Briefe aus Südamerika - Marco Gerhards - E-Book

Briefe aus Südamerika E-Book

Marco Gerhards

4,8

Beschreibung

Man kann nach Südamerika ins indianische Herz fahren, kann die kargen, dennoch grünen Andengebirge auf sich einwirken lassen und von den tausenden Bananenstauden, Maultieren, Inkatrachten und den lächelnden Gesichtern mit den dunklen Magieraugen erzählen. Später daheim mit Diavorführungen vom Machu Pichu, dem Titikakasee und den Kathedralen von Cuzco und Cuenca seine Mitmenschen in den Schlaf wiegen und auf der Haben-Landkarte den südamerikanischen Kontinent abhaken. Kann man machen.

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Briefe aus Südamerika

Indianerherzen, wandelnde Bäumeund rotlackierte Möpse

Marco Gerhards

interconnections

Georg Beckmann

Zum Autor

Marco Gerhards studierte nach eigenem Bekunden „Lebenskunde, Körperwelten und Geschichten“. Seit seiner frühesten Jugend interessiert er sich für außergewöhnliche, tiefsinnige und lebensbejahende Alternativen. Er besuchte die fünf Kontinente und ist fasziniert von der Mannigfaltigkeit der Kulturen. Momentan arbeitet er als Körpertherapeut und freier Journalist und hat noch viel vor..

Widmung

In Liebe und Dank der Reisebegleitung sowie den Leserinnen und Lesern der Emails.

Impressum

Reihe »ReiseTops«, Band 6

Marco Gerhards

Briefe aus Südamerika

Indianerherzen, wandelnde Bäume und rotlackierte Möpse

Umschlagentwurf: Anja Semling

Verlag interconnections,

Schillerstr. 44, D – 79102 Freiburg

Tel.: 0761 700 650, Fax: 700 688

[email protected]

www.interconnections.de

www.reisetops.com

ISBN: 978-3-86040-173-6, zweite verbesserte Ebook-Auflage 2016

ISBN: 978-3-86040-143-9, Buch

Inhalt

HOLA!

Auf dem Weg nach ...

Ecuador

Quito

Einen Orden für ...

Animales y plantas

Q wie Qöln

Mindo es lindo

Nach sieben kommt 8

Blick zum Himmel

Warum ist die Banane krumm?

Adventsspezial

Feuchtfröhliches Stadtfest

Rundlauf

Ein Schreiber

Sensation

Briefe an die Redaktion!

Das liebste Geräusch

Straße der Tiere

Mit Pharao zum Mond

Quala Lumpur

In eigener Sache

Adios Quito

Adios Pharao

Chachimbiro

Tiere zu verkaufen!

Cambio del sol

Des Teufels Nase

Feiertag!

Ecuador Adios!

Peru

Peru für Hartgesottene

Sprache des Meeres

Peruaner

Dringlichkeit

Werthers Echte

Noch drei Tage!

Erschöpfungen

Lima

Straßenverkauf

Ringo ist ein Star!

Speisen auf Reisen

Zwei Schlangen

Drogen

Dschungelfieber I

Dschungelfieber II

Dschungelfieber III

Dschungelfieber IV

Bolivien

Tormento

Copacabana

Und Du Peru!

Briefe an die Redaktion II

TomTulpe

Zeitlügen

Matjes Horring

Tierfreunde

La Paz

Coroico

Imagination

Alexander von Humboldt

Karneval in Bolivien

Neues von Tieren

Silber!!! Es ist echtes Silber!!!

20 Bolivianos

Was ich gern wäre - Zweiter Versuch

Wüstensafari und raus

Chile

Die Wüstengrenze zwischen Bolivien und Chile …

Aufi geht´s, neue alte Welt!

Pflanzen

Backpacker

Reiseheimat

Scheele

Ende der Kritik

Stinkbomben

Argentien

Ahrtal

Buenos Aires

Fast ein Appendix

Zum letzten Atemzug bereit

Uh-Ruguay

Amerika

Links liegen lieben

Lesen (Topptipps)

Floplights

Toplights

Deutschland

Si claro, los animales son maligrosos, fantasticos

Sonntag, 4. November, 22:01:55

HOLA!

Wer Zusendungen im elektronischen Postfach goutiert, wird in den nächsten Monaten von der Reiseberichts-Adresse gefüttert werden! Es handelt sich - wie der Name unschwer vermuten lässt - um Berichte einer Reise. Dahingestellt sei, ob es sich um die Reise zum Erholen, zur Erleuchtung oder zum Bäcker, der auch Brötchen von gestern im Angebot hat, handelt.

Generell kennen wohl die meisten von Euch die bisweilen ultralangen Rundmails gewiefter Globetrotter, deren Lektüre leider häufig nach der Hälfte abgebrochen werden muss. Das liegt weniger an der interessanten Dichte der dort so überaus großzügig verschenkten Informationen, sondern am Paradoxon, gemütliche Reiseberichte - die am Besten im Kaffeehaus in angenehmer Jazz-Atmosphäre genossen werden sollten - im Porno-Highspeed-World-Wide-Web-Netz zu posten, also im Sinnbild einer Gesellschaft, die weder warten kann, noch Zeit für drei Minuten mehr hat. Die Berichte sind dort also so sinnvoll aufgehoben wie Altenheime auf Sizilien.

Womit wir schon beim Thema wären.

Es erwarten Euch Beobachtungen, die so genießbar sein wollen wie ein kleines Stück Haselnusstraum à la Giotto (oder auch eine ganze Stange von dem Zeugs, mjam!).

Ihr dürft, sollt, müsst, könnt auf diese Beobachtungen aus der Ferne, die nicht näher sein könnten, antworten, in dem Ihr einfach auf Antworten klickt (Schau mal wie einfach das also geht ...). Nein, es handelt sich nicht um eine selbstzerstörerische Feed-for-you-Quelle, die gegen persönliche Kontakte immun ist.

Auf die gleiche Art und Weise könnt Ihr Euch natürlich auch aus diesem Verteiler entfernen lassen, sei es, weil es im Internet schnell und pragmatisch zugehen muss, oder sei es, weil Euch der Schreiber dieser Zeilen zum Hals raushängt, wie des Hundes Zunge.

Bis auf weiteres am Äquator zu erreichen ...

Fri, 16. Nov, 18:58:43

Auf dem Weg nach ...

HOLA UNO!

Kurz bevor ich mich auf eine Reise begab, schenkte mir ein lieber Mensch ein besonders schönes und edles Notizbuch aus schwarzem Leder und mit unendlich vielen weißen Seiten, wo ich Reisebeobachtungen bündeln und notieren könne. Auf der Verpackung betonte der Hersteller, dass auch schon Hemingway, Picasso und Chatwin in genau diese Sorte Bücher geschrieben hätten. Na so was! Im Bunde mit großen Abenteuern, Künstlern und Forschern - sitz ich dann auch rauchend in einem Straßencafe mit meinem "heiligen" Notizblock und werde zum unsichtbaren Observator, der weder Heimat noch Hilfe sondern nur die Wahrheit finden will?

Der gleiche liebe Mensch hat nebst dem Geschenk auch eine persönliche Widmung in das "Heiligtum" gekritzelt, mit der er mich großmütterlich darauf hinwies, stets "wachzubleiben". Ich mag Großmütter und solcherart Hinweise, doch was ist eigentlich mit "wachbleiben" gemeint? Unbeabsichtigterweise, vielleicht intuitiv sehr wohl beabsichtigt, habe ich es zumindest physiologisch geschafft, die ersten fuffzig Stunden dieses Weges wachzubleiben. Das lag zum einen an der Nervosität in der kurzen Nacht vor der Reise (die ich mit abwechselnder Lektüre von Goethes Götz von Berlichingen und einem Simpsons-Comic-Megapack verbrachte) und darüber hinaus an nicht eingeplanten Flugverspätungen, einem daraus notwendig gewordenen Flugumweg und qualvollen Warteschlangen Ecuadors Amts wegen.

