Bring deinen Mann nicht gleich um, du könntest ihn noch brauchen - Jancee Dunn - E-Book

Bring deinen Mann nicht gleich um, du könntest ihn noch brauchen E-Book

Jancee Dunn

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  • Herausgeber: Mosaik
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Nach der Geburt des ersten Kindes müsste eigentlich eitel Sonnenschein herrschen, doch oft gehen die Probleme dann erst los. Als strauchelnde Neu-Mutter und plötzlich unzufriedene Ehefrau erzählt Jancee Dunn, wie ihre Beziehung unverhofft ein Fall für den Paartherapeuten wird. Mit viel Humor schildert sie die Tücken des Familienalltags, etwa wenn ihr Mann völlig selbstvergessen Online-Schach spielt, anstatt sich wie versprochen um die gemeinsame Tochter zu kümmern. Amüsant und äußerst aufschlussreich!

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Seitenzahl: 443

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Buch

Nach der Geburt des ersten Kindes müsste eigentlich eitel Sonnenschein herrschen, doch oft gehen die Probleme dann erst los. Als strauchelnde Neu-Mutter und plötzlich unzufriedene Ehefrau erzählt Jancee Dunn, wie ihre Beziehung unverhofft ein Fall für den Paartherapeuten wird. Mit viel Humor schildert sie die Tücken des Familienalltags, wie zum Beispiel wenn ihr Mann wieder einmal völlig selbstvergessen Onlineschach spielt, anstatt sich wie versprochen um die gemeinsame Tochter zu kümmern. Amüsant und äußerst aufschlussreich!

Autorin

Jancee Dunn ist Journalistin und Autorin. Von 1989 bis 2003 war sie Redakteurin beim Rolling Stone und arbeitet nun für verschiedene Zeitschriften und Zeitungen, wie The New York Times, Vogue oder Parents. Sie lebt mit ihrem Mann und der gemeinsamen Tochter in Brooklyn, New York.

JANCEE DUNN

du könntest ihn noch brauchen

Die Elternzeit als Paar überleben

Aus dem Amerikanischenvon Bettina Spangler

Alle Ratschläge in diesem Buch wurden von der Autorin und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Eine Haftung der Autorin beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Hinweis der Autorin

Dieses Buch richtet sich in erster Linie an Eltern und Paare, die ihre Beziehung als »gut« oder »passabel« bezeichnen, allerdings das Gefühl haben, es könnte besser laufen. Wenn Sie in Ihrer Ehe jedoch mit Problemen kämpfen, die ernstzunehmende Ursachen wie psychische Krankheiten, körperliche Auseinandersetzungen oder Drogenmissbrauch haben, sollten Sie unbedingt professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Sämtliche Namen von Freunden, die ich für dieses Buch zu ihrer Meinung befragt habe, wurden zum Schutz ihrer Privatsphäre geändert.

1. AuflageDeutsche Erstausgabe April 2017Copyright © 2017 Wilhelm Goldmann, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München© 2017 der Originalausgabe: Jancee Dunn Originaltitel: How Not to Hate Your Husband After KidsOriginalverlag: Little, Brown and Company, a division of Hachette Book Group, Inc.Umschlag: *zeichenpoolUmschlagmotiv: shutterstock/Gurza (Strampler), shutterstock/NadineVeresk (Fläschchen)Redaktion: Sylvi SchlichterSatz: Uhl + Massopust, AalenKW ∙ Herstellung: IHISBN 978-3-641-18691-3V001www.mosaik-verlag.de

Du besitzt

alle Zutaten,um dein Lebenin Freude zu verwandeln.Mische sie, mische sie!

– Hafis, persischer Dichter (14. Jh.)

Inhalt

Einleitung: Was sich paart, das hasst sich

Als wir noch zu zweit waren, mein Mann und ich, zankten wir uns so gut wie nie – zwei harmoniebedürftige, friedfertige Autoren. Und dann: das Baby.

Mütter, Väter, Streitereien

Mir reicht’s. Unterstützt von Psychologen, Erziehungsexperten, Neurowissenschaftlern und anderen Eltern, schmiede ich eifrig Pläne, um in unserer Ehe für neue Harmonie zu sorgen.

»Arsch hoch und anpacken!«: Die unbequeme Begegnung mit dem »Mann aus Boston«

Unser Vorhaben, das Kriegsbeil zu begraben, beginnt mit einem Besuch bei einem Eheberater – allerdings nicht irgendeinem. Außerdem ziehe ich den ehemaligen Chef der Crisis Negotiation Unit des FBI zurate.

Rage Against the Washing Machine: Wie man Haushaltspflichten gerecht verteilt

Studien beweisen, dass Frauen seltener zu Depressionen neigen und sich seltener scheiden lassen, wenn Männer im Haushalt mithelfen.

Die Regeln des Fight Club: Wie man richtig streitet

Klar streitet man sich ab und an mal – aber bitte fair bleiben!

Endlich wieder Montag! Wie man das Wochenende trotz Kindern genießt

Die ganze Woche freut man sich aufs Wochenende und die Zeit mit seinen Lieben. Doch kaum ist es so weit, würde man am liebsten Reißaus nehmen. Wie kommt das?

Kleine Hände, große Hilfe: Auch Kinder können Wäsche wegräumen

Etwas, das bei der ganzen leidigen Debatte um die Aufgabenverteilung im Haushalt so gut wie nie thematisiert wird: Gott bewahre, dass wir unsere Kinder bitten, mit anzupacken und uns etwas von der täglichen Last abzunehmen!

Eltern sein, Liebespaar bleiben: Wie man Sex und Romantik lebendig hält

Wir probieren Erste-Hilfe-Maßnahmen für unser eingeschlafenes Sexleben und holen uns dazu eine Reihe von unverbrauchten, realistischen Ratschlägen (nein, wir tun nicht so, als wären wir zwei Fremde in einer Bar, und es kommen auch keine sexy Krankenschwesternuniformen ins Spiel).

Kinder – das neue Haushaltsdefizit

Wir gehen der Frage nach, wieso Sorgen um Kinder und Finanzen bisweilen selbst die stabilste Ehe erschüttern (nicht zuletzt, weil man etwa 150 000 Euro hinlegen muss, um ein Kind großzuziehen, Kosten für ein eventuelles Studium noch nicht eingerechnet).

Heilloses Chaos: Weniger Unordnung, weniger Streit

Gerade die alltägliche Unordnung sorgt bei jungen Müttern für zusätzlichen Stress, deshalb bitte ich eine bekannte Ordnungsexpertin, die sich normalerweise um die Schränke reicher Leute an der Upper East Side kümmert, sich des Hauses meiner Schwester anzunehmen.

Es gibt noch viel zu tun – packen wir es an!

Es mag wenig verlockend klingen, lässt sich aber nun einmal nicht leugnen: Eine stabile Ehe erfordert sehr viel Einsatz, Aufmerksamkeit und wiederkehrende Verhandlungsarbeit. .

Danksagung

Sachregister

Personenregister

Einleitung Was sich paart, das hasst sich

Ein Baby zu bekommen ist, als würde man eine Bombe in seiner Beziehung zünden: Sobald sich der Staub gelegt hat, ist nichts mehr, wie es war.

– NORA EPHRON

Als ich mit meiner Tochter im sechsten Monat schwanger war, traf ich mich einmal mit ein paar Freundinnen zum Mittagessen. Sie alle konnten es kaum erwarten, ihre hart erarbeiteten elterlichen Weisheiten mit mir zu teilen. Lärmend warfen sie in dem ruhigen Café damit um sich und unterstrichen ihre Worte mit übertriebenen Gesten. Mir flogen derart viele Tipps und Ratschläge um die Ohren, dass ich sie mir schließlich auf einer Serviette notierte. Unbedingt Flipflops mitnehmen, Krankenhausduschen total eklig, kritzelte ich. Huggies-Feuchttücher sind die besten, schön dick. Maxibinden in Wasser tauchen und ins Tiefkühlfach legen, die Kälte hilft gegen die Schmerzen nach der Entbindung.

»Ach ja, und mach dich schon mal darauf gefasst, dass du deinen Mann hassen wirst«, sagte meine Freundin Lauren. Jäh riss ich den Kopf hoch. Soeben hatte ich mir notiert: Bei Blähungen: Radfahren mit Babys Beinchen. Bestimmt nicht, versicherte ich ihr voller Überzeugung. Ich führte diverse Gründe auf, warum unsere Beziehung nichts erschüttern konnte: Wir waren seit fast zehn Jahren zusammen. Wir waren nicht mehr die Jüngsten, deshalb hätten uns Streitereien nur unnötig Kraft gekostet, die wir ohnehin nicht mehr hatten. Doch was mir noch wichtiger erschien: Wir waren friedliebende, zurückgezogen lebende Menschen, die schon beim leisesten Geräusch hochfuhren und die Flucht ergriffen wie panische Antilopen.

