Bosses and Deals - Nancy Salchow - E-Book
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Nancy Salchow

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Beschreibung

Erstmals zusammen in einem Sammelband: Die Erfolgsromane "Dem Boss zu nah", "Crazy Love Deal" und "It's Your Second Chance". Kurztext zu "Crazy Love Deal": Eine Fake-Freundin für den eigenen Bruder finden? Ist für den erfolgreichen Laurent kein Problem. Sich selbst von dieser Frau fernhalten? Ehrensache! Oder? Laurent Tom und ich sind nicht nur Brüder, sondern auch Geschäftspartner. Und diese süße Trisha scheint echt die perfekte Lösung für sein Problem zu sein. Er braucht nämlich dringend eine Fake-Freundin und es ist meine Aufgabe, eine für ihn zu finden. Dass ich selbst ein Auge auf Trisha geworfen habe? Kein Problem, ich kann das ausblenden. Das ist zumindest der Plan. Aber irgendwie läuft nichts mehr nach Plan, seitdem Trisha auf der Bildfläche aufgetaucht ist. Nicht nur, dass ausgerechnet ich, der harte Geschäftsmann, in ihrer Gegenwart nervös werde. Nein, sie kommt auch noch meinem Geheimnis gefährlich nahe. Trisha Für diesen Tom die Fake-Freundin zu spielen, ist eine gute Gelegenheit für mich, um kurzfristig an Geld zu kommen. Der wahre Grund, den Deal anzunehmen, ist aber meine Hoffnung, seinen Bruder Laurent auf diesem Wege besser kennenzulernen. Denn mit seinen geheimnisvollen Augen hat er mich von Anfang an in seinen Bann gezogen. Nur was ist es, das er verbirgt? Und kann dieser verrückte Deal überhaupt gut ausgehen?

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Inhaltsverzeichnis

Buch 1: It’s Your Second Chance

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Epilog

Buch 2: Crazy Love Deal

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Epilog

Buch 3: Dem Boss zu nah

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Epilog

Impressum

Nancy Salchow

Bosses and Deals

________________

Sammelband mit drei Romanen

Buch 1: It’s Your Second Chance

Über das Buch:

Als Lana ihren neuen Job antritt, traut sie ihren Augen kaum: Ihr erfolgreicher und verteufelt attraktiver Kollege ist kein Geringerer als ihre Jugendliebe John, den sie seit Jahren nicht gesehen hat.

Sofort sind wieder die alten Gefühle da und auch John traut seinen Augen kaum, weil er Lana nie ganz vergessen konnte.

Plötzlich kommt Lana die frustrierende Beziehung zu ihrem eifersüchtigen Freund noch unglücklicher vor als vorher. Aber ihn verlassen? Das würde sie niemals wagen.

Doch wie soll sie die neu erwachten Gefühle für John verdrängen, wenn er ihr doch jeden Tag über den Weg läuft? Und wie soll John sein Verlangen nach Lana ausblenden, wenn sie sich so oft sehen?

Während sich beide mit ganzer Kraft gegen die immer stärker werdende Sehnsucht wehren, ahnen sie nicht, dass sowohl John als auch Lana Teil eines viel größeren Geheimnisses sind. Ein Geheimnis, das alles verändern könnte.

Dieser Roman ist in sich abgeschlossen, enthält heiße Szenen und lässt dich hoffentlich mit einem Lächeln zurück.

Anmerkung:Fleesenow ist eine von der Autorin erfundene Kleinstadt an der Ostsee, die immer mal wieder in ihren Büchern vorkommt. Angesiedelt wäre Fleesenow, gäbe es den Ort wirklich, vermutlich irgendwo in der Nähe der Insel Poel oder Wismar, der Heimat der Autorin.

Prolog

Rückblende

Sieben Jahre zuvor

John

Vor dem Bett bleiben wir kurz stehen und schauen einander eindringlich an, als würden wir uns auf diese Weise das letzte Mal vergewissern, ob wir beide auch dasselbe wollen. Doch eigentlich scheint dieses stumme Abstimmen nicht nötig, denn wieder umschließt sie mein Gesicht mit beiden Händen und küsst mich so sehnsüchtig, dass ich meinen Verstand komplett auslösche und mich der Lust hingebe.

Entschlossen streife ich ihr Kleid über ihre Arme, bis es lautlos zu Boden fällt. Sie nur in Unterwäsche vor mir stehen zu sehen, heizt mich nur noch mehr an.

Oh ja, sie ist bereit. So bereit wie ich.

Als wir uns auf das Bett sinken lassen, noch immer in Küssen vertieft, wird mir jedoch meine Verantwortung bewusst. Für einen Moment löse ich mich von ihren Lippen und schaue sie an.

»Wir sollten ganz vorsichtig sein«, sage ich schließlich in einfühlsamem Tonfall. »Das erste Mal könnte schmerzhaft für dich werden.«

»Ich habe keine Angst mehr«, flüstert sie. »Nicht, wenn du bei mir bist.«

»Trotzdem.« Ich lasse meinen Handrücken an ihrem Arm hinabgleiten. »Wir sollten vorsichtig sein.«

Sie nickt schweigend, und doch spüre ich, dass ihre Ungeduld noch immer da ist. So, als hätte sie alle Zweifel und Ängste in dem Moment abgeschüttelt, als ich über die Türschwelle des Hauses getreten bin.

Wieder breitet sich ein Lächeln auf meinen Lippen aus. Langsam beuge ich mich wieder zu ihr herab und ziehe den Träger ihres BHs herunter, um ihre Schulter zu küssen.

Erwartungsvoll legt sie sich gerade aufs Bett und sieht mich mit großen Augen an.

Kapitel 1

Lana

Es ist einer der wenigen Tage im Jahr, an denen mir mein Spiegelbild gefällt. Ich habe die Naturlocken meines langen kupferfarbenen Haars mit dem Glätteisen gebändigt, sodass es geradezu seriös auf meine Schultern fällt.

Die schneeweiße Bluse fällt locker über den Bund meines knöchellangen Cord-Rocks, den ich mir extra für den neuen Job gekauft habe.

Ich streiche über mein Haar und lächele mich selbst an, um meine Wirkung zu testen.

Ob ich mich gut im neuen Job machen werde? Mit gerade mal fünfundzwanzig Jahren gehöre ich sicher zu den jüngeren Kollegen in der Buchhaltung. Was, wenn man mich nicht ernst nimmt?

Na ja, schlimmer als in dem schlechtbezahlten Job als Sekretärin im Steuerbüro kann es nicht laufen. Das rede ich mir zumindest selbst ein, während ich versuche, meine eigene Nervosität wegzulächeln.

»Oh, wie bezaubernd du aussiehst.«

Kittys Stimme reißt mich aus den Gedanken.

Eigentlich ist es Tante Katharina, aber schon immer war sie einfach nur Kitty für jedermann, auch für mich, und zwar solange ich denken kann.

»Ich bin unendlich stolz auf dich, das weißt du, oder?« Sie schlingt von hinten die Arme um mich und betrachtet über meine Schulter hinweg mein Spiegelbild.

»Wirklich lieb von dir, Kitty.« Ich grinse sie im Spiegel an. »Aber noch habe ich ja gar nichts getan, worauf du stolz sein könntest. Wer weiß, vielleicht stelle ich mich bei dem Job auch total dämlich an.«

»Du wirst das ganz super machen, da bin ich mir sicher. In deinem alten Job warst du doch auch großartig, und das, obwohl sie dir nur einen Hungerlohn gezahlt haben.«

»Lieb, dass du mir Mut machen willst. Aber seien wir doch mal ehrlich: Ohne deine Beziehungen hätte ich den neuen Job doch nie bekommen.«

»Beziehungen? Was denn für Beziehungen?« Sie lacht mit hochgezogenen Augenbrauen. »Ich arbeite in der Mitarbeiterbetreuung in einem ganz anderen Bereich der Firma. Die Buchhaltung kenne ich im Grunde gar nicht und dass sie eine Mitarbeiterin dort suchen, habe ich nur durch das schwarze Brett erfahren. Hättest du beim Vorstellungsgespräch nicht überzeugt, würdest du jetzt nicht dort anfangen – so einfach ist das.«

»Trotzdem.« Ich atme langsam ein und wieder aus. »Ohne dich hätte ich diese Chance nie bekommen.«

»Du überschätzt meinen Einfluss, Liebes.« Sie küsst meine Wange von der Seite.

Ich betrachte uns grinsend im Spiegel und stelle wieder einmal fest, wie ähnlich wir uns sehen. So, als wäre sie tatsächlich meine Mutter. Als jüngere Schwester meiner Mutter ist Kitty zwar nur fünfzehn Jahre älter als ich, aber irgendwie stand sie mir schon immer am nächsten. Denn uns verbindet nicht nur unsere Haarfarbe und -länge sowie die recht zierliche Figur, sondern auch die Tatsache, dass sie mich bei sich aufgenommen hat, als meine Hippie-Eltern nach Australien ausgewandert sind. Damals war ich gerade mal siebzehn, und bis heute wirft mir meine Mutter via Skype vor, was ich verpasst habe, weil ich damals nicht mitgekommen bin – aber ich bin froh, bei Kitty in Deutschland geblieben zu sein. Im Vergleich zu meinen Musiker-Eltern bin ich vermutlich beinahe schon langweilig, aber ich bin froh über mein Leben, genau so, wie es ist.

Na ja, zumindest fast. Aber das ist eine andere Geschichte.

»Danke, dass ich bei dir übernachten durfte«, sage ich. »Ist gestern doch ein bisschen spät geworden.«

»Wir hätten das mit dem Wein wohl besser bleiben lassen sollen, was?« Sie seufzt schuldbewusst. »Tut mir leid, dass ich dir ein schlechtes Vorbild war.«

Ich lache. »Dir ist schon klar, dass ich erwachsen bin, oder? Du hast mich schließlich nicht gezwungen, den Wein zu trinken. Außerdem weiß doch jeder, dass ein Bridget-Jones-Abend ohne Wein nicht authentisch ist.«

Sie nimmt die Arme von meinen Schultern und tritt einen Schritt zurück. »Du hast recht. Du hast doch hoffentlich keinen Brummschädel?«

»So viel habe ich nun auch wieder nicht getrunken.« Ich streiche meinen Rock glatt, während mein Blick erneut zum Spiegel wandert. »Abgesehen von der Nervosität geht es mir gut.«

»Wirklich?« Sie sieht mich besorgt an.

»Wirklich.« Ich hebe das Kinn. »Mach dir nicht so viele Sorgen.«

»Na schön.« Sie nimmt ihre Jacke von der Sofalehne und zieht sie über. »Wenn du willst, können wir los.«

»Ja, ich bin so weit.« Ich schlüpfe in meine Schuhe, die neben mir auf dem Boden liegen. »Echt super, dass du mich mitnimmst.«

»Ist doch klar. Zumindest heute haben wir denselben Arbeitsbeginn. Nach deiner Einarbeitung heute wirst du sicher wie die anderen in der Buchhaltung schon um sieben anfangen müssen.«

»Um sieben«, wiederhole ich seufzend, »die einzige Tatsache, an die ich mich wohl erst gewöhnen muss.«

»Dafür hast du schon früh am Nachmittag Feierabend.«

»Stimmt.« Ich ringe mir ein Lächeln ab. »Alles hat seine Vor- und Nachteile. Warte, ich hole nur noch schnell meine Jacke.«

Ich gehe zur Garderobe in der Veranda und schnappe mir meinen Mantel, der hoffentlich schick genug ist, um zu meinem Outfit zu passen, ohne dabei overdressed zu sein. Schließlich habe ich ja keine Ahnung, wie die Leute in der Buchhaltung so rumlaufen. Eher leger oder mit Kostüm und so? Ich will ja nicht unangenehm auffallen, egal in welcher Weise.

Plötzlich fühlen sich mein Rock und die Bluse völlig übertrieben an. Hätten nicht auch Jeans und ein etwas lässigeres Shirt gereicht? Kitty geht ja schließlich auch immer in stinknormalem Outfit zur Arbeit. Klar, sie ist in einer anderen Abteilung, aber was, wenn …

»Bist du so weit?«, unterbricht sie mein Gedankenkarussell, als sie plötzlich mit dem Autoschlüssel in der Hand neben mir steht.

»Ja.« Ich knöpfe meinen Mantel zu und verdränge die Zweifel. »Von mir aus können wir los.«

Kapitel 2

Lana

Die Firma liegt in einem l-förmigen Gebäude, das sich über ein großes Grundstück erstreckt und aus zwei Stockwerken besteht, von denen eines hinab in den Keller führt. Das ist es zumindest, was ich während der Führung durchs Haus feststellen konnte.

Kurz nach meiner Ankunft hat mich die Verwaltungsleiterin Yvette herumgeführt.

»Hier duzen sich alle«, waren ihre Worte zur Begrüßung – und ich finde es irgendwie schön, mir keine Gedanken deswegen machen zu müssen, wen ich siezen und wen ich duzen muss. Kann ja sein, dass ich mir bei gleichaltrigen Kolleginnen irgendwie dämlich vorkäme, sie zu siezen? Bisher habe ich allerdings noch nicht viele in meinem Alter gesehen, als Yvette mir die einzelnen Abteilungen zeigte, sofern das möglich war.

»Hier können wir jetzt nicht rein, da ist ein Meeting«, sagte sie zum Beispiel hier und da. Oder »Da ist gerade Frühstückspause, zeige ich dir ein anderes Mal.«

Aber alles in allem hat sie mir den Großteil des Unternehmens gezeigt. Dass es sich bei dem Unternehmen um eine Einrichtung für behinderte Menschen handelt, die hier unter anderem Arbeiten für die Autoindustrie oder auch Verpackungsleistungen für die Musikbranche erledigen, wusste ich schon vorher, aber erst an meinem ersten richtigen Tag wird mir bewusst, wie vielfältig die Tätigkeiten hier tatsächlich sind.

So viele verschiedene Bereiche, so viele Mitarbeiter – und so viele Eindrücke, die ich selbst jetzt noch verarbeite, als ich längst an meinem Schreibtisch sitze.

Ich habe zu meiner großen Überraschung ein Einzelbüro. Eine Tatsache, die ich nicht erwartet habe, die mir aber mit jeder verstreichenden Minute umso besser gefällt. Sollte sich unter den Kolleginnen aus der Verwaltung die ein oder andere Bürozicke befinden, habe ich immer noch die beruhigende Tatsache, meine Zimmertür hinter mir schließen zu können und der entsprechenden Dame nicht rund um die Uhr ins miesepetrige Gesicht starren zu müssen.

Aber bisher machte keiner der Frauen einen unangenehmen Eindruck. Vor allem Charlene, die höchstens Ende zwanzig sein kann und damit meiner Altersstufe am nächsten kommt, ist mir besonders sympathisch. Irgendetwas lag zumindest in ihrem Lächeln, als Yvette sie mir als »Zuständige für das Auftragsmanagement« vorstellte, was auch immer das bedeuten mag. Charlenes Lächeln schien irgendwie schwesterlich, fast meine ich, eine Art Solidarität in ihrem Blick erkannt zu haben, ganz einfach, weil ich neu bin.

Ob sie auch erst seit Kurzem dabei ist?

Ich schaue zu der Uhr über der Tür und seufze. Kurz nach halb zehn. Bis halb drei muss ich durchhalten. Warum nur bin ich plötzlich so müde? Ich war doch nach meiner Kündigung im Steuerbüro gerade mal einen Monat arbeitslos. Habe ich mich in dieser kurzen Zeit etwa so sehr ans Ausschlafen gewöhnt, dass ich nun mit einem normalen Arbeitstag nicht mehr klarkomme?

Mein Blick wandert zu dem Stapel älterer Eingangsrechnungen, den mir Yvette zum »Sichten« – wie sie es nannte – gegeben hat, damit ich sie mit der Finanzbuchhaltung im PC abgleichen und das System besser nachvollziehen kann.

Die darauf notierten Buchungssätze sind umfangreich und kompliziert, doch ich bin fest entschlossen, mich davon nicht einschüchtern zu lassen. Immerhin bin ich die neue Kreditorenbuchhalterin – und diesem Titel werde ich verdammt noch mal auch gerecht werden.

Pah! Wäre doch gelacht, wenn ich das nicht hinbekäme!

Als ich mir gerade die oberste Rechnung des Stapels zu Gemüte führe, reißt mich ein Klopfen aus den Gedanken. Als ich aufschaue, steht auch schon Yvette in der Tür.

Sie ist schätzungsweise Anfang fünfzig, zwar schlank, wirkt durch ihre extreme Größe allerdings irgendwie kräftiger, was ihr extrem kurzes schwarzes Haar nur noch verstärkt. Ihre dunklen Augen strahlen trotz ihrer Autorität eine gewisse Wärme aus und deshalb mag ich sie. Vielleicht ein bisschen naiv von mir, gerade weil sie meine Vorgesetzte ist. Aber ein bisschen Naivität macht den Einstieg umso leichter.

»Entschuldige, dass ich dich störe«, sagt sie, »aber wegen des Meetings vorhin konnte ich ihn dir noch nicht vorstellen. Da du aber doch häufiger mit ihm zu tun haben wirst, wenn es zum Beispiel um Rabatte von Dienstleistern geht, finde ich, dass ihr euch schon heute kennenlernen solltet.«

Hinter ihr sehe ich einen Mann, der zur Hälfte von ihrem Rücken verdeckt ist. Als sie zur Seite tritt, erkenne ich breite Schultern und eine hochgewachsene Statur. Schneeweißes Hemd und eine weinrote Krawatte. Etwa zwei Zentimeter langes Haar, beinahe schwarz, und einen Bart, der etwas zu dicht ist, um noch als Drei-Tage-Bart zu gelten. Von meinem Schreibtisch aus sind es bis zu ihm vielleicht drei Meter, trotzdem kann ich sehen, wie attraktiv er ist und dass seine nussbraunen Augen derart intensiv leuchten, dass …

Plötzlich erstarre ich.

Diese Augen kenne ich doch!

Die erste Ahnung, die mich nur kurz überkommt, verfestigt sich umso hartnäckiger, als Yvette einen Schritt zur Seite geht.

Nun habe ich einen noch besseren Blick auf ihn, sodass meine Ahnung mit jeder Sekunde mehr und mehr einer unglaublichen Gewissheit weicht.

»John«, sage ich mit offenem Mund.

Für einen Moment vergesse ich, wo wir sind. Alles um mich herum verschwimmt. Er ist das Einzige, das ich in diesem Sekundenbruchteil wahrnehme.

»Ja, das ist mein Name«, antwortet er lächelnd, während er an meinen Schreibtisch herantritt. »Freut mich sehr, dich kennenzu…«

Doch als er die Hand ausstreckt, um mich zu begrüßen, versteinert sich auch seine Miene.

»Lana«, sagt er mit weit aufgerissenen Augen. »Ich … ich habe dich gar nicht erkannt. Ich …«

Doch er ist unfähig weiterzureden.

»Ihr kennt euch?« Yvette steht mit ineinander gefalteten Händen zwischen uns und lächelt leicht verwirrt. »Was für ein Zufall!«

»Ja, ähm.« Johns Blick ruht noch immer auf mir. »Es ist lange her.«

Mehr sagt er nicht. Und mehr muss er auch nicht sagen. Schließlich geht es niemanden etwas an, woher wir uns kennen.

Ich spüre, wie mir das Blut in die Wangen schießt, doch auch ich erkläre nichts weiter. Vermutlich hat Yvette ohnehin genügend Anstand, um nicht weiter nachzufragen, sofern wir nicht von allein mit der Sprache rausrücken.

»Tja, wenn ihr euch kennt«, sie schlägt die Hände geräuschvoll zusammen, »muss ich euch einander ja nicht vorstellen. Nur so viel: John ist der Produktionsleiter des Unternehmens. Nachdem sein Vorgänger vor zwei Jahren in Rente ging, übernahm er das Ruder und ist mit seinen 28 Jahren noch recht jung in dieser Position. Aber er ist der Beste, den wir uns für diesen Job vorstellen können.« Sie lächelt mich an. »Aber da du ihn bereits kennst, wirst du mir sicher zustimmen, wenn ich behaupte, dass er einer der einsatzfreudigsten und zuverlässigsten Menschen ist, die es gibt. Was immer du also für ein Problem hast, zum Beispiel, wenn der ein oder andere Posten auf einer Rechnung unklar ist, hilft er dir sicher gern weiter. Wenn jemand weiß, was so im Unternehmen los ist, dann er.«

Doch Yvettes Worte kommen nur unterschwellig bei mir an. Ich bin viel zu beschäftigt damit, den Umstand zu verarbeiten, dass sich von allen möglichen Männern ausgerechnet der als mein neuer Kollege herausstellt, der mir die schlaflosesten Nächte meines Lebens beschert hat. Ausgerechnet der Mann, für den ich damals alles getan hätte.

Aber das war eine andere Zeit. Ein anderes Leben. Und während ich ihn sprachlos anstarre, kommt es mir so vor, als wäre es auch eine andere Frau gewesen, die ihn einst mehr als alles andere geliebt hat. Die Gefühle von damals kann ich bis heute nachvollziehen, aber wenn ich in diesem flüchtigen Moment zurückblicke, fühlt es sich trotzdem an, als wäre das alles nicht ich gewesen, sondern jemand anderes. Und dabei ist es gerade mal sieben Jahre her.

»Ist alles in Ordnung?«, fragt Yvette, erst mich, dann John anblickend.

Erst ihre Frage ist es, die mir bewusst macht, wie lange wir uns schweigend angeschaut haben. Seine Augen sind dieselben wie damals, auch wenn sie inzwischen noch mehr Tiefe, noch mehr Reife besitzen. Trotzdem gelingt es mir nicht, in seinem Blick zu lesen.

Stört es ihn, mich hier wiederzusehen? Oder freut er sich? Und wo wir gerade dabei sind: Wie stehe ich eigentlich zu diesem Wiedersehen?

Ich bin zu verwirrt, um mir diese Frage selbst zu beantworten.

»Ja«, sage ich schließlich mit aufgesetztem Lächeln zu meiner neuen Vorgesetzten, »alles in Ordnung. Ich … ich war nur überrascht, das ist alles.«

John reibt sich mit der Hand das Kinn, als würde ihn allein diese Geste aus einem Gedankenkarussell befreien, in das ihn unsere Begegnung getrieben hat.

»Alles in Ordnung«, sagt nun auch er endlich und ringt sich ein kleines Lächeln ab. Doch er sieht dabei Yvette an, nicht mich. So, als würde ihn ein Blick zu viel in meine Richtung nur verraten.

Ich greife mir eine der Rechnungen vom Stapel, um irgendetwas zu tun zu haben. Hauptsache, ich kann mich irgendwie von dem Chaos in meinem Kopf ablenken. Doch ich schaue nur kurz auf das Papier in meiner Hand, nur um es gleich danach wieder zur Seite zu legen und erneut zu John zu blicken.

Sah er damals auch schon so gut aus? In meiner Erinnerung schon, aber die Jahre haben ihm etwas noch Geheimnisvolleres, etwas noch Eindringlicheres gegeben.

»Lana übernimmt bei uns die Kreditorenbuchhaltung«, erklärt ihm Yvette. »Wir freuen uns schon jetzt sehr auf die Zusammenarbeit mit ihr.«

»Oh«, antwortet er und sieht nun endlich auch mich an. »Das klingt doch gut.«

Kapitel 3

John

Es kommt mir vor, als würde jemand anderes als ich an diesem Gespräch teilnehmen. Ich höre Yvettes Worte und antworte auch darauf, aber eigentlich kreisen meine Gedanken nur um eine einzige Frage: Was denkt Lana gerade? Hat sie etwas geahnt? Wusste sie, dass ich hier arbeite?

Ich kann noch immer nicht glauben, dass sie mir wirklich gegenübersitzt. Die Jahre haben aus dem Mädchen von früher zweifellos eine Frau gemacht. Eine Frau, die dieses besondere Etwas in den Augen trägt.

Werde ich gerade nervös?

Nein. Es ist nicht meine Art, nervös zu werden. Ich bin einfach nur überrascht, das ist alles.

Oder?

Locker bleiben, Alter! Gaaaanz locker bleiben. So wie immer.

Ich schlucke und lächele erneut, um ja nicht verunsichert zu wirken.

»Wie Yvette schon sagte«, richte ich schließlich mein Wort an Lana, »du kannst dich bei jeder Frage zu einer Eingangsrechnung an mich wenden. Ich weiß über die meisten Abläufe im Unternehmen Bescheid. Also, für den Fall, dass du dir unsicher wegen einer Kostenstelle bist oder so.«

»Ähm, ja, die Kostenstellen.« Lana streicht sich mit verlegenem Lächeln eine Strähne hinters Ohr. »Die Kostenstellen-Übersicht ist ja echt umfangreich. Da werde ich wohl eine Weile brauchen, um die verinnerlicht zu haben.«

»Ist doch völlig normal.« Yvette macht eine beschwichtigende Handbewegung. »Es ist dein erster Tag. Aber mit der Zeit wirst du die Zusammenhänge schon wesentlich besser nachvollziehen können. Und für Fragen jeder Art bin ich da«, sie legt die Hand an meinen Oberarm, »und John natürlich.«

Als Yvette meinen Namen erwähnt, scheint es, als würden Lanas Wangen einen rosigen Hauch bekommen.

Ist sie aufgeregt? Und wenn ja, liegt es an mir oder an der Tatsache, dass es ihr erster Tag im neuen Job ist?

Immer wieder überkommen mich die Erinnerungen an unsere gemeinsame Vergangenheit. Flashbacks, die ich gerade in diesem Moment ganz und gar nicht gebrauchen kann. Schon gar nicht in Yvettes Anwesenheit. Immerhin hat es mich viel Fleiß und Ehrgeiz gekostet, in diesem Unternehmen trotz meines jungen Alters ernstgenommen zu werden. Ein hochroter Kopf und schweißnasse Hände, die ich wegen einer alten Liebe bekomme, helfen nicht gerade dabei, dieses Ansehen aufrechtzuerhalten.

Das Beste wird sein, wenn du dich irgendwie aus dieser peinlichen Situation befreist! Komm schon, irgendwas wird dir doch wohl einfallen, oder?

»Tut mir leid«, sage ich plötzlich. »Aber ich muss jetzt leider wieder los. Habe noch ein Online-Meeting.«

»Online-Meeting?« Yvettes Augen weiten sich, und augenblicklich wird mir bewusst, wie dämlich diese Ausrede ist, immerhin könnte sie Fragen stellen, die das Unternehmen betreffen, was meine Notlüge entlarven könnte.

»Ja, hatte ich total vergessen«, antworte ich schnell, ehe sie weiter nachhaken kann. »Hat mich gefreut, Lana.« Ich reiche ihr erneut die Hand, um mich wieder zu verabschieden, doch allein bei dieser flüchtigen Berührung durchfährt mich ein Gefühl, das ich nicht beschreiben kann.

Kapitel 4

Lana

Seine Hand umschließt meine, während er sich zu diesem ominösen Online-Meeting verabschiedet, doch an seinem übereiligen Abschied ist zu erkennen, dass er diesen Termin nur vorschiebt, um sich so schnell wie möglich aus dieser peinlichen Situation zu verabschieden.