Nach fünfundreißig dieser fünfzig Stunden hatte ich allerdings bereits verstanden, dass sich die Aufforderung "wachzubleiben" wohl auf meine physische Conditio Humana, aber nicht auf die Leuchtkraft meiner geistigen Wahrnehmung bezog. Diese, je mehr Zeit verstrich, sank und schwand wie die Sonne, der Du am Abend beim Untergehen zuschaust.

Immerhin hatte ich genügend Muße, das ein oder andere in das schwarze "Heiligtum" zu pfeffern, und die Extrakte werden hier nun aufgetischt:

Das erste, was mir ins Auge sprang, waren Toblerone-Schokoladen in der Größe von Fußbällen, die es am Startpunkt Schweizer Flughafen zu kaufen gab. Erstaunlich, in welchen Dimensionen handeln kann, wer über entsprechende Devisen verfügt - für mich ein erster Hinweis der Ambivalenz im Vergleich zu weniger entwickelten Ländern? Passend dazu berichtete die mir im Flugschiff freiherzlich überreichte Schweizer Tageszeitung, dass die Kriege im Irak und in Afghanistan die USA 1,6 Billionen Dollar kosten würden. Das sind 1600 Milliarden!! Kann man sich unter diesen Zahlen etwas vorstellen? Wie viele Tobleronen-Fußbälle kann ich mir dafür kaufen, und sind überhaupt die Einzigen, die sich drei Kilogramm Schokolade am Stück leisten wollen diejenigen, die Menschen in politische Ämter wählen, um andere kriegerisch zu bekehren? Huh, ich merkte gleich zu Beginn, das war kein Schülerausflug, bei dem ich von Bäumen und Schmetterlingen berichten werde sondern eine wirtschaftsglobale Katastrophen-Begegnung, die an meinen kommunistischen Adern saugte.

Süd-Amerika, ich komme!

Eine weitere nicht zu unterschätzende Nachricht stand ebenfalls im Zürcher Generalanzeiger: Der Kastanienbaum vorm "Anne-Frank-Haus" muss 150jährig gefällt werden, da der Kronenpilzbefall für die anwohnenden Bürger zu einer nicht mehr kalkulierbaren Gefahr ausgeartet ist. Hmm, ausgerechnete der Baum, so die Zeitungsnachricht, den Anne Frank vom Speicher ihres Verstecks vor den Nazis aus beobachtete und der ihr einen winzigen Schimmer natürlicher Größe und Schönheit offenbarte. Was muss diese Kastanie wohl gefühlt haben, hat sie die ihr entgegen gebrachte kollektive Memorial-Absicht wahrgenommen? Und was sagen die anderen Amsterdamer Kastanien dazu, die nicht wegen Pilzbefalls, sondern wegen McDonalds, Lidl, Kaufhaus und Betonstraßen gefällt werden?

*Der Baum blieb übrigens doch erstmal erhalten, habe ich später mitgekriegt.

Hach, schon wieder so eine Sozialkritik, dabei wollt ich doch eigentlich von der Reise ...

Also gut, in Madrid hatte ich nun sechs Stunden Aufenthalt, die ich dank Metro in der königlichen Stadt verbrachte und plötzlich vor dem angeblich schönsten und wichtigsten Fußballstadion, dem Bernabeu von Real Madrid stand. Oh, was für ein Tempel! Allerdings weigerte ich mich, Eintritt zu zahlen, um das leere Stadion von innen in Augenschein zu nehmen, denn es kostete so viel wie drei Heimspiele des SC Freiburg. Mehr habe ich von Madrid nicht zu berichten, außer von dem Zwergpinscher am Flughafen, der genau wie ich in das Flugzeug nach Ecuador stieg und exactément die Größe der Tobelerone-Schokolade vom Züricher Flughafen hatte. Futtern die in Ecuador eigentlich Hunde?

Im Flugzeug sah ich kurz nach Sonnenuntergang über den Wolken das gesamte Regenbogenspektrum, die Einzigartigkeit und Schönheit, die uns die Atmosphäre schenkt, in einer derart berauschenden Intensität von Rot, Orange, Grün und Co, dass ich sogar dem anmutigen zunehmenden Mond, der schützend über diesem Schauspiel prangte, meine Aufmerksamkeit verweigerte. Diese bekam einige Stunden später der Himmelsreiter Orion, dieses wunderschöne, vielfarbige Sternbild samt Beteigeuze, Rigel und Schwert. Da staunte ich ihn von meinem Fensterplatz an und war ganz verwirrt. Der gute Orion lag nämlich schief und quer in der Luft, südlich am Himmel, dazu die Höhe von 10.000 Metern. Ist das wirklich so viel oder ist das völlig unerheblich, wenn einem - unterstützt durch scheinbar fehlende Erdanziehungskraft - wieder einmal die Nichtigkeit, die Zwergenhaftigkeit unseres Planten und der unermessliche Reichtum des Universums auf der anderen Seite gegenübertreten?

Bevor ich dann meine Füße und den nach oben anschließenden Rest das erste Mal auf südamerikanischen Boden setzte, verlas ich mich noch in Eduardo Galeanos "Die offenen Adern Lateinamerikas", einem schmerzhaften Wehgeschrei, einer unbarmherzigen Anklage über die Ausbeutung, die Unterdrückung und die Zerstörung eines Kontinentes, gedemütigt bis zum heutigen Tage durch Europäer und seit 200 Jahren auch durch US-Amerikaner. Da Buch ist fesselnder und aufrührender als viele andere; in seiner Intensität vergleichbar mit Onkel Toms Hütte.

Komisches Gefühl, da am Flughafen, am Züricher Flughafen, meine Reise begann, dieses seltsame Gefühl von Traurigkeit und Hilflosigkeit, wenn mir bewusst wird, dass genau jetzt, genau heute, nicht nur Ecuador, sondern auch seine ganzen Brüder und Schwester im gleichen Kontinent, in Afrika oder in Asien, als billige Rohstoffquellen und Arbeitsquellen-Plantagen angesehen werden, auserkoren, reiche Wirtschaftsnationen noch mehr zu bereichern. Alle angeblichen Versuche, Gleichheit und Gerechtigkeit zu schaffen, waren und sind ein Alibiverhalten, das der Konsumierende zur psychologischen Reinwaschung verwendet. Ich wär so gerne einmal der 50-Euro-Schein, den Tante Elfriede an Weihnachten immer für Kinder in Afrika spendet. Diese Reise, ich also als 50-Euro-Schein, würde ich gerne in Angriff nehmen, und bin mir sicher, weit würde ich nicht kommen.

Galeano schreibt völlig zu Recht, dass die meisten Menschen, hören sie von Amerika, an die USA denken und Lateinamerika als Unter- oder Secondhand-Amerika betrachten. Seit der Conquista hat dieser Kontinent, ohne gefragt zu werden, alles, alles, an Bodenschätzen, und davon hat er reichlichst, an Arbeitskräften, Europa und die USA gegeben. Das ist sein Verhängnis. Die den europäischen Kindern in jedem Geschichtsbuch, in jeder Fernsehsendung, erzählende Mär großer Entdecker wie Kolumbus, Vespucci oder Magellan, dieses zuckersüße, so beschwerliche und letztlich anscheinend erfolgreiche Abenteuer der Eroberung der "neuen Welt", ist eine der scheinheiligsten Fabeln dieser Erde. Der Raubzug war so brutal und schlimm, dass dagegen sogar schon im 16. Jh, Leute wie Las Casas, ausgerechnet ein Pfaffe, beim spanischen König Beschwerde führten.

Die momentanen und in der Vergangenheit existenten Terrorregimes lateinamerikanischer Länder sind weniger selbstverschuldete Diktaturen, als stasihafte Zwischenhändler, die ihre eigenen Völker, ganz im Sinne der usurpierten Kapitalismussichtweise, an starke Devisen, Amerikaner und Coca-Cola verkaufen.

Ja, schon wieder Sozialkritik und noch gar kein Wort verloren über die tollen Tieren der Galapagos-Inseln. Tja, aber das ist es, was meine Reisegedanken füllt, was meine Wegzehrung ist und was mein Herz bewegt. Ich weiß nicht, ob ich meine eigene Obsession ins Außen verlagere und dort kritisiere, aber die Gier nach Gold und Silber hat es nicht nur zur frühen Neuzeit gegeben.

Wen wundert es da also, dass, als ich mit zehn Stunden Verspätung und wackeligen Beinen ziemlich erschöpft in Quito ankam, mein Gepäck verschwunden war, und ich weinend mein stoffliches Gold davonfliegen sah.

Von den Menschen, ihren Augen, den Tieren und den Pflanzen, beim nächsten Mal.

Hasta la libertad

Ecuador

Mon, 19. Nov, 00:40:32

Quito

SEGUNDO HOLA!

Beobachtungen ganz in der Nähe der Mitte der Welt (el midad del mundo) ungefähr eine Autostunde entfernt.

Dem Äquator so nahe ist der Mensch der Sonne mehr als anderswo ausgesetzt .Die Höhe von knapp 3000 Metern tut ihr übriges. Täglich kämpft die gelbe Göttin gegen unzählige Wolken, die jeden Tag ein Wechselbad der Temperaturen und meteorologischen Statements erzeugen. Kommt die Sonne am blauen Himmel durch, brennen die Strahlen wie kleine Feuerschwerter auf der Haut, trotz und vor allem ohne Sonnenschutz (Bitte nehmen Sie zumindest anfangs den höchsten Faktor, den Sie kriegen können) wird der Europäer rot, bewegt er sich dabei erkundend durchs Städele, wird er zudem mächtig müde und kaputti.

Der geringere Sauerstoffpartialdruck sorgt obendrein für stockendes Keuchen, die geringere Sättigung an Sauerstoff verlangt eine schnellere Atmung und kann erst nach einigen Wochen so ausgeglichen werden, dass man sich nach einem kleinen Anstieg nicht mehr ausgelaugt fühlt. Ganz anpassen können sich Menschen an die Höhe aber nicht. Humanökologisch kann Homo Sapiens selbst im höchsten Norden an Kälte sowie in entsprechenden Regionen an Hitze anpassen, Höhe hingegen ist nur begrenzt assimilierbar. Biologisch äußert sich das darin, dass in Städten wie Quito oder La Paz kleinere, weniger resistente Menschen leben, die Säuglingssterberate und die Lebenserwartung, unabhängig von der ökonomischen Situation des Landes, sind vergleichbar schlechter als andernorts auf dieser Welt.

Für späte November-Tage herrscht hier dennoch kein Grund zur Trauer, ganz im Gegenteil, es ist selten, und dann auch nur nachts unter 10 Grad, und tagsüber obsiegt der gelbe Feuerball, so dass man sich sich bisweilen bei 35 Grad wähnt. Auf fröhliche Sonnentage kann sich hier aber niemand verlassen, so dass bei jedem Außer-Haus-Flug ein paar weitere Zwiebelschichten mitzuführen sind, denn kommen die Wolken, kommt die Frische.

Die Augen der Menschen sind abgrundtief dunkel; kleine Sterne leuchten wie funkelnde Diamanten im Zentrum. Blauaugen gibt es nicht, nicht ein einziges Paar, dafür aber eine deutlich wahrnehmbare Vielfalt der hiesigen Population. Neben ursprünglich amerikanischen Völkern, den Indios (über die Hälfte in Ecuador)), finden sich die Mischlinge oder Mestizen (entstanden aus Mischbeischlafungen von Einwanderern und Ureinwohnern) und einem nicht zu unterschätzenden Anteil von Schwarzen, oder ganz korrekt: Farbigen, wobei dieser unsinnige Loyalismus hier, wo alles farbig ist, seine ganze Absurdität offenbart. Es ist nicht weiter verwunderlich und auch nicht eigens zu erwähnen, dass die Mestizen in allen ökonomischen und politischen Bereichen den Hauptteil der Macht innehaben. Bettelnde, Kranke, Arme - und davon gibt es hier in einer Stadt mehr als in ganz Mitteleuropa zusammen - sind Indios. Schwarze können sich wie überall nur in besonderen Kulturbereichen prädestinieren. So besteht die ecuadorianische Fußballnationalmannschaft fast nur aus Schwarzen.

So weit weg von zu Hause, darf man sich dann endlich mal die Frage stellen, warum und wie die verschiedenen Menschentypen, die alle das gleiche Herz tragen, sich hier und dort vermischen, und flugs wird einem klar, dass Schwarze überall in der Welt deswegen eingebürgert sind, weil sie dort als Sklaven eingeführt worden waren. Auch wenn historisch klar, ist es, wird es einem bewusst, doch erschreckend.

Als man im 17. Jahrhundert auch in Brasilien Gold entdeckte, sorgten die weißen Kolonialherren dafür, dass ein regelrechter Schwarm von Sklaven aus Westafrika in die entsprechenden Minen an der Ostküste Brasiliens verschleppt wurde. Dort kamen Millionen in den Minen um, eine entsprechende Durchschnittslebensdauer wurde mit vier Jahren kalkuliert. Das Einzige, was man ihnen zubilligte, war eine Taufe vor Betreten des Landes, verbot ihnen aber in den Kirchen sich auf die jeweiligen Bänke zu setzen, geschweige denn, sich einem Altar zu nähern.

Nach der Entdeckung der Neuen Welt setzte das euphemistisch verbrämte „Handelsdreieck“ ein, das von 1500 bis 1880 (oder bis wann wirklich?) Millionen Menschen aus Afrika in die fruchtbaren Zonen Lateinamerikas schaffte, um sie dort, weil besser ausbeutbar und körperlich kräftiger als die Indios, auf Plantagen schuften ließ. Zucker, Kaffee, Kakao und andere neu entdeckte Reichtümer sorgten dafür, dass ganze Regionen der Monokultur zum Raubbau fielen. Die Karibikinseln sind lebendes Beispiel.

Noch heute lugen in der Amsterdamer Heerengracht Negerköpfe von einem der alten Häuser hervor, bis heute sichtbares Zeugnis des ausbeuterischen Geschäftsinns der Niederländer, einer der führenden Sklavenhändlernationen der frühen Neuzeit. Es ist eine unverkennbare Erinnerung an die Branche, die sie groß gemacht hatte. Sklavenarbeit und -handel bilden die dunkle, unbekanntere Seite des Goldenen Zeitalters. Die ethische Grundlage lieferte der Kalvinismus mit seiner rassisch durchwachsenen Prädestinationslehre. Aus den Negern müsse man die Lendenfäulnis herauspeitschen, denn der Herr im Himmel habe sie erschaffen, dass nur die Knechtschaft ihnen zum Heil gereiche, predigte der kalvinistische Theologe Johan Picardt. Die Lehre beinhaltet, dass Gott den einzelnen entweder zur Verdammnis oder zur Seligkeit vorbestimmt habe. Das Individuum habe darauf keinen Einfluß. Klar, dass die Sklavenhändler (fast) alle selig werden würden, denn die anderen hatten ja noch nicht mal den rechten Glauben.

Wer heute in Ecuador Kaffee oder Kakao kauft, wird miesere Ware bekommen als in Mailand oder Brüssel. Das liegt an einem Logistik-Netz, das nach wie vor, von Europäern beherrscht wird, das zwar keine Sklaven, aber immerhin Hungerlöhnen engagiert, die diese Waren produzieren. Das ganze Zeug wird nach Europa geschifft, und der Abfall gelangt von dort dann wieder hierher.

