Brotherband - Die Schlacht um das Wolfsschiff - John Flanagan - E-Book

Brotherband - Die Schlacht um das Wolfsschiff E-Book

John Flanagan

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Beschreibung

Die Jagd nach Skandias heiligstem Artefakt führt Hal und seine Jungs zur Zitadelle Raguza – Zavacs Piratennest. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse: Dank Zavacs Intrigenspiel steht Hals Mannschaft plötzlich unter Mordanklage und soll hart bestraft werden! Zum Glück gelingt es Lydia, sie zu befreien. Jetzt fordert Hal Genugtuung von Zavac – in Form eines Duells ihrer Schiffe! Ein dramatischer Kampf entbrennt. Ob es der Bruderschaft gelingen wird, das wertvolle Artefakt zurückzuerobern?

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© Random House Australia

DER AUTOR

John Flanagan arbeitete als Werbetexter und Drehbuchautor, bevor er das Bücherschreiben zu seinem Hauptberuf machte. Den ersten Band von »Die Chroniken von Araluen« schrieb er, um seinen 12-jährigen Sohn zum Lesen zu animieren. Die Reihe eroberte in Australien in kürzester Zeit die Bestsellerlisten.

Von John Flanagan ist als cbj Taschenbuch erschienen:

»BROTHERBAND 1 – Die Bruderschaft von Skandia«

»BROTHERBAND 2 – Der Kampf um die Smaragdmine«

»Die Chroniken von Araluen 1 – Die Ruinen von Gorlan«

»Die Chroniken von Araluen 2 – Die brennende Brücke«

»Die Chroniken von Araluen 3 – Der eiserne Ritter«

»Die Chroniken von Araluen 4 – Der Angriff der Temujai-Reiter«

»Die Chroniken von Araluen 5 – Der Krieger der Nacht«

»Die Chroniken von Araluen 6 – Die Belagerung«

»Die Chroniken von Araluen 7 – Der Gefangene des Wüstenvolks«

»Die Chroniken von Araluen 8 – Die Befreiung von Hibernia«

»Die Chroniken von Araluen 9 – Der große Heiler«

»Die Chroniken von Araluen 10 – Der Schwertkämpfer von Nihon-Ja«

John Flanagan

BROTHERBAND

Die Schlacht um das Wolfsschiff

Aus dem Englischenvon Angelika Eisold Viebig

Kinder- und Jugendbuchverlagin der Verlagsgruppe Random House

1. Auflage

Erstmals als cbj Taschenbuch September 2014

© 2014 der deutschsprachigen Ausgabe cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House, München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

© 2012 John Flanagan

Die Originalausgabe erschien 2012

unter dem Titel »BROTHERBAND. The Hunters«

bei Random House Australia Pty Limited, Sydney, Australia

Übersetzung: Angelika Eisold Viebig

Lektorat: Andreas Rode

Umschlagbild: © Jeremy Reston

Verwendung mit freundlicher Genehmigung von

Philomel Books, einem Imprint von Penguin Young Readers Group

in der Verlagsgruppe Penguin Inc. (USA)

All rights reserved

Umschlaggestaltung: init. Büro für Gestaltung, Bielefeld,

unter Verwendung des Originalcovers von www.blacksheep-uk.com

MP ∙ Herstellung: CB

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-10129-9www.cbj-verlag.de

In Gedenken an meine Mutter, Kathleen Frances Flanagan.Ich wünschte, sie wäre noch da, um das alles mitzuerleben.

Teil eins

Die Jagd

Kapitel eins

Land! Ich kann Land sehen!«

Das war Stefan, der im Bug des Seevogels stand und Ausschau hielt.

Sofort eilte die ganze Mannschaft aufgeregt durcheinanderredend an die Reling, um einen Blick auf die Küste zu erhaschen, die im Augenblick nicht mehr als eine ferne, verschwommene Linie am Horizont war.