Doch in den wenigen Sekundenbruchteilen, die es dauert, bis er seine Hand wieder von meiner löst, halten unsere Blicke einander fest und geben mir einen kleinen Rückblick auf das, was ich so lange verdrängt hatte.

Und plötzlich ist er wieder da, all der Schmerz von damals. All die Sehnsucht, die ich glaubte, hinter mir gelassen zu haben. Habe ich mir selbst nur etwas vorgemacht, als ich mir einredete, die Vergangenheit verarbeitet zu haben? Oder ist es allein sein Blick, diese durchdringenden Augen, die mein altes Ich wieder zum Leben erwecken?

»Ja«, antworte ich schließlich in nüchternem Tonfall, »mich hat es auch gefreut. Bis bald mal wieder.«

Er nickt unverbindlich, lächelt dann Yvette flüchtig zu und verlässt das Zimmer wieder.

»Typisch John«, sagt Yvette schulterzuckend, als er fort ist. »Ständig ist er in Eile. Ist halt ein vielgefragter Mann.«

Ich möchte etwas antworten, doch ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, die surreale Begegnung von eben irgendwie zu verarbeiten.

»Tja«, ist alles, was ich herausbekomme, bis ich mich schließlich zusammenreiße und weiterrede. »Lieber so, als hätte er nichts zu tun. Wenn er vielbeschäftigt ist, kann das nur gut fürs Unternehmen sein.«

Yvette lächelt erstaunt, fast so, als würde es sie überraschen, wie sehr ich bereits jetzt an die Firma denke.

»Da hast du wohl recht«, antwortet sie und hebt das Kinn anerkennend dabei.

Habe ich mich gerade bei der Chefin eingekratzt, ohne es zu merken? Zu dick sollte ich sicherlich auch nicht auftragen, schon gar nicht am ersten Tag.

»Na ja«, sagt sie schließlich, »ich muss auch mal wieder weiter. Mein Schreibtisch ist heute besonders voll. Wenn was ist, findest du meine Durchwahl auf der Beschriftung am Telefon.« Sie nickt zu dem weißen Festnetz neben meinem Bildschirm.

»Danke«, antworte ich mit zuversichtlichem Lächeln. »Und ich kämpfe mich mal weiter durch den Rechnungsstapel. Ich kann es kaum erwarten, das alles zu durchblicken.«

»Du wirst Geduld brauchen«, antwortet sie. »Aber ich bin guter Dinge.«

Ich nicke ihr zu, dann verlässt sie das Zimmer und schließt die Tür hinter sich. Doch ich brauche nicht lang, um meine Gedanken von den Rechnungen zurück zu John wandern zu lassen.

Er und ich im selben Unternehmen. Nach all den Jahren. Jemand mit einem starken Hang zum Universum würde dies als Schicksal bezeichnen.

Und ich? Glaube ich auch an Schicksal?

Mit zitternden Fingern greife ich nach einer der Rechnungen, doch die Worte und Zahlen darauf kommen nicht wirklich bei mir an. Immer wieder muss ich an die Begegnung denken, die gerade erst ein paar Sekunden her ist und sich doch schon jetzt anfühlt, als hätte ich sie nur geträumt.

John.

Nach sieben Jahren ist er einfach wieder da. Und mein Herz schlägt so laut, als hätten wir uns vor Yvettes Augen geküsst.

Wie soll ich den neuen Job hier nur vernünftig bestreiten, wenn ich ihm immer wieder über den Weg laufen werde? Ja, schlimmer noch, Yvettes Prognose zufolge sogar eng mit ihm zusammenarbeiten werde? Wie zum Teufel soll ich dabei professionell bleiben und die Vergangenheit ausblenden?

Am liebsten würde ich mit ihm darüber reden, aber das würde diese Situation nur noch heikler machen. Klüger wird es sein, das, was war, ein für alle Mal hinter uns zu lassen und nicht mehr darüber zu sprechen. So zu tun, als wären wir einfach nur alte Bekannte, die gar nicht mehr so genau wissen, wie sie sich eigentlich kennengelernt haben.

Aber kann ich das schaffen? Will ich das überhaupt schaffen, wenn ich in seiner Gegenwart sofort wieder feuchte Hände bekomme?

Konzentriere dich auf die Arbeit, verdammt noch mal! Es ist dein erster Tag.

Ich zwinge meinen Blick auf das Papier in meinen Händen. Doch alles, was ich sehe, ist meine eigene Vergangenheit.

Kapitel 5

Rückblende

Sieben Jahre zuvor

Lana

Ich liebe Fleesenow. Die kleine Stadt an der Ostsee ist schon seit der Geburt meine Heimat und verzaubert mich selbst jetzt mit achtzehn Jahren noch immer genau wie früher. All die hübschen Spitzdachhäuschen an der Strandpromenade. Die Abzweigung, die vorbei am rotweißen Leuchtturm direkt zum Strand führt oder die alte Eisdiele am Sportplatz. Nirgendwo auf der Welt könnte ich mich wohler fühlen. Umso weniger verstehe ich, dass es meine Eltern in die Ferne hat, genauer gesagt nach Australien.

Mama ist hier ebenfalls aufgewachsen, verliebte sich aber damals in Papa, als er hier mit seiner Band einen kurzen Aufenthalt hatte. Inzwischen machen sie zusammen Musik, das meiste Geld verdienen sie aber mit der Produktion von erfolgreicher Kindermusik. Dass sie dabei den Freiheitsdrang und ihr Fernweh über ihr eigenes Kind stellen, zeigte sich spätestens, als sie vor einem Jahr auswanderten und es einfach in Kauf nahmen, dass ich sie nicht begleite.

Klar waren sie traurig, dass ich mich nicht von meiner Heimat trennen wollte, um sie nach Australien zu begleiten und dem – wie sie es nannten – Kleinstadtmief zu entfliehen. Aber die Option, ebenfalls hier zu bleiben, gab es für sie nicht. Aber vielleicht sehen sie ihre Tochter – damals war ich siebzehn – nicht mehr als Kind an und können die Tatsache, dass sie hauptsächlich Musik für Kinder machen, sehr gut davon trennen. Als Ironie betrachten es wohl nur Tante Kitty und ich. Zwar beteuert Mama (und auch Papa, wenn er mal dabei ist) bei jedem Telefonat, wie sehr sie mich vermissen – und ja, ich glaube es ihnen sogar. Aber manchmal frage ich mich schon, warum es ihnen so leichtfiel, ihre Heimat hinter sich zu lassen.

Egal.

Ich habe es akzeptiert und empfinde auch keinen Groll, als ich an diesem Sommermorgen die Strandpromenade entlanggehe. Dafür ist meine Laune viel zu gut, denn seitdem ich vor ein paar Wochen in Ernestos Eisdiele einen gewissen John kennengelernt habe, der hier Freunde besuchte, hat sich alles verändert.

Als ich am Strandbistro vorbeigehe, betrachte ich mein Spiegelbild im Fenster. Ob ihm mein knielanges weißes Trägerkleid gefallen wird? Und hätte ich mein Haar lieber zusammenbinden sollen?

Oh Mann. Noch immer bin ich so nervös, wenn ich mich mit ihm treffe. Ob das jemals besser wird?

Als ich endlich den Holzpfad erreiche, der zum Strand hinunterführt, höre ich schon fast meinen eigenen Herzschlag, denn direkt am Ende des Pfades steht er und wartet auf mich – so, wie wir es verabredet haben.

Scheiße verdammt, wie gut er schon wieder aussieht. Er trägt mintgrüne Shorts und ein weißes Achselhemd. Dass er trainiert, ist in diesem Outfit besonders gut zu sehen. Seine Schultern sind breit und sportlich, seine Waden sehnig und stark.

Mein Puls rast, doch ich versuche, so lässig wie möglich zu wirken, während ich auf ihn zugehe und meine Finger um den Gurt meiner Strandtasche lege. Den schwarzen Bikini trage ich bereits unter meinem Kleid, was er sicher unschwer durch den leicht transparenten Stoff erkennen kann.

Was er wohl gerade denkt?

Doch als wir endlich aufeinandertreffen, sind alle Gedanken und Fragen wie weggefegt. Alles, was jetzt zählt, ist dieser Augenblick – und unsere Lippen, die einander berühren.

»Du siehst toll aus«, sagt er, als er seinen Mund für ein paar Sekunden von meinem löst. »Am liebsten würde ich jetzt von hier verschwinden und irgendwo ganz allein mit dir sein.«

In seinen Augen liegen schon wieder diese ganz besonderen, unausgesprochenen Worte. Diese stumme Frage danach, wie es mit uns weitergeht.

Da er in der Stadt lebt, sehen wir uns zwar oft, aber nicht oft genug, um auch die Nächte miteinander zu verbringen. Noch bin ich nicht bereit, ihn Tante Kitty vorzustellen – und wenn ich bei ihm übernachten würde, hätte sie nur Fragen an mich, die zu beantworten ich noch nicht bereit bin.

Aber wahrscheinlich sind das alles nur Ausflüchte vor meiner eigenen Angst, endlich den nächsten Schritt mit ihm zu gehen. Denn dass ich mit meinen achtzehn Jahren noch immer Jungfrau bin, ist mir irgendwie peinlich vor ihm.

Aber warum eigentlich? Ist doch besser, als schon als Teenie mit dem Erstbesten in die Kiste zu springen. John ist der Erste, mit dem ich mir mehr vorstellen kann. Vielleicht ist genau das auch der Grund für meine Angst.

»Ich wäre auch gern mit dir allein«, sage ich mit vielsagendem Blick und lege meine Hand um seine. »Aber schwimmen ist doch für den Anfang auch nicht schlecht, oder?«

Er grinst geheimnisvoll. »Du hast recht.«

Hand in Hand gehen wir zwischen den Einheimischen und Touristen am Strand entlang, bis wir einen etwas weniger belegten Abschnitt erreichen, um unsere Handtücher abzulegen. Doch noch während wir unsere Sachen auspacken, wandern unsere Blicke immer wieder zum anderen.

»Was?«, frage ich ihn, als er mich mit wissendem Grinsen anschaut.

»Nichts.« Er senkt den Blick auf sein Handtuch, das er im Sand ausbreitet.

»So so«, murmele ich und muss dabei selbst grinsen. »So klingt also Nichts bei dir.«

Im Augenwinkel schaue ich ihm dabei zu, wie er sein Shirt auszieht, um sich für das Wasser vorzubereiten. Und wieder muss ich daran denken, was wäre, wenn …

Aber nein.

Dafür ist die Zeit noch nicht reif. Heute sind wir einfach nur hier, um Spaß zu haben. Im Wasser. Und nur dort.

Kapitel 6

Gegenwart

John

Lana.

Nach all den Jahren.

Ich kann es noch immer nicht fassen.

Und was tue ich? Ergreife die erstbeste Gelegenheit, unserem Gespräch zu entfliehen. Jetzt, wo ich wieder an meinem Schreibtisch im Kellergeschoss sitze und daran denke, dass sie direkt im Stockwerk über mir arbeitet, komme ich mir furchtbar dämlich vor.

Ich bin der Produktionsleiter dieses Unternehmens, verdammt noch mal! Ich habe es doch nicht nötig, irgendwelche Termine zu erfinden, nur damit ich mich nicht mit jemandem unterhalten muss.

Jemandem.

Nein, Lana ist nicht irgendjemand. Umso schlimmer, dass ich diese Notlüge gebraucht habe. Aber sie wiederzusehen hat mich völlig aus der Spur gebracht.

Eigentlich bin ich gerade damit beschäftigt, ein Angebot für ein Großprojekt unserer Landschaftsaußengruppe vorzubereiten. Wenn wir den Auftrag bekommen, könnte das viele weitere Projekte zur Folge haben, da der Kunde unzufrieden mit seinem bisherigen Dienstleister ist. Aber anstatt mich auf die Maße und Vorgaben in der Skizze vor mir zu konzentrieren, wandern meine Gedanken immer wieder zu Lana.

Wie lange ist es her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben? Sechs Jahre? Nein, es müssten sogar sieben sein. Seit damals ist so viel geschehen.

Unweigerlich muss ich an unsere erste Begegnung denken. Eigentlich hatte ich an dem Tag gar keine Lust gehabt, meine Freunde in die Eisdiele zu begleiten. Alles, wonach mir der Sinn stand in jenem Sommer war das Meer. Schwimmen, schwimmen und nochmals schwimmen. Nachdem ich einige Wochen zuvor eine ziemlich anstrengende Beziehung beendet hatte, war ich auch wirklich nicht auf der Suche nach etwas Neuem.

Und dann saß sie in dieser Eisdiele plötzlich am Tisch neben uns und fragte einfach nur nach einer Serviette. Das war der Moment, in dem wir uns zum ersten Mal in die Augen schauten. Als sich beim Rüberreichen der Serviette unsere Hände berührten, wusste ich, dass ich sie kennenlernen muss.

Tja, und schon von unserem ersten gemeinsamen Kaffee an wusste ich, dass wir zusammengehören.

Wie einfach damals alles schien. Wir glaubten, die Welt würde uns gehören und dass uns nichts und niemand erschüttern könnte.

Wie naiv wir doch waren.

Seufzend ziehe ich meinen Taschenrechner zu mir herüber, um eine Angabe auf der Skizze zu prüfen, doch eigentlich bin ich gar nicht wirklich bei der Sache.

Lana.

Immer wieder schießt mir ihr Name in die Sinne. Und immer wieder frage ich mich, wie ich damit umgehen soll, dass wir uns von nun an öfter sehen werden. In all den Jahren habe ich sie niemals ganz vergessen und mich oft gefragt, wie es ihr wohl geht. Und doch wusste ich, dass unsere Zeit vorbei war. Dass es kein Zurück gab.

Ist dieses Wiedersehen nun ein Wink des Schicksals? Und wenn ja, was soll mir dieser Wink sagen? Dass die Dinge diesmal anders stehen? Dass wir dieses Mal eine Chance hätten? Immerhin sind wir inzwischen erwachsener, reifer und stehen mehr oder weniger mit beiden Beinen im Leben.

Oder?

Zumindest glaube ich, mit beiden Beinen im Leben zu stehen. Aber über Lanas aktuelles Leben weiß ich ja nichts.

Ist sie Single? Vergeben? Vielleicht sogar verheiratet? Und hat sie inzwischen vielleicht sogar eine eigene Familie?

Seltsam. In den letzten Jahren fand ich nichts dabei, hier und da eine kleine Affäre zu haben. Und wenn ich mich mal an etwas Ernsterem versuchte, nahm ich es eben in Kauf, wenn doch nichts daraus wurde.

Aber jetzt, wo Lana dabei ist, sich erneut in meinem Kopf einzunisten, frage ich mich, ob ich sie eigentlich jemals wirklich ganz vergessen habe. Genauer gesagt, das, was wir miteinander hatten.

Das Blinken einer neuen Mail reißt mich aus den Gedanken. Auf dem Bildschirm meines Computers sehe ich, dass es die Mail eines Stammkunden ist. Eine Mail, die mich wieder zurück in die Realität holt. Zumindest für einen Moment.

Kapitel 7

Lana

Eigentlich müsste ich auf ganzer Linie zufrieden sein, als ich meinen Wagen vor dem Haus zum Stehen bringe. Ich habe den ersten Arbeitstag erfolgreich hinter mich gebracht und sogar schon eine erste Rechnung testweise eingebucht, ohne dabei einen Fehler zu machen. So kompliziert das Buchungssystem der Firma auch ist, so glücklich müsste mich dieser erste Teilerfolg eigentlich machen.

Doch an diesem frühen Herbstabend kann ich nur an eines denken: Was, wenn ich John das nächste Mal über den Weg laufe? Wie reagiere ich dann? Und wie, verdammt noch mal, gelingt es mir, in seiner Gegenwart gelassen zu bleiben? Das Letzte, was ich will, ist, dass er denken könnte, ich heule unserer gescheiterten Liebe noch immer nach.

Ich hole meine Handtasche vom Rücksitz und werfe die Wagentür zu, dann bleibe ich kurz vor dem Haus stehen, als würde ich es heute zum ersten Mal sehen.

Zwei Jahre lebe ich mittlerweile hier, doch an den hübschen dunklen Fensterläden, der schneeweißen Fassade und dem Reetdach habe ich mich noch immer nicht sattgesehen. Vier Wohnungen beherbergt das Haus, in der Erdgeschosswohnung der rechten Haushälfte lebe ich.

Genauer gesagt: wir.

Ich schlucke schwer. Leons Auto steht direkt neben meinem, also ist er bereits zu Hause, aber irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl. Fast so, als hätte ich ihn in irgendeiner Form hintergangen, nur weil ich mich heute ein bisschen zu sehr in meinen Erinnerungen an John verloren habe.

Was soll das? Du hast nichts Falsches getan, das weißt du auch. Du hast nur ein paar Worte mit John gewechselt, nichts weiter. Und selbst das war rein beruflich. Warum also solltest du Gewissensbisse haben?

Und doch fühle ich mich irgendwie seltsam, als ich auf die Haustür zugehe. Vielleicht einfach deshalb, weil ich in der Vergangenheit schon zu viel mit Leon erlebt habe. Zu viele Dinge, die sich nicht einfach so verdrängen lassen. Dinge, die letztendlich dennoch nicht von einer Tatsache ablenken: Er liebt mich, und zwar sehr.

Diese Erkenntnis füllt mein Herz für einen Moment mit Wärme. Nach kurzem Zögern gehe ich also aufs Haus zu und stecke den Schlüssel ins Schloss, um in den Hausflur zu gelangen. Als ich hineintrete, sehe ich, dass die Tür zu unserer Wohnung einen Spalt offensteht.

Da ist es wieder, das ungute Gefühl.

Langsam komme ich näher, doch schon während ich über die Türschwelle trete, kommt er aus der Küche und schaut mich mit seltsamem Blick an.

»Da bist du ja«, sagt er in gereiztem Tonfall.

In der Hand hält er seinen in die Jahre gekommenen Kaffeebecher. Den mit dem Sprung am Rand.

»Ja, da bin ich«, antworte ich so unbeschwert wie möglich und hänge sowohl meinen Mantel als auch meine Handtasche an die Garderobe.

Doch als ich zu ihm gehen und ihn zur Begrüßung küssen möchte, dreht er den Kopf weg.

»Was ist denn los?«, frage ich verwirrt, obwohl ich Situationen wie diese eigentlich bereits von ihm kenne.

»Schön, dass du hier auch mal wieder aufschlägst«, sagt er wütend.

»Was soll das denn heißen?«

»Na ja«, antwortet er mürrisch, »wir haben uns gestern früh das letzte Mal gesehen. Und du hast nichts davon gesagt, dass du erst heute wieder nach Hause kommen würdest.«

»Gestern früh wusste ich ja auch noch nicht, dass ich über Nacht bei Kitty bleiben würde.« Ich seufze. »Aber ich habe dir doch extra eine Nachricht geschrieben, dass ich spontan bei ihr übernachte. Und dass ich mich mit ihr auf ein paar Gläser Wein treffen wollte, wusstest du doch auch.«

Er hebt skeptisch die Augenbraue, als wäre Kitty ein Synonym für »anderer Kerl«.

»Komm schon, Leon.« Ich hebe die Hände abwehrend. »Warum schaust du denn so misstrauisch? Du weißt doch ganz genau, wie nervös ich wegen des neuen Jobs war. Kitty hat mich halt sehr gut abgelenkt.«

Er wendet sich ab und geht schweigend ins Wohnzimmer.

»Wo wir gerade vom neuen Job sprechen«, sage ich, während ich ihm folge, »wie überaus lieb von dir, dass du dich erkundigst, wie mein erster Tag gelaufen ist.«

Noch immer stumm setzt er sich auf die Couch und nippt an seinem Kaffee. Genervt setze ich mich neben ihn.

»Willst du jetzt den ganzen Abend mit dieser versteinerten Miene herumlaufen?«, frage ich ihn. »Dann verbringe ich nämlich gleich die nächste Nacht bei Kitty.«

Eine Weile starrt er noch ins Leere, doch dann senkt er schließlich seufzend den Blick. Als er wieder aufschaut, lächelt er sogar ein bisschen.

»Tut mir leid«, sagt er. »Aber wenn ich dich eine ganze Nacht nicht hier habe, male ich mir einfach die schlimmsten Dinge aus. Ich, ich bin es einfach nicht gewohnt, dass du nicht bei mir bist.«

Seine Eifersucht und das manchmal krankhafte Misstrauen sind schon öfter Thema in unserer Beziehung gewesen. Aber spätestens in Augenblicken wie diesen, wenn er mich so schuldbewusst ansieht, kann ich ihm einfach nicht mehr böse sein. Sowieso bin ich nicht sehr gut im Wütend-sein, wenn es um Leon geht. Dafür steckt einfach zu viel Liebevolles in ihm – wenn er denn gerade mal nicht misstrauisch ist.

»Ist ja auch irgendwie süß von dir.« Ich lege meine Finger um seine Hand. »Aber ganz ehrlich, habe ich dir denn jemals Anlass zur Eifersucht gegeben? Oder dich in irgendeiner Form belogen?«

Er atmet lautlos ein und wieder aus, offensichtlich nach passenden Worten suchend.

»Nein«, sagt er nach einer Weile. »Ich denke nicht. Zumindest nicht, dass ich wüsste.«

»Nicht, dass du wüsstest?« Ich lache zynisch. »Na, das ist nicht unbedingt die Antwort, die ich mir erhofft habe.«

Er presst die Lippen aufeinander und stellt die Tasse auf den Tisch. Dann nimmt er meine Hände und küsst meine Fingerknochen. Ich spüre seine Atemzüge auf meiner Haut, während ich die Gedanken in seinem Kopf regelrecht rotieren hören kann.

In diesen wenigen Sekunden betrachte ich ihn von der Seite.

Er hat sich im Laufe unserer Beziehung nicht wesentlich verändert. Sein dichtes dunkelblondes Haar, das ihm in Fransen in die Stirn fällt, gibt ihm trotz seiner dreißig Jahre irgendwie etwas Jungenhaftes, lediglich sein Dreitagebart lässt ihn männlicher aussehen. Er ist nicht besonders sportlich, aber auch nicht dick. Und seinen winzigen Bauchansatz finde ich überhaupt nicht schlimm.

»Tut mir leid«, sagt er schließlich. »Ich weiß ja, dass du bei Kitty warst. Ich hätte das nicht anzweifeln dürfen.«

»Schön, dass du es endlich einsiehst.« Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange. »Außerdem solltest du inzwischen wissen, wie eng Kitty und ich uns stehen. Da wird es öfter passieren, dass wir zwei mal einen Mädelsabend machen, der etwas länger dauert. Sie ist für mich Mutter, Tante und Freundin zugleich.«

»Ich weiß.« Er lässt die Schultern sinken. »Tut mir leid. Also?« Er nimmt wieder meine Hand und führt sie zu seinen Lippen. »Wie war dein erster Tag?«

Sein Sinneswandel kommt mir tatsächlich etwas zu plötzlich. So schnell, wie er das Thema wechselt, sollten meine Alarmglocken schrillen.

»Moment mal.« Ich neige den Kopf zur Seite. »Du hast mir doch wohl nicht etwa schon wieder nachspioniert, oder?«

»Nachspioniert?« Er schaut mich an, als hätte er meine Frage nicht verstanden.

»Warst du etwa wieder vor Kittys Haus?«

Er schweigt.

»Ich musste eh noch einkaufen«, antwortet er schließlich. »Da bin ich dran vorbeigefahren. Weiter nichts.«

Ich spüre, wie sich mein Puls beschleunigt.

»Weiter nichts?«, entgegne ich. »Erstens ist es nicht das erste Mal, dass du mir hinterherfährst und zweitens verstehe ich nicht, warum du so wütend und misstrauisch warst, wenn du wusstest, wo ich bin.«

»Na ja, ich habe ja nur dein Auto dort stehen sehen und …« Er beißt sich auf die Unterlippe, bevor er weiterspricht. »Tut mir leid. Das war dumm von mir.«

Entsetzt springe ich vom Sofa auf und gehe ins Schlafzimmer. Ich öffne die Schranktür und suche nach meiner Jogginghose und meinem Lieblings-T-Shirt.

»Ich verstehe gar nicht, warum du jetzt wütend bist?« Er folgt mir zum Schrank. »Ich war doch nicht derjenige, der die ganze Nacht weg war.«

»Ich war bei Kitty!«, fauche ich und knöpfe meine Bluse auf, um im nächsten Atemzug Shirt und Jogginghose überzuziehen. »Wie oft soll ich das eigentlich noch sagen? Ich kann nicht fassen, wie lange wir uns bereits darüber unterhalten.«

»Aber du hast doch wieder davon angefangen und was von Nachspionieren gesagt. Dabei war ich doch nur im Supermarkt. Was kann ich denn dafür, wenn das Haus deiner Tante auf dem Weg liegt.«

»Auf dem Weg liegt?« Ich verziehe die Mundwinkel. »Du musstest dafür in ein Wohngebiet einbiegen, Leon. Das ist ja wohl ein bisschen was anderes, oder?«

»Aber das war doch kein wirklicher Umweg.« Er legt die Hände auf meine Schultern. »Nun sieh es doch mal so, Liebes. Ich habe mir einfach Sorgen um dich gemacht und in dem Moment, wo ich deinen Wagen gesehen habe, ging es mir besser. Ich hätte doch auch lügen können, als du gefragt hast, ob ich dir – wie nanntest du es? – nachspioniere.«

Mit diesem Argument hat er mich, auch wenn ich noch immer wütend auf ihn bin.

»Trotzdem nervt es.« Ich öffne die Schublade meines Nachtschranks und hole ein Haargummi heraus. »Du musst lernen, mir zu vertrauen.«

»Mit Vertrauen hat das doch gar nichts zu tun«, widerspricht er. »Sondern einfach nur mit Liebe und Sorge.«

»Liebe und Sorge.« Ich mache ein zischendes Geräusch mit der Zunge. »Dafür hast du aber eine ziemlich finstere Miene gezogen, als ich nach Hause gekommen bin.«

»Ich weiß.« Wieder greift er nach meinen Händen. »Wie oft soll ich mich denn noch entschuldigen?«

Zärtlich streichelt er mit seinen Daumen über meine Handrücken und lächelt mich sanft an. Während ich ihn anschaue, spüre ich, wie meine Wut langsam verfliegt. Trotzdem muss ich in diesem Moment seltsamerweise an John denken.

Hat Leon vielleicht doch einen Grund zur Eifersucht? Allein wegen der Gefühle für John, die ich noch immer nicht ganz vergessen habe – auch wenn mir dies erst bei unserem Wiedersehen klargeworden ist?

»Schon gut«, seufze ich schließlich. »Lass uns nicht weiter drüber reden, okay?«

Ich gehe in die Küche. »Was essen wir? Du hast doch nicht vergessen, dass du heute mit dem Kochen dran bist?« Ich lache, während ich das frage. »Was übrigens deine eigene Idee war.«

»Natürlich habe ich das nicht vergessen.« Er kommt ebenfalls in die Küche und schnappt sich einen Keks aus der Dose, die auf dem Tisch steht. »Aber nicht ich habe gekocht, sondern der Thailänder, der neu aufgemacht hat.«

»Du hast was bestellt?« Ich lehne mich gegen die Anrichte. »Na, du machst es dir ja leicht.« Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.

»Du wolltest den Thailänder doch schon lange mal ausprobieren«, verteidigt er sich.

»Stimmt.« Ich schnappe mir ebenfalls einen Keks. »Dann decke ich schon mal den Tisch.«

»Schon erledigt.« Er zwinkert mir zu.

Und während ich schon wieder grinsen muss, verfliegt das letzte bisschen Wut, das mich eben noch beschäftigt hat.

So ist er eben, mein Leon. Und haben wir nicht alle unsere Macken?

Kapitel 8

Lana

Ich spüre das Seidenlaken unter meiner nackten Haut, seine Lippen an meinem Ohr, während ich mich seufzend gegen ihn bäume. Durch das angewinkelte Schlafzimmerfenster schleicht sich ein milder Windstoß, der fast schon symbolisch scheint.

Seine Hände gleiten zwischen meine Schenkel und treiben meine Lust an die Spitze. Allein der Gedanke an das, was uns bevorsteht, bringt mich zum Zittern.

Wie sehr ich mich nach ihm gesehnt habe. Wie sehr ich ihn will. Wie sehr ich ihn brauche.

***

Ich bin an diesem Morgen ungewöhnlich früh wach. Normalerweise schlafe ich sogar weiter, wenn Leon aufsteht und sich für seine Schicht im Sägewerk fertigmacht.

Aber heute kommt mir die Nacht rückblickend wie eine lose Anreihung konfuser Stunden im Halbschlaf vor. So, als hätte ich im wachen Zustand geträumt.

Dass mir dabei vor allem John immer wieder in die Sinne gekommen ist, befeuert mein schlechtes Gewissen zusätzlich. Gerade gestern habe ich noch mit Leon wegen seines Misstrauens geschimpft – und dann habe ich Träume wie diesen? Erotische Träume, die mir so real erscheinen, dass ich mich fast dafür schäme.

Meine Hände ruhen auf dem Lenkrad, während ich die schmale Straße durch Fleesenow nehme, um den Ort zu verlassen und in Richtung Stadt zu fahren. Es ist noch dunkel auf meinem Weg zur Arbeit, als ich über die Freisprechanlage telefoniere:

Maggie:

Lana? Was zum Teufel ist passiert?

Lana:

Ich rufe dich gerade an, das ist passiert.

Maggie:

Komm schon, du weißt, was ich meine. Es ist gerade mal halb sieben.

Lana:

Ich wollte nur schauen, ob du schon wach bist. Wusste nicht genau, welche Apothekenschicht du diese Woche hast.

Maggie:

Ich habe Spätschicht.

Lana:

Und dann bist du jetzt schon wach?

Maggie:

Tja, du hast mich angerufen, Süße. Schon vergessen?

Lana:

Moment mal, du warst noch nicht wach? War denn dein Handy nicht auf lautlos?

Maggie:

Dann wäre ich wohl kaum davon wachgeworden, oder?

Lana:

Boah, Maggie, das tut mir leid. Das wollte ich nicht. Aber mal ehrlich: Wer hat denn heutzutage sein Handy nicht auf lautlos?

Maggie:

Ich hatte noch den Vibrierton an. Muss vergessen haben, ihn gestern Abend auszuschalten.

Lana:

Scheiße, Mann, tut mir echt leid. Dann schlaf schnell weiter und vergiss meinen Anruf, okay?

Maggie:

Vergessen? Du bist gut. Jetzt bin ich wach und bleibe auch wach, bis du mir sagst, was los ist.

Lana:

Ach, so wichtig ist es nun auch wieder nicht.

Maggie:

Willst du mich verarschen? Du hast mich gerade geweckt, weil du darüber reden wolltest. Dann muss es ja wohl wichtig sein, oder?

Lana:

Wie gesagt, ich dachte, du hast Frühschicht. Und dass dein Telefon lautlos ist und …

Maggie:

Mensch, Lana, nun rede schon! Was ist los? Wacher als jetzt kann ich echt nicht mehr werden. Ich bin zu hundert Prozent aufnahmefähig, okay? Also, verdammt nochmal, rede endlich!

Lana:

Na gut. Ich weiß gar nicht so recht, wo ich anfangen soll. Ich … na ja … gestern war doch mein erster Tag.

Maggie:

Ja, der Büro-Job. Und wie war’s? Sind deine Kollegen nett? Und die Chefs?

Lana:

Alles gut so weit.

Maggie:

Also, deswegen rufst du schon mal nicht an.

Lana:

Na ja, irgendwie schon. Denn als ich den Produktionsleiter kennengelernt habe, war es … tja, wie soll ich sagen … es hat sich herausgestellt, dass John mein Kollege ist und ich sogar eng mit ihm zusammenarbeiten werde.

Maggie:

Moment mal, der John?

Lana:

Ja, genau der John!

Maggie:

Oh Gott, wie lange habe ihr euch nicht mehr gesehen?

Lana:

Es müssten jetzt an die sieben Jahre sein.

Maggie:

Nicht zu fassen. Wie war es? Was hat er gesagt? Was hast du gesagt? War es sehr peinlich?

Lana:

Wir waren beide total verkrampft, aber richtig geredet haben wir nicht, zumindest nicht über damals. Wir waren nicht allein, weißt du? Meine neue Vorgesetzte hat uns einander vorgestellt.

Maggie:

Tja, das mit der Vorstellung war dann wohl nicht mehr nötig.

Lana:

Nicht wirklich.

Maggie:

Und hast du später noch mal mit ihm geredet? Ich meine, allein?

Lana:

Nein, ich hätte gar nicht gewusst, was ich sagen soll. Ich habe irgendwie schon jetzt Bammel vor unserer nächsten Begegnung. Ich meine … John … wie verrückt ist das, bitte?

Maggie:

Das kann man wohl laut sagen. Wenn ich daran denke, wie sehr du damals wegen ihm gelitten hast. Nicht zu fassen, dass du nun tatsächlich in seiner Firma gelandet bist. Und was sagt Kitty dazu?

Lana:

Sie hat keine Ahnung von alldem, sie hat John damals auch nicht kennengelernt. Sonst hätte sie mir auch kaum die Stelle besorgt. Ich will auch nicht mit ihr darüber reden ehrlich gesagt. Irgendwie ist es mir unangenehm. Ich meine, er ist ja genauso auch ihr Kollege. Ich will da keine seltsame Situation schaffen. Weder für sie noch für mich. Zumindest nicht, solange ich nicht weiß, wie ich mich in Zukunft ihm gegenüber verhalten soll.

Maggie:

Aber um ein Gespräch mit ihm wirst du sicher nicht drumherum kommen.

Lana:

Meinst du? Und was, wenn wir einfach so tun, als wären wir … na ja … ganz normale Kollegen. Stimmt ja auch irgendwie. So viel Zeit, wie seit damals vergangen ist, das ist fast so, als würden wir uns neu kennenlernen.

Maggie:

Dir ist schon klar, dass du dir die Dinge gerade nur irgendwie zurechtbiegst?

Lana:

Ich weiß. Ach, es ist alles so verwirrend. Deswegen habe ich dich ja auch schon so früh angerufen. Nach letzter Nacht bin ich noch verwirrter als vorher.

Maggie:

Letzte Nacht? Was war letzte Nacht?

Lana:

Ich habe von John geträumt. Und das nicht gerade jugendfrei.

Maggie:

Ach, das ist doch völlig normal. Ich habe ständig solche Träume.

Lana:

Du bist ja auch Single, aber ich bin mit Leon zusammen.

Maggie:

Was spielt denn das bitteschön für eine Rolle? Als würden vergebene Frauen nur von ihrem eigenen Kerl träumen. Das ist doch total unrealistisch. Außerdem hat es ja nicht immer auch zu bedeuten, dass man auch etwas von dem Typen will, von dem man träumt. Obwohl … in deinem Fall haben wohl schon auch die Gefühle eine Rolle gespielt … na ja … jedenfalls deine damaligen Gefühle. Trotzdem, du solltest dir deswegen keine Vorwürfe machen. Leon weiß ja nichts davon.

Lana:

Gerade gestern hatten wir wieder eine Diskussion, weil er immer so misstrauisch ist.

Maggie:

Du kennst meine Meinung über seine Eifersucht.

Lana:

Ja, die kenne ich. Aber eigentlich ist es schon besser geworden. Ich meine, wir vertragen uns jetzt viel schneller als früher.

Maggie:

Besser geworden? Und du redest dir das nicht einfach nur schön?

Lana:

Er liebt mich halt.

Maggie:

Wie auch immer. Du hast ihn nicht betrogen, sondern nur von einem anderen geträumt. Kein Weltuntergang.

Lana:

Der Traum an sich nicht, aber was hat er zu bedeuten? Ich meine: Bin ich wirklich über John hinweg? Was soll ich davon halten, wenn ich davon träume, dass er mich …

Maggie:

Dass er dich was?

Lana:

Nicht so wichtig.

Maggie:

Nun hast du mich neugierig gemacht.

Lana:

Ach, Maggie. Ich weiß echt nicht, was ich davon halten soll. Ich dachte, ich hätte ihn überwunden. Und jetzt? Ist er plötzlich wieder in meinem Leben.

Maggie:

Klingt fast nach Schicksal.