Diese extreme ökonomische Abhängigkeit ist überall in der Stadt spürbar. Stundenlöhne liegen bei rund ein bis zwei Dollar, also siebzig Eurocent! Ein Friseurbesuch schlägt mit einem Dollar zu Buche, in der Bäckerei kann man sich die Tüte mit vierzig Cent richtig vollladen, ein Mittagessen gibt’s für unter einem Euro. Viele fliegende Händler verkaufen scheinbar unnötiges Zeug wie Wäscheklammern, Räucherstäbchen, Bonbons und anderen Kram für wenige Cent auf der Straße. Diejenigen, die es, aus welchen Gründen auch immer, auf der Karriere- und Geldleiter nach oben geschafft haben, ziehen in "echte" Häuser und leben in von einer 24-Stunden-Seguriad (Nachbarschafts-Wachen) abgesicherten Vierteln. Die Häuser dort weisen zum Teil obskure Begrenzungen auf. Alle Zäune oder Gitter sind an ihrem oberen Ende mit aus metallenen Nägeln oder Spitzen versehen. Im Mittelalter hätte man gesagt, wer sich hier nähert, wird gepfählt. Besonders sympathisch ist die Idee, in den noch frischen Putz einer hochgezogene Mauer Glasscherbensplitter, sonst nur von Dorfdisko-Pöbeleien bekannt, einzuzementieren, so dass den interessierten Einbrecher eine Scherbenreihe erwartet, die schon gedanklich Aua verursacht.

Wer Erich Fromms großartiges Buch "Haben oder Sein" gelesen hat, muss hier dennoch oder gerade deshalb ganz andere Maßstäbe ansetzen. Denn das Haben bedingt das Sein und philosophische Pseudo-Gutherzigkeiten interessieren im Kampf ums Dasein nicht; können sie auch nicht, wenn der Neunjährige die Schuhe putzt und die Lehrerin die zwei Dollar, die sie sich von Dir geliehen hat, erst zu Ende der Woche erstatten kann, weil es dann Lohn gibt.

Die Schuhe übrigens müssen besonders blank sein, wenn der Besuch der Kirche ansteht. Das einzige Gold, was die Weißen den Indios gelassen haben, steckt in den unzähligen Kirchen dieser Metropole, eine bezaubernder, schöner, bunter, aufregender und vielfältiger als die andre. Für die Menschen hier ist die Religion unentbehrlich und wichtigster Bestandteil des sozialen Lebens. Mit 15 Mann auf dem gebraucht gekauften amerikanischen Pick-Up wird vorgefahren, eingetreten, die Kinder dürfen schreien, spielen, malen, die Musik kommt nicht von der Orgel und dem tonsierten Eunuchen, sondern schwungvoll von der selbstgespielten Gitarre oder vom CD-Spieler, im innigsten Gebet, klingelt das Handy, das nicht aus Scham abgestellt wird, sondern neben murmelnden Ritualsformen, bearbeitet wird. Die SMS im Ave Maria!

Ein jeder kommt und geht, wann er will, ein kunterbuntes Durcheinander, herrlich! Wenn da nur nicht diese Anbetung des Leidens wäre ...

Was auch immer sie tun, sie tun es hier ganz, mit einer Selbstvergessenheit, die an Magie grenzt, die Diamanten-Augen, egal ob beim Bodenputzen, Maisschälen, Verkehrregeln, Häuserbewachen, Tanzen, Fußballspielen oder Scherbeneinzementieren ist kraftvoll, lebendig und voller Daseinsenergie. Staunend kann man sich an diesen Augen, die sich ganz und gar der Tat hingeben, ergötzen, das schüchterne Lächeln, das nebenbei erhascht wird, als Geschenk würdigen.

Komisch, dass so angeblich hochangesehen Persönlichkeiten wie Voltaire ("dumme und faule Indianer"), Bacon, Montesquieu, Bodin ("degradierte Menschen") und Hegel ("die körperliche und geistige Impotenz Amerikas ist Europa unterlegen") dieser magischen Kraft des Daseins die Adjudanz verweigerten, und das, obwohl doch Papst Paul III. 1537 offiziell bestätigte, die Indianer seien wirkliche Menschen.

Ja wirklich?

Neben mir schaffen es zwei junge Mädchen tatsächlich gleichzeitig, das Internet, ihre Handys, eine Zeitschrift und sich selbst per Konservation zu bedienen, so dass ich hocherfreut über die Auswirkungen der Globalisierung bin. Wir sind alle gleich:

Herzlichkeiten und fliegende Besos:-)

Tue, 20. Nov, 19:51:15

Einen Orden für ...

TERCERO HOLA!

Heute verteilen wir einen Orden für ...

die Ordnung! Und dieser Orden geht nach Deutschland, dem Land der korrekten Angaben, der minutiösen Ausgaben und der geradlinigen Vorgaben.

Selbst angelsächsische oder skandinavische Länder können da nicht mithalten, was irgendwie auch daran liegt, dass die Baumaterialien leichter und damit anfälliger sind. Den bombastischen Beton, die akkurate Falz und die bündige Leiste, die existieren nur in Karlsruhe und Kassel.

In Ecuador gibt es das, was auch in Tunesien, Thailand und Turkmenistan anzutreffen ist, nämlich ein Fünfe gerade sein lassen, ein Hauptsache Dach überm Kopf, ein Schulterzucken.

Das äußert sich in zerstörten Straßen, aufgerissenen Gehwegen, verranzten Blechkarren und vor allen Dingen behelfsmäßigen Behausungen. Das Abklebeband zur akkuraten Malerarbeit kennt man hier nicht, es wird gepinselt, so weit das Auge reicht, und der ein oder andere Strich geht da gerne mal daneben. Fugen im Kachelwerk sind ja gut und schön, aber müssen die alle ordentlich gezogen sein? Und einen Boden legen, egal ob Estrich oder PVC, ist keine Angelegenheit fürs geometrische Raumverständnis sondern funktioniert wie ein Besuch auf dem Ort der Stille. Fallenlassen, abputzen, abziehen - fühlt sich gut an, muss aber nicht gut aussehen. Der Putz, der Mörtel, die Fassade, die hochgezogene Mauer, sie alle fristen hier ein fragmentarisches Dasein, hier fällt was runter, da guckt was raus, am liebsten Leitungen für Wasser, Strom und Gas. Kein Anblick für Ästhetiker, schon gar nicht für Silikon-Fanatiker, die mit der Kartusche in der Hand alles zudichten wollen.

Sollte das jemand in Quito versuchen, er wäre bis ins Jahr 4287 beschäftigt und wurde doch nicht fertig, weil in der Zeit so viele neue, unfertige, das lethargische Loch in der Wand vorziehende Wohnungen gebaut würden, dass Kartuschen-Karlo nicht nachkäme und sich vor Gram suizidieren müsste.

Welche Qualität hinter Ordnung und Sauberkeit, welche hinter Laisser-faire und Praktikabilität steht, kann sich jeder beim nächsten Anblick einer weißen, ordentlichen, fleckfreien Mauer selbst fragen.

Dass Kartuschen-Karlo durch den massiven Zuwachs an Neuwohnungen zum Suizid gezwungen wird, liegt in erster Linie daran, dass Kinder hier so reichhaltig wachsen und gedeihen wie Äpfel in Tirol. Ein pfiffiger Spaziergang, gerne mit Pfeifliedern garniert, durch dieses oder jenes Viertel, beschert dem Betrachter mehr Schulen als in einer kompletten deutschen Gemeinde (samt Eingemeindeten). Da streunen und toben sie, lachen und spielen, bestückt mit ihren unterschiedlichsten, aber für ihr Colegio durchaus einheitlichen, Schuluniformen (gerne in Jogginghose - mir als Polen-Sympathisant überaus sympathisch diese Kleiderwahl) und sorgen für Bevölkerungswachstum, dass Mitteleuropa zur Zeit nicht mehr kennt.

Die guten Kleinen sehen natürlich niedlich aus, weil sie ja gute kleine Kinder sind, und gute kleine Kinder überall niedlich aussehen - muss aber nicht unbedingt heißen, dass sie dadurch besonders brav oder umgänglich seien.