Ich sah mich unter meinen Freundinnen um. Es war nicht zu übersehen, dass sie allesamt darum rangen, ein gefasstes Gesicht zu machen. Dabei konnten sie sich das Grinsen ganz offensichtlich nur mit Müh und Not verkneifen.

Schon in den Monaten zuvor hatte man mir unzählige elterliche Erkenntnisse mit auf den Weg gegeben: Von erholsamem Schlaf kannst du dich vorerst verabschieden. Du wirst nie wieder Sex haben, und glaub mir, du wirst froh darüber sein. Natürliche Geburt? Du wirst betteln um eine PDA, erst recht, wenn du so höllische Schmerzen hast wie ich.

Mein Lieblingsspruch aber stammt von meinem Freund Justin, Vater von drei Kindern. »Du schaust dir am besten alle Filme an, die du gerne noch sehen würdest«, sagte er und schüttelte bedauernd den Kopf. »Sobald das Baby da ist, ist es nämlich ein für alle Mal vorbei damit.«

Blinzelnd sah ich ihn an. Wenn man erst mal ein Kind hat, ist das also ein derart überwältigendes Erlebnis, dass man nicht mehr auf dem Sofa sitzen und einen Film gucken kann? Nie wieder?

Wie sich herausstellen sollte, lag Justin damit falsch. Schon eine Woche nach der Entbindung sahen wir uns wieder Filme an.

Dafür hatte Lauren recht behalten.

Nicht lange nach der Geburt unserer Tochter hatten mein Mann und ich unseren ersten lautstarken Streit als frischgebackene Eltern. Um ehrlich zu sein, war ich diejenige, die lauthals schrie.

Im Grunde war es fast schon peinlich, so läppisch war die Sache, die mich derart auf die Palme gebracht hatte. Und trotzdem barg sie in den ersten Wochen als Mutter für mich ein laufendes Konfliktpotenzial: die Frage, wer mit dem Leeren des Windeleimers dran war. An diesem Tag war Tom an der Reihe. Die eingedrehte Tüte war zu der Größe einer Tigerpython angeschwollen und drohte, jeden Moment hervorzuschnellen, ähnlich wie bei diesen doofen Scherzartikeln aus der Dose. Der Gestank hatte sich in unserem gesamten kleinen Apartment in Brooklyn ausgebreitet.

»Bitte leer endlich dieses Ding aus«, rief ich Tom zu, während ich auf dem Sofa saß und das Baby stillte. »Von dem Mief wird mir ganz anders.«

»Gleich, Liebes«, sagte er vom Schlafzimmer her, und seine roboterhafte Stimme verriet mir, dass er wie so oft in letzter Zeit Onlineschach spielte. Er hat eine Handvoll automatischer Antworten auf Lager, die er wie auf Knopfdruck abspult. Ich muss dann immer an diese Sprechpuppen denken: Das ist ja interessant, ach, wirklich? Und: Oh, wow, klingt toll (seine Reaktion, als ich ihm erzählte, ich hätte eine komische Wucherung an meinem Bein entdeckt).

In Sekundenschnelle rauschte eine Woge heißen Zorns durch mich hindurch. Behutsam legte ich das Baby ab, stürmte ins Schlafzimmer und feuerte eine Tirade verächtlicher, zugegebenermaßen ziemlich kindischer Schimpfwörter auf Tom ab. Die waren mir seit meiner Jugend in New Jersey in den Achtzigerjahren nicht mehr über die Lippen gekommen. Du Schwachmat. Blödarsch. Scheißtyp. Die Wucht meines Wutausbruchs überraschte uns beide gleichermaßen. Und sofort schämte ich mich. Sicher, ich war hormongesteuert, litt unter erheblichem Schlafmangel und hatte plötzlich viermal so viel Wäsche zu waschen und aufzuräumen. Aber ich liebe meinen Mann – immerhin habe ich mich von ihm schwängern lassen. Schon zwei Wochen, nachdem wir uns kennengelernt hatten, war mir klar gewesen, dass ich ihn heiraten wollte; er war der interessanteste Mensch, der mir je begegnet ist. Ich war vollkommen verzaubert von der Art, wie ihm jedes Mal die Röte ins Gesicht schoss und er anfing zu stammeln wie ein Teenie, wenn wir uns unterhielten. Was ich natürlich prompt zum Anlass nahm, mich noch dichter an ihn zu drängen, nur um ihn noch mehr zu quälen. Während der ruhigen Abende zu Hause in den Anfangstagen unserer Ehe fühlte ich mich oft an Christopher Isherwoods Beschreibung eines lesenden Paares erinnert: »beide ganz in ihre Bücher vertieft und sich doch der Gegenwart des anderen voll bewusst«.

Ich weiß eigentlich gar nicht so genau, wie ich auf Schwachmat komme – Tom ist nämlich alles andere als dumm. Er ist ein liebevoller, fürsorglicher Ehemann und Vater, der viele Stunden mit unserer Tochter Sylvie verbringt und mit grenzenloser Geduld auch noch die achte Runde Tempo, kleine Schnecke spielt. Er würde ihr keinen Wunsch abschlagen: Wenn sie ihn an einem eisigen Samstagmorgen in aller Herrgottsfrüh anbettelt, mit ihr Fahrradfahren zu gehen, dann lautet seine Standardantwort »Nokay«. So nenne ich das: Erst sagt er: »Nein« – fünf Sekunden verstreichen – dann: »Okay«. Es ist fast schon komisch, wie sehr er sein einziges Kind verhätschelt und verwöhnt. Und wie er sie verteidigt. Einmal hat auf dem Spielplatz bei uns um die Ecke ein älteres Mädchen Sylvie getriezt, während Tom aus einiger Entfernung mit grimmiger Miene zuschaute.

Älteres Mädchen: Du schaffst das doch nie übers Klettergerüst! Dazu bist du viel zu klein. Und außerdem bist du ein Schwächling, nicht so stark wie ich!

Sylvie zeigt keine Reaktion, daher fährt das Mädchen in einer Art spöttischem Singsang fort:Du schaffst das nicht, du schaffst das nicht!

Dann steht Tom plötzlich neben dem älteren Mädchen, das blinzelnd zu ihm, dem eins neunzig großen Mann, aufsieht.Na schön. Dann zeig uns doch mal, was du draufhast.

Das Mädchen hangelt sich an drei Sprossen entlang, dann plumpst es runter. Hastig hüpft es wieder hoch.

Tom, ungerührt wie ein Vulkanier, sagt: Du bist runtergefallen. Das gilt nicht. Du packst das Klettergerüst doch selber nicht. Mit hängenden Schultern zieht das ältere Kind ab.

Abgesehen von solchen Plänkeleien auf dem Spielplatz findet Tom Streit einfach unerträglich: Kaum schraubt meine Stimme sich auch nur ansatzweise in die Höhe, wird er leichenblass und zieht sich zurück in sein Schneckenhaus. Während ich ihm schon mit Scheidung gedroht und ihm jede erdenkliche Beschimpfung an den Kopf geworfen habe, hat er niemals – und ich meine wirklich niemals – etwas Vergleichbares getan. Und ich empfinde keinerlei Genugtuung dabei, wenn ich diesen liebevollen, gutmütigen Schachspieler anbrülle, der in seiner Freizeit am liebsten Vögel beobachtet oder liest.

Musste der Windeleimer also wirklich augenblicklich geleert werden? Waren wir tatsächlich schon so weit, dass wir Schutzanzüge gebraucht hätten? Es wäre sicher noch Zeit gewesen, bis Tom sein Spiel beendet hätte. Doch von diesem Tag an troff mein Unmut so anhaltend aus mir heraus wie der Wochenfluss nach der Geburt. Unsere Tochter ist inzwischen sechs Jahre alt, und trotzdem fechten Tom und ich nach wie vor endlose, ermüdende Kämpfe aus. Warum brennt bei mir beim geringsten Anlass die Sicherung durch, wenn es um das Kind und den Haushalt geht und darum, wer sich worum kümmern soll?

Es ist mir immer noch ein Rätsel, wie sich all das so entwickeln konnte, war ich doch fest davon ausgegangen, dass mein überaus fortschrittlicher Ehemann und ich, beide freiberufliche Autoren im Homeoffice, sich von Natur aus in allem einig sein würden. Als wir noch zu zweit waren, übernahm er stets das Kochen, während ich mich um die übrigen Hausarbeiten kümmerte; wir gingen immer zu zweit einkaufen und wuschen unsere Wäsche gemeinsam. Als ich dann schwanger wurde, teilte er mir voller Überzeugung mit, dass er absolut bereit sei fürs Windelwechseln.

Sicher würden wir letzten Endes eine Lösung finden, so lief das bei uns immer. Ich hatte eben erst einen ermutigenden Artikel darüber gelesen, dass moderne Männer, anders als die abwesenden Brötchenverdiener früherer Generationen, sich heutzutage so viel mit ihrem Nachwuchs abgeben wie nie zuvor. Eine Studie des Pew Research Center beweist, dass die berufstätigen Väter von heute ebenso häufig wie berufstätige Mütter sagen, dass sie lieber zu Hause bei den Kindern wären. Wir leben in einer Zeit, in der werdende Väter mit ihren Freunden Baby-Partys feiern, und es gibt immer mehr Webseiten und Blogs, die ausschließlich junge Väter als Zielgruppe haben. Beliebte Onlinemagazine für Väter wie Daddylicious oder Netpapa präsentieren neben den üblichen Inhalten (Ratschläge zur Ernährung, Tipps zum Fahrradfahren lernen, Spiele für draußen) zahlreiche Artikel zur Bedeutung des Vaters für die kindliche Entwicklung. Auch die Einstellung der Väter zum Thema Hausarbeit ändert sich. Die oben erwähnte Pew-Studie förderte nämlich auch zutage, dass sich die Zeit, die Väter mit häuslichen Verrichtungen verbringen, seit dem Jahr 1965 mehr als verdoppelt hat – von ungefähr vier Stunden pro Woche auf annähernd zehn. Allerdings sind die Herren der Schöpfung wählerisch und lassen sich nicht zu allem herab, so der Soziologe Scott Coltrane. Er gibt an, dass von den fünf wichtigsten Aufgaben im Haushalt – Kochen, Geschirrspülen, Einkauf, Aufräumen und Wäschewaschen – Männer sich weniger um die beiden letztgenannten reißen, sondern stattdessen lieber kochen, nach dem Essen das Geschirr abräumen und abspülen sowie einkaufen gehen.

Da Tom und ich schon eine recht feste Rollenverteilung etabliert hatten – unsere Generation ist bekanntlich die erste, die eine gerechte Aufteilung der Haushaltsarbeiten für angemessen hält –, ging ich schlichtweg davon aus, dass wir uns auch die neuen Aufgaben teilen würden. Doch nachdem unser Baby auf der Welt war, dauerte es nicht lang, und wir fielen zurück auf die traditionelle Rollenverteilung, mit der wir aufgewachsen waren. Sie war offenbar tiefer verwurzelt, als ich geglaubt hatte (schließlich trennt uns nur eine Generation vom alten Modell). Wir hatten uns nicht groß den Kopf darüber zerbrochen; es passierte einfach so. Ich bereitete das Essen für unsere Tochter zu, also ging ich der Einfachheit halber dazu über, für uns alle zu kochen und einzukaufen. Da ich ohnehin die Babywäsche wusch, warf ich unsere Wäsche gleich dazu. Als unsere Tochter noch klein war, kümmerte ich mich tagsüber zu Hause um sie, und so wurde es nach und nach zur Gewohnheit, dass ich mich abends einfach weiterkümmerte.

Dieses Szenario ist nicht ungewöhnlich: Eine Befragung der Ohio State University von berufstätigen Paaren, die zum ersten Mal Eltern wurden, ergab, dass Männer in etwa zu gleichen Teilen Hausarbeiten übernahmen wie Frauen –allerdings nur, bis sie Väter wurden. War ein Baby neun Monate alt, wandten die Frauen im Durchschnitt 37 Stunden pro Woche auf Nachwuchs und Hausarbeit auf, während es bei den Männern nur 24 Stunden waren – und das, obwohl in den meisten Fällen beide Elternteile gleich viel in ihren Berufen arbeiteten. Wenn es um die Kinder ging, übernahmen Väter eher angenehme Aufgaben wie das Vorlesen, bei den weniger erfreulichen Pflichten wie dem Windelwechseln dagegen kniffen sie (und das, obwohl sie gleichzeitig ganze fünf Stunden weniger im Haushalt mitwerkelten als vor der Geburt des Babys).

Man muss den jungen Vätern allerdings zugutehalten, dass sie es meistens nicht registrieren, wenn sie beim häuslichen Arbeitspensum zurückfallen, so die Mitautorin der Studie Sarah Schoppe-Sullivan. »Wir waren überrascht angesichts dieser Ergebnisse«, erzählte sie mir. »Beide Elternteile haben nach der Geburt eines Kindes das Gefühl, erheblich mehr zu tun als vorher, nur ist dies im Falle der Männer eine grobe Fehleinschätzung.«

Mittlerweile übernimmt Tom nur noch etwa zehn Prozent unserer Hausarbeit. Er behauptet, dass er sich in der Hinsicht nie geändert habe: Als Junggeselle hätte er ja auch nur zehn Prozent seiner eigenen Hausarbeiten erledigt. (Dies kann ich bestätigen: In den Anfangstagen unserer Beziehung, bei meinem ersten Besuch in seiner Wohnung, fand ich in seinem Kühlschrank nichts weiter vor als ein schimmeliges Glas Salsa von Chi-Chi’s, einer Marke, von der ich dachte, es gäbe sie seit Jahrzehnten nicht mehr.)

Ich wünschte, diese zehn Prozent würden reichen, doch das tun sie nicht. Es kommt mir vor, als wäre Tom Gast in dem Hotel, das ich leite. Immer wieder einmal nehme ich eine schweigsame feministische Haltung ein und warte ab, ob er sich endlich aufrafft und mir hilft. Was natürlich dafür sorgt, dass sich der Ärger in mir immer mehr anstaut. Zu meinem Verdruss trägt noch bei, dass Tom es an den Wochenenden irgendwie immer schafft, sich in eine Blase zurückzuziehen, wo er den zufriedenen Junggesellen geben kann. Ein typischer Samstag sieht für ihn so aus, dass er zunächst mit seinen Kumpels Fußball spielt oder fünf Stunden mit dem Fahrrad durch die Gegend kurvt. (Komischerweise hat er mit dem Ausdauersport angefangen, kaum dass die Nabelschnur durchtrennt war. Als wäre das Geräusch der Schere der Startschuss gewesen, um sich schleunigst vom Acker zu machen.)

Darauf folgen eine entspannte zwanzigminütige Dusche, ein spätes Frühstück und ein ausgedehntes Mittagsschläfchen, bevor er dann durch diverse Zeitschriften blättert. Indessen kutschiere ich unsere Tochter zu Geburtstagspartys oder begleite sie zu Spielverabredungen. An den Abenden fragt Tom mich gar nicht erst, ob es okay ist, dass er mit seinen Jungs was trinken geht – er saust einfach zur Tür raus und geht wie selbstverständlich davon aus, dass ich das Zähneputzen und Zubettbringen übernehme.

Aber wessen Schuld ist das? Im Grunde habe ich mir das selbst eingebrockt. In meinem irrwitzigen Bestreben, alles alleine zu stemmen, habe ich es zugelassen – ist es folglich nicht unfair von mir, dass ich sauer werde, wenn er sich für ein kurzes Nickerchen ins Schlafzimmer zurückzieht (oder sich »verdrückt«, wie ich das nenne)?

Also schnaube ich vor Wut und lasse die Bestie bei der geringsten Provokation aus ihrem Käfig. Ein typisches Szenario: Ich rackere mich in der Küche ab, koche gleichzeitig das Abendessen, gehe mit unserer Tochter die Hausaufgaben durch und räume ihre Brotzeitdose sowie die Spülmaschine aus. Tom kommt in die Küche geschlendert, und sofort hellt sich meine Miene auf – ach, bestens, da kommt Hilfe! Aber falsch gedacht, er kämpft sich einzig und allein aus dem Grund durch den Taifun der Geschäftigkeit, um zum Kühlschrank zu gelangen, denn er möchte sich ein Glas Wein einschenken.

TOM ÖFFNET DEN KÜHLSCHRANK, RUNZELT DIE STIRN: Haben wir keinen Wein mehr?

ICH, ABWESEND: Wahrscheinlich nicht.

TOM, IN DRÄNGENDEREM TONFALL: Hast du denn heute keinen Wein besorgt?

ICH:Ach, bin ich jetzt für alles zuständig? Verzeihen Sie, Lord Grantham! Ich werde umgehend das Personal darüber in Kenntnis setzen!

TOM: Nein, ich meinte doch nur, weil du vorhin einkaufen warst, und …

ICH, MITTLERWEILE EXTREM IN RAGE: Ich weiß genau, was du dachtest, du Schwachmat!

Während dieses kleinen Zwischenfalls kommt unsere Tochter angerannt, stellt sich schützend vor Tom und fordert mich auf, ihren Papa in Ruhe zu lassen. »Wir haben nur etwas zu klären, Liebes«, beeile ich mich zu sagen. In einem der zahlreichen Elternratgeber, die sich auf meinem Nachttisch türmen, habe ich gelesen, dass man sich demonstrativ wieder versöhnen soll, wenn man sich vor Kindern streitet, damit sie mitbekommen, dass man einen gesunden Umgang mit der Konfliktbewältigung pflegt. »Hier, guck her«, sage ich zu ihr. »Ich umarme Papa. Wir streiten uns manchmal, aber wir versöhnen uns auch wieder, weil wir uns nämlich ganz doll lieb haben! Siehst du?«

Ich will ihn also in meine Arme ziehen. Allerdings habe ich ihr dabei den Rücken zugewandt, damit sie nicht mitbekommt, wie ich ihm mit grimmiger Miene den Stinkefinger zeige und lautlos Leck mich mit den Lippen forme, während ich ihn scheinbar innig an mich drücke.

Natürlich habe ich total überreagiert. Und Tom hätte einfach zum Laden fahren und ohne das leiseste edwardianische Murren eine Flasche Wein kaufen sollen. Stattdessen bin ich zu diesem ständig lauernden Hausdrachen mutiert, der nur darauf wartet, dass der Ehemann irgendwas falsch macht. (Ich glaube, im juristischen Fachjargon nennt man das eine Sting-Operation. Die soll eine Straftat provozieren.) Doch wenn ich explodiere und die bewusste Entscheidung treffe, meinem Ärger Luft zu machen, statt auf die Ängste meiner Tochter Rücksicht zu nehmen – ist das den »Sieg« dann wert? Meine Sorge um ihr Wohlergehen scheint, wie es aussieht, recht selektiv zu sein. Während ich immer schön brav ihren Nacken mit Sonnencreme einschmiere und sie vor den fatalen Folgen von zu viel Industriezucker bewahre, indem ich sorgfältig die Zutatenliste ihres Frühstücksmüslis studiere, habe ich offenbar kein Problem damit, ihre Friedfertigkeit zu korrumpieren, indem ich ihrem Vater wüste Beschimpfungen an den Kopf knalle.

Wie war das – wir sollten unseren Kindern das beste Vorbild sein?

Was mich bei dem dauernden Hickhack besonders traurig macht, ist die Tatsache, dass es uns so runterzieht, obwohl wir doch eigentlich ein in jeder Hinsicht wundervolles Leben führen. Unsere Tochter ist ein fröhliches, ausgelassenes Kind (neulich hat sie mir ein Geschenk zum Muttertag gekauft und ist fast durchgedreht vor Aufregung: »Ich geb dir einen Tipp, Mama – es ist Seife!«). Wir wohnen in einer ruhigen, umgebauten Kirche im schönen Brooklyn. Toms beneidenswert aufregende Magazinaufträge kann man kaum als Arbeit bezeichnen: eine Mountainbike-Expedition zu abgelegenen Maya-Ruinen, wo er dann oben auf einer Pyramide sitzt und zusammen mit ein paar Schamanen Whiskey trinkt, Wanderungen durch abgeschiedene Wüsten in Utah, wo er nach seltenen Singvögeln Ausschau hält, ein abenteuerlicher Ritt durch die Pampas in Uruguay.

Ich selbst habe mir durch ein paar geschickte Schachzüge einen Teilzeitjob als freiberufliche Autorin erkämpft. Während der sechs Stunden, die unsere Tochter in der Schule ist, klemme ich mich vor den Computer und tippe eifrig Artikel zu den Themen Schönheit und Gesundheit für Magazine wie die Vogue (wobei ich mit meinem langweiligen Pferdeschwanz und der ausgeleierten Yogahose vermutlich die am wenigsten glamouröse Mitarbeiterin dieser Modebibel bin). Während dieser Zeit erhebe ich mich so gut wie gar nicht von meinem Stuhl – dafür darf ich dann um Punkt drei, wenn die Schule aus ist, mein Laptop für den Rest des Tages zuklappen. Dann verwandle ich mich in die typische Hausfrau und Mutter. Weil ich extrem konzentriert arbeite, schaffe ich ungefähr das gleiche Arbeitspensum wie früher als Musikjournalistin beim Rolling Stone. Dort habe ich zwar jeden Tag neun Stunden im Büro abgesessen, verschwendete allerdings ein Drittel der Zeit damit, im Internet zu surfen, mit Kollegen zu schwatzen und gemeinsam mit ihnen zu überlegen, was wir zum Mittagessen bestellen sollten (wenn wir nicht gerade kurz vor einer Deadline waren, diskutierten wir gerne mal zwanzig Minuten lang darüber, ob das Essen vom Mexikaner uns womöglich doch zu schwer im Magen liegen würde).

Ein Arbeitstag kann für mich auch so aussehen, dass ich unsere Tochter zur Schule bringe – ein dreiminütiger Spaziergang durch den Park –, um dann hastig in die Linie F nach Manhattan zu springen, wo ich mich mit Jennifer Lopez treffe, ehe es zurückgeht nach Brooklyn, gerade rechtzeitig, um Sylvie wieder von der Schule abzuholen. Wann immer ich Promis interviewe, stelle ich ihnen zum Aufwärmen eine einfache, unverfängliche Frage. Zum Beispiel lasse ich sie von der glücklichsten Zeit in ihrem Leben erzählen. Haben sie selbst Kinder, lautet die Antwort fast immer: Ach ja, die Zeit, als die Kinder noch klein waren, keine Frage. Ich bin mir vollkommen im Klaren darüber, dass Tom und ich goldene Zeiten durchleben sollten – wir sind beide bei bester Gesundheit, haben beide einen Job, der uns voll und ganz erfüllt, und haben das gemeinsame Wunschkind in die Welt gesetzt. Nur blöderweise sind wir gerade so was von dabei, das alles an die Wand zu fahren.

Wir sind sicher nicht allein mit unserer Situation: Derlei unterschwellige Animositäten ziehen sich durch sämtliche Blogs junger Mütter. Man bringe eine Gruppe von Frauen zusammen, entkorke ein bis drei Flaschen Sauvignon Blanc, und schon wird aus den vereinzelten Schüssen aus dem Hinterhalt ein Crescendo lautstarker Klagen, weil jede ihre Story mit den anderen teilen will.

Mein Mann arbeitet die ganze Woche, und am Wochenende verkündet er mir dann, er habe keinen Nerv, sich um unsere Jungs zu kümmern. Ein Wunder, dass er nicht merkt, wie ich eigentlich die ganze Zeit vor Hass sprühe.

Ich räume gerade die Spülmaschine aus, da fängt Brian an, meine Brüste zu begrapschen. Aber ich muss mich schon den ganzen Tag lang von den Kindern betatschen lassen, deshalb macht mich das überhaupt nicht scharf. Wenn er will, dass was läuft, soll er mir doch helfen, das Geschirr wegzuräumen, dieser Idiot.

Mein Mann zieht sich immer ganz geschickt aus der Affäre, wenn’s ums Windelwechseln geht. Behauptet einfach, ich wäre die »Expertin«.

Ich bin es leid, Andrew anzubetteln, mir im Haushalt zu helfen. Ich brauche ja auch keine Extraeinladung. Wisst ihr, warum? Weil ich es einfach tue.

Ich würde mich am liebsten von Jason scheiden lassen, aber er ist derjenige, der die Kinder morgens zur Schule bringt.

Und eben schrieb mir eine Freundin Folgendes: »Ich kriege nie mehr als fünf Stunden Schlaf und habe diese ständige irrationale Wut auf Adam in mir. Meine Muttermilch ist garantiert vollgepumpt mit Cortisol. Er hat mich gerade gefragt, was ich mir zum Hochzeitstag wünsche, und ich habe gesagt, ein Wochenende in einem Hotel, ganz allein. Kein Scherz. Die Worte Wochenende und allein sind reinster Ohrenporno für mich.«

Am häufigsten zitiert wird im Zusammenhang mit den Themen Partnerschaft und Kinder wohl folgende Erkenntnis aus der Forschung: Die renommierten Paartherapeuten Julie und John Gottman fanden heraus, dass 67 Prozent aller Paare nach der Geburt eines Kindes feststellen, dass sie in ihrer Beziehung unzufriedener werden. Und das ist keine große Überraschung: So ein kleiner Wonneproppen bringt allerhand zusätzlichen Stress mit sich. Wie zum Beispiel das Auf und Ab der Hormone, veränderte Arbeitszeiten, Geldsorgen (schon allein die Kosten für Windeln können Panikattacken hervorrufen), eine Flaute in Sachen Sex und, wie es in einer von den vielen Forschungsarbeiten hieß, die ich mir zu Gemüte geführt habe, ein »zunehmender Umgang mit medizinischem Fachpersonal«.

Die Auswirkungen chronischen Schlafentzugs auf die Gemütslage frischgebackener Eltern sind nicht zu unterschätzen. Ein Mangel an nächtlicher Erholung sorgt dafür, dass wir uns auf negative Erfahrungen konzentrieren, dass wir häufiger Streit suchen und zu irrationalem Verhalten neigen. Forschungen haben ergeben, dass das Angstzentrum des Gehirns, die Amygdala, viel schneller reagiert, wenn man nicht ausgeschlafen ist. Normalerweise dominiert der weitaus rationalere präfrontale Cortex und stellt alles in die richtige Relation. Doch wenn das Gehirn nicht genügend Ruhe bekommen hat, ist diese Beziehung gestört – und dann würde man seiner besseren Hälfte am liebsten kräftig in den Hintern treten, weil er genau in dem Moment, als das Baby endlich eingeschlafen ist, ohne nachzudenken eine Tür zuknallt.

Wenn man eine Nacht nicht geschlafen hat, macht sich das den ganzen nächsten Tag bemerkbar. Hält der Schlafentzug allerdings länger an, geben die Testpersonen einer Studie an, sich im Grunde gar nicht so schlecht zu fühlen: Alles klar! Ich brauch gar keinen Schlaf! Ich sprach mit Matthew Walker, Leiter des Schlaf- und Neuroimaging-Labors an der University of California, Berkeley, und Autor dieser Studie. Er verglich diesen Kurzschluss im Gehirn von Schlafmangelgeplagten mit dem hartnäckigen Glauben eines Betrunkenen an seine Fähigkeiten als Autofahrer. »Nach fünf Drinks hält er sich immer noch in der Lage, sicher nach Hause zu fahren, dabei ist er merklich eingeschränkt in seinen Gehirnfunktionen. Dasselbe gilt für Schlafentzug: Wenn jemand regelmäßig weniger als sieben Stunden Schlaf bekommt, lassen sich erhebliche kognitive Beeinträchtigungen feststellen.«

Bevor ich selbst ein Kind hatte, rollte ich jedes Mal genervt mit den Augen, wenn ich eine frischgebackene Mami klagen hörte, sie hätte seit Tagen nicht geduscht – angeblich aus Zeitmangel. Bitte, dachte ich dann immer. Neugeborene schlafen doch ohnehin den ganzen Tag. Was soll das Theater! Jetzt, wo ich selbst Mutter bin, verdrehe ich die Augen nur noch dann, wenn ich wieder einmal den viel zitierten Ratschlag zu hören kriege, Mütter sollten schlafen, wenn ihre Babys schlafen. Allein so ein winziges neugeborenes Wesen am Leben zu halten, kostet immense Anstrengung – und in Bezug auf Nachwuchs und Hausarbeit übernehmen Frauen bekanntermaßen die Hauptlast. Bereits vor einem Vierteljahrhundert nannte Arlie Hochschild, Soziologin an der University of California in Berkeley, diese Ungleichheit eine »ins Stocken geratene Revolution«, und diese Aussage gilt bis heute: Während sich das Leben von Frauen, die inzwischen die Hälfte der Erwerbstätigen in den USA (in Deutschland: sechsundvierzig Prozent) stellen, radikal verändert hat, ist das Verhalten ihrer Partner in weiten Teilen gleich geblieben.

Berufstätige Frauen sind heutzutage in fast vierzig Prozent der Familien mit Kindern die Hauptverdiener (in Deutschland: etwa dreizehn Prozent, hier arbeitet fast jede zweite Frau in Teilzeit) – und trotzdem stellte man in einer an der University of Maryland durchgeführten Studie fest, dass verheiratete Mütter nach wie vor fast dreieinhalb Mal mehr Hausarbeiten erledigen als verheiratete Väter – auch Frauen, die »nur« Teilzeit arbeiten, kommen damit auf deutlich mehr Gesamtarbeitsstunden als ihre Männer. Wenn man laufend einem zweijährigen Kind hinterherräumt, kann es schon vorkommen, dass man tierisch genervt ist, wenn der Partner seine Socken wieder einmal nur zusammenknüllt und auf den Boden pfeffert – direkt neben den Wäschekorb. Dabei fand man diese Angewohnheit früher doch so ulkig und liebenswert.

Comedienne und Mutter Dena Blizzard aus New Jersey erklärt, dass es sie fürchterlich auf die Palme bringt, wenn ihr Mann von der Arbeit nach Hause kommt, sich in dem Chaos umsieht, das ihre drei Kinder angerichtet haben, und wissen will, was denn hier passiert sei. Wer hat denn das ganze Zeug durch die Gegend geschmissen? »Jeden Tag fängt er damit an«, so erzählte sie mir. »Und ich so: Ach, das? Das war ich – ich hab alles aus den Schränken gerissen, weil mir so dermaßen langweilig war.«

Und dann folgt immer die Frage, die Hausfrauen und Mütter in aller Welt am meisten fürchten und hassen: »Was hast du eigentlich den ganzen Tag gemacht?« – »Ach, na ja, tausend Sachen irgendwie«, lautet Blizzards Standardantwort darauf, wie sie mir erzählt. »Ich habe Staub gesaugt, habe bei der Giftnotzentrale angerufen, weil unser Sohn irgendeine Pflanze gegessen hat, ach ja, und geduscht habe ich, glaube ich, auch.« Gerne pflaumt sie ihren Mann auf diese Frage hin auch an: »Wir haben drei Kinder, was erwartest du?« Dann tut er immer ganz überrascht. »Und ich würde ihm am liebsten eine reinhauen.«

Soziologe Michael Kimmel, Leiter des Center for the Study of Men and Masculinities an der Stony Brook University, behauptet, dass Männer sich eher noch bei der Erziehung der Kinder mit einbringen als bei der Hausarbeit. Doch wie auch bei den häuslichen Arbeiten sind sie wählerisch, bei welchen Aspekten der Kinderpflege und Erziehung sie mit anpacken. »In vielen Familien der Mittelschicht ist es so, dass der Vater für Spiel und Spaß zuständig ist«, erklärt Kimmel. »Papa geht am Sonntagvormittag mit den Kindern zum Fußballspielen in den Park, während Mama das Frühstücksgeschirr aufräumt, die Betten macht, die Wäsche wäscht und das Essen vorbereitet. Wenn die Kinder gegen Mittag dann nach Hause kommen, kriegt sie Folgendes zu hören: Es war so toll mit Papa im Park, er ist echt cool!«

Dieses unfaire Verhältnis bringt folgender Artikel aus der satirischen Wochenzeitschrift The Onion wunderbar auf den Punkt: »Mama übernimmt im Urlaub sämtliche Hausarbeiten in Meeresnähe«, so die Überschrift. Wie die »Mama« in dem Text es ausdrückt: »Ich finde es super, dass ich das Badezimmer schrubben und dabei aus dem Fenster aufs Meer schauen kann. Das sollten wir jedes Jahr machen!«

Obwohl Väter erheblich aufgeholt haben, was ihren aktiven Beitrag zu Kinderbetreuung und Erziehung betrifft – seit den Sechzigerjahren hat sich die Zeit, die sie mit den Kindern verbringen, verdreifacht –, widmen Mütter dem Nachwuchs nach wie vor doppelt so viel Zeit. Demnach überrascht es kaum, was die American Time Use Survey, durchgeführt im Auftrag der US-Regierung, zutage förderte: dass Mütter sich in vier der wichtigsten Lebensbereiche – Beruf, Haushalt, Freizeit und Kinderbetreuung – stark überfordert fühlen, im Gegensatz zu ihren Männern. (Als ich diese Statistiken las, musste ich an Tina Feys Tipp aus Bossypants: Haben Männer Humor? denken. Dort geht es an einer Stelle darum, wie man trotz Baby noch ein kleines bisschen Zeit für sich selbst findet: »Sagen Sie, Sie würden nach der Windelcreme suchen, dann gehen Sie ins Kinderzimmer und stehen einfach bloß da, bis Ihr Mann kommt und barsch fragt: Was machst du die ganze Zeit?«)

Als Journalist Josh Katz die Zahlen aus der jüngsten Time-Use-Umfrage durchging, fand er heraus, dass selbst Männer ohne Job nur halb so viele Hausarbeiten übernahmen und sich nur halb so oft um die Kinder kümmerten wie ihre Partnerinnen. Eine groß angelegte Studie unter Müttern, durchgeführt von der NBC-Nachrichtensendung Today, förderte zutage, dass für fast die Hälfte der Befragten die Ehemänner eine größere Stressquelle darstellen als die Kinder. Einige von ihnen bemerkten, die Väter würden sich mehr wie Kinder benehmen und nicht wie gleichgestellte Partner.

»Wenn es nach meinem Mann und dem Baby ginge, könnte ich niemals pinkeln gehen, mir die Zähne putzen, duschen oder was essen«, so Leyla, die Freundin einer Freundin. Als sie eines Abends zu einem mehrstündigen Meeting musste, trudelte bereits nach kürzester Zeit eine SMS von ihrem Mann ein. Natürlich ging es um die gemeinsame Tochter, und der ominöse Text lautete folgendermaßen: Eben hat die abendliche Schreistunde begonnen, aber keine Sorge. Wenige Augenblicke später trifft dann die nächste Nachricht ein, schon etwas dringlicher im Ton: So schlimm war es noch nie. »Sekunden später bekomme ich eine Sprachnachricht, wie sich mein Baby die Kehle aus dem Hals brüllt«, erzählt sie. Leyla verabschiedete sich hastig und stürzte zur Tür hinaus. Leider ist das Smartphone zu so etwas wie einer elektronischen Fußfessel für junge Eltern geworden; und blöderweise gibt es im wahren Leben keinen »Flugmodus«.

Ich fühle mich jedes Mal, als wäre ich Toms Mutter, wenn ich ihn wieder einmal nerven muss, eine Sache zu erledigen – ganz besonders, wenn er es als optional betrachtet und so was wie »gleich« murmelt oder mich einfach ganz ignoriert. (Wenigstens macht er es nicht wie der Mann einer Freundin: Der salutiert und ruft: »Zu Befehl, Sir«, was die Kinder zum Lachen bringt. Und zwar auf ihre Kosten.) Darby Saxbe, Professorin für Psychologie an der University of Southern California, hat mir erklärt, dass Paare nicht selten in ein Muster verfallen, das auf Forderungen und Rückzug basiert. Dabei ist es meist die Frau, die fordert, und der Mann, der sich zurückzieht. Diese Dynamik rührt daher, dass Männer im Grunde nicht viel gewinnen, wenn sie ihr Verhalten ändern, während Frauen eher dazu tendieren, den Status quo ändern zu wollen – und deshalb brechen sie auch öfter einen Streit vom Zaun.

Meine Freundin Jenny, Mutter zweier Kinder, erinnert sich an einen Samstagmorgen, als nicht mehr zu leugnen war, dass das Baby eine volle Windel hatte. »Mein Mann flötete nur: Du bist dran, ich hab das letzte Mal gewechselt«, erzählt sie. »Weil ich zu der Zeit nicht arbeitete, war ich ihm geschätzte dreitausend Mal Windelwechseln voraus. Ich glaube, mein Kopf ist um dreihundertsechzig Grad rotiert, so sauer war ich.«

Wenn Männer im Haushalt mithelfen, so Pamela Smock, Professorin für Soziologie an der University of Michigan (und allein angesichts des Ausdrucks »mithelfen« wird deutlich, so meint sie, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben), suchen sie sich stets Aufgaben aus, die einen gewissen »Unterhaltungswert« besitzen. Dazu zählen beispielsweise Arbeiten im Garten, Besorgungen erledigen oder das Umsortieren der Netflix-Merkliste – also zeitlich unabhängige Aktivitäten, die nicht ganz so dringend sind wie die Kinder morgens dazu zu bringen, sich fertig zu machen und zur Schule zu gehen, oder das Essen vorzubereiten. (Noch dazu erfordern fast alle diese weniger wichtigen Aufgaben, dass man das Haus verlässt.)

Smock, führende Expertin auf dem Gebiet sich wandelnder Familienstrukturen, die sich mit Geschlechterungleichheit genauso gut auskennt wie mit Krimis, die auf echten Fällen basieren, sowie mit Rockbands der Siebziger, führt an, dass zusätzlich zu den grundlegenden Aufgaben wie Kochen und Saubermachen Frauen auch zahllose Dinge erledigen, die auf den ersten Blick nicht registriert werden. Es handelt sich um all jene zeitraubenden Arbeiten, die sehr wahrscheinlich in keiner einzigen Studie zum Thema Zeitnutzungsverhalten auftauchen. Da wäre zum einen die sogenannte »Familienarbeit«, was Smock mir gegenüber als »emotionale Unterstützung von Familienmitgliedern, Besorgen von Geschenken und Verschicken von Grußkarten, Organisation von Feierlichkeiten und derlei Dinge« definiert. (Genau aus diesem Grund sorgt eine bestimmte Seite im Buch Porn for New Moms stets für große Erheiterung: Auf dieser ist ein lächelnder, ziemlich attraktiver Mann zu sehen, der an einem Schreibtisch hockt und sagt: Bin gleich bei dir, Schatz. Ich schreibe bloß noch die letzte Dankeskarte für die Babygeschenke fertig.)

Außerdem ist da noch die »emotionale Arbeit«, die ständige Sorge darum, dass es jedem Einzelnen in der Familie gut geht: Wird die Teenietochter in der Schule immer noch geschnitten? Der Hund wirkt ziemlich schlapp, hat er eigentlich seine Nierentabletten bekommen? Hat der Ehemann die Meinungsverschiedenheit mit dem Chef endlich beigelegt?

Und zu guter Letzt existiert eine weitere Art unsichtbarer Aufgaben, die wir als »Konsumarbeiten« bezeichnen wollen – diese umfassen den Kauf von Unterwäsche und Schulutensilien für die Kinder genauso wie Recherchen für einen neuen Kinderautositz oder für einen Hochstuhl. »Diese Aufgaben fallen in den meisten Fällen der Frau zu«, sagt Smock, »es sei denn, es geht um richtig große, kostspielige Anschaffungen wie einen neuen Flachbildfernseher oder einen Kühlschrank.«

Und vergessen wir nicht das ständige Herumkutschieren: Eine Studie in der Zeitschrift Transportation stellte fest, dass Frauen den Großteil der täglichen Gänge und Fahrten im Dienste der Familie übernehmen (die Kinder zur Schule bringen, zum Sport, zum Musikunterricht, die Einkäufe erledigen …). Frauen wenden dafür pro Tag im Durchschnitt elf Minuten mehr auf als Männer – selbst wenn beide Ehepartner berufstätig sind.