Hal atmete erleichtert auf. Vier Tage waren sie nun außer Sichtkontakt zum Festland gewesen, da sie von der Ostküste der Sturmweißen See quer hinüber zur Südküste segelten. Nach Tagen ohne irgendwelche Referenz- oder Orientierungspunkte, mit nichts als den Wellen vor sich, hatten sich bereits Zweifel in ihm breitgemacht und sein Selbstvertrauen erschüttert. Was, wenn er seinen Sonnenkompass falsch gelesen hatte? Was, wenn Stig das Schiff vom Kurs abgebracht hatte, während Hal schlief? Was, wenn ihm selbst irgendein ganz einfacher, aber fataler Fehler unterlaufen war, der sie in die falsche Richtung geführt hatte?

Wenn man außer Landsicht segelt, dachte er, macht man sich wohl immer Sorgen, dass man es nie mehr zurückschafft.

Er schüttelte über sich selbst den Kopf, denn eigentlich wusste er, wie grundlos seine Befürchtungen waren. Vier Tage waren schließlich eine recht kurze Zeit auf dem Meer. Viele Seeleute in Skandia waren wochenlang ohne Land in Sicht gesegelt. Er selbst hatte es ja auch schon getan, wenn auch auf Schiffen unter anderem Kommando. Doch dies war sein erstes Mal als Skirl.

Thorn verließ seinen Lieblingsplatz neben dem Schwertgehäuse und trat zu ihm. Mit geübtem Seemannsgang fing er die Bewegung des Schiffes problemlos ab und lächelte seinen jungen Freund nun an. Er hatte viele Jahre auf dem Meer verbracht, doch er wusste nur zu gut, was Hal durch den Kopf gegangen sein musste.

»Gut gemacht«, sagte er leise.

Hal erwiderte sein Lächeln. »Danke.« Er versuchte lässig zu wirken, konnte es jedoch nicht allzu lange durchhalten. »Ich muss zugeben, ich hatte ein paar schlaflose Momente.«

Thorn hob eine Augenbraue. »Nur ein paar?«

»Zwei, um genau zu sein. Einer davon hielt die ersten beiden Tage an, der andere die nächsten beiden. Abgesehen davon ging es mir gut.«

Die Tatsache, dass der junge Skirl seine Sorgen zugeben konnte, war ein Zeichen seiner wachsenden Reife und seines Selbstvertrauens.

Er wird schnell erwachsen, ging es Thorn durch den Kopf. Das Kommando über ein Schiff zu haben, hatte wohl eine solche Auswirkung auf einen Menschen. Entweder man wuchs mit der Verantwortung oder sie haute einen um.

Im Bug war Stig neben Stefan auf die Verschanzung geklettert und schirmte seine Augen ab, dann drehte er sich um und rief seinen Bericht nach hinten.

»Ich sehe drei Hügel, zwei große, einen kleinen. Der kleine ist in der Mitte. Alle zusammen liegen leicht backbord.

Thorn sah den zufriedenen Ausdruck, den Hals Gesicht nun annahm, und nickte beifällig.

»Klingt nach dem Zwergenhügelkap«, sagte er. »Ist das nicht auch genau dein Ziel gewesen?«

Es war eine nahezu perfekte Navigation – eine beeindruckende Leistung für einen noch jungen Skirl. Thorn war ein erfahrener Seemann, aber die Feinheiten der Navigation waren nie seine Stärke gewesen.

Hal versuchte, sich seine Zufriedenheit nicht allzu sehr anmerken zu lassen.

»Es hätte eigentlich direkt vor uns liegen sollen«, murrte er, doch dann setzte sich das Lächeln wieder durch. »Aber ich hab mich trotzdem ganz gut geschlagen, oder?«

Thorn klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. »Sogar sehr gut. Für einen alten Küstensegler wie mich ist es sowieso immer wieder beeindruckend.«

Hal nickte zum Bug hin. »Sieht so aus, als interessiere sich unser Gefangener schließlich doch noch für seine Umgebung.«

Rikard, der magyarische Pirat, den Thorn aus dem Gefängnis von Limmat geholt hatte, stand auf, um zum Land zu spähen. Während der letzten Tage hatte er sich – gehalten von einer schweren Kette, die ihn an den dicken Balken fesselte – neben dem Mast zusammengekauert.

