Butler Parker 106 – Kriminalroman - Günter Dönges - E-Book

Butler Parker 106 – Kriminalroman E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Diesen Titel gibt es nur als E-Book. Widerstand wäre sinnlos gewesen. Kathy Porter sah in die Mündung einer Waffe, die mit einem modernen Schalldämpfer versehen war. Der Mann, der die Waffe in der Hand hielt, machte einen sehr entschlossenen Eindruck. Er schien nur darauf zu warten, auch abdrücken zu können. In seinen großen, grünlich schimmernden Augen lag so etwas wie frohe Erwartung. "Mitkommen", sagte er fast enttäuscht, als Kathy stehenblieb. Die langbeinige junge Frau, groß, schlank und dennoch sehr weiblich aussehend, erinnerte an ein ängstliches und scheues Reh, das sich vor Schreck nicht zu rühren vermag. Der Mann rückte seinen zusammengelegten Mantel wieder so über den Unterarm und die Waffe, daß selbst der Schalldämpfer verschwand, und deutete mit dem Kinn zum Fahrstuhl. Kathy Porter gehorchte augenblicklich. Sie wollte den Mann auf keinen Fall provozieren. Sie wußte nicht, wer er war und was er von ihr wollte. Sie wußte nur, daß ihr Leben an einem seidenen Faden hing, deshalb setzte sie sich sofort in Bewegung und ging zum Aufzug, der sich gerade öffnete. "Vorsicht, Masern", sagte der schlanke Mann, als weitere Leute zusteigen wollten. "Ansteckungsgefahr. Er ließ sie nicht aus den Augen und achtete auf jede ihrer Bewegungen. Mit seinem einfachen Trick erreichte er übrigens genau das, was er wollte. Die Leute sprangen förmlich zurück und hüteten sich in den Aufzug zu steigen. Zischend schlossen sich die Türen. "Kellergeschoß drücken", kommandierte der Mann. Kathy Porter gehorchte erneut und drückte sich dann ängstlich in die Ecke des Aufzugs.

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Butler Parker – 106 –

Solo unterwegs

Günter Dönges

Günter Dönges

Solo für ein scheues Reh

Widerstand wäre sinnlos gewesen.

Kathy Porter sah in die Mündung einer Waffe, die mit einem modernen Schalldämpfer versehen war. Der Mann, der die Waffe in der Hand hielt, machte einen sehr entschlossenen Eindruck. Er schien nur darauf zu warten, auch abdrücken zu können. In seinen großen, grünlich schimmernden Augen lag so etwas wie frohe Erwartung.

„Mitkommen“, sagte er fast enttäuscht, als Kathy stehenblieb. Die langbeinige junge Frau, groß, schlank und dennoch sehr weiblich aussehend, erinnerte an ein ängstliches und scheues Reh, das sich vor Schreck nicht zu rühren vermag.

Der Mann rückte seinen zusammengelegten Mantel wieder so über den Unterarm und die Waffe, daß selbst der Schalldämpfer verschwand, und deutete mit dem Kinn zum Fahrstuhl.

Kathy Porter gehorchte augenblicklich. Sie wollte den Mann auf keinen Fall provozieren. Sie wußte nicht, wer er war und was er von ihr wollte. Sie wußte nur, daß ihr Leben an einem seidenen Faden hing, deshalb setzte sie sich sofort in Bewegung und ging zum Aufzug, der sich gerade öffnete.

„Vorsicht, Masern“, sagte der schlanke Mann, als weitere Leute zusteigen wollten. „Ansteckungsgefahr.“

Er ließ sie nicht aus den Augen und achtete auf jede ihrer Bewegungen. Mit seinem einfachen Trick erreichte er übrigens genau das, was er wollte. Die Leute sprangen förmlich zurück und hüteten sich in den Aufzug zu steigen.

Zischend schlossen sich die Türen.

„Kellergeschoß drücken“, kommandierte der Mann. Kathy Porter gehorchte erneut und drückte sich dann ängstlich in die Ecke des Aufzugs. Dieser Mann war ein Killer, daran bestand kein Zweifel. Warum er sie hier im Krankenhaus abgefangen hatte, begriff sie nicht. Kathy hatte im Auftrag von Lady Agatha Simpson einen Krankenbesuch gemacht und einem von Myladys Verwaltern einen Frühstückskorb überbracht. Harmloser und selbstverständlicher hätte eine solche Visite überhaupt nicht ausfallen können.

Sie blieb bei ihrer Rolle und spielte weiterhin das scheue und ängstliche Reh. Der Killer durfte noch nicht mal ahnen, daß sie auch ganz anders sein konnte.

„Überrascht, wie?“ fragte der schlanke Mann jetzt amüsiert.

„Natürlich, Sir“, gab Kathy Porter zurück, „hoffentlich verwechseln Sie mich nicht mit einer anderen Person.“

„Dein Haar ist nicht zu verwechseln“, meinte der Killer und spielte damit auf Kathy Porters dunkelrotes, langes Haar an, das in seiner Farbschattierung wirklich einmalig war.

„Ich heiße Kathy Porter“, sagte das scheue Reh.

„Und ich bin Onassis“, gab der Killer zurück. „Hör’ auf mit dem blöden Theater, Puppe. Du weißt, wer ich bin, ich weiß, wer du bist!“

Die Fahrt war beendet, bevor Kathy darauf antworten konnte.

Die Fahrstuhltür öffnete sich, Kathy mußte aussteigen.

Die langbeinige Frau wurde durch eine kurze und energische Bewegung in die neue Richtung gedrängt, ging zögernd einen halbdunklen Gang hinunter und sah sich dann plötzlich einem zweiten Mann gegenüber, der einen weißen Arztkittel trug.

„Umdrehen, mit dem Gesicht zur Wand“, kommandierte der Killer hinter ihr. Kathy Porter kam auch diesem Befehl nach und wehrte sich eine Sekunde später mit dem Mut der Verzweiflung gegen den dicken Wattebausch, der mit Chloroform getränkt war.

Ihr Widerstand dauerte nicht lange.

Kathy schnappte nach Luft, glaubte ersticken zu müssen und wurde dann ohnmächtig. Sie landete in den Armen des Mannes, der den weißen Kittel trug, und merkte nicht mehr, daß die beiden Männer sie hastig zu einer Tür trugen, auf der die Aufschrift „Magazin“ stand.

*

„Ich glaube, Mister Parker, daß ich in ein paar Minuten etwas ärgerlich sein werde“, stellte Lady Agatha Simpson grimmig fest. Die streitbare Sechzigerin saß im Fond von Josuah Parkers hochbeinigem Monstrum und wartete geduldig auf die Rückkehr ihrer Sekretärin. Normalerweise hätte Lady Simpson diesen Krankenbesuch selbst übernommen, aber sie befand sich in Zeitnot, da sie in der City eine wichtige Verabredung hatte. Sie kannte ihr Plaudertalent und hatte sich selbst davor geschützt. Kathy war eingeschärft worden, nicht länger als zehn Minuten zu bleiben. Nun waren schon weit über zwanzig Minuten verstrichen …

Butler Josuah Parker saß vorn am Steuer seines hochbeinigen Wagens, der mal ein echtes Londoner Taxi war. Diesen Wagen hatte er sich nach seinen eigenen Vorstellungen umbauen lassen. Das ehemalige Taxi war inzwischen zu einer raffinierten Trickkiste auf Rädern geworden.

Josuah Parker war untadelