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Der Astronom fällt vom Pritschenwagen, die Falknerin fürchtet sich vor einem Löwen. Mona Lisa sorgt sich um rote Punkte. "Entartet" sein tut weh. Wie es sich anfühlt, unter dem Naziregime systematisch geraubt, deportiert, versteckt, verkauft und gedemütigt zu werden, wissen die Kunstwerke selbst am besten: Betroffene Bilder der berühmtesten Maler vergangener Jahrhunderte schildern in Briefen ihre ganz persönlichen Erlebnisse, sie drücken ihren Dank aus oder bitten inständig um Hilfe. Die Adressatin: Rose Valland, französische Kunsthistorikerin und Widerstandskämpferin. Sie trug mit ihrem Engagement, ihrer Weitsicht und ihrem Mut maßgeblich zur Rettung der Kunstschätze bei. Das Buch ist ein weiterer wichtiger Schritt, das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte in Erinnerung zu behalten.
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Seitenzahl: 178
Veröffentlichungsjahr: 2024
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.
© 2024 novum publishing
ISBN Printausgabe: 978-3-99146-953-7
ISBN e-book: 978-3-99146-954-4
Lektorat: Andrea Pichler
Umschlagabbildungen: Lenapix | Dreamstime.com, L’Association „La Mémoire de Rose Valland“
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
Innenabbildungen: siehe Bildquellennachweis am Ende des Werkes
www.novumverlag.com
Vorwort
Eines Tages fiel mir das BuchMonuments Menvon Robert Edsel und Bret Witter in die Hände. Allein der Untertitel,Die Jagd nach Hitlers Raubkunst,veranlasste mich dazu, so schnell wie möglich mit diesem Buch auf meine Couch zu kommen. Im Teil II stieß ich auf eine Frau mit dem Namen Rose Valland. Neugierig verschlang ich ein Kapitel nach dem anderen. Am Ende wurde mir bewusst, dass viele Menschen die Monuments Men und ihre heldenhaften Taten kannten, aber wer kannte die heldenhaften Taten von Rose Valland? Immerhin hat sie ihr Leben für die Kunst aufs Spiel gesetzt! Ich bin der Meinung, dass man diese Frau, die eine Spionin für die Kunst war, ein bisschen mehr ins Rampenlicht rücken sollte. Also, mein Entschluss stand fest! Ich werde ein Buch über diese außergewöhnliche französische Nationalheldin schreiben. Eine historische, trockene Biografie kam für mich nicht in Frage, da ich meine Leser*innen nicht mit einer Flut von Jahreszahlen, trockenen recherchierten Fakten mit Fußnoten und weiteren Anmerkungen langweilen wollte. Ich überlegte eine Weile und eines Tages hatte ich die Idee! Ich werde berühmte Gemälde sprechen lassen und zwar jene, die Rose Valland im Jeu de Paume Museum in Paris gesehen und in ihrem Tagebuch notiert hatte, oder andere Bilder, die sich hilfesuchend an sie wenden. Diese Bilder sind die historischen Zeitzeugen und werden durch die Briefe, die sie an Rose Valland schreiben, zum Leben erweckt. Die Geschichten, die sie uns erzählen, geben uns, auf eine unterhaltsame Art und Weise, einen interessanten Einblick in das damalige Zeitgeschehen. Im jeweils anschließenden Teil des Kapitels befinden sich Fakten, oder andere aufschlussreiche Informationen zu den entsprechenden Bildern, oder den Personen, die damit in Verbindung stehen.
Diese schriftstellerische Form ermöglicht es mir, Ihnen Rose Valland und ihre heldenhaften Taten auf eine ganz besondere Art und Weise näher zu bringen. Die komplette Biografie dieser außergewöhnlich mutigen Frau finden Sie ganz am Ende des Buches. Warum ausgerechnet am Ende? Ganz einfach, damit Sie sich während des Lesens der einzelnen Kapitel ein eigenes Bild von Rose Valland machen können.
Weltgeschichte muss nicht immer langweilig sein, fangen Sie einfach an!