Lana:

Lustig, dass du das ausgerechnet jetzt erwähnst. Ich kann irgendwie an nichts anderes mehr denken.

Maggie:

Ein Grund mehr, warum du mit John reden solltest.

Lana:

Damit ich noch verwirrter bin?

Maggie:

Na ja, es ist alles noch neu. Klar ist es da verwirrend. Aber wenn ihr erst mal geklärt habt, an welchem Punkt ihr steht, wirst du irgendwann vielleicht gar nichts mehr daran finden, dass ihr Kollegen seid.

Lana:

Ich hoffe es. Leon darf auf jeden Fall nichts davon erfahren. Er würde das alles nur fehlinterpretieren.

Maggie:

Wenn du es ihm aber verheimlichst, deutet er es erst recht falsch, wenn er es irgendwann doch herausfindet.

Lana:

Kann schon sein. Ach, ich weiß doch selbst nicht, was falsch und was richtig ist. Boah, so ein Idiot!

Maggie:

Wer? Leon?

Lana:

Nein, der Typ im Wagen vor mir. Hat an der Ampel gebremst, als gerade mal auf Gelb umgesprungen ist. Das hätten wir beide noch locker vor Rot geschafft.

Maggie:

Nun mal immer langsam, Süße. Nicht, dass du bei all deinen übersprudelnden Gefühlen noch einen Unfall baust.

Lana:

Keine Sorge, ich fahre vorsichtig. Das tue ich immer.

Maggie:

Ja, aber heute ist alles anders, oder?

Lana:

Was nicht bedeutet, dass ich direkt einen Unfall baue.

Maggie:

Du solltest trotzdem vorsichtig fahren. Und mit John reden.

Lana:

Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.

Maggie:

Na ja, vielleicht ergibt sich so eine Gelegenheit ja auch von ganz allein. Du wirst schon sehen, in ein zwei Tagen hast du dich an die neue Situation gewöhnt.

Lana:

Ich hoffe, du hast recht. Heute Morgen bin ich jedenfalls total neben der Spur.

Maggie:

Solange es nicht mit dem Auto ist …

Lana:

Fahre gerade auf den Parkplatz der Firma.

Maggie:

Na dann. Ich wünsche dir einen schönen Tag.

Lana:

Danke. Wir werden sehen. Sorry noch mal fürs Wecken. Und jetzt schlaf weiter, Süße.

Maggie:

Ich versuche es zumindest. Vielleicht träume ich ja von John und dir.

Lana:

Nicht witzig!

Maggie:

Ich find schon. Bis bald.

Lana:

Mach’s gut.

Kapitel 9

John

Ihre Haut ist so weich wie Seide, als ich mit der Hand von ihren Brüsten hinab zu ihrem Bauchnabel gleite.

Sie ist so schön, als wäre sie direkt einem Gemälde entsprungen und gleichzeitig so sinnlich in jeder Bewegung, die sie neben mir macht, dass ich mich zusammenreißen muss, um mich nicht sofort in meiner eigenen Lust zu verlieren.

Die Erregung hat mich fest im Griff, während meine Lippen erneut die ihren suchen. Mittlerweile ist meine Hand über den Stoff ihres Slips an ihrer empfindlichsten Stelle angekommen, denn sie zuckt leicht zusammen, als ich sie dort berühre und seufzt dabei leise auf. Eine Beobachtung, die mein Begehren nur noch größer werden lässt.

Wie lange habe ich mich danach gesehnt, sie auf diese Weise zu spüren? Wie schwer habe ich mit mir gekämpft, um ebendiese Sehnsucht zu vergessen?

Sie fährt mit den Fingern in meine Unterhose, das einzige Kleidungsstück, das ich noch trage. Ihre Hand liegt fordernd an meinem Hintern, wandert jedoch ganz zögerlich nach vorn.

Jeden Augenblick werde ich das letzte bisschen Geduld verlieren, das spüre ich genau.

Sie trägt nur noch ihren Slip, schwarze Spitze, den ich mit zitternden Fingern sanft von ihren Beinen streife.

Es ist die zugeschlagene LKW-Fahrertür, die mich augenblicklich aus dem Schlaf reißt. Als ich in die Höhe fahre, kann ich durch das angewinkelte Kellerfenster hören, wie Julius, unser LKW-Fahrer, das Schwebetor der Lagerräume hochschiebt, um die Details für den heutigen Arbeitstag mit den Kollegen zu besprechen.

Verwirrt lege ich die Hand an meine Stirn. Ich war heute besonders früh in die Firma gefahren, weil ich es nach einer schlaflosen Nacht für klüger hielt, dann früher arbeiten zu gehen, anstatt orientierungslos in meiner Wohnung herumzuirren. Doch kaum hier angekommen, noch dazu vor allen anderen Kollegen, hat mich dann doch die Müdigkeit übermannt.

Es ist nichts Ungewöhnliches, dass ich mich nach einem besonders langen Arbeitstag völlig übermüdet ins Nebenzimmer meines Büros verziehe und ein paar Stunden auf dem Ledersofa vorschlafe, bevor ich heimfahre oder weiterarbeite. Dass ich jedoch schon am Morgen auf dem Sofa lande, weil ich viel zu müde oder zu verwirrt zum Arbeiten bin, ist neu.

Auch wenn es mir schwerfällt, es mir selbst einzugestehen, weiß ich, dass es nur einen Grund für meinen konfusen Zustand gibt: Lana.

Wann habe ich das letzte Mal von ihr geträumt, noch dazu so intensiv und real?

Noch immer komme ich mir dämlich vor, weil ich unter einer so offensichtlichen Ausrede unserem Wiedersehen entflohen bin. Sicher hat sie es doch sofort durchschaut. Und wenn ja, was denkt sie deshalb?

Schlimm genug, wie wir damals auseinander gegangen sind. Und jetzt benehme ich mich wie ein Feigling.

»Morgen«, ruft Julius gutgelaunt, während er klopft und gleichzeitig hineinkommt. Auf die Idee, dass ich in einem wichtigen Gespräch sein könnte oder ähnliches, kommt er nie. Aber er ist der Einzige, dem ich nicht böse deswegen sein kann. Mit seinen zwei Metern, dem breiten Kreuz und dem runden kahlen Kopf ist er so etwas wie der liebenswerte Riese in unserem Unternehmen, den irgendwie jeder mag.

»Morgen Julius«, antworte ich, während ich aus dem Nebenzimmer komme. »Du bist ja schon wieder unverschämt gut drauf.«

»Das Leben ist zu kurz für schlechte Laune«, grinst er zufrieden und schiebt die Daumen unter seine Hosenträger. Die blaue Arbeitsjacke trägt er offen, sodass sein mächtiger Bauch noch deutlicher zu sehen ist. Doch mit seinen zirka sechzig Jahren ruht er in sich und macht sich über so etwas keine Gedanken.

»Irgendwelche Extra-Aufträge heute, Chef?«, hakt Julius nach.

»Nein, nichts abseits der üblichen Route«, antworte ich.

»Siehst müde aus«, stellt er mit hochgezogener Augenbraue fest, dann dreht er sich wieder um und verlässt mein Büro, als wäre er nie hier gewesen.

Sein Auftauchen holt mich zurück in die Realität. Und es ruft mir einmal mehr in Erinnerung, wie peinlich ich mich Lana gegenüber benommen habe. Was auch immer damals zwischen uns passiert ist und welche Fehler auch immer ich vor sieben Jahren begangen habe, hier und jetzt sind wir erwachsen und sollten uns auch so benehmen.

Kapitel 10

Lana

»Wirklich total lieb von dir.« Ich greife in die Keksdose und nehme mir ein Schokoplätzchen heraus. »Schenkst du allen neuen Kollegen selbstgebackene Plätzchen?«

»Nur die, die mir sympathisch sind.« Charlene zwinkert mir zu und lehnt sich gegen die hüfthohe Kommode, die neben meinem Schreibtisch steht.

»Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.« Ich betrachte die hübsche weiße Blechdose mit den Glitzersternen und werfe Charlene ein dankbares Lächeln zu.

Hübsch sieht sie aus mit ihrer blickdichten weißen Strumpfhose, dem rotschwarz-karierten Wadenrock und dem weißen Rollkragenpullover. Der kinnlange schwarze Bob und der kirschrote Lippenstift unterstreichen ihr gutes Aussehen zusätzlich. Das Schönste an ihr ist aber ihr offensichtlich großes Herz.

»Und?«, hakt sie nach. »Wie hat dir dein erster Tag bei uns gefallen? Man hat dich ja gar nicht zu Gesicht bekommen.«

»Na ja, Yvette hat mir gleich gestern einen großen Stapel alter Rechnungen gegeben. Damit ich die Arbeits- und Buchungsweise hier besser nachvollziehen kann.«

»Ah, typisch Yvette.« Charlene grinst. »Sie verliert keine Zeit. Aber sie ist schon in Ordnung. Zumindest solange, wie man die Arbeit hier auch ernstnimmt. Denjenigen, die eine ruhige Kugel schieben, zeigt sie schon, wo es langgeht. Was ja auch irgendwie nachvollziehbar ist.«

»Stimmt.« Ich schnappe mir ein weiteres Plätzchen. »Aber der erste Tag war wirklich okay. Ich bin einfach froh, dass ich hier bin. Ich habe ein gutes Gefühl.«