.envato.com: © FreezeronMedia, © PixelSquid360 Lektorat: Stephanie Schilling

E-Book-Version 12.04.2024, 11:18:56.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Born to be Bad

Playlist zum Buch

Kaleo – Way down we go

Fall out Boy – What a Catch, Donnie

Imagine Dragons – Whatever it takes

Placebo – Pure morning

XOV – Lucifer

Radical Face – A Pound of Flesh

Alice Merton – Hit the ground running

Amy Winehouse – Back to black

Snow Patrol – Chasing Cars

Linkin Park – One step closer

Jack White – Love is Blindness

Sia – Bird Set Free

30 Seconds to Mars – The Kill

The Offspring – The End of the Line

30 Seconds to Mars – Kings and Queens

Linkin Park – In the End

Prolog

‚Way down we go‘

Detroit, Michigan

Vor fast zwei Jahren

Terra

Aus meinem Versteck auf dem Rücksitz eines unauffälligen Ford sehe ich zu, wie die alte Dame den Bürgersteig entlanggeht. Trotz der Dunkelheit erkenne ich sie sofort, denn wir haben in den letzten Wochen nicht nur die Zielperson, sondern auch ihr Umfeld genau unter die Lupe genommen. Mit klopfendem Herzen beobachte ich, wie sie den Weg hinauf zum Haus nimmt.

Das hätte nicht passieren dürfen. Seit der Besitzer in den Urlaub geflogen ist, haben wir die Villa am Stadtrand von Detroit beobachtet. Bis auf den Postboten kam niemand vorbei, doch ausgerechnet jetzt hat diese alte Schachtel offenbar vor, uns einen Strich durch die Rechnung zu machen. Als würde sie ahnen, dass wir gerade eben hier eingebrochen sind.

»So ein Mist«, murmle ich und drücke auf den Sprechknopf des Funkgeräts. »Dane. Da kommt jemand. Dem Aussehen nach ist es die Mutter. Sei bloß vorsichtig!«

Ich lasse das Funkgerät sinken und strecke mich ein Stück, um die Frau nicht aus den Augen zu verlieren. Zielstrebig marschiert sie auf die Tür zu und zieht dabei etwas aus ihrer Handtasche. Der Bewegungsmelder lässt die Außenbeleuchtung aufflackern und ich erkenne, dass es ein Schlüssel ist.

»Dane«, wiederhole ich eindringlicher. »Kannst du mich hören? Sie wird jeden Moment zu dir reinkommen!«

Fassungslos sehe ich auf das Funkgerät, als es abermals stumm bleibt.

Was treibt der Kerl denn da drinnen?

Fieberhaft denke ich nach. Soll ich etwas unternehmen? Ich könnte den Rest der Black Bones informieren. Wie bei jedem Job haben wir einen Notfallplan in petto, für den Fall, dass etwas schiefgeht. Wenn es darauf ankommt, können wir Dane binnen zwei Minuten aus dem Gebäude holen und verschwinden.

Andererseits will ich nicht zu früh Alarm schlagen. Er ist erst seit ein paar Wochen bei der Gang und muss sich noch bewähren. Das hier ist die perfekte Gelegenheit dafür und ich weiß, wie wichtig ihm der Job ist. Das sollte ich ernst nehmen, denn eines lässt sich nicht von der Hand weisen: Ich bin ihm etwas schuldig.

Es gibt da eine Sache zwischen uns, etwas, das Jahre zurückliegt und wovon niemand außer Dane und mir weiß. Eigentlich kannten wir uns damals noch gar nicht und wenn ich ehrlich bin, hätte ich nicht damit gerechnet, dass wir einander wieder begegnen. Aber das Leben geht manchmal seltsame Wege und schickt einem wie aus dem Nichts genau die Hilfe, die man braucht.

Angespannt sehe ich zum Haus, wo die alte Dame hinter den hohen Rosenbüschen verschwunden ist, die den Eingang flankieren.

»Dane«, flüstere ich nochmal ins Funkgerät und spüre, wie es mir trotz der Kälte, die draußen herrscht, viel zu warm im Auto wird. »Zum Teufel, was treibst du denn?«

Ich kann nur hoffen, dass ich diesmal eine Antwort kriege – ansonsten bleibt mir nichts anderes übrig, als abzubrechen. Denn egal, wie bedeutsam dieser Job ist, ich werde nicht unser oberstes Prinzip brechen: Die Gang geht immer über alles.

Die Sicherheit ihrer Mitglieder ist da mit eingeschlossen. Und Dane Cooper ist nun einmal einer von uns.

Dane

Als ich höre, wie sich der Schlüssel im Türschloss dreht, bin ich mit meiner Verwandlung fertig – gerade noch rechtzeitig.

Terras Warnung sei Dank. Auf die Kleine ist Verlass. Auf den Rest der Black Bones hoffentlich auch, falls das hier schiefläuft. Aber das wird es nicht, da bin ich mir eigentlich sicher. Es ist mein vermutlich größtes Talent, dass ich die Menschen dazu bringen kann, mir zu glauben, was immer ich ihnen auftische. Und das werde ich genau jetzt wieder mal unter Beweis stellen.

Von meinem Platz in der Mitte der breiten Treppe aus, die in den ersten Stock der Villa führt, sehe ich zu, wie die Tür geöffnet wird. Eine beringte Hand schiebt sich ins Innere und langt nach dem Lichtschalter.

Doch ehe die alte Frau ihn betätigen kann, eile ich nach unten und rufe: »Bitte nicht, Sie machen meine ganze Arbeit zunichte!«

Über dem Schalter schwebend hält die Hand inne. Dann wird die Tür weiter geöffnet und ich sehe mich einer ziemlich perplex dreinschauenden, alten Frau mit grauen Locken und grellrosa Lippenstift gegenüber.

Ein Stück vor ihr bleibe ich stehen und hebe die Hände. »Bitte, kein Licht. Da verkriechen sich diese Mistviecher sofort!«

»Mistviecher?« Die Stimme der Frau klingt schwach und ein wenig zittrig.

Klar, sie hat erwartet, das Haus verlassen vorzufinden und erlebt gerade einen ziemlichen Schock. Gut so. Genau das kann ich mir zunutze machen und ihre Sympathie gewinnen, indem ich ihre Nerven beruhige.

»Kakerlaken«, sage ich und füge dann mit gerunzelter Stirn hinzu. »Oh. Wie unhöflich von mir. Mein Name ist Jack Tucker und ich bin von der städtischen Ungezieferbekämpfung. Der Hausherr hat mich beauftragt.«

Damit mache ich einen weiteren Schritt auf die alte Frau zu und halte ihr die Hand hin. Sie mustert mich eine Sekunde lang misstrauisch, aber meine professionelle Optik – der Schutzanzug aus Kunststoff und die Atemmaske – scheinen sie zu beruhigen. Dass es sich dabei um den Duschvorhang ihres Sohnes und einen Slip ihrer Schwiegertochter handelt, muss sie ja nicht wissen. Solange ich ihr nicht den Rücken zudrehe und sie nicht sieht, dass ich beides nur notdürftig mit Klebeband an meinem Rücken befestigt habe, wird sie hier im Halbdunkeln auch nichts merken. Also muss ich dafür sorgen, dass sie schnellstens wieder geht.

»Ich wusste gar nicht, dass mein Sohn ein Ungezieferproblem hat«, sagt die alte Frau und schüttelt meine Hand.

»Es war ihm peinlich, daher hat er mich gebeten, die ganze Sache diskret abzuwickeln.«

»Peinlich?« Die alte Dame lacht. »Vor seiner eigenen Mutter?«

Ich hebe die Schultern. »So hat er es mir gesagt. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Sobald sich das Gas im ganzen Haus ausgebreitet hat, fallen die Mistviecher tot von den Wänden.«

»Gas?« Die Frau verzieht das Gesicht.

»Darum trage ich die Maske. Und darum rate ich Ihnen, jetzt am besten schnell wieder zu gehen.«

»Nun, ich sollte eigentlich die Blumen gießen …«

»Das kann ich doch erledigen.«

Dankbar lächelt sie mich an. Klar – auf eine Vergiftung hat sie vermutlich wenig Lust. »Würden Sie das tun?«

»Ich helfe, wo ich kann. Und Sie sehen besser zu, dass Sie wieder an die frische Luft kommen, bevor das Gas …«

Die alte Dame macht einen eiligen Schritt zurück. »Schon gut, ich bin schon weg. Und grüßen Sie meinen Sohn von mir. Er soll doch eine Haushaltshilfe einstellen, wie ich es ihm schon seit Jahren rate.«

Ich versichere ihr, dass ich es ihm ausrichten werde und komplimentiere sie mit ein paar weiteren Worten nach draußen. Dann reiße ich mir den dünnen Stoff vom Gesicht und blicke ihr zufrieden hinterher. Das war einfach. Während ich mich auch von dem Duschvorhang befreie, kommt mir ein ziemlich interessanter Gedanke: Ich finde, für diese spontane Glanzleistung sollte ich mir etwas gönnen. Und ich weiß auch schon, was das sein wird.

Terra

Gerade habe ich beschlossen, den Rest der Gang zu informieren, als ich sehe, wie sich die alte Frau vom Haus entfernt. Sie wirkt nicht panisch und hat auch nicht ihr Handy am Ohr, um die Polizei zu rufen. Wie es aussieht, ist die Sache gerade nochmal gutgegangen.

Ich hebe das Funkgerät an meine Lippen, drücke den Sprechknopf und sage: »Nicht schlecht, Cooper.«

Wieder bekomme ich keine Antwort. Was hat das zu bedeuten? Ist er vielleicht abgehauen?

Nein, ich glaube kaum. Bisher hat er sich loyal gezeigt, da würde er mich kaum hier sitzen lassen und einfach stillschweigend verschwinden.

Aber warum sagt er dann nichts?

Nachdenklich sehe ich hinüber zum Haus. Die weiße Farbe wirkt im abendlichen Dunkel grau, die Rosenbüsche werfen Schatten auf die Fassade. Nirgends brennt Licht, alles wirkt verlassen. In Wahrheit jedoch stiehlt Dane dort drinnen gerade wichtige Daten, die wir schon bald nutzen werden, um den Besitzer des Hauses um eine gute Million Dollar zu erpressen. Im Auftrag seiner Exfrau. So weit, so einfach.

Es sei denn, Dane ist doch abgehauen.

Ärgerlich blicke ich auf das nutzlose Funkgerät. Mir wird wohl nur eines übrigbleiben: Wenn ich wissen will, ob er sich noch an den Plan hält, muss ich reingehen. Im Grunde ist es auch egal, ob ich hier draußen warte oder nicht, denn mein Job, das Sicherheitssystem außer Kraft zu setzen, ist längst erledigt. Und wenn ich ehrlich bin, reizt mich der Gedanke, zu sehen, was er da drin treibt. Darum gebe ich mir einen Ruck und steige aus.

Sofort umfängt mich die kalte Dezemberluft. Ich ziehe meinen Ledermantel enger um meine Schultern, doch die Kälte dringt mühelos hindurch, während ich den schnurgeraden Weg zur Tür hochgehe. Als ich sie erreiche, klappern meine Zähne und mein Atem kondensiert vor meinem Gesicht. Mit klammen Fingern drehe ich den Türknopf und trete ein.

Ich mache die Tür hinter mir zu und stehe in fast vollkommener Dunkelheit. Es ist still, nur das Plätschern von Wasser ist aus dem ersten Stock zu hören.

Wasser? Was hat das zu bedeuten? Lässt sich Dane da oben etwa ein Bad ein?

Ich spüre, wie mich bei der Vorstellung ein seltsames Kribbeln erfasst.

Vermutlich sollte ich hochgehen und mich selbst davon überzeugen, doch aus irgendeinem Grund zögere ich. Wahrscheinlich, weil dieser Mann so schwer einschätzbar ist. Weil ich ihn nicht so gut kenne wie East, Cyph und die anderen.

»Sei nicht albern«, raune ich mir selbst zu, denn ganz im Ernst: Was habe ich zu befürchten? Er ist Teil meiner Gang.

Also setze ich mich in Bewegung.

Dane

Von meinem Platz in der Fensternische des riesigen Badezimmers aus beobachte ich, wie Terra den Raum betritt. Ich habe das Licht gedimmt, doch eine Sache erkenne ich mühelos: Sie passt hier nicht her, wirkt wie ein Fremdkörper zwischen all dem Marmor und den goldenen Wasserhähnen. Sie blickt sich um, dreht mir den Rücken zu. Ich begutachte ihr leuchtend petrolfarbenes Haar, das sie zu einem hohen Zopf gebunden hat, ihre langen schlanken Beine, ihren figurbetonten Mantel, auf dessen Schulterblättern zwei stilisierte Flügel aufgedruckt sind.

Nun ja, so ein Engel, wie sie tut, ist sie nicht, so viel steht fest.

Ich sehe zu, wie sie sich dem Jacuzzi zuwendet, in den gerade aus sämtlichen Hähnen heißes Wasser strömt.

»Dane?«, fragt sie. Dann taucht sie eine Hand ein, als wolle sie die Temperatur prüfen.

Ich lächle und löse mich von meinem Platz. Mir war klar, dass sie einem heißen Bad nicht widerstehen kann.

Beinahe lautlos trete ich hinter sie und schlinge einen Arm um ihre schmale Taille. »Da bist du ja endlich.«

Sie zuckt zusammen, macht jedoch keine Anstalten, sich mir zu entziehen. »Du hast mir nicht geantwortet«, sagt sie leise.

»Weil ich wollte, dass du nachsehen kommst.«

»Ach ja? Und wieso?«

»Ich habe dich und diese zwei Typen letzte Nacht im Clubhaus beobachtet«, erwidere ich dicht an ihrem gepiercten Ohr. »Das hat mich ziemlich angemacht.«

Terra schweigt eine Sekunde. Dann sagt sie mit einem unwiderstehlich provozierenden Unterton in der Stimme: »Ich kann die zwei gerne für dich anrufen, wenn du willst.«

Ich lache. Schlagfertigkeit, darauf stehe ich. Auf bunte Haare und Punkklamotten hingegen weniger, aber aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen bin ich dennoch scharf auf Terra. Vielleicht, weil ich eine Frau wie sie noch nie hatte. Rätselhaft, geheimnisvoll. Vielleicht sogar gefährlich.

»Ich mache dir einen anderen Vorschlag«, sage ich und lasse meine Hand unter den Saum ihres Shirts gleiten. Ihre Haut fühlt sich kühl und glatt unter meinen Fingern an und ich erwarte fast, dass sie sich wehrt. Doch zu meiner Überraschung tut sie es nicht.

»Und der wäre?«, fragt sie stattdessen.

Ich lasse meine Lippen über ihren schlanken Hals gleiten. »Ich verschaffe dir im Alleingang mehr Vergnügen, als diese zwei Loser es zusammen geschafft haben.«

Terra lacht leise und rau. »Große Worte.«

»Glaub mir, das ist noch nicht alles.« Mit einem Ruck ziehe ich ihr Becken dicht an meins, lasse sie meine beginnende Erektion an ihrem Hintern spüren und genieße es, wie sie scharf einatmet.

Ich habe sie nicht nur einmal beobachtet in den letzten Wochen. So rätselhaft sie ist, eines habe ich erkannt: dass sie eine Frau ist, die gerne mal die Kontrolle abgibt. Die sich mit Vorliebe einfach nehmen lässt. Und genau das kann sie von mir haben.

»Zieh dich aus«, fordere ich.

»Zieh du dich doch erstmal aus«, erwidert sie.

Ich spüre, wie ich zu grinsen anfange. »Das Einzige, was ich noch ablegen kann, ist meine Uhr.«

Ruckartig dreht sich Terra zu mir um und begutachtet mich von oben bis unten. Ihr gefällt sichtlich, was sie sieht. Kein Wunder. Diese Reaktion bin ich gewohnt. Den direkten Blick, mit dem sie auf meinen Schwanz sieht, jedoch nicht. Die meisten Frauen sind, was das angeht, eher schüchtern.

»Eigentlich stehe ich gar nicht auf Typen wie dich«, stellt sie klar.

»Was du nicht sagst.«

»Das hier bleibt unter uns.« Sie streift sich den schwarzen Mantel von den Schultern.

»Mein Ehrenwort.«

Terra blickt auf, sieht mir in die Augen und ich weiß genau, woran sie denkt. Ich habe ihr schon mal mein Ehrenwort gegeben, vor vielen Jahren. Bis heute habe ich mich daran gehalten.

»Genug gesehen?«, frage ich, warte jedoch keine Antwort ab. Ich packe Terras Hals, ziehe sie an mich und küsse sie, wie sie hoffentlich noch nie geküsst worden ist. Dann drücke ich sie an die Wand neben dem Jacuzzi und helfe ihr, ihre hautengen Kleider auszuziehen.

Es dauert nicht lange, bis sie splitternackt vor mir steht und ich nehme mir einen Moment, um ihren Körper zu begutachten, so wie sie es mit meinem gemacht hat. Ihre Brüste sind nicht groß, aber fest und ihre schlanke Taille ist unheimlich sexy. Tattoos hat sie zu meiner Überraschung nicht und ihre milchig weiße Haut malt sich perfekt gegen das schummrige Licht ab.

»Genug gesehen?«, fragt sie mit einem herausfordernden Lächeln. Dann wendet sie sich von mir ab und klettert langsam, beinahe lasziv in das dampfende Becken.

Ich sehe zu, wie sie sich setzt, wie sie mir entgegenblickt. Wie sie ganz leicht ihre langen Beine für mich spreizt.

»Was ist, Dane Cooper?«, will sie wissen. »Bekommst du jetzt Angst vor deiner eigenen Courage?«

Ich lache. »Mit Sicherheit nicht!«

Damit schnappe ich mir ein Gummi und folge ihr. Sie rührt sich nicht von der Stelle, sieht mir erwartungsvoll entgegen und lässt zu, dass ich ihre Schenkel packe, dass ich sie dicht zu mir heranziehe – und ohne Vorwarnung oder Vorspiel tief in sie eindringe.

Terra stöhnt auf, lässt ihren Kopf auf den Rand der Wanne sinken und gibt sich mir ganz hin. Ich fange an, mich in ihr zu bewegen und bin selbst überrascht, wie gut sie sich anfühlt. Ihre Enge umschließt mich, ich sehe, wie ihre Brüste unter meinen Stößen beben und genieße es, wie sie mich packt, wie sie mir mit ihren Händen immer wieder signalisiert, dass sie es genauso will, hart und schnell.

Die nächste Stunde verläuft ganz genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Wir treiben einander fast in den Wahnsinn, zeitweise ist es mehr ein Ringkampf als Sex, doch genauso habe ich mir das mit ihr erhofft. Es gibt nichts Besseres als Frauen, die zulassen, dass man sie voll und ganz vereinnahmt und die zugleich dasselbe mit einem tun.

Es ist die einzige Art von Zusammensein, die für mich funktioniert – kurz, aber intensiv.

Als Terra bei ihrem dritten Orgasmus ihre Zähne tief in meine Schulter gräbt, komme ich so heftig, dass ich für einen Moment befürchte, dass mir gleich das Herz stehenbleibt.

»Du kleines Biest«, raune ich ihr zu.

»Das war deine Schuld«, keucht sie.

Ich drehe mich auf den Rücken und frage mich, wie wir es vom Jacuzzi auf den Badezimmerteppich geschafft haben. »Diese Schuld nehme ich gern auf mich.«

Terra richtet sich auf und sieht mich an. Ein leichtes Lächeln umspielt ihre Lippen.

Ich nehme mir einen Moment, um Luft zu holen und sie mir anzusehen. Das Haar liegt ihr mittlerweile lang und offen über die Schultern. Ihre Schminke ist so gut wie nicht mehr vorhanden. Sie hat helle Augen und Lippen, die nicht übermäßig voll, aber ziemlich sinnlich sind, wie sie gerade gekonnt unter Beweis gestellt hat.

Ich hebe die Hand und streiche mit dem Daumen über ihren weichen Mund.

»Was?«, fragt sie leise und beißt erneut zu, diesmal nur spaßeshalber. »Wirst du jetzt romantisch?«

Ich grinse schief, anstatt ihr eine direkte Antwort zu geben und begutachte sie weiter nachdenklich. Dann beschließe ich, etwas zu tun, was ich sonst nie tue. Sie zu warnen.

»Terra. Was diese Sache damals angeht …«

Terra runzelt die Stirn. Mit dem Thema hat sie in diesem Augenblick offenbar nicht gerechnet. Dennoch muss ich es ansprechen, und zwar genau jetzt. Bevor ich es mir anders überlege.

»Du solltest reinen Tisch machen. Den anderen gegenüber.«

Wenn diese Worte irgendwas in ihr berühren, dann lässt sie es sich nicht anmerken. »Ach ja?«, will sie wissen. »Und wieso?«

»Weil Geheimnisse nie gut sind. Sie zerfressen einen von innen«, sage ich und bin erstaunt über meine eigene Ehrlichkeit.

»Keine Sorge«, erwidert sie. »Ich komme damit klar.«

»Sicher?«

»Ich kenne mich, Dane Cooper.«

Damit steht sie auf und geht zu ihren Sachen.

Ich blicke ihr nach und spüre, dass ich gerade eben an einem dieser Punkte in meinem Leben stehe, an denen es Zeit ist, eine Entscheidung zu treffen. Komisch eigentlich, denn damit hätte ich heute Abend nicht gerechnet. Ich könnte jetzt ehrlich zu Terra sein, könnte ihr sagen, was ich wirklich befürchte.

Doch stattdessen murmle ich nur: »Aber mich nicht.«

Dann stehe ich auf, um mich ebenfalls anzuziehen.

South West Detention Centre

Windsor, Kanada

Vor einer Woche

Dane

Der Weckalarm schrillt und ich bin mir nicht sicher, ob ich davon oder von dem Blutgeschmack in meinem Mund wach geworden bin. Ich öffne die Augen, so weit das möglich ist. Das linke geht, aber das rechte macht Probleme.

Graues Zwielicht erfüllt meine Zelle. Ich setze mich auf, so gut ich kann, auch wenn jede einzelne Rippe in meinem Körper dagegen protestiert. Fahrig betaste ich mein Gesicht und stelle fest, dass die rechte Hälfte von getrocknetem Blut bedeckt ist. Es stammt aus einer Platzwunde an meiner Stirn, von der ich nur hoffen kann, dass sie keine Narbe hinterlässt. Wenn man in meiner Branche arbeitet …

Nein. Denkfehler. Früher, in vergangenen Zeiten, war es wichtig für mich, keine auffälligen Verletzungen oder Narben zu haben. Damals, als ich noch einer der besten Betrüger in ganz Michigan war. Vielleicht sogar der beste.

Heute jedoch könnte ich aussehen wie Freddy Krueger und es würde nicht das Geringste ändern, außer vielleicht, dass die ausgehungerten Knastis aus Block D und F, die dem männlichen Geschlecht zugewandt sind, mich nicht mehr anglotzen würden wie ein Stück Frischfleisch.

Wie auch immer. Ich schwinge die Beine aus dem Bett und versuche, kein schmerzhaftes Stöhnen von mir zu geben. Im Knast zeigt man keine Schwäche, noch nicht einmal vor seinem Zellennachbarn. Doch wegen Alvarez, dem blassen dürren Kerl, der über mir schläft, muss ich mir keine Sorgen machen, denn obwohl der Weckalarm immer noch durch die Gänge schallt, schnarcht er weiter wie ein Baby.

Es gibt Typen, die sich an das Leben hier drin gewöhnen. Ich bin keiner davon. Im Gefängnis zu sitzen war für mich immer die schlimmste Vorstellung von allen. Vermutlich hat East Payne deshalb dafür gesorgt, dass ich hier lande, anstatt mir einfach eine Kugel in den Kopf zu jagen. Wenigstens sitze ich in Kanada und nicht in Detroit im Gefängnis. Was das angeht, hatte Raquel ihre Finger im Spiel, die mir eine falsche Geburtsurkunde beschafft hat. Auf diese Weise werde ich nicht erst eine Staatsgrenze überqueren müssen, wenn es endlich so weit ist.

»Komm schon«, knurre ich in die Stille hinein, die auf den Alarm folgt, und versuche aufzustehen, aber so einfach ist das gar nicht. Meine Beine wollen mir nicht richtig gehorchen. Das war nicht die erste Prügelei, seit ich hier einsitze, aber bei weitem die heftigste. Ich muss ganz schön was abbekommen haben. Aber ich erinnere mich nur dunkel.

Es war nach dem Einschluss, so viel steht fest. Die Tür wurde aufgeschlossen, vermutlich von einem korrupten Wärter, und fünf Typen kamen rein. Alvarez hielt sich raus, wie immer. Die Typen waren bewaffnet mit angespitzten Zahnbürsten und Stiften, an die sie Rasierklingen geklebt hatten. Vermutlich habe ich Glück, dass ich noch am Leben bin.

Ich packe die Leiter, die rauf zu Alvarez’ Bett führt, ziehe mich daran hoch und taumle zum Waschbecken, während draußen die ersten Zellen geöffnet und die ersten Befehle gebrüllt werden. Der verbeulte Spiegel darüber zeigt ein Gesicht, das mir kaum noch bekannt vorkommt.

Doch Moment, vielleicht kenne ich es doch, von früher, aus einer längst vergangenen Zeit.

Aus den dunklen Jahren, bevor ich der Dane Cooper wurde, den alle kannten. Damals, als ich nur ein Junge war, der jeden Tag darum kämpfen musste, nicht zu verhungern, zu verdursten oder von irgendeinem besoffenen Lover seiner Mutter totgeschlagen zu werden.

Ich drehe den Hahn auf und schütte mir händeweise kaltes Wasser ins Gesicht, um die Erinnerungen zurückzudrängen. Dann schnappe ich mir mein Handtuch und wische das Blut weg. Als ich wieder aufblicke, gefällt mir mein Spiegelbild schon besser.

Gut, denn ich wollte nie die erwachsene Version des Kindes werden, das ich einmal war. Ich wollte immer mehr sein. Etwas Besseres.

Fast muss ich lachen.

»Tja, aber was bist du jetzt, Cooper?«, frage ich mich selbst, während ich auch meine Hände von getrocknetem Blut befreie. »Wo bist du am Ende gelandet?«

Ich schüttle den Kopf darüber, dass ich schon Selbstgespräche führe wie ein Verrückter. Ja, ich bin im Moment wirklich nicht am Ort meiner Träume. Und ja, ich bin am Arsch, anders kann man es nicht nennen.

Aber das Gute ist, dass ich nicht vorhabe, zu bleiben.

Und ebenfalls gut ist, dass ich sie gesehen habe – die Gesichter der Männer, die mich gestern angegriffen haben.

Einer von ihnen war Derek Holt, ein zweifacher Mörder, der hier sowas wie der Anführer ist. Aus mir unverständlichen Gründen läuft ihm die Hälfte aller Häftlinge nach wie ein Rudel Welpen. Vermutlich liegt das an seinen Taten.

Es heißt immer, dass man es im Knast schwer hat, wenn man Frauen oder Kindern was getan hat, aber die Wahrheit sieht ein wenig anders aus. Ich habe manchmal das Gefühl, dass der Respekt, den man hier bekommt, einzig und allein davon abhängt, wie bestialisch das ist, was man getan hat, um eingesperrt zu werden. Holt hat seine Exfrau und ihren neuen Freund getötet, und zwar mit mehr Messerstichen, als ein Monat Tage hat. Dann hat er …

Ich will gar nicht im Detail darüber nachdenken. Fest steht jedoch eines: Respekt und Angst gehen hier drin Hand in Hand. Darum sind die größten Killer die Könige. Und wenn man wie ich nur ein Betrüger ist, der kein einziges Menschenleben auf dem Gewissen hat, muss man sich jedes bisschen Achtung hart erarbeiten.

Worauf warte ich also?

Noch einmal sehe ich mich im Spiegel an. Die blauen Flecken und Schrammen in meinem Gesicht, die Blutflecken auf meiner Anstaltskleidung. Dann wende ich mich ab und hole die kleine Sprühdose, die ich vor ein paar Wochen heimlich aus der Krankenstation geschmuggelt habe, aus ihrem Versteck in meinem Kopfkissen. Ich schiebe sie in meinen Hosenbund und wende mich zur Tür.

Jetzt muss ich nur noch den Aufschluss abwarten.

Dane

Während ich den Gang entlanglaufe, versuche ich mir nicht anmerken zu lassen, dass ich mich immer noch fühle, als wäre ein Schwergewichtsboxer auf meinem Brustkorb herumgetrampelt. Ein paar Häftlinge lungern schon auf dem Gang herum und warten darauf, dass sie in die Duschräume gelassen werden. Die Wärter halten sich wie immer im Hintergrund und ich kann nur hoffen, dass sie das gleich ebenfalls tun werden. Eine der Wärterinnen, die glücklicherweise etwas zu sagen hat, habe ich vor einer Weile verführt. Seitdem habe ich sie in der Hand. Nicht die feine Art, ich weiß, aber was nötig ist, ist nun einmal nötig.

»Holt!«, rufe ich, während ich auf seine Zelle zuhalte. Auf dem Gang brennt kein Licht, durch die geöffneten Zellentüren fällt lediglich ein morgendliches Zwielicht herein. Die Gesichter der Männer, die mir entgegenblicken, liegen im Schatten, aber ich weiß genau, was ihre Blicke sagen: Jetzt legt sich Cooper mit dem Falschen an.

Tja, dann sollen sie mal aufpassen.

»Derek Holt«, rufe ich wieder. »Wo versteckst du dich?!«

Noch ehe ich Holts Zelle erreiche, stellt sich mir plötzlich ein anderer Mann in den Weg. Ich erkenne ihn sofort als einen von Holts Handlangern.

»Was soll das werden?«, fragt er.

»Nichts, das dich etwas angeht.«

»Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass sich Derek vor dir versteckt.«

»Einem Kerl, der sich vier Mann als Verstärkung mitbringt, um einen anderen anzugreifen, traue ich noch viel feigere Dinge zu. Wer weiß, vielleicht ist er ja abgehauen, damit er mir nicht begegnen muss.«

Holts Freund öffnet den Mund, um etwas zu sagen oder laut zu lachen, so sicher bin ich mir da nicht. Doch ehe auch nur ein Ton über seine Lippen dringt, sagt plötzlich eine Stimme hinter mir: »Cooper. Ich dachte, wir hätten dir letzte Nacht das Maul gestopft.«

Ich drehe mich um und sehe mich dem gefürchteten Derek Holt gegenüber – dem hässlichsten Fleischbrocken im ganzen Block. Holt ist kein Riese, er ist sogar ein paar Zentimeter kleiner als ich, aber er nutzt jede freie Minute zum Trainieren und sieht darum aus wie einer dieser Bodybuilder aus den Magazinen, die hier drin teuer gehandelt werden. Dass er Steroide spritzt, verraten nicht nur seine pickligen Schultern, sondern auch seine aufgeschwemmten Gesichtszüge. Er sieht aus wie ein aufgequollenes Brötchen und sein Grinsen ist so dämlich, dass ich es kaum erwarten kann, ihm die Zähne einzeln auszuschlagen.

Kurz, für den Bruchteil einer Sekunde, mischt sich mein gesunder Menschenverstand ein und wispert irgendwo in meinem Kopf, dass ich so nie werden wollte.

Dann trete ich auf Derek Holt zu. »Wenn ihr mir das Maul stopfen wollt, müsst ihr euch schon mehr anstrengen. Was war das? Eine Kissenschlacht?«

Gelächter von ein paar anderen Häftlingen, die sich um uns herum versammelt haben, ertönt. Dereks Gesicht wird augenblicklich rot vor Zorn.

»Du frecher kleiner Bastard solltest endlich –«

»Was?« Dicht vor ihm bleibe ich stehen und sehe ihm genau in die Augen.

Das ist ein alter Trick von früher. Ein direkter Blick verunsichert einfach jeden – und verschafft einem manchmal wertvolle Sekunden, um eine Kreditkarte abzufotografieren oder ein Handy zu stehlen.

Oder um einen ordentlichen Schlag in der Magengrube seines Gegners zu platzieren.

Derek Holt ist zweifellos überrascht, als meine Faust ihn trifft. Seine Augen quellen aus den Höhlen, er gibt ein Keuchen von sich und krümmt sich mir entgegen, als wollte er mir über die Schulter spucken.

Ich nutze die Sekunde, um ihm einen weiteren Schlag zu verpassen, diesmal gegen die Schläfe, während ich auch schon die Kavallerie antraben höre. Holts Männer, die der Kerl geholt haben muss, der sich mir eben in den Weg gestellt hat. Jetzt muss ich mich beeilen, sonst endet die Sache wie letzte Nacht.

Glücklicherweise war mein Schlag hart genug, um Holt ins Taumeln zu bringen. Typisch Bodybuilder eben, viele Muskeln und nichts dahinter. Wenn man ihm nicht gerade ein Messer gibt, ist der Kerl offenbar ziemlich hilflos.

Ich lasse einen weiteren Schlag folgen, der ihn zu Fall bringt, knie mich auf ihn und nagle seine Arme auf dem Boden fest, während seine Leute sich durch die gaffende Menge schieben.

»Cooper! Sofort runter!«

Ich denke gar nicht daran. Stattdessen ziehe ich eine Dose aus meinem Hosenbund, packe Dereks Gesicht mit einer Hand, ziehe sein Lid hoch und richte die Düse auf seinen Augapfel.

Holts Pupillen ziehen sich zusammen, schreckerfüllt sieht er mich an. »Cooper. Wenn du das tust …«

»Sofort runter!«, schreit wieder jemand und ich nehme eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr.