Christiane Köhne
Mona Lisa
Ein Brief von der Mona Lisa
Mona Lisa (La Gioconda)
Leonardo da Vinci, 1503–1506
Öl auf Pappelholz
77 x 53 cm
Liebe Rose,
ich will ehrlich zu dir sein. Ganz heimlich habe ich dich und Jacques belauscht, als ihr euch im Salle des Etats getroffen habt. Ich konnte die Erregung in euren Stimmen vernehmen, als ihr über das Deutsche Reich, Adolf Hitler und die Zukunft von Frankreich gesprochen habt. Zwar waren eure Stimmen sehr leise, aber ich konnte euch recht gut verstehen. Niemals werde ich den Anblick vergessen, wie eure beiden Körper vor dem Bild von Paolo Veronese standen und perfekt mit der Kulisse vonDie Hochzeit von Kanaverschmolzen. Liebe Rose, ich muss dir gestehen, dass ich erst ein wenig eifersüchtig auf dich war, da ich Jacques über alles liebe. Doch je länger ich eurem Gespräch zuhörte, desto mehr wurde mir bewusst, wie sehr ihr um mich und mein Wohlergehen besorgt wart. Meine Eifersucht war schnell verflogen, als ich hörte, in welche Gefahr ihr euch für mich und die restliche Kunst von Paris begeben wolltet. Liebe Rose, seitdem ist viel passiert. Ich habe dich lange nicht mehr gesehen und mache mir Sorgen um dich. Daher schreibe ich dir folgende Zeilen, damit du weißt, wie es um mich bestellt ist.
Als Jacques eines Tages zu mir in den Louvre kam, sah er irgendwie anders aus als sonst. Eine tiefe Falte lag auf seiner Stirn und sein starrer Blick, der auf mich gerichtet war, bereitete mir große Sorge. Ich lächelte ihn an, doch er lächelte nicht zurück, was er sonst immer tat! Nachdenklich betrachtete er erst mich, dann die anderen Gemälde im Saal. Ich fragte mich, was bloß heute mit ihm los war? Merkwürdig war an diesem Tage auch, dass keine Besucher in den Salle des Etats strömten, wie es sonst immer der Fall war. Es blieb verdächtig still. Ich lauschte Jacques´ Schritten wie sie durchs Museum hallten, bis sie immer leiser wurden und nicht mehr zu hören waren. Die darauf eintretende Stille machte mir Angst. Es dauerte eine ganze Weile, da vernahm ich auf einmal ein lautes Getöse, welches immer näherkam. Stimmen redeten durcheinander, es krachte und schepperte. Was war das auf einmal für ein Lärm? Dann sah ich sie den Saal betreten. Es waren unzählig viele Menschen, Männer und Frauen. Ein paar von ihnen kannte ich, da sie im Louvre arbeiteten. Ein großer Teil jedoch war mir fremd. Jeder von ihnen trug entweder weiße Holzkisten, Unmengen an Verpackungsmaterial oder Werkzeug mit sich. Sie sahen wild entschlossen aus, was mich noch mehr ängstigte. Ich fragte mich, was diese Menschen mit den Kisten vorhatten, die sie in den Salle des Etats schleppten. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Ich sah, wie sie ein Bild nach dem anderen von der Wand nahmen, es behutsam verpackten und in die dafür vorgesehene Holzkiste legten. Ich musste an das heimliche Treffen von dir und Jacques im Museum denken und so langsam dämmerte es mir, was mit mir und den anderen Gemälden passieren würde. Es dauerte gar nicht lange, da stand ein unbekannter Mann vor mir. Er verharrte für einen kleinen Moment, schaute mich liebevoll an und nahm mich vorsichtig von der Wand. Kurz bevor er mich behutsam in eine von diesen Holzkisten legte, konnte ich drei rote Punkte erkennen, doch nirgends stand mein Name geschrieben.
Ich wurde zu einem Lastwagen gebracht und vorsichtig auf der Ladefläche verstaut. Der Wagen setzte sich in Bewegung und ich wurde kräftig hin und her geschaukelt. Während der langen Fahrt machte ich mir Gedanken, wohin meine Reise wohl gehen würde. Dann hielten wir an. Eine Tür wurde geöffnet und ich konnte durch ein Astloch in der Kiste ein großes Schloss erkennen. Bekam ich ein neues Zuhause? Ich war gespannt! Doch was dann passierte, stimmte mich sehr traurig. Man stellte mich, zusammen mit vielen anderen weißen Holzkisten, in einen schmucklosen, eiskalten Raum. Es zog durch jede Ritze des Gemäuers. Zu meinem größten Schrecken musste ich feststellen, dass der Raum nicht nur kalt, sondern auch feucht war! Was würde bloß aus mir werden?