Der am wenigsten sichtbare und leider auch zeitintensivste Job allerdings ist jener der Familienmanagerin. »Diesen Posten hat man rund um die Uhr inne«, so Smock. »Man ist diejenige, die den Überblick behält: dass Joey einen Termin beim Zahnarzt hat, was die Kinder gerne essen, dass fürs Wochenende noch ein Babysitter organisiert werden muss. Wenn eine Frau ihrem Mann eine Einkaufsliste in die Hand drückt, erntet er Anerkennung dafür, dass er die Sachen besorgt, dabei ist sie diejenige, die die Liste mühsam zusammengestellt hat. Einem Ehemann genaue Anweisungen zu geben, ist ebenfalls harte Arbeit. Man ist ständig mit solchen Sachen beschäftigt, dauernd kreisen einem Dinge durch den Kopf, auch wenn man sich dessen oft nicht bewusst ist.«

Und den Müttern gefällt das gar nicht, behauptet die New Yorker Psychotherapeutin Jean Fitzpatrick. »Was ich von frustrierten Frauen am häufigsten zu hören bekomme«, sagt sie, »ist Folgendes: Ich will hier nicht der Boss sein, und ich will nicht, dass er ständig angerannt kommt und mich was fragt. Ich will, dass er endlich Eigenverantwortung übernimmt.«

Meine Freundin Marea erklärt, dass dies bei ihr daheim ständig für Konfliktpotenzial sorgt. »Wenn ich nichts sage, passiert gar nichts«, klagt sie. »Unsere Tochter ist sieben, und mein Mann weiß immer noch nicht, wie das alles so läuft. Wenn ich mit etwas beschäftigt bin, kurz bevor sie ins Bett soll, kommt er nicht etwa von selbst auf die Idee, sie bettfertig zu machen, oh nein, das tut er nur auf Aufforderung. Und dass ich ihn wieder und wieder bitten muss, sorgt bei mir für zusätzlichen Stress.«

Nach meinem recht erhellenden Gespräch mit Smock fing ich an, die ganzen unsichtbaren Aufgaben aufzulisten, die ich tagein, tagaus so nebenbei erledige. Und mal ehrlich: Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren. Wenn Tom unsere Tochter zum Schwimmunterricht bringt, bin ich es, die ihnen wiederholt einschärft, wann sie aufbrechen müssen, die gewissenhaft Sylvies Sporttasche packt und sie auch wieder ausleert, sobald sie zurück ist, die ihre nassen Klamotten zum Trocknen aufhängt, ihr einen kleinen Snack vorbereitet und sie in die Badewanne steckt, während Tom aufs Sofa sackt, »völlig erledigt«, wie er sagt. Unsichtbare Arbeiten bleiben im Verborgenen, so lange, bis jemand darauf aufmerksam macht. Nicht einmal Smock war sich bewusst gewesen, dass ihre eigene Mutter bei ihnen daheim so gut wie alles erledigte. Das fiel ihr erst auf, als sie selbst an der Uni war. »Rückblickend denke ich mir: Du lieber Himmel, wie konnte sie den ganzen Tag als Lehrerin arbeiten und dann heimkommen zu ihrem Zweitjob, wo sie sich auch noch um alles kümmerte? Kein Wunder, dass sie immer mal wieder im Schlafzimmer verschwand und sich hinlegen musste. Wie kann es sein, dass das völlig an mir vorbeigegangen ist?« Als ich Smock frage, welche Arbeiten ihr Vater im Haushalt übernommen hätte, lacht sie. »Mein Vater hat sich um alles rund ums Auto gekümmert und um alles, was den Hund betraf«, sagt sie. »Ach ja, und er hat gern tapeziert.«

Auf meine Klagen hin, wie sehr ich mir doch wünsche, Tom würde sich mehr einbringen, kontert er regelmäßig mit der Ausrede, ich würde mich ständig einmischen, wenn er es denn einmal tut. Zum Beispiel würde ich, wenn er eine Windel gewechselt hat, jedes Mal nachkontrollieren, ob der Babyhintern auch ja keine »Bremsspur« mehr aufweist, wie das im eingeschworenen Kreis meiner Mütterfreundinnen so schön heißt. Und ich muss zugeben, bei Aufgaben rund ums Kind habe ich wirklich das Gefühl, ich erledige sie gewissenhafter als er.

Man kann nicht beides haben, behauptet Chris Routly, ein Blogger aus Portland, Oregon, Vollzeitvater und »Betreuungsspezialist« (er zieht diesen Begriff dem Ausdruck »Hausmann und Vater« vor). Er sagt, er könne gut verstehen, dass Frauen auf einem Gebiet, in dem sie ursprünglich einmal die alleinige Herrschaft innehatten, nicht gerne die Verantwortung abgeben. »Wenn wir allerdings Gleichberechtigung in Sachen Kindererziehung wollen, werden Frauen nicht umhinkommen, in diesem Punkt loszulassen«, erklärt der zweifache Vater, der bei unserem Treffen ein »Dads Don’t Babysit«-T-Shirt trägt und auf Instagram beeindruckende Fotos von einem Ninjago-Kuchen gepostet hat, den er für den Geburtstag seines Sohns kreierte. »Wir alle handeln relativ spontan. Ich halte es daher für ein Ammenmärchen, dass Frauen eine Art angeborenes Superwissen haben, wenn es um Kinder geht. Dieses Vorurteil müssen wir ein für alle Mal aus der Welt schaffen.«

Er hat recht. Wie oft habe ich Tom weggescheucht, wenn er mithelfen wollte, bloß weil ich einen gewissen Kick daraus ziehe, wenn ich die Verantwortung trage und gekonnt eine kinderbezogene Aufgabe nach der anderen meistere. Termin beim Kinderzahnarzt – check! Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten unterschreiben – check! Ich habe Spaß am ständigen Organisieren, Recherchieren und Planen – ein Punkt, in dem ich mir mit Caitlin Moran, Mutter zweier Kinder und Ikone des Feminismus sowie Autorin des Buchs How to Be a Woman: Wie ich lernte, eine Frau zu sein, einig bin.

»Man gebe einer frischgebackenen Mutter für eine Stunde ein schlafendes Kind, und sie wird zehnmal mehr schaffen als jemand ohne Kind«, erklärt mir Moran bei unserem Treffen in Philadelphia. »Als Mutter führt man ein Leben wie in einem rasanten Actionfilm, nur dass er kein Ende nimmt und die ganzen langweiligen, alltäglichen Details nicht ausspart«, sagt sie. »Als Mutter erledigt man sogar den Stuhlgang in vier separaten Sitzungen, weil das Kind zwischendurch heult! Eine frischgebackene Mutter schuftet viel härter, ist kreativer und arbeitet effektiver als kinderlose Leute – einzig und allein aus dem Grund, weil sie muss.«

Ich erinnere mich noch ganz genau an den Moment, als mein sorgfältig geplanter, komplexer Balanceakt in sich zusammenfiel. Sylvie war damals noch im Kindergarten. Sie hatte Fieber, deshalb ließ ich sie zu Hause. Natürlich war sie überglücklich und sah sich im Pyjama zufrieden eine Folge Peppa Wutz nach der anderen an, während ich mich auf ein Telefoninterview mit Jennifer Hudson vorbereitete, das die Titelstory für ein großes Magazin werden sollte. Ich setzte also Tom darüber in Kenntnis, dass ich den ganzen Tag auf Sylvie aufpassen würde, außer zwischen siebzehn und achtzehn Uhr, denn da fand das Interview statt. »Ich brauche bloß diese eine Stunde«, schärfte ich ihm ein, während ich ein Tablett mit Snacks für Sylvie vorbereitete und ein Brettspiel bereitlegte.

Um sechzehn Uhr fünfundvierzig waren Tom und Sylvie friedlich mit einer Runde Obstgarten beschäftigt. Ich stahl mich die Treppe hoch in mein Büro, wo ich das Aufnahmegerät schon ans Telefon angeschlossen hatte. Ich kannte Jennifer schon von früheren Interviews, und sie war auch dieses Mal wieder sehr unterhaltsam – charmant und absolut bodenständig.

Wenn ich Telefoninterviews führe, bin ich hoch konzentriert, damit ich in den fünfundvierzig bis sechzig Minuten möglichst alle Fragen unterbringe. Wir waren gerade zum Thema Diättipps übergegangen, als Sylvie plötzlich neben mir stand.

Kacka, raunte sie mir im Flüsterton zu. Mit drei war sie gerade dabei, von der Windel aufs Töpfchen umzusteigen, und sie wollte immer, dass ich dabei war. Wir hatten nur eine Toilette, und die befand sich unten.

Unwirsch scheuchte ich sie fort. Wo ist Papa?, flüsterte ich. »… meine größte Schwäche ist Bananentiramisu, kalorientechnisch natürlich voll der Killer!«, sagte Jennifer gerade. »Deshalb kommt mir das Zeug nicht ins Haus.«

Kacka.

»Ich erzähle den Leuten dann immer, das sei nicht mit meiner Weight-Watchers-Diät vereinbar«, erklärt Jennifer. Ich lachte eine Spur zu herzhaft, während ich Sylvie wild fuchtelnd wegzuscheuchen versuchte. Lass dir von Papa helfen, flüsterte ich kaum hörbar. »Da kenne ich kein Pardon! Zur Not landet das im Müll, da mache ich kurzen Prozess! Weil ich mich nämlich sonst nicht am Riemen reißen kann. Und das muss ich mir ja wohl nicht antun, oder?«

»Ganz genau!« Ich schrie fast, während sich Schweiß in meinem Dekolleté sammelte.

Ich muss Kacka. Jetzt!

In meiner Verzweiflung streifte ich einen Schuh ab und schleuderte ihn treppabwärts, um Tom auf uns aufmerksam zu machen.