Vielleicht bewirkt ja auch das Pausenbrot die ein oder andere Aufgedrehtheit, das in der Regel aus Chips, Kleinkuchen oder der Extraportion Milch besteht. Macht Zucker nervös und unruhig? Trifft auch hier der anthropologische Grundsatz zu, je ärmer die Bevölkerung, desto ungesünder die Ernährung, desto weniger bewusst das medizinische Selbstverständnis?

Jawoll, der Grundsatz tut es, mit Hola und Hallodrio. Verhältnismäßig viele dicke Menschen, vor allen Dingen Frauen (auch dies eine anthropologische Konstante, als wohlgeformte Herd- und Heimhüterin noch mehr der unbewussten Schlemmerei zugetan), dazu eine offensichtliche Art von Fettleibigkeit (aber deutlich geschmeidiger als hüben unter den metallenen Skylines Europas und der USA) trotz Armut und dem ungezählten Straßenverkauf und Bestellen von einem Bier in der Kneipe für einen Dollar, mit nem Fünf-Dollar-Schein zahlen und eine Viertelstunde aufs Rückgeld warten, weil der Barkeeper, erst die ganze Straße nach so viel (!) Wechselgeld abklappern muss.

Zurück zur Schule: Nestle, die freundliche Schweizer Firma,, die uns auch in Mitteleuropa mit kerngesunden Flocken nährt, und gleichfalls für solcherart Ideen zuständig ist, Milch, Hafer und ein bisschen Honig in den Kühlschrank zu stellen (oii, herauskommt ein Riegel direkt aus Mutter Naturs Busen!), wirbt hier auf einem Monster-Riegel von Zucker und Fett, dem fantastischen Galak (weiße Schokolade mit Smarties! muy dulce!) folgendermaßen: "Lo Divertido de comer la leche" - das heißt so viel wie, "die Freude am Essen von Milch".

Danke Nestle, für diese Sonderportion Freude, auf dass wir die Welt verstehen und uns selbst etwas Gutes tun. Und wieder einmal ein Zeichen von globalisierter Gleichheit aller menschlicher Herzen. Ich denke mit Lächeln an Milchschnitte, Anke Hubers Zähne und die Weisheit der Weißheit.

Unvergesslich übrigens das Interview von Erwin Wagenhofer mit Nestle-Chef Peter Brabeck im Film "We feed the World". Der Konzern versuchte vergeblich, das Interview im Film zu verhindern, aber der Regisseur hatte sich vorher rechtlich gut abgesichert. Wagenhofer: "Meine Hypothese war, wenn ich ihn lang genug sprechen lasse, kommt irgendwann der Punkt, wo er das sagt, was er als Mensch auch wirklich denkt." Und was er wirklich denkt, das kann sich jeder denken, der schon mal Managergehirne hat denken spüren.

Für diejenigen Naschkatzen, die mal wieder richtig heiß gemacht worden sind: Bei Lidl gibt’s das teutonische Gegenstück, Weiße mit Smarties im 200-Gramm-Bomben-Pack und dazu frisch geputzte Böden und saubere Leitungen ...

Noch was zur Lage der Nation:

Heute ist´s schon wieder so heiß, der Himmel blau (mit den üblichen Wolkenbändern), und die ganze Stadt wird aufgrund der fehlenden Regentristesse sichtbar umringt von schönen, großen Bergen, die mit Irlands Grün, Urwalds Bäumen und Colorados Gebirgsstruktur so aussehen, als dass ich nicht anders kann, als versessen draufzustarren und mich per Traum auf eine kleine Reise dorthin zu begeben. Das grünste Grün am seidigsten Berghang zu kosten und wie ein Schaf herunterzupurzeln, trollend, lachend ...

Ja. per Traum. Spazierengehen funktioniert hier nicht, es sei denn, man möchte eine Stunde durch Abgase laufen, um dann vor einem Zaun zu stehen, der die grünbergigen Wunderwälder flankiert.

Immerhin, Man hört, am Wochenende soll’s in die Natur gehen ... Oh, wir sind gespannt.

Kinderriegelnde Grüße und kindermachende Aufmunterungen aus Kinder-Stadt

Thu, 22. Nov, 14:33:17

Animales y plantas

HOLA CUATRO!

Städte sind auch in Quito nicht anders als in New York oder Frankfurt. Sie bestehen zum großteils aus urbanisierter nicht-organischer Materie (mal abgesehen vom Organus Homo Hanswurstus) und da wo Nicht-Organisches "lebt", hat der Organismus, der aufnimmt und verdaut, blüht und gedeiht, wenig Chancen. Will heißen: Meine Erfahrungen mit der Tier- und Pflanzenwelt versinken bislang im Meer aus Beton, Glas und veredeltem Erdöl.

Nun, der Tag wird kommen, an dem ich sie zum Teufel wünsche, doch bislang ist mir seltsamerweise pro Tag circa ein (!) Insekt begegnet, sei es eine kleine Spinne, eine Wespe oder eine Fliege. Ich weiß auch nicht, wo die Biester stecken, aber wie gesagt, der Tag wird kommen, an dem ....

Vögel gibt’s ein paar mehr, vor allen Dingen in den Parks (diese aber bitte nicht mir grünen Oasen a la Tiergarten und Central Park vergleichen, sondern eher mit Wiese im Großstadtdschungel garniert mit ein paar Bäumen). Dass Vögel bunt sind, ist bekannt, wenn einem aber das Grün so grünlich aus dem Kolibrigefieder ins Auge sticht, das Blau so leuchtend um die Wette strahlt und selbst das schwarze Gefieder und der orangene Schnabel der Amsel Farben aussenden, als gehe es um den schönsten Regenbogen del mundo, dann weiß man, wo man sonst nicht ist. Ecuador, ein Land weniger als halb so groß wie Frankreich, zählt mindestens 1500 verschiedene Vogelarten, während es in ganz Europa doch nur 750 sind!

Und sonst? Katzen gibt es hier ganz selten (bislang eine, war aber eher ein sechzig Jahre altes Steiff-Tier), Hunde häufig, entweder verwahrlost als Straßenköter oder bellend als Hausbewacher, die Scherbenmauern untermalend. Gassigehen gibt’s nicht, die Hunde kacken normalerweise auf ihre Flachdächer, von denen aus sie dem potentiellen Einbrecher die Meinung geigen.

Pflanzen hat es wie überall auf der Welt mehr als Tiere, abgesehen natürlich von den allgegenwärtigen Insekten. Hier mal ein Baum, da mal ein Strauch, aber auch hier sind Vergleiche mit Baum-Geschenk-Straßen à la Freiburg und Heidelberg unangemessen. Mit einem Europa-Botanik-Auge geht mir hier zumindest deskriptiv was verloren. Ich kenn´ die ganzen Gewächse nicht beim Namen, kann nur sagen, dass Quito als Stadt des ewigen Frühlings seinem Namen alle Ehre und somit immer was zu blühen hat. Und ja, die Sträucher sind faszinierend. die Bäume toll, die Palmen tropisch und äußerst vielfältig, die Kakteen verrückt, die Agaven großartig! Es leuchtet, lacht und lümmelt alles so fremd, dass man meint, man sei hier am Äquator ;-)).

Was ich benennen kann, sind schnell wachsende Pionier-Gewächse, welche die schnell wachsenden Wohnviertel begrünen sollen. Aber selbst die Weiden oder die Silberpappeln (das sind diese magischen Bäume, die an der A5 zwischen Basel und Karlsruhe so herrlich schön blinken, so dass man sich immer fragt, welche Gnome denn da im Wald neben der Autobahn hocken) können so schnell nicht sein, wie die Menschen sich samt Häusern vermehren. Als besonders heimische Waldgeist-Krönung, wohl schon seit einigen Jahren hier Norm, denn - man mag es kaum glauben - zum Teil fast acht Metern hoch, wachsen, gedeihen - und vor allen Dingen zieren - die Straßen hier Holunder-"Bäume" (von Sträuchern kann man nicht mehr sprechen) mit herrlich großen, weißen Blüten in Dolden und schwarzroten Fruchtständen vom üppigsten Busen, den man sich jugendfrei vorstellen mag. Tja, das steht hier an den Straßen ...

Grad bin ich in der deutschen Schule von Quito (20 Kilometer außerhalb) und mach mich auf die Suche nach einem botanischen Buch, um auch die anderen faszinierenden Gewächse im Ansatz benennen zu können, als Bonus hab ich eben, hinter dem Sportplatz der Schule, das erste Mal Kühe gesehen und vor Freude geschrien. Riesige organische Wesen!!

Muh

Fri, 23. Nov, 17:04:35

Q wie Qöln

HOLA CINCO!

Man stelle sich vor, man hocke in den gemütlichen Rotwagen der KVB, Haltestelle Ebertplatz, Hansaring, Friesenplatz, Flughafen, Zülpicher Platz ...

Flughafen? Tja, so kann’s gehen, wenn man seine Hauptstadt in die Erosionsschlucht der Andenhänge bauen muss, da bleibt in der Breite nicht mehr Platz als vier Kilometer. Damals als sich die Stadt noch klein und knutschelig präsentierte, war der Flugplatz irgendwie außerhalb, aber heute, wo die Stadt wegen der einengenden Berge nur in die Länge expandieren kann, und das mittlerweile auf über 30 Kilometern, da ist der Flugplatz, der große, mindestens so wie in Köln, eben nur eine Station von vielen. Beobachtet man von Süden aus die bergigen Straßen seines Viertels, so kann es vorkommen, dass ein Flugzeug von unten, scheinbar auf der Straße fahrend, herangesaust kommt und erst über dem Horizont seine Nachbarstraße Richtung Engelsland verlässt …

Huu, spooky ...

Schon wieder Köln, schon wieder die Ringe, nervige rote Ampeln, Barbarossaplatz Richtung Quartier Lateng, die Blechkarren-Schlange steht - da springen zwei junge Burschen, ärmlich gekleidet doch wohlfeil in der Jonglierkunst, vor die wartenden Autos und hantieren mit fünf Bällen, mit Kegeln, Ringen, tricksen, keuchen, sind präsent, ganz im Dasein, krabbeln unter die Autos, wenn mal ein Ball verloren geht, und zaubern Waghalsiges, Akrobatisches für die wartenden Autofahrer - kein Humbug sondern ganz patente Zirkuskunst. Kurz bevor die Ampel auf Grün springt, schnell an den wartenden Autos vorbei, Kappe hinhaltend und auf ein paar Dineros hoffend ...

So geschehen, täglich im wilden Kampf um wenige Cents an Quitos Straßen (die Radiergummi-Verkäufer, etc. sind bedeutend langweiliger, aber wuseln auch ohne Ende um die Autos herum).

Schon wieder Köln, hört das denn nicht auf?? Schäl sick, Mühlheim, mittendrin, Straßenverkauf von Meerschweinchenfleisch, im Pappkarton neben der kleinen Fressbude liegt der siebenjährige Sohn und schläft ...

Quito!

Impressionen aus Ecuadors Hauptstadt, seit 1979 Weltkulturerbe, aufgrund einer kleinen aber mehr als feinen Innenstadt, größtenteils im Kolonialerbe erhalten geblieben, gekachelt, gemauert, vergoldet die Kirchen, lebendig die Straßen, die Zauberer buhlen um Eure Aufmerksamkeit ...

Weiße-Hasen-Grüße

Mon, 26. Nov, 18:27:35

Mindo es lindo

HOLA SEIS!

Fährt man mit dem Bus zweieinhalb Stunden nach Norden, dabei 2200 Meter in die Tiefe, erreicht man Mindo, den beliebten, auch für Einheimische, muy-tranquilo-Touristenort im mittleren Regenwald, warm und feucht, verschlafen und paradiesisch. Um als tiefer Regenwald durchzugehen liegt der Ort auf knapp 500 Metern noch etwas zu hoch, zudem fehlen ihm die Ostwinde sowie die wasserfeuchten Flussbecken, dennoch erreichen wir hier biotopisch gesehen, eine ganz neue, in Quito nicht zu entdeckende Vielfalt.

Zum einen wäre da, rein human diversiv, die Ruhe des 600-Einwohner-Örtchens - keine Spur von Touristen-Robbing oder gefährlicher Viertel. Schlendert man über die einzige Hauptstraße im Schlamm, von Restaurants, Hostels und Mini-Läden gesäumt, so fühlt man sich an eine Mischung aus Dodge City und südostasiatischer Naturschönheit plus entsprechender Gastangebote erinnert. Es schlendert sich im T-Shirt, es musiziert aus den Salsa-Boxen, es schmecket das große Cerveza zu siebzig Cent.

Um auf die ewige Hitliste der zu besuchenden Orte zu gelangen, fehlt leider der stetige Sonnenschein. Lindo wird bedeckt von einer ewigen Suppe aus Wolken, in knapp 300 Nächten des Jahres lassen die Sterne sich nicht blicken, selbst der Vollmond konnte sich an diesem Wochenende nicht gegen die weißen Traumfetzen durchsetzen. Tagsüber, vor allen Dingen morgens, bricht ab und zu die Sonne durch, doch nachmittags kann dann zu allem Überfluss auch noch der Regen einsetzen, und dann liegt man in seiner Hängematte bei feuchten 23 Grad und lernt spanische Vokabeln wie lindo (schön!) und freut sich über den dennoch zutreffenden Reim: Mindo es lindo.

Besonders die Tiere hatten es uns angetan und wollten uns mit ihrer Andersartigkeit im schönen Lindo verführen. Kaum zwei Stunden da, in den ersten Stunden der Dunkelheit, hockt, wartet und fängt uns dasjenige Tier, was wir erwartet hatten, in dieser Größe und gleich zu Beginn des Aufenthaltes, aber dennoch überraschend: die schwarze, in Europa niemals in diesem Umfang, in dieser Behaarung und in ihrer Eindringlichkeit zu findende Arrana - eine Spinne also.

Puuh, tienes miedo (hast Du Angst?) fragt Leo, unser freundlicher Hotelmanager. Er lebt in einer der Holzkabinen, in denen auch die Gäste schlafen, mit seiner Frau und seinen zwei Kindern, macht Frühstück und abends Bar für alle, kümmert sich um alles, holt Gäste vom Busbahnhof ab, regelt die Finanzen für den großen Boss, der irgendwo in Quito sitzt, arbeitet 350 Tage im Jahr, und die 15 Tage Urlaub verbringt er bei seiner Familie 800 km weiter weg an der Küste. Leo hat noch nie ein anderes Land besucht, seinen Frieden gefunden und strahlt naturverbundene, echte Lebensfreude aus! .Tienes miedo? - ich streichle die Dinger, lacht Leo, und ich streichle erst mal meine Hypophyse samt Thalamus und sonstige Nerv-Emotions-Verschaltungsstätten des Inneren.

Einer genaueren Untersuchung kann sich aber trotz Hormonausschüttung die schwarze Freundin nicht entziehen, Spinnen, vor allen Dingen in dieser Größe, haben nun mal die Eigenschaft, sämtliches Bewusstsein wie Fernseher magisch auf sich zu ziehen. Gerade der visuelle Aspekt der Betrachtung bekommt eine dermaßen überragende Bedeutung, dass man versucht ist, um sich selbst und die Welt besser zu verstehen, andere Sinne einzuschalten, um sich von dieser diebischen Bewusstseinskraft zu befreien - doch man höre (!) und staune - auch die Ohren scheinen mir durch nicht zu erklärende Schallwellen-Manipulationen wie verstopft, man kann die Anwesenheit des Spinnentieres förmlich in die Muscheln als Suppenbrei fließen spüren, dann aber, konzentriere ich mich aufs Riechen, aufs Schmecken, aufs Fühlen, nimmt die Kraft ab, und dort sitzt einfach ein großes, schwarzes, für Menschen faszinierendes, weil völlig unmenschliches Geschöpf und lauert nur auf den einen Moment des Wegschauens, und schon ist sie weg ...

Geschenkt, bewegend, aufregend und doch gab’s noch viel mehr, und um einiges menschlicher, sprich süß-schnuffiger.

Da waren am nächsten Morgen zunächst einmal die drei weißen Hasen, die unser Cabana-Gelände (Schlafhütten) behüpften. Wer mir sagen kann, welcher Sinn in der Fluglotsen-Ohrenstellung liegt, also ein Ohr aufrecht, das andere schräg nach unten abgeknickt, darf und soll sich mümmelnd melden, ansonsten waren die drei weißen Knuddelhopser zum Selbigen, wären sie, ach, nur nicht so scheu gewesen!

Dann die ersten Vögel: Ja, heißa, was ist das denn für ein knallgelbes Knallgelb auf dem Rücken dieses drosselgroßen Fliegers? Das leuchtet ja stärker als die Deutsche Post und ist um so viel beweglicher und federleichter - Herrlich! Und da hinten, schon wieder so ein sirr-sirr-sirrender Kolibri mit Flügelschlägen, von deren Frequenz ein Presslufthammer nur träumen darf.

Und weitergehen, ab in den Dschungel, zu der einzigen und dennoch oft angelaufenen Touristen-Attraktionen, mehreren Wasserfällen, die mittlerweile als öffentliches Schwimmbad samt Rutsche umgebaut wurden, und damit ihren Charme, zumindest für uns, verloren haben. Da die meisten den fünf Kilometer langen Feldweg per Auto und Jeep zurücklegen (gerne auch wieder im Fünfzehner-Pack auf dem Pick-Up) haben wir auf unserer Wanderung alle Zeit der Welt zum Staunen und Schauen, Horchen und Herzen - und dann, nach einer Stunde, das Geschenk, aus dem Dickicht, sich kurz auf die Straße wagend, schnüffelnd, von der Nase an ein Schwein erinnernd, seine Bewegungen tapselig, 30 cm lang, und unzweifelhaft als Gürteltier auszumachen. Wie wunderbar!

In Afrika, sagt der Naturführer, kriegt jeder Touri seinen Löwen und seinen Elefant, weil die Savannen und steppen überschaubar, die Tiere kartographiert sind, in Südamerika ist das, ob Krokodil oder Anakonda, Glücks- oder Pechsache, ) nichts kann vorhergesagt werden, nichts ist abrufbar - um so schöner dieses kleine Beuteltier, eine endemische Tierpopulation, nur in Südamerika heimisch, und ansonsten höchstens durch Zoo-Einfuhr-Schiffe andernorts angesiedelt.

Südamerika war erdgeschichtlich bis vor zwei oder drei Millionen Jahren und der Anbindung an den nordamerikanischen Kontinent siebzig Millionen Jahre lang eine Insel. Es hat genau deshalb, im Zeitalter des aufstrebenden Säugetiers, eine ganze Anzahl von einzigartigen Tieren hervorgebracht, die sonst nirgendwo auf der Welt zu Hause sind. 85 % der südamerikanischen Vögel sind allein hier heimisch, 82 % der Säuger ebenso.

Das Gürteltier, das watschelnd an unserem Straßenrand für herzliche Begeisterung sorgte, ist auf jeden fall ein echter Homie! Die Kerlchen können an bestimmten Orten bis zu 50 Kilo wiegen. Insgesamt sind in Südamerika neun Gattungen mit zwanzig Arten bekannt. Sie schützen sich vor ihren Feinden durch blitzschnelles Einbuddeln in den Boden, aber sie gefährden sich selbst, weil sie sich als große Sonnenfans vor Feinden ungeschützt (dazu gehört auch der Mensch, der es als Delikatesse zu verzehren mag) bei Sonneneinstrahlung auf den Rücken legen und fröhlich furzend den Pelz (Verzeihung, den Panzer) bescheinen lassen.

Eines der faszinierendsten Lebewesen ist zweifelslos das Neunbindengürteltier, das ausschließlich – und kaum vorstellbar – eineiige Vierlinge wirft. Da hängen an der Plazenta also jedes Mal vier Männchen oder vier Weibchen und warten in diesem embryonalen Zustand auf das notwendige Getragenwerden (Hauptqualität des Beuteltiers) und die nährstoffreichen Zitzen - schlabber schlabber ...

Will noch nicht aufhören, gibt noch mehr, abends beim Fruchtsalat, ein Schmetterling der Nacht oder auf Gutdeutsch ein Nachtfalter, so groß wie ein Kolibri, ein Körper, der so manchen Ureinwohner eiweißreich gesättigt haben wird, ein irres Ding - daneben das Blatt, das an der Fensterscheibe klebt. Hee, Moment mal, das ist gar kein Blatt, das ist auch das ein Nachtfalter, danke Natur für Deinen Reichtum an Tarnung! Bevor wir uns versehen, bricht die Nacht an, der Morgen graut, und neben dem Teich mit dem Riesenfisch und den umherhüpfende weißen Hasen, zwei Wuselwaschbären (?) die eifrig an einem Loch graben, sich wie nervöse Mafiosi aufgeregt umschauen, flitzend zum Wasser, wieder zurück, bauend, wuselnd. Was ist das??

Es ist das Wasserschwein, größtes Nagetier der Welt, das ziemlich wenig mit dem Hausschwein gemeinsam hat, eher vom Verhalten an das Flusspferd erinnernd, lebend und schutzsuchend im Wasser, grabend, buddelnd und mampfsuchend an Land. Unsere Betrachtungsobjekte sahen aus wie große Ratten oder schwanzlose Biber, zottelig nass und wuselig. Mit gut 60 cm Länge trafen wir wohl halb so große wie möglich gewesen wären. Ein Meter zwanzig Länge und siebzig Kilogramm sind des Wasserschweins (Achtung Lateiner: Capybara) Maximum!

Puhh, und dann wieder die Hasen, mit der Fluglotsen-Stellung - Warum denn bitte?

Danke Ihr Tiere, ich bin selbst eines, mit Haaren in der Nase und Plattnägeln am Fuß, und Gedanken, die nicht die meinen sind ...

Wusel, Wusel ...

Tue, 27. Nov, 22:04:16

Nach sieben kommt 8

HOLA SIETE!

"Bedenke: Die Aufmerksamkeitsspanne eines (online-)Lesers beträgt laut Journalistenschule 8! Wörter."

So der wohlmeinende Kommentar eines interessierten Reiseberichtlesers.

Upps, was soll ich machen? Die acht Wörter sind schon passe ...;)

Aber, wer will sich denn schon als Onlineleser abstempeln lassen?!? Ihr seid doch literarische Kunstkönner, Sprachgourmets und werdet als solche mit mehr als acht Wörtern fertig, wollt eintauchen in die Tiefen der Weltfremde und sprengt nebenbei die journalistischen Schulgrenzen!! Dafür Applaus und eine kleine Randnotiz, verpackt als Frage:

Woher kommen, wohin gehen und wer sorgt eigentlich für Ohrwürmer??

Gestern im Supermaxi ...

… schlendere Augen auf geruchgespitzt durch die Reihen, starre fasziniert auf bunte Buchstaben und großartige Angebote - vom Ohrreiniger, zum Waschmittel, vom Käse zum Joghurt, erinnert hier in Quito alles an seinen kontinentalen Bruder im Norden - groß, bunt, marktschreierisch, gewusst wie Geld gemacht wird, indem man die tief liegendsten Triebe des Konsumenten rücksichtslos anspricht - große Flaschen mit maximaler Sauberkeit, Megapacks, 3-Liter-Eimer usw. Wer es als Equadorianer einmal zum Einkauf im Supermaxi gebracht hat, erlebt die faszinierende Welt der Weischspülerwerbung hautnah. Keine Kaiser-Wilhelm-Gedenk-Layouts à la Persil, sondern money, eyecatching and dollares! Chevrolet ist das Auto der Wahl hier (egal ob 30 oder 3 Jahre alt), Coca Cola rules und wird zu jedem almuerzo (Mittagessen) kredenzt, egal ob gewollt oder nicht. Dass die Inflation nur durch Übernahme des dollares verhindert werden konnte, tja, it´s a US-world ... wobei der Dollar sprachgeschichtlich einfach vom "Taler" abstammt.

Während ich also so nord-süd-amerikanisch parabelisiere, wie geschickt advertised hier doch alles aufgemacht sei, trällern mir die Supermaxi-DJs den ein oder anderen Klassiker ins Ohr ... geht überaus peaceful und smoothy los mit Crosby, Stills, Nash & Young genau zur Woodstockzeit, na so lässt sich doch beschwingt konsumieren, dann noch so ein paar Popklassiker, und ich bin mittendrin im Supermaxi. Kein Vergleich zu: "Und heute an unserer Wursttheke: leckere Schweinesülze in Aspik für nur 1 Euro 74. Haben Sie Lust auf Leberwurst, dann greifen Sie doch zu unserem frisch durchgewolften Kalb, heute nur 88 Cent pro 100 Gramm. etc." Na danke schön, dann doch lieber Woodstock Klassiker in der neuen Welt.

Und was kommt da?

Örg, Paul Ankas "you fill up my senses" - den Schnulzsong kennt jeder: "Like a night in the forest, you fill up my senses, come fill me again" düdel düeeeeeeeee ... uii, klebt ähnlich wie die Donuts und Cookies, die es US-typisch überall zu schmarotzen gibt, und war leider der letzte Song, der mir im Supermaxi geschenkt wurde, und den ich dann für zwanzig Stunden mit in mein Hirn nahm. Wie geht das? Warum habe ich dieses klebrige Zeug nicht mehr rausbekommen? Hab mich gefühlt wie Lassie, die doch eigentlich durch die wilde Prärie streunen will, und stattdessen von tausend Kindern verhätschelt wird - ahh, ekliger Kleister.

Nur gut, dass ich heut Mittag irgendwas über Led Zeppelin in der Zeitung gelesen hab. Der Inhalt war nicht so wichtig, aber seitdem läuft "Your time is gonna come". Taromm, taromm (großartiger Trommelwirbel von Bonzo Bonham), Page quietscht an der Gitarre, und noch mal "your time is gonna come" , hah, großartig!

Ohrwurm-Verfolgter grüßt die Wursttheke im Edeka

Wed, 28. Nov, 22:40:34

Blick zum Himmel

HOLA OCHO!

Wenn ich in meiner urigen Unterkunft aufs Flachdach steige, treffe ich zuerst bellend, dann nach in gekonnter Schnuffelsprache gesäuselten Herzlichkeiten wedelnd, den edlen Pharao, einen Pitbull-Perro. Wie beschrieben, ein Herr des Daches und Beschützer des Eigentums. Mit Pharao blicke ich dann gemeinsam in den ecuadorianischen Nachthimmel und bin erst einmal mächtig enttäuscht. Das Streulicht dieses Abgas-Elektronik-Kolosses namens Quito ist so was von stark, dass jedes deutsche Dorf das Zehnfache an Sternenpracht parat halten kann.

Während Pharao darauf harrt, dass ich ihm ein Leckerchen kredenze, es aber bei kräftigen Streichel-Massagen belasse, orte ich die Himmelslage.

Der Mond - Du lieber guter großer Erdenpartner – erweckt den Eindruck, als hätte ihm ein Fußballer einen leichten 90-Grad-Stoß versetzt, denn er nimmt, nicht wie in Zentraleuropa von rechts ab, sondern von oben. So ähnlich ist es dem ganzen Himmel ergangen - um so viele Längengrade wie ich nach Süden geflogen bin, um so viele Winkelgrade hat sich das ganze Bild im 90-Grad-Winkel nach links verschoben, und ähnlich verschoben äh, meine Wahrnehmung.

Also, mal ganz in Ruhe, was kann man noch entdecken? Die Pleiaden, das scheinbare Siebengestirn, helfen als erste Orientierung; sie sind einfach zu schön und zu deutlich, als dass man sie auch hier verpassen könnte. Von da aus Stier (Aldebaran im Narranjita-Orange), Widder und Fische als Band über dem Himmel liegen. Kassiopeia, das Himmels-W, kopfüber im Norden, kurz vorm Versinken. Vom immer sichtbaren großen und kleinen Bär ist hier nichts zu sehen, dafür zentral am Himmel Adler und Schwan. Alles aber irgendwie milchig, stadtlichtmäßig versaut und ohne die Kraft, die ich mir erhofft hatte. Pharao winselt ...

Aber dann - was klebt denn da für ein Brummer mächtigst am Westhimmel?

Ja gewiss, der hellste Stern des Himmels, der seit Jahrtausenden alle Völker zu Spekulationen und zu gekonnten Traumreisen (siehe, auch heute: Dogon in Westafrika) animiert. Sirius, sieben Millionen Lichtjahre (oder schlappe 70 Billionen Kilometer - Hee, das müsste doch in einem Menschenleben machbar sein!) entfernt, scheint so mächtig, fast doppelt so groß wie Mars, der die ganze Zeit schon rot neben dem Mond Cocktails schlürft.

Toller Tipp: Sirius auch in Deutschland sehen, belebt die Winterabende und animiert zur Unendlichkeit.

Und endlich was Neues tief im Südwesten, fast so hell wie Sirius, man sagt sogar das nach Sirius zweithellste Gestirn des Himmels, von Deutschland aus nicht zu sehen, Canopus im Sternbild Schiffskiel.

Schiffskiel? Tja, während die alten Babylonischen Brüder ehrhafte Sagengestalten an den Himmel warfen, muss die Südhälfte mit dem übrig nehmen, was an dieser Stelle schon ein paar Mal kritisch serviert worden ist. Mit mechanistischem Eroberungswahn! - Als die westlichen Gelehrten von 400 Jahren begannen, den südlichen Sternenhimmel fastfoodmäßig herunterzuschlucken, war Europa so begeistert von der Technik, dass die armen Sterne als Zirkel, Schiffskiel oder Rechenschieber herhalten mussten. Ist ja fast so traurig, wie aus dem süßen, südeuropäischen Kinderbaum die Rosskastanie zu machen (ach, das hatten wir auch schon ...).

Wer sich von solchen Definitionen befreien mag, und das dürfte bei dem gebotenen Anblick nicht schwerfallen, wird Riesenspaß am Canopus haben. Im Gegensatz zu Sirius nämlich ist er zehnmal weiter entfernt, über siebzig Millionen Lichtjahre weit weg, weg, weg, und somit, was die absolute Leuchtkraft angeht, ein ganz, ganz großer Chef am Himmel!

Canopus blendet mich, ich strahl zurück, dreh mich zu Pharao um. Canopus interessiert ihn nicht, er wedelt mich an, ich streichel ihn, warte auf den streulichtfreien Blick, vielleicht entdecken wir dann auch den Taschenrechner am Himmel.

Mars-Ice-Cream-Leckereien aus Quito und nen bulligen Gruß von Ramses

Fri, 30. Nov, 00:42:42

Warum ist die Banane krumm?

HOLA NUEVE

Ecuador ist Weltmeister!

Ecuador ist Weltmeister! Juchhu! Und zwar im Exportieren von Platanos, den länglich gelben Nährstoff- und Gesundheitsbömbchen, gerne auch Bananen genannt.

Jeder Freiburger weiß natürlich, wie eine Bananenpflanze aussieht (staudig mit Großgrünblättern), Blüte und Fortpflanzung gehen in Teutonia aber meist flöten.

In Quito wächst freilich urbanisch keine einzige. Man muss schon bisschen rausfahren, bis man plantagenähnliche Zustände vorfindet. Bitte Plantagen aber nicht mit akkuraten Mais-Weizen-Reihen in ihrer momentanen Umgebung verwechseln, die Sache mit der Ordnung wurde, sie wissen ja, was ich meine ...