Wie du dir vorstellen kannst, liebe Rose, ging es mir unter solchen Umständen gar nicht gut. Ich fühlte mich schlecht. Ich hatte Angst, dass ich hässlich und unansehnlich werden würde. Ich flehte im Stillen, dass Jacques hoffentlich bald zu mir kommen und mich befreien würde.
Liebe Rose, mein Flehen wurde erhört! Eines Tages kam Jacques zu mir. Er war nicht allein. Zusammen mit ein paar Mitarbeitern hatte er dafür gesorgt, dass der Raum, in dem ich mit den anderen Bildern untergebracht worden war, wärmer wurde. So ging es uns deutlich besser. Jacques befreite mich kurz aus der Holzkiste und begutachtete mich fachmännisch von allen Seiten. Du weißt ja, wie ich es liebe, wenn die Menschen mich intensiv anschauen, erst recht, wenn Jacques es tut, denn dann wird es mir immer ganz warm ums Herz. Ich lächelte ihn an. Jacques lächelte zurück, aber nur ein wenig. Anschließend ging es für mich zurück in meine Kiste.
Ich weiß schon gar nicht mehr, wie viele Tage vergangen waren, da hörte ich von draußen her einen Höllenlärm! Es knallte und rumorte. Das Fundament des Schlosses bebte, dass ich es sogar bis in meine Kiste spüren konnte. Ich hörte Menschen, die aufgeregt in den Raum kamen. Sie sprachen wild durcheinander. Dann wurde ich hochgehoben, aus dem Schloss getragen und in ein Fahrzeug verfrachtet. Die wilde Fahrt begann aufs Neue.
Ich hatte nur noch einen Gedanken, ich wollte nach Hause!
Man brachte mich zu einem anderen Schloss. Der Raum, in dem ich jetzt untergebracht worden war, hatte viele Bilder an den Wänden. Edle Teppiche lagen auf dem Boden. Ich war froh über mein kleines Astloch in der Kiste, welches es mir ermöglichte, ein wenig die Umgebung wahrzunehmen. Eines Morgens hörte ich gedämpfte Stimmen im Raum. Ich hatte ein wenig Angst. Gespannt wartete ich darauf, was passieren würde. Durch mein Astloch konnte ich zwei Paar Schuhe erkennen, die sich zögerlich meiner Unterkunft näherten. Ganz vorsichtig machte sich jemand an meiner Kiste zu schaffen. Erst dachte ich, es wäre vielleicht Jaques. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie verwirrt ich war, als der Deckel sich öffnete und ich in das Gesicht eines kleinen Mädchens blickte. Den erstaunten Gesichtsausdruck von ihm, als es mich sah, werde ich nie vergessen. Sie beugte sich zu mir in die Kiste hinab und streichelte ganz zärtlich über meine linke Wange. Eine Frau, die neben ihm stand, wahrscheinlich seine Mutter, flüsterte ihm leise etwas ins Ohr. Was, das konnte ich leider nicht verstehen, aber das kleine Mädchen bekam große Augen und sah mich liebevoll an. Beide lächelten mich an, ich lächelte zurück. Danach wurde meine Kiste wieder behutsam verschlossen. Liebe Rose, von diesem Zeitpunkt an habe ich mir gewünscht, dass das kleine Mädchen und seine Mutter häufiger bei mir vorbeischauen würden, da ich mich so einsam in meinem Versteck fühlte. Jedoch, nichts passierte.
Eines Tages hörte ich laute Schreie. Alle schrien wild durcheinander! Ich vernahm Flugzeugmotoren, aber keine Detonationen. Ich erwartete, dass geschossen wurde, jedoch nichts passierte. Dann merkte ich, dass die Schreie Jubelschreie waren. Ich hörte lautes Gelächter und jemand stimmte die Marseillaise an. Meine Gedanken wirbelten wild durcheinander. Könnte es sein, dass der Krieg vorbei war? Ich wagte es kaum, zu glauben. Plötzlich hörte ich Stimmen, die sich näherten. Ich hielt die Luft an. Meine Kiste wurde geöffnet und … Jacques war da! Er war es wirklich! Du kannst dir gar nicht vorstellen, liebe Rose, wie ich mich gefreut habe, ihn wiederzusehen! Ich lächelte ihn an, und er lächelte zurück. Von diesem Zeitpunkt an wusste ich, dass alles gut werden würde. Wieder wurde ich in einem Fahrzeug verstaut, doch dieses Mal machte mir das gar nichts aus, da ich wusste, dass wir in die richtige Richtung fahren würden, nämlich nach Paris. Sie fuhren mich wirklich zurück nach Hause. Im Louvre angekommen, wurde ich von Jacques aus meiner weißen Kiste mit den drei roten Punkten gehoben. Er ließ es sich nicht nehmen, mich persönlich an die Wand zu hängen, von der man mich vor langer Zeit entfernt hatte. Meine Freude, die ich in diesem Moment verspürte, war unbeschreiblich groß.
Liebe Rose, Jacques und du habt euer Leben für die Kunst aufs Spiel gesetzt. Ich kann dir gar nicht schreiben, wie dankbar ich dir und natürlich auch Jacques dafür bin. Bitte schreibe mir, was du in diesen wirren Zeiten alles erlebt hast. In der Hoffnung, dass es dir gut geht, und wir uns vielleicht bald wiedersehen werden, und zwar im schönsten Museum der Welt.
Deine Mona Lisa
Jacques Jaujard (1895–1967)
Retter der französischen Kunst
Jacques Jaujard wurde 1926 Generalsekretär der Musée Nationaux in Paris.1933 ernannte man ihn zum stellvertretenden Direktor und 1939 zum Direktor der Nationalen Museen. Für Jaujard war die Erhaltung des kulturellen Erbes eine Herzensangelegenheit. Bereits während des Spanischen Bürgerkriegs überwachte er die Evakuierung der Kunstsammlungen des Museo del Prado von Madrid in die Schweiz, um sie vor Plünderern zu schützen.
Mit großer Besorgnis beobachtete Jacques Jaujard die Entwicklung im Deutschen Reich. Hitler marschierte unaufhaltsam voran, und es war nur noch eine Frage der Zeit, wann er in Frankreich einfallen würde. In ihm wuchs der Gedanke, die Kunst vor den Nationalsozialisten in Sicherheit zu bringen. Der Plan war es, die wichtigsten Kulturgüter in die Schlösser der nahen Umgebung von Paris zu evakuieren.
Am 25. August 1939 ließ er den Louvre für drei Tage schließen. Offiziell hieß es, für „Reparaturarbeiten“. In diesen drei Tagen und Nächten packten hunderte von Mitarbeitern, Kunststudenten und andere Freiwillige die Kunst des Louvre in dafür vorgesehene weiße Holzkisten. Große Bilder, wie z. B. „Die Hochzeit zu Kana“ von Paolo Veronese, mit einer stattlichen Größe von 9,90 m x 6,66 m, wurden aus ihrem Rahmen genommen und um einen Zylinder gerollt, um sie zu transportieren. Das „Floß der Medusa“ von Théodore Géricault, 4,91 m x 7,16 m, musste auf einem offenen Lastwagen, nur mit einer riesigen Decke verhüllt, transportiert werden. Die Meisterwerke aus dem Louvre wurden in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit kategorisiert. Ein gelber Punkt bedeutete sehr wertvolle Kunst, ein grüner – Hauptwerk, der rote Punkt stand für Weltschatz. Die Kiste mit der Mona Lisa war mit drei roten Punkten versehen. Alles, was vier Räder besaß, wurde zum Transport der Kunstschätze herangezogen. Private Autos, Krankenwagen, Lastwagen, Lieferwagen und Taxen. 203 Fahrzeuge, die 1 862 Holzkisten transportierten, fuhren im Konvoi ihre erste Station an, das Château Chambord. Von dort aus wurden die Kunstwerke auf zahlreiche weitere Schlösser in Frankreich verteilt. Jacques Jaujard überwachte die komplette Evakuierung der Kunstschätze und setzte alle notwendigen Mittel ein, um die Zukunft des französischen Kulturerbes zu sichern. Als die Evakuierung abgeschlossen war, hieß es abwarten.