Papa übernimmt das, flüsterte ich.

Kacka. Kacka. Kacka. Kacka.

Schließlich fragte ich die weltberühmte Oscar- und Grammy-Gewinnerin, ob sie »für ein klitzekleines Sekündchen« warten könne.

Ich packte Sylvie an der Hand und galoppierte mit ihr nach unten, vorbei an Tom, der gemütlich auf dem Sofa saß. Sein leerer Blick reflektierte das Leuchten des Smartphone-Displays. Hastig runzelte er die Stirn und tat so, als hätte er etwas Ultrawichtiges zu erledigen, irgendwas Dringendes für den Job. Ich durchschaute allerdings genau, was er da trieb. Er genehmigte sich eine Runde Onlineschach gegen einen Typen auf den Philippinen. Ich hab doch bloß eine Minute gespielt, versicherte er mir später, als wir uns dann zofften.

Wenn Eltern sich regelmäßig in die Wolle kriegen, leidet natürlich jeder in der Familie darunter – leider sogar Babys.

Selbst wenn es tief und fest schläft, reagiert ein sechs Monate altes Kind negativ auf wütende, streitlustige Stimmen, wie Forscher an der University of Oregon herausfanden. Sie ermittelten über Messungen die Gehirnaktivität von Säuglingen, die von immer lauter werdenden Stimmen umgeben waren. Kinder unglücklich verheirateter Eltern können an einer ganzen Reihe von Entwicklungsstörungen leiden – dazu zählen verzögerte Sprachentwicklung, spätes Trockenwerden und die Unfähigkeit, sich selbst zu trösten.

Je länger sich solche Zwistigkeiten hinziehen, desto schlimmer wird es für die Kinder. Im Alter zwischen drei und sechs Jahren, so warnen die Psychologen John und Julie Gottman, gehen Kinder nämlich generell davon aus, dass sie der Grund für die Streitereien sind. Zwischen sechs und acht neigen sie dann dazu, sich auf die Seite eines Elternteils zu schlagen (wie es unsere Tochter beispielsweise tut). Der Psychologe Prof. E. Mark Cummings von der University of Notre Dame, Indiana, fand Folgendes heraus: Siebtklässler, deren Eltern sich häufig stritten, als das Kind im Kindergartenalter war, haben öfter mit Depressionen, Ängsten und Verhaltensauffälligkeiten zu kämpfen als Altersgenossen aus harmonischen Familien. Cummings vergleicht Kinder mit emotionalen Geigerzählern, die ein feines Gespür für die Gefühle ihrer Eltern haben. Dies hilft ihnen, sich zu vergewissern, dass sie in der eigenen Familie sicher sind. Er will damit aber keineswegs implizieren, dass Eltern sich niemals streiten sollen: Sind Kinder nämlich nie mit Konflikten konfrontiert, entwickeln sie nicht die Fähigkeit, selbst mit Auseinandersetzungen klarzukommen. Man sollte solche Differenzen allerdings auf gesunde, faire Weise beilegen. Wie Erwachsene eben!

Es führt kein Weg daran vorbei: Die Qualität einer Ehe ist eng verwoben mit der Beziehung zum eigenen Kind. Psychologen an der Southern Methodist University liefern erstaunliche Erkenntnisse: Demnach ist es vor allem die Beziehung des Vaters zu seinen Kindern, die erheblichen Schaden nimmt, wenn Eltern sich bekriegen. Man fand heraus, dass die meisten Mütter es am Tag nach einem größeren Ehekrach schaffen, sich davon zu distanzieren und zu erholen; selbst die Beziehung zum Kind bessert sich. Väter hingegen neigen viel eher dazu, die negativen Spannungen in der Beziehung zur Partnerin auch den Rest der Familie spüren zu lassen. Das Heimtückische daran ist, dass sich der Konflikt am Tag nach dem Streit oder auch erst einige Tage später in Form von Reibereien zwischen Vater und Kind erneut bemerkbar macht.

Als ich Alan Kazdin, Psychologieprofessor an der Yale University und Direktor des dortigen Parenting Centers, erzählte, Sylvie würde jedes Mal dazwischengehen, wenn wir eine Auseinandersetzung hätten, war seine Reaktion ernüchternd. »Das bringt Kinder in eine schreckliche Situation, weil sie ihre eigene Sicherheit und Stabilität bedroht sehen«, meinte er. Während ich ihm die immer schlimmer werdenden Spannungen zwischen Tom und mir schilderte, ließ Kazdin seine professionelle Maske unvermittelt fallen. »Hören Sie«, unterbrach er mich mit sanftem Nachdruck. »Sie haben mich zwar nicht nach meiner Meinung gefragt, aber ich sage Ihnen jetzt trotzdem, was ich darüber denke. Sie scheinen ein netter Mensch zu sein. Das Leben ist unvorhersehbar kurz, und Sie und die Person, mit der Sie eigentlich Ihr ganzes restliches Leben verbringen wollten, streiten sich wegen der Hausarbeit. Das ist es doch nicht wert.« Er machte eine kurze Pause. »Klinge ich zu oberlehrerhaft?«

Nicht im Geringsten, versicherte ich ihm.

»Dann lassen Sie sich eins gesagt sein: Sie haben das nicht nötig«, erklärte er. »Und für Ihr Kind ist es garantiert auch nicht gut!«

Er hatte recht. Es reicht! Höchste Zeit, dass wir die Messlatte höher legen – für mich, für unsere Tochter und für unsere Ehe. Es ist unmöglich, so weiterzuleben, wie man es früher getan hat, wenn man erst einmal ein Kind in die Welt gesetzt hat. Tom und ich müssen lernen, dass nichts mehr ist, wie es war, und wir müssen uns dem stellen. Es zu ignorieren, würde nur großes Leid hervorrufen, und es könnte in einer Katastrophe enden. Es ist beängstigend, dass ich kein Problem mehr damit habe, mir einzureden, wir würden »gut miteinander klarkommen, wenn wir uns nicht gerade streiten«! Ich will die Familie, nach der ich mich mein ganzes Leben gesehnt habe, in vollen Zügen genießen können und mir die ganzen guten Dinge, die mein Mann macht, vor Augen führen. Unser Zuhause sollte ein Ort der Sicherheit sein, ein Ort, an dem wir uns alle wohlfühlen.

Da ich meinen Lebensunterhalt mit Recherchen verdiene, kann ich das doch genauso gut auch an mir selbst ausprobieren? Also beschließe ich, einen Berg an Ratgebern zu lesen und mich mit Experten zu unterhalten. Ich werde Psychologen, Erziehungsexperten, Neurowissenschaftler und andere Eltern befragen. Ich werde nichts unversucht lassen. Ich werde mit Tom zum Paartherapeuten gehen – okay, ich werde ihn hinschleifen müssen, aber egal. Wir werden Strategien ausfindig machen, um die Harmonie in unserer Ehe und damit auch in unserer kleinen Familie wiederherzustellen.

Sylvie ist gerade sechs geworden. Es ist noch nicht zu spät, alles wieder hinzubiegen.

Mütter, Väter, Streitereien

Nachdem ich beschlossen habe, die Feindseligkeiten zwischen uns zu begraben, verbringen Tom, Sylvie und ich ein Wochenende im Haus meiner Eltern in New Jersey, zusammen mit meinen beiden jüngeren Schwestern und ihren Familien. Dinah, Lektorin in einem Buchverlag, gehört zu jenen großzügigen Menschen, die noch bei den lästigsten Aufgaben behaupten, das bereite keine Umstände. Und immer zaubert sie eine kleine Leckerei aus ihrer Handtasche hervor – für die Erwachsenen wohlgemerkt. Auf ihren Mann Patrick, ehemaligen Marinesoldat und jetzt Angestellten in der Gastronomie, ist Verlass, wenn es darum geht, ein unzufriedenes Kind mit allerhand Albernheiten abzulenken.

Heather, die Jüngste von uns, war immer sehr zuverlässig und verantwortungsbewusst und deshalb der begehrteste Babysitter in unserer Nachbarschaft. Mittlerweile ist sie Grundschullehrerin und äußerst beliebt bei ihren Schülern – sie hängen an ihr wie Babyopossums an ihrer Mutter. Ihr Mann Rob ist Koch von Beruf – auf den ersten Blick ein total cooler tätowierter Typ, doch tief in seinem Inneren ein liebevoller, lockerer Vater, der nach ein bis zwei Bier im Kreis der Familie zu sentimentalen Ansprachen neigt.