»Er riecht Heimatluft«, sagte Thorn. »Die Mündung zum Schuyt liegt nur wenige Meilen weiter die Küste hoch. Dieser Fluss führt zur Hauptstadt der Magyaren.«

»Lassen wir ihn jetzt frei?«, fragte Hal.

Thorn schüttelte den Kopf. »Nicht, bevor wir sicher sind, dass er uns die Wahrheit gesagt hat. Wenn es stimmt, dass Zavac über den Fluss Danyo nach Raguza will, müssten wir während unserer Fahrt jemanden finden, der den Raben gesehen hat. Solange muss unser Freund hier noch warten.«

Nachdem sie den Hafen von Limmat hinter sich gelassen hatten, hatte Rikard ihnen wie versprochen Zavacs Zielhafen genannt. Zavac war der Kapitän der Piraten, der den Andomal gestohlen hatte, Skandias wertvollstes Artefakt. Hal und seine Mannschaft hatten in dieser Nacht die ehrenvolle Aufgabe gehabt, den Andomal zu bewachen. Dementsprechend hatten sie nun ein persönliches Interesse daran, das Artefakt zurückzubekommen.

Deshalb hatten sie Zavac quer über die Sturmweiße See verfolgt, doch das magyarische Schiff – ein großes schwarzes Schiff namens Rabe – war ihnen immer eine Nasenlänge voraus gewesen. Sie hatten Zavac und den Raben dann in Limmat eingeholt, einer Hafenstadt an der Ostküste. Zavac hatte mit zwei anderen Schiffen die Stadt angegriffen und eingenommen. Die Mannschaft des Seevogels hatte entscheidend dazu beigetragen, die Piraten zu besiegen. Viele der Piraten waren entweder getötet oder gefangen genommen worden, doch Zavac und seine Mannschaft hatten das nordländische Schiff Wolfswind gerammt und beinahe versenkt. So waren sie entkommen.

Wenn man Rikard glauben durfte, dann war Zavac mit seiner Mannschaft unterwegs zum Fluss Danyo, einer riesigen Wasserstraße, die von der Sturmweißen See im Norden des Festlands bis fast hinunter zum Süden, in die Nähe des Ewigen Meeres, führte. Am südlichen Ende des Flusses befand sich eine befestigte Zitadelle namens Raguza – ein Piratenhafen, der von einem Rat aus Seeräubern und Dieben regiert wurde. Alle Gesetzesbrecher der Sturmweißen See und des Ewigen Meeres suchten dort Zuflucht. Hier waren sie vor Verfolgung und Rache geschützt. Schiffe, die in Raguza vor Anker gingen, bezahlten eine Abgabe an den Rat der Stadt. Normalerweise war dies ein Zehntel der Beute, die sie an Bord hatten. Das war zwar teuer, doch wenn man dafür Sicherheit vor Verfolgung genoss, war es nicht zu teuer erkauft.

Zavac hatte eine große Menge an Smaragden bei sich, die er aus der geheimen Mine in Limmat erbeutet hatte. Ein Teil dieser Smaragde wäre der Lohn für die Männer gewesen, die ihm beim Überfall auf die Stadt geholfen hatten. Doch viele waren besiegt, getötet oder in den Kerker geworfen worden, und Zavac hatte sich mit ihrem Anteil davongemacht. Mit so reicher Beute brauchte er im Augenblick keine weiteren Schiffe mehr zu überfallen. Also hatte er anscheinend beschlossen, sich in Raguza zu erholen und später neu zu formieren.

Als sich der Seevogel nun der Küste näherte, schien der Gefangene zu bemerken, dass Hal und Thorn ihn beobachteten. Er drehte sich zu ihnen und winkte Thorn auffordernd zu.

Der alte Seewolf ging zu ihm. »Was ist?«, fragte er und kannte die Antwort schon, bevor Rikard sie aussprach.

»Lasst ihr mich dort frei?«, fragte er und deutete auf die Küste.

Thorn schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, wir können noch nicht ganz ohne das Vergnügen deiner Anwesenheit auskommen.«

»Ich habe meinen Teil der Abmachung gehalten! Ihr habt versprochen, dass ihr mich freilasst«, protestierte Rikard.

»Nein. Ich habe versprochen, dass ich dich freilasse, sobald wir sicher sind, dass du deinen Teil der Abmachung eingehalten hast. Ich habe dir auch versprochen, dass ich dich über Bord werfe, wenn du mich belügst.«

»Tja, gibt es einen Grund, weshalb du mich so angekettet lassen musst?« Rikard klapperte zornig mit der Kette, die ihn an den Mast band. »Schließlich kann ich sowieso nirgendwohin fliehen.«

Thorn grinste ihn an. »Das ist nur für den Fall, dass du mich des Vergnügens berauben willst, dich über Bord werfen zu können. Wir möchten doch nicht, dass du die Sache in die eigenen Hände nimmst.«

Rikard sah ihn wütend an und ließ sich dann wieder aufs Deck sinken. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, weiter zu streiten. In den wenigen Tagen an Bord hatte er gelernt, dass Thorn seine Meinung nicht so schnell änderte.

»Ich weiß, du kannst es kaum erwarten, zurück in deine Heimat zu kommen und dich anderen Piraten anzuschließen«, sagte Thorn. »Aber erst musst du es noch eine Weile mit uns aushalten.« Er drehte sich um und marschierte zum Steuerruder, wo Lydia und Stig momentan Hal Gesellschaft leisteten.

»Wollt ihr ihn an der Küste absetzen?«, fragte Lydia, als Thorn zu ihnen trat.

Hal schob nachdenklich die Lippen vor und schüttelte den Kopf.

»Wir fahren noch einen Tag die Küste entlang, bis zur Mündung des Danyo. Dort können wir an Land gehen und uns umhören, ob irgendjemand den Raben gesehen hat.«

Bis jetzt nagte immer noch die Sorge an ihm, dass Zavac vielleicht in eine ganz andere Richtung geflohen war und sie während der vergangenen vier Tage eine falsche Spur verfolgt hatten.

»Die Jungs könnten eine gute Mütze Schlaf vertragen«, meinte Lydia. »Genau wie ich.«

Der Seevogel war nicht gerade der bequemste Ort zum Schlafen. Die Mannschaft legte sich dazu auf die Planken zwischen den Ruderbänken. Doch das ständige Auf und Ab des Schiffes, dem sie sich anpassen mussten, und die gelegentlichen Gischtschauer machten einen tiefen, ungestörten Schlaf unmöglich.

»Noch ein Tag mehr wird ihnen nicht schaden«, sagte Hal.

Sie lächelte wehmütig. »Und mir auch nicht?«

»Dir auch nicht. Tut mir leid. Wir alle müssen warten und durchhalten. Je früher wir herausfinden, ob wir auf der richtigen Spur sind, desto besser.«

Lydia nickte. Hal hatte recht und er selbst hatte wahrscheinlich am wenigsten Schlaf von allen an Bord gehabt. Er und Stig teilten sich die Verantwortung am Steuer des Schiffes, und Hal neigte dazu, sich den größeren Teil aufzubürden.

»Würde es nicht reichen, sich in einem der Küstenorte hier umzuhören?«, fragte Stig, doch Hal schüttelte den Kopf.

»Wenn man sie hier gesichtet hat, heißt das noch lange nicht, dass sie den Fluss hinaufgesegelt sind. Sie hätten genauso gut nach Westen der Küste folgen können.«

Stig seufzte gutmütig. »Na gut, das heißt wohl noch eine weitere Nacht auf diesen harten Planken. Warum hast du dieses Schiff eigentlich nicht etwas bequemer gebaut? Irgendwie bohrt sich ständig irgendeine Querstrebe in meine Rippen.«

Hal grinste seinen Freund an. »Ich werde es mir fürs nächste Mal merken, wenn ich wieder ein Schiff baue«, sagte er.

Und wie es so oft passiert, wenn jemand das Thema Schlaf anschneidet, stellte er fest, dass er ein ausgiebiges Gähnen nicht unterdrücken konnte.

Thorn musterte ihn nachdenklich. »Du siehst so aus, als könntest du selbst eine gute Mütze Schlaf vertragen.«

Hal zuckte mit den Schultern und blinzelte heftig, um wieder klar sehen zu können. Jetzt, da Thorn es erwähnte, merkte er, wie trocken seine Augen waren und wie stark sie brannten.

»Mir geht es bestens«, versicherte er.

Doch Thorn ließ sich nicht so leicht täuschen.

»Ich habe überlegt, dass du noch jemand anderen am Steuerruder einweisen solltest«, sagte er.

Stig räusperte sich absichtlich laut. »Ähm … hat jemand bemerkt, dass ich hier bin? Oder haltet ihr mich für ein Stück geräucherten Lachs?«, fragte er. »Ich meine mich zu erinnern, während der letzten paar Tage schon ein paar Mal das Steuer übernommen zu haben.«

»Das weiß ich doch«, sagte Thorn geduldig. »Ich meinte, wir bräuchten noch einen Dritten, der übernehmen könnte.«

»Kannst du das nicht machen?«, fragte Lydia.

Thorn sah zu ihr. »Könnte ich. Aber wenn wir in eine Schlacht geraten, sind Stig und ich wohl die besten Kämpfer an Bord. Und Hal muss die Wumme bedienen können.«

Wumme hatten sie die riesige Armbrust genannt, die im Bug des Schiffes montiert war.

»Hast du jemand Bestimmten im Auge?«, fragte Hal.

Thorns Überlegungen waren vernünftig. Ein dritter Steuermann würde den Druck lockern, der auf ihm selbst und Stig lastete, denn schließlich hatten sie eine lange Reise vor sich.

»Ich dachte an Edvin«, sagte Thorn. »Stefan und Jesper arbeiten gut an den Segeln zusammen, genau wie Ulf und Wulf. Edvin ist im Moment irgendwie übrig.«

Hal lächelte. »Es wäre vielleicht taktvoller zu sagen, er hat ungenutztes Potenzial«, meinte er. »Aber ja, das ist eine gute Idee. Außerdem ist er klug und passt gut auf. Er wird es bald beherrschen. Reden wir mit ihm.« Er nickte Stig zu, der daraufhin das Steuer übernahm. Mit Thorn zusammen ging Hal nach vorne zu Edvin. Dieser saß am Boden neben Ingvar, der in der Schlacht um Limmat verwundet worden war und nun mit seinem Verband ausgestreckt dalag.

Den Kopf vorgebeugt, arbeitete Edvin konzentriert mit zwei langen dünnen Stäben und verursachte dabei ein schnelles klickendes Geräusch. Ein Wollknäuel lag auf dem Deck zwischen seinen Füßen.

»Edvin?«, sprach Hal ihn an. »Was machst du denn da?«

Edvin blickte auf und lächelte. »Ich stricke«, antwortete er. »Ich stricke mir eine warme Wollmütze.«

Hal und Thorn sahen sich an.

»Ich frage mich, ob wir nicht vielleicht doch einen Fehler machen«, meinte Thorn.

Kapitel zwei

Er strickt, sagst du?« Jesper runzelte die Stirn, doch Stefan nickte nachdrücklich.

»Er strickt. Er hatte ein großes Wollknäuel und zwei Nadeln und strickte.«

Sie blickten zum Heck, wo Hal Edvin in die Feinheiten bezüglich der Handhabung des Steuerruders einführte. Stig und Thorn standen seitlich daneben und sahen zu. Während Edvin sich einweisen ließ, hatte Lydia seinen Platz an Ingvars Seite übernommen. Der Seevogel fuhr vor dem Wind, und es gab für die Mannschaft nicht viel zu tun. Jesper und Stefan, deren Aufgabe es war, die Segel zu setzen oder zu bergen, hatten sich zu den Zwillingen Ulf und Wulf gesetzt, die mit dem Segeltrimm beauftragt waren.

»Ich weiß nicht, ob das Schiff von jemandem gesteuert werden sollte, der seine Freizeit mit Stricken verbringt«, sagte Stefan. Es war eigentlich nur ein albernes Vorurteil, aber die anderen schienen seine Meinung zu teilen. Sie blickten alle wieder zu Edvin.

»Wie geht Stricken denn überhaupt?«, überlegte Jesper.

Ulf zuckte geringschätzig mit den Schultern. »Es ist eigentlich ziemlich leicht.«

Alle sahen ihn an. Wie vorauszusehen, war es Wulf, der antwortete.

»Ach ja? Vielleicht erklärst du es uns dann.«

Ulf zögerte. Er hatte seine Mutter, seine Tante und seine Großmutter stricken gesehen und nicht den Eindruck gehabt, als sei es besonders schwierig. Die drei konnten sogar stricken, ohne hinzusehen – und dabei unterhielten sie sich noch über das Wetter oder den Preis von Salzheringen. Also durfte man doch wohl annehmen, dass es leicht war. Besonders, wenn sogar seine Tante es konnte.

Er merkte, dass die anderen drei ihn anschauten und auf seine Antwort warteten. Er wedelte unbestimmt mit der Hand.

»Na ja, du besorgst dir ein paar Nadeln …«

»Stricknadeln?«, fragte Stefan und Ulf runzelte die Stirn, denn er mochte es gar nicht, unterbrochen zu werden.

»Natürlich Stricknadeln!«, sagte er etwas hitzig. »Glaubst du vielleicht, sie benutzen Stopfnadeln zum Stricken?«

»Was genau ist denn Stopfen?«, warf Jesper ein.

Ulf sah ihn gereizt an. Anscheinend wollten ihn heute Morgen alle unterbrechen.

»Wenn man einfach was reinstopft, weil man nicht Stricken kann?«, schlug Wulf vor, und die drei lachten. Ulf verzog keine Miene und warf seinem Bruder einen gequälten Blick zu.

»Der war gut, Ulf«, sagte Jesper zu Wulf. Ulf verdrehte die Augen. Das wurde langsam nervig, fand er.

»Ich bin Ulf«, sagte er kurz. »Er ist Wulf.«

»Bist du sicher?«, fragte Stefan und verkniff sich ein Lächeln. »Er sieht mir sehr nach Ulf aus.«

»Weißt du«, sagte Wulf nachdenklich und ergriff freudig die Gelegenheit, seinen Bruder zu ärgern, »ich könnte Ulf sein. Als ich heute Morgen aufwachte, war ich nicht ganz sicher, wer ich war. Ich dachte, vielleicht haben sie den Falschen geweckt.«

»So etwas hat unsere Mutter auch am Tag deiner Geburt gesagt«, konterte Ulf. »Sie sah dich an und sagte: ›O nein! Das ist der Falsche. Dieser hässliche Säugling kann unmöglich meiner sein!‹«

Wulf richtete sich auf und musterte seinen Bruder mit einer fast drohenden Miene. »Und das kannst du natürlich wissen, ja?«

»Ja, das kann ich«, erwiderte Ulf. »Weil ich vor dir geboren wurde. Ich erinnere mich, dass ich ewig auf dich warten musste. Und was für eine große Enttäuschung deine Ankunft für alle war«, fügte er triumphierend hinzu. Nun war er in seinem Element. Die Tatsache, dass er der Erstgeborene war, gab ihm bei diesen Diskussionen eine gewisse moralische Überlegenheit über seinen Bruder.

Wulfs Gesicht rötete sich mittlerweile. »Erwartest du allen Ernstes von mir zu glauben, dass …«, begann er.

Doch Lydia, die nicht weit entfernt stand, unterbrach ihn.

»Lasst es gut sein, Jungs. Wir sind schließlich auf See.«

Sie blickten zu ihr, und sie deutete mit dem Kopf auf das Heck und die kleine Gruppe am Steuerruder. Wulf verzog unsicher den Mund. Hal hatte den Zwillingen jegliche Streitereien untereinander während der Zeit auf See verboten. Bis jetzt hatten sie es geschafft, sich zu beherrschen, doch in den letzten vier Tagen war nicht viel passiert, und sie langweilten sich inzwischen.

»Ich glaube nicht, dass er uns gehört hat«, sagte er leise.

Zu seiner Verblüffung antwortete Thorn, ohne überhaupt in seine Richtung zu sehen: »O doch, das hat er.«

Ulf und Wulf wechselten einen erschrockenen Blick. In Wirklichkeit war Hal im Augenblick zu beschäftigt gewesen, Edvin in die Handhabung des Steuerruders einzuweisen, als dass er auf sie hätte achten können. Doch das konnten die Zwillinge nicht wissen.

»Aber erzähl uns doch trotzdem alles, was du über das Stricken weißt«, forderte Wulf ihn auf.

Sein Bruder sah ihn aufgebracht an. Er hatte angenommen, dass er sich nun zumindest vor der Beantwortung der Frage nach dem Stricken drücken konnte. Doch Wulf würde ihn natürlich nicht so einfach vom Haken lassen. Ulf holte tief Luft.

»Tja, wie gesagt, man braucht Nadeln … Stricknadeln«, fügte er rasch hinzu. »Und man braucht ein Wollknäu…«

»Wie viele?«, unterbrach Jesper.

Ulf runzelte die Stirn. »Nur eines. Ein Wollknäuel.«

Doch Jesper schüttelte den Kopf. »Nein. Wie viele Stricknadeln?«

»Zwei«, sagte Ulf mit einem warnenden Unterton. »Zwei Stricknadeln, ein Wollknäuel.«

»Wenn du vier Nadeln benutzen würdest, könntest du dann nicht doppelt so schnell stricken?«, fragte Stefan betont unschuldig.

Ulf warf ihm einen strafenden Blick zu, dann fuhr er fort: »Du wickelst die Wolle um die Nadeln und schiebst die Nadeln immer wieder hinein und durch und … na ja, du strickst eben.« Er machte eine ausholende Bewegung mit der Hand, als ob das bereits alles erklärt hätte. Die anderen musterten ihn skeptisch.

Ein paar Meter entfernt öffnete Ingvar die Augen, während Lydia ein feuchtes Tuch auf seine Stirn legte.

»Worüber quasseln die denn?«, fragte er. Seine Stimme war sehr schwach, was sie beunruhigte. Er hätte schon viel besser erholt sein müssen. Sie lächelte ihn an. Es würde ihm auch nicht helfen, wenn sie sich ihre Besorgnis anmerken ließ.

»Sie reden übers Stricken«, erklärte sie. »Sie sind wieder mal einfach nur albern.«

Er versuchte zu nicken, doch es war eine kraftlose Bewegung. Er murmelte etwas, was sie nicht verstand, und sie beugte sich näher.

»Was war das?«

»Einfach gestrickt«, wiederholte er, jetzt deutlicher. »Sie sind eben einfach gestrickt.« Er lachte über seinen eigenen Witz, doch das schien ihm Schmerzen zu bereiten, und er hörte sofort wieder auf. Sie nahm seine Hand, drückte sie mitfühlend und wünschte, sie könnte mehr für ihn tun.

Jesper war mit Ulfs Erklärung nicht zufrieden. Jetzt, da das Thema Stricken aufgekommen war, war seine Neugier geweckt und er wollte mehr darüber wissen. Um die Wahrheit zu sagen, war er gelangweilt, und hätte momentan jedes Thema interessant gefunden. Er drehte sich zu Lydia, die Ingvars Hals und Gesicht mit einem nassen Tuch abtupfte.

»Lydia, wie schwierig ist Stricken?«, fragte er. Sie machte eine Pause und sah zu ihm hoch.