Nach dem Zusammenbruch Frankreichs wartete Jaujard gespannt, wann die Deutschen im Louvre erscheinen würden. Am 16. August 1940 traf Graf Franz Wolff-Metternich ein. Hitler hatte ihn zum Kunstschutz im westlichen Operationsgebiet beauftragt. Somit lagen die Sammlungen Frankreichs in seinem Zuständigkeitsbereich. Jacques Jaujard notierte in seinem Tagebuch, dass Wolff-Metternich fast erleichtert schien, den Louvre leer vorgefunden zu haben. Wie viele deutsche Aristokraten, war auch er kein Mitglied der NSDAP. Wolff-Metternich und Jaujard einigten sich darauf, dass die Kunstwerke in den Schlössern gut geschützt waren und es erst einmal keine weiteren Änderungen geben würde. So hielt der Kunstschutzbeauftragte von Adolf Hitler seine schützende Hand über Jaujard, da auch er nicht wollte, dass die Kunst Frankreichs von den Nazis geplündert wurde.
Während des Krieges musste Jaujard an zwei Fronten kämpfen. Gegen die Nazis, aber auch gegen die Vichy Regierung, dessen Kollaborationsführer nur allzu bereit war, Frankreichs Schätze den deutschen Besatzern auszuliefern.
Durch die neuen Grenzen mussten die Kunstgegenstände weiter Richtung Süden transportiert werden. Der Weg der Mona Lisa war nach meinen persönlichen Recherchen, wie folgt:
Château ChambordChâteau LouvignyKloster Loc-DieuMusée IngresChâteau de MontalIch möchte an dieser Stelle kurz einhaken. 2019 habe ich, zusammen mit meinem Mann, die Spur der Mona Lisa aufgenommen. Wir haben während unseres Urlaubsaufenthalts in Frankreich alle oben aufgeführten Schlösser, sowie das Kloster Loc-Dieu, besucht. Das Musée Ingres war leider wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Nach einer ausführlichen Führung durch das Château de Montal wunderte ich mich, dass das Thema der Mona Lisa überhaupt nicht angesprochen wurde. Daher wartete ich, bis die meisten Besucher sich verabschiedet hatten und fragte unsere Schlossführerin, ob sie mir bitte sagen könnte, wo die Mona Lisa ihr Versteck auf Château de Montal hatte. Erst starrte mich die Madame etwas fragend an, ich hatte schon Bedenken, dass sie mein Französisch nicht verstand, aber dann lächelte sie und gab uns ein Zeichen mitzukommen. Sie führte uns in einen großen Saal und erklärte uns, dass dieser der Aufenthaltsort der Mona Lisa gewesen sei. Noch heute wundert es mich, dass ich erst danach fragen musste, denn so einen wichtigen Gast hätte man während der Schlossführung ruhig erwähnen können, oder? Anschließend wurden wir von der freundlichen Madame noch in einen kleinen Raum geführt. Dort lief eine Dokumentation über die Evakuierung des Louvre, und siehe da, es wurde uns erzählt, dass auch die Mona Lisa auf Château de Montal untergebracht worden war. Warum nicht gleich so? Auf meiner Schlössertour wurde mir bewusst, dass Jacques Jaujard sich vortreffliche Orte für die Aufbewahrung der Kunstwerke ausgesucht hatte. Die dicken Mauern aus Stein waren ein sehr guter Schutz. Das größte Problem aber war die Feuchtigkeit in den alten Gemäuern. Jaujard schaffte es, elektrische Heizungen zu installieren. Ein weiterer wichtiger Aspekt war für ihn, dass im Falle eines Feuers schnell gelöscht werden konnte. Er achtete darauf, dass ein Löschteich oder ein See in der Nähe war. Wenn nicht, wies er die Mitarbeiter darauf hin, dass immer genügend Wasser in Eimern oder anderen Behältern zur Verfügung stehen musste. Jaujard überließ nichts dem Zufall.