»Einen Schritt näher«, zische ich, »und euer Boss ist auf dem rechten Auge blind. Noch einen Schritt näher und ich lasse ihn ganz erblinden.«

Die Männer stoppen. Ich blicke auf und erkenne, dass sie mich schreckerfüllt ansehen.

Klar. Eisspray in den Augen ist für niemanden eine angenehme Vorstellung.

»Rührt ihn nicht an«, wimmert Holt. »Um Gottes willen. Der Typ ist doch irre!«

Ich wende mich wieder ihm zu. »Wie hast du mich gerade genannt?«, frage ich und lege den Finger auf den Sprühknopf.

»Cooper. Wir können über alles reden, aber tu die Dose weg. Du kannst dich uns anschließen. Du könntest …«

»Ich könnte auch einfach dafür sorgen, dass du hier nie mehr jemandem auf die Eier gehst, wie wäre das?«

Holt starrt mich an, zumindest aus dem Auge, das ich aufhalte. Das andere hat er fest zugekniffen.

»Wenn du das tust«, sagt er mit zittriger Stimme, »dann bist du hier drin Freiwild, das schwöre ich dir. Meine Männer werden dich in Stücke reißen.«

Ich beuge mich zu ihm hinunter und erwidere leise, sodass nur er es hören kann: »Wer weiß. Vielleicht ist es mir das ja wert.«

Holt schluckt sichtlich und blickt weiter zu mir auf. Und ich? Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht sollte ich es tun. Wer weiß, möglicherweise hätte ich danach wirklich keine große Zukunft mehr vor mir. Vielleicht würde diese Tat mich aber auch zum neuen Derek Holt machen.

Wie war das? Je schlimmer die Dinge, die du tust, desto größer der Respekt …

»Dane Cooper!«

Eine Frauenstimme, die ich sofort erkenne. Sie gehört der Wärterin, die nach meiner Pfeife tanzen muss, wenn sie ihren Job nicht verlieren will.

Ich blicke auf.

Sie und zwei ihrer Kollegen haben sich durch die gaffende Menge geschoben, die Hände auf den Schlagstöcken an ihren Gürteln.

»Lass ihn sofort los und sieh zu, dass du deine Sachen packst.«

Ich verziehe das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. »Wieder mal der Bunker?«

Das wäre nicht das erste Mal, dass sie mich für ein paar Tage in Isolationshaft stecken.

Doch die Wärterin schüttelt den Kopf. »Diesmal nicht. Du wirst verlegt. Also lass Holt in Ruhe und beeil dich.«

Ich werde verlegt?

Das sind verdammt gute Neuigkeiten. Schlagartig ist mein Tag um zweihundert Prozent besser geworden. Denn ich weiß auch schon, wohin mich dieser Umzug führen wird.

Raus aus der Hölle. Einen Schritt näher in Richtung meiner Rache.

East. Jess. Cyph. Lielle. Kyan. Milo. Und Cas.

Die verdammten BlackBones werden sich bald wünschen, dass sie sich nie mit mir angelegt hätten.

Kapitel 1

‚What a Catch, Donnie‘

Calgary, Kanada

Heute

Zachary

Es klingelt. Wieder und wieder. Aber ich kann mich nicht von der Stelle rühren. Ich sitze auf dem Boden in meiner Wohnung am Scotsman’s Hill und starre die alten Fotos an, die ich vor mir ausgebreitet habe.

Sie alle zeigen Phoebe. Ihr Lachen. Ihre strahlenden Augen. Die ebenmäßige Haut. Das glänzende braune Haar.

Sie war die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe.

Mit dem Finger fahre ich ihre Gesichtszüge nach. Ich vermisse sie so. Seit die Sache mit Lielle schiefgelaufen ist, mehr denn je. Nach Phoebes Tod habe ich mich abgeschottet. Meine Emotionen unterdrückt und mich abgekapselt. Mein Job bei DayBreak Motors war alles, was ich hatte. Doch dann trat Lielle in mein Leben und hat die Mauer, die ich um mich errichtet hatte, einfach eingerissen. Sie hat dafür gesorgt, dass ich wieder lebe, dass ich wieder fühle … bevor sie mich hat sitzen lassen.

Seit diesem Tag ist nichts mehr wie vorher. Ich habe nicht nur Phoebe verloren, sondern danach auch noch Lielle. Und als wäre das alles nicht schlimm genug, bin ich auch noch meine Firma und meine Villa los. Nur die Wohnung am Scotsman’s Hill ist mir geblieben.

Ausgerechnet.

An diesem Ort muss ich ständig an Phoebe denken. Daran, welche Zukunftspläne wir hatten. Aber dieses Schwein Edwyn Blake musste sie ja mitten aus dem Leben reißen! Wenn ich könnte, würde ich ihn ein weiteres Mal aus dem Fenster werfen. Doch diesmal wäre es kein Unfall …

Etwas knackt an meiner Tür, ich höre leise Stimmen und ein Rascheln, dann schwingt die Wohnungstür auf.

Perplex blicke ich auf, bis mir klar wird, dass es nur wenige Menschen gibt, die so dreist wären, am helllichten Tag bei mir einzubrechen.

»Lielle«, sage ich und wische mir hektisch über die Augen. Sie muss nicht sehen, dass ich heulend wie ein Kleinkind auf dem Boden sitze. Schnell schiebe ich die Fotos zusammen und stehe auf.

Hinter Lielle tritt ihr neuer Freund Cyph ein. Gefolgt von East, der meiner Meinung nach der Anführer der Bones ist, aber von niemandem so bezeichnet wird.

»Was wollt ihr hier? Könnt ihr nicht klingeln?« Ich bemühe mich um Fassung.

»Das haben wir.« Lielle sieht sich missbilligend um und ich folge ihrem Blick.

Das Chaos um mich herum hält sich in Grenzen. Es war schon mal schlimmer, sie braucht gar nicht so zu gucken.

»Es war deutlich leichter, in deine High-Tech-Villa zu gelangen«, grinst Cyph und wedelt mit irgendeinem Werkzeug vor meiner Nase herum. »Ich dachte schon, ich muss das ganze Schloss zertrümmern, um hier reinzukommen.«

Lielle legt Cyph eine Hand auf die Schulter und ich komme nicht umhin, dass mich dieser Anblick stört. Auch wenn sie sich bereits vor drei Wochen für ihn entschieden hat, macht es mich immer noch rasend, die beiden zusammen zu sehen. Nicht, weil ich noch Gefühle für Lielle hätte. Vielmehr stört es mich, dass sie mir einen anderen vorgezogen hat. Mein Ego protestiert, wann immer ich Cyph und Lielle begegne.

»Wollt ihr was trinken? Setzt euch.« Ich warte nicht auf eine Antwort, sondern verschwinde in die Küche.

Diese Hacker sind manchmal die Pest. Können sie nicht einfach akzeptieren, wenn ich die Tür nicht aufmache?

Ich suche in den Schränken nach freien Tassen, finde aber keine. Also gibt es auch keinen Kaffee. Ich schaue in den Kühlschrank, aber dort herrscht gähnende Leere.

»Wovon lebst du?« Lautlos wie eine Katze ist Lielle hinter mich getreten und späht an mir vorbei.

Ich zucke mit den Schultern und wende mich ab. »Was wollt ihr hier?«, wiederhole ich meine Frage von gerade.

Doch auch diesmal scheint es Lielle nicht für nötig zu halten, mir zu antworten.

»Zac …« Sie tritt einen Schritt auf mich zu, aber ich hebe abwehrend die Hände.

Sie soll bloß nicht näherkommen. Es ist so schon schwer genug.

Lielle mustert mich und ich sehe ebenfalls an mir herunter. Ich weiß gar nicht, was sie hat. Immerhin trage ich ein Hemd. Und Unterhosen. Zugegeben, das ist vielleicht ein bisschen wenig, aber ich habe ja auch nicht mit Besuch gerechnet.

»Was ist los mit dir?«

»Es ist alles bestens.«

Lielle lehnt sich seufzend an die Anrichte. »Ich kann mir vorstellen, dass es hart ist, aber …«

»Nein. Kannst du nicht. Du kannst es dir nicht einmal im Ansatz vorstellen.«

»Zac.«

»Ist das alles? Bist du nur hier, um immer wieder meinen Namen zu sagen?«

Das Mitleid, das bis gerade noch in Lielles Blick lag, schlägt mit einem Mal in Wut um. »Ich kann nichts dafür, dass du die Firma verloren hast. Das war nicht meine Schuld. Deine Schwester –«

»Ich weiß.« Im Endeffekt ist es einzig und allein Sophies Schuld. Und die dieser anonymen Hackerin.

»Und trotzdem behandelst du mich, als hätte ich dir alles genommen.«

Nein. Sie hat mir nicht alles genommen.

Ich sehe Lielle an. Ihre langen blonden Haare liegen über einer Schulter und ihr Körper steckt in einem hautengen Overall. Sie ist hübsch. Keine Frage. Aber die sexuelle Anziehungskraft zwischen uns ist erloschen. Ich muss aufhören, sie dafür verantwortlich zu machen, dass meine Trauer um Phoebe neu entfacht wurde.

»Es ist wegen Phoebe«, gebe ich deshalb nach einem Moment zu. Auch wenn ich East und Cyph im Wohnzimmer reden höre, senke ich meine Stimme. Sie müssen nicht mitkriegen, was ich Lielle zu sagen habe. »Seit ich weiß, wozu Sophie und mein Vater fähig sind, muss ich dauernd an den Unfall denken. Ich frage mich, ob sie nachgeholfen haben.«

Lielle sieht mich nachdenklich an, dann nickt sie langsam. »Das verstehe ich, aber ganz logisch ist es nicht. Ihr Unfall in einem eurer Autos war ein Imageschaden. Dein Vater hat eine Menge Geld gezahlt, damit DayBreak mit einer weißen Weste aus der Sache hervorgeht.«

Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Trotzdem kommt mir all das ein bisschen seltsam vor. Nach Phoebes Unfalltod war ich völlig außer Kontrolle. Und mein Vater war zu dieser Zeit an meiner Seite wie niemals zuvor. Er hat mir sämtliche Dinge abgenommen und mich in Ruhe trauern lassen. Was ist, wenn das nicht seiner Fürsorge geschuldet war, sondern ihm perfekt in den Kram passte, um zu vertuschen, dass er mit ihrem Tod etwas zu tun hatte? Immerhin war sie als einfache Studentin und Schönheitskönigin auf irgendwelchen Misswahlen nicht gerade standesgemäß für den Sohn von Kanadas wichtigstem Unternehmer.

Wer weiß, vielleicht rede ich mir aber auch etwas ein und erfinde Ausreden, um eben genau das nicht tun zu müssen, was mir seit Jahren alle raten: mit Phoebe abschließen.

»Du musst die Vergangenheit ruhen lassen und nach vorne blicken.«

Fast muss ich lachen. Da ist es schon wieder. Im Grunde weiß ich, dass Lielle Recht hat, dass alle Recht haben, die mir diesen Rat geben. Es ist nur so verflucht schwer, von einem Tag auf den anderen vor einem Scherbenhaufen zu stehen.

»Warum wir eigentlich hier sind«, wechselt Lielle glücklicherweise das Thema, »ist, um dir zu sagen, dass wir dein Geld retten konnten. Wir haben alles bis auf den letzten Cent auf einem jamaikanischen Konto sichern können.«

Das sind endlich mal gute Neuigkeiten.

»Damit habe ich nicht mehr gerechnet.«

»Frag mich nicht nach den Details, du weißt ja, ich bin eine absolute Computerniete.« Lielle lächelt. »Aber die anderen haben es hingekriegt.«

Ich ringe mich ebenfalls zu einem Lächeln durch. Dass sie das Geld von Sophie zurückholen und retten konnten bedeutet, dass ich nicht vor dem kompletten Ruin stehe. Das ist immerhin etwas. Wenn schon mein Privatleben in Trümmern liegt, kann ich mir zumindest geschäftlich wieder etwas aufbauen und wer weiß, vielleicht sollte ich mich ganz und gar darauf konzentrieren. Workaholics haben keine Zeit zu trauern.

»Jedenfalls sind wir gekommen, um dir das zu sagen, aber wie es aussieht …«, Lielle lässt den Blick durch meine Küche schweifen, »brauchst du gerade wohl eher jemanden, der dir mit dem Abwasch hilft.« Damit schiebt sie die Ärmel ihres Overalls hoch.

Ich sehe ihr einen Moment zu, wie sie Wasser ins Waschbecken lässt, dann schnappe ich mir ein Spültuch.

Es ist immer noch ungewohnt, plötzlich keine Angestellten mehr zu haben.

Lake Bonavista, nahe Calgary, Kanada

Terra

Es ist Spätsommer, fast Herbst. Kühler Wind treibt graue Wolkengebilde über den Nachthimmel und ich lasse mich ein paar Minuten lang auf der Spiegelfläche des Sees treiben, bevor ich mich auf den Bauch drehe und ein paar kräftige Züge mache.

Ich liebe es, nachts zu schwimmen. Generell im Wasser zu sein. Nirgends ist man so frei wie dort. Man kann sich vollkommen schwerelos fühlen oder so tief tauchen, dass man das Gewicht der ganzen Welt auf sich zu spüren glaubt. Mir gefällt beides, aber vor allem mag ich die Vorstellung, dass wir Menschen selbst zu 70 Prozent aus Wasser bestehen. Manchmal fühlt es sich an, als würde ich Teil des Sees werden, Teil der ganzen Welt, und dann fühlen sich meine Sorgen mit einem Mal unbedeutend an.

Das ist lächerlich, ich weiß. Aber sich in lächerlichen Ideen zu verlieren ist leichter, als den Tatsachen ins Auge zu blicken: Der Wahrheit, dass ich eine Verräterin bin.

Dass ich alle verraten habe, die mir am Herzen liegen.

Ich schiebe den Gedanken fort und tauche ab, lasse mich vom kalten Wasser umschließen, spüre es überall auf meiner nackten Haut.

Keiner der anderen weiß, dass ich regelmäßig nachts hier herauskomme. Meine Ausflüge an den See, der sich nur ein paar Meter von unserem Haus entfernt befindet, sind das angenehmste meiner drei Geheimnisse.

Ja, es sind drei, denn ich bin nicht nur eine Verräterin.

Ich habe noch etwas weitaus Schlimmeres getan.

Für einen Moment muss ich daran denken. Die Bilder wabern durch die tiefe Schwärze vor meinen Augen und ich sehe, wie er vor mir auf die Knie gegangen ist, höre seine Stimme, rieche seine Angst.

Dann beschließe ich, dass der Versuch, meinen Problemen davonzuschwimmen, heute keinen Sinn macht, und tauche auf. Ich kraule zum Ufer, wate die letzten Meter über die kühlen Steine, bis ich die feuchte Wiese erreiche, auf der ich meinen Bademantel abgelegt habe. Er ist schwarz wie die meisten meiner Sachen. Fröstelnd ziehe ich ihn über und schlage die Kapuze über mein nasses Haar. Dieser Augenblick ist jedes Mal einer meiner liebsten – aus dem Wasser zu kommen und in den dicken Frotteemantel zu schlüpfen. Auch hinter diesem Moment verbirgt sich eine Erinnerung, auch sie schiebe ich fort.

Erinnerungen passen nicht zu mir. Schon seit Jahren sage ich mir Tag für Tag, Morgen für Morgen immer wieder dasselbe: Das Einzige, was Sinn macht, ist im Hier und Jetzt zu leben. Das Vergangene hinter sich zu lassen und die Zukunft auf sich zukommen zu lassen. Jahrelang hat das funktioniert, auch wenn es mich die eine oder andere Dummheit hat begehen lassen.

Nun jedoch ist das Hier und Jetzt auf gewisse Weise schwieriger geworden als meine Erinnerungen – und nur ein einziger Mann ist daran schuld.

Dane Cooper.

Noch vor einem Jahr hielt ich ihn für einen Freund, vielleicht sogar für ein bisschen mehr als das, auch wenn nach unserem One-Night-Stand nie wieder was zwischen uns gelaufen ist.

Ich glaube, wir waren beide abgeschreckt von der Intensität der Anziehungskraft, die an jenem Abend zwischen uns herrschte. Es hatte ein heimlicher kleiner Quickie werden sollen, um die Wartezeit im Haus der Zielperson zu überbrücken und wurde letztendlich zu einem Feuer, das uns beide halb verbrannte. Ich weiß noch, wie ich am nächsten Tag seine Spuren an meinem Körper zählte. Die winzigen Teppich-Brandmale an meinem Po, die Knutschflecke auf meinen Brüsten. Ich genoss es – und ging ihm von da an aus dem Weg.

Als ich erkannte, wie sehr wir alle uns in ihm getäuscht hatten, wurde er verhaftet und ich war mir sicher, dass wir für den Rest unseres Lebens unsere Ruhe vor ihm haben würden. Durch einen kleinen Trick war er zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das hörte sich gut an, fast zu gut, um wahr zu sein. Und das war es am Ende auch.

Wenn er nur …

Auf dem Boden zu meinen Füßen vibriert etwas. Mein Handy, das ich immer bei mir habe und nie länger als ein paar Minuten aus den Augen lasse. Ich hebe es auf und würde es am liebsten per Weitwurf in den Lake Bonavista befördern. Doch das geht nicht. Wenn ich nicht tue, was er will, wird er allen die Wahrheit sagen, das hat er mir unmissverständlich klargemacht. Also rufe ich die Nachricht auf, die er mir soeben geschickt hat.

Triff mich im Fairmont, Junior Suite 117. JETZT.

Ich lache schnaubend. Das Fairmont, na klar. Calgarys führendes Fünf-Sterne-Hotel, wo auch sonst hätte er absteigen sollen?

Ich lese die Nachricht noch einmal und mein Drang, das Handy einfach zu versenken, wird stärker denn je. Allein schon der Befehlston, in dem er mit mir spricht. Nie zuvor habe ich mich von einem Mann so behandeln lassen. Ich schüttle den Kopf, wische meine Hand am Frottee des Mantels ab und antworte:

Bin gleich da.

Dann stecke ich das Handy in meine Tasche und mache mich auf den Weg zum Haus. Ich kann nur hoffen, dass die anderen nicht mitbekommen, wie ich wegfahre. Sie wundern sich ohnehin schon über mein Verhalten in der letzten Zeit.

Ich schleiche mich hinein und überlege mir währenddessen schon mal eine Ausrede, für den Fall, dass mich doch jemand erwischt. So türmt sich Lüge auf Lüge wie bei einem wackligen Kartenhaus und ich kann nur hoffen, dass es nicht bald in sich zusammenstürzt.

Terra

Eine gute Stunde später stehe ich im Aufzug des Hotels und begutachte mich selbst im Spiegel. Der Portier, der hinter mir in der Ecke der Kabine steht, tut dasselbe und scheint sich zu fragen, was jemand wie ich hier zu suchen hat. Kein Wunder. Mit meinem petrolfarbenen Haar, dem weiten Shirt, auf dem in großen weißen Buchstaben der Bandname der SEWER RATS steht, der weiten Kapuzenjacke und meinen hautengen zerrissenen Jeans passe ich so ungefähr an jeden Ort der Stadt besser als an diesen hier. Zum Glück ist man in Luxushotels höflich und so hat mich noch niemand gebeten, zu gehen. Als ich auf der zweitobersten Etage aussteige, wünscht mir der Portier sogar einen schönen Abend noch, Ma’am und ich wünsche ihm dasselbe.

Dann straffe ich die Schultern und mache mich auf den Weg zu Suite 117.

Der Teppichboden unter meinen Füßen ist so weich, dass es sich anfühlt, als würde ich bei jedem Schritt hineinsinken wie in frischen Pulverschnee.

Meine Hände sind feucht und ich ärgere mich, dass dieses Treffen mich so nervös macht. Aber wie sollte es anders sein? Die Sache ist schief gelaufen. Das geht auf meine Kappe. Und ich wette, mein Erpresser wird nicht gerade froh darüber sein.

Vor der dunklen Eichenholztür, auf der in goldenen Buchstaben die Nummer 117 prangt, bleibe ich stehen. Ich atme tief ein, halte die Luft an und klopfe.

Wie wird es sein, ihm gegenüberzustehen, zum ersten Mal seit Monaten ohne eine Glasscheibe zwischen uns?