»Woher soll ich das wissen?«, erwiderte sie gleichmütig.

Er zuckte mit den Schultern. »Na ja, du bist ein Mädchen, und es ist ja irgendwie so ein Mädchending, also dachte ich …«

Er brach ab, als er merkte, dass Lydia schweigend seinen Blick hielt. Sie ließ das Schweigen zwischen ihnen noch etwas länger andauern, ohne den Blick zu wenden, und beobachtete, wie er sich immer unwohler fühlte. Schließlich antwortete sie ihm.

»Ich weiß nicht, Jesper. Ich stricke nicht.«

»Oh«, sagte er, erleichtert, dass der unangenehme Moment vorbei zu sein schien. Bei Lydia wusste man nie, woran man war. Sie war nicht wie die meisten Mädchen, und dieser lange Dolch, den sie trug, war sehr scharf.

»Aber ich kann nähen«, sagte sie, und er sah sie rasch an. Etwas in ihrem Ton verriet ihm, dass sie noch nicht fertig war. Er schluckte nervös, als ihr Blick sich in seinen bohrte und ihn drängte, wegzusehen. Offenbar erwartete sie eine Antwort.

»Ach ja?«

»Ja, kann ich. Und wenn du mir noch einmal eine so blöde typisch männliche Frage stellst, dann näh ich dir deine Unterlippe ans Ohr.«

Er nickte einige Male. »Klar doch. Klar. Unterlippe ans Ohr. Hab verstanden. Verstanden. Reden wir doch einfach über was anderes, oder?«, schlug er den Umstehenden vor.

»Worüber willst du denn reden?«, fragte Wulf. Jesper warf Lydia einen nervösen Blick zu. Sie schien jedoch das Interesse an ihm verloren zu haben und kümmerte sich wieder um Ingvar.

»Alles Mögliche. Alles, außer Stricken.«

Auf der Steuerplattform hatte Edvin langsam den Dreh raus. Er drehte sich kurz um und musterte das Fahrwasser. Es zeigte eine respektable gerade Linie – nicht pfeilgerade wie die von Hal, aber auch nicht allzu schlecht.

»Wir machen schon noch einen Steuermann aus dir, junger Edvin«, sagte Thorn und das Gesicht des Jungen rötete sich erfreut. Er lenkte das Schiff probeweise ein paar Grad vom Kurs weg, dann wieder zurück auf Kurs.

»Sehr gut«, lobte Hal. »Brauchst du etwas, Lydia?«

Das schlanke Mädchen war zur Steuerplattform gekommen und schien mit ihm sprechen zu wollen. Sie nickte zu Edvin.

»Eigentlich brauche ich Edvin, wenn du ihn entbehren kannst. Edvin, kannst du kommen und nach Ingvar sehen? Ich glaube, es geht ihm nicht so gut.«

Kapitel drei

Ich dachte, es ginge ihm bereits besser«, sagte Hal, als er Edvin und Lydia zu Ingvar folgte, der mittschiffs auf seinem improvisierten Lager lag. Der Kamerad war während des Angriffs auf Limmat von einem Pfeil verwundet worden.

Edvin schob nachdenklich die Lippen vor. Er sah besorgt aus. »Das dachte ich auch. Doch gestern hat sein Zustand sich verschlechtert. Ich hatte gehofft, es sei nur vorübergehend. Aber jetzt …« Er beendete den Satz nicht.

Ingvar schlief – wenn man das schlafen nennen konnte. Man konnte eher sagen, dass er nicht bei Bewusstsein war. Seine Augen waren geschlossen und er warf den Kopf unruhig auf dem Kissen hin und her. Seine Wangen waren eingesunken und seine Haut sah wächsern und blass aus. Unter seinen Augen waren dunkle Ränder. Edvin kniete sich neben ihn und legte sanft seine Hand auf Ingvars Stirn. Seine offenkundige Besorgnis schien sich zu vertiefen und er bedeutete Hal, näherzutreten und Ingvars Stirn zu fühlen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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