Es war auch kein Zufall, dass Jacques Jaujard die Hilfe von Rose Valland, der Kuratorin des Jeu de Paume Museums, in Anspruch nahm. Er beauftragte sie mit der Überwachung der Aktivitäten der Nationalsozialisten in ihrem Museum. Das kleine Museum am Ende des Tuilerien Garten, diente als Kunstlager für den Einsatzstab des Reichsleiters Rosenberg, kurz ERR. Dieser Einsatzstab wurde von Hitler beauftragt, Kunstwerke für sein Führermuseum in Linz zusammenzutragen. Rose Valland fungierte als Schnittstelle zwischen den Mitarbeitern im Museum Jeu de Paume, dem ERR und Jacques Jaujard. Vier Jahre lang sammelte sie heimlich Informationen, die es ihr ermöglichten, die Bestimmungsorte von Tausenden von Gemälden zu verfolgen, die die Nationalsozialisten in ihrem Museum registrierten, um sie anschließend mit dem Zug nach Deutschland zu transportieren. Rose Valland arbeitete unauffällig. Freundlich unterhielt sie sich mit den Verpackern der Kunstgegenstände. Dabei erfuhr sie so ganz nebenbei, wo der Bestimmungsort der einen oder anderen Kiste in Deutschland war. Abends, wenn sich niemand mehr im Museum aufhielt, sammelte sie Zettel und Matrizen aus den Papierkörben, notierte sich die entsprechende Information in ihrem Tagebuch und legte alles wieder zurück an seinen alten Platz. Sie belauschte unauffällig die Gespräche der Nationalsozialisten in ihrem Museum und machte sich über deren Inhalte Notizen. Niemand hätte gedacht, dass Rose die deutsche Sprache verstand, daher redeten die Deutschen völlig unbefangen, auch wenn Rose in ihrer Nähe war. Regelmäßig traf sich Rose Valland mit Jacques Jaujard und berichtete ihm von ihren neuen Erkenntnissen. Diese wurden wiederum an die Résistance, der französischen Widerstandsbewegung, weitergegeben.
Anfang 1944 nahm die Résistance, die sich auf den D-Day vorbereitete, dem Tag, an dem die Landung der Alliierten in der Normandie stattfinden sollte, Kontakt mit Jaujard auf. Sie sandte ihm einen Verbindungsoffizier mit dem Namen Mozart. Jaujard war überrascht, dass Mozart eine platinblonde, französische Schauspielerin war, die als Agentin für den Widerstand arbeitete. Ihr richtiger Name war Jeanne Boitel. Die beiden wurden ein Paar. Nach der Befreiung Frankreichs kehrten die öffentlichen Sammlungen zurück nach Paris. Kein einziges Kunstwerk war beschädigt worden. Auch die Mona Lisa kam unbeschadet wieder an ihren alten Platz im Louvre.
Am 24.November 1944 half Jacques Jaujard bei der Gründung der Récupération Artistique, der französischen Kommission zur Wiedererlangung von Kunstwerken, um die ordnungsgemäße Rückgabe französischer Kunstwerke sicherzustellen. Hierbei spielte Rose Valland mit ihren Eintragungen in ihrem Tagebuch eine Schlüsselrolle. Ebenfalls im Jahre 1944 wurde Jaujard zum Direktor des französischen Ordens der Künste und Literatur und später zum Generalsekretär für kulturelle Angelegenheiten im Staatsministerium ernannt. Er erhielt die Medaille des Widerstands und wurde für seine außergewöhnlichen Leistungen zum Kommandeur der Ehrenlegion ernannt. Im Dezember 1955 wurde er in die Académie des Beaux-Arts gewählt.
Jacques Jaujard starb 1967 unerwartet mit 71 Jahren an einem Herzinfarkt.
Dame mit dem Hermelin
Ein Brief von der Dame mit dem Hermelin
Dame mit dem Hermelin
Leonardo da Vinci 1489–1490
Öl und Tempera auf Holz
54,7 x 40,3 cm
Liebe Rose,
leider sind wir uns nie begegnet, aber ich möchte dir trotzdem diese Zeilen schreiben, da ich nur Gutes über dich gehört habe. Ich bin mir sicher, dass dieser Brief bei dir in den richtigen Händen ist. Und wer weiß, vielleicht ergibt es sich eines Tages, wenn dieser fürchterliche Krieg vorbei ist, die Gelegenheit, dass du den Menschen meine Geschichte erzählen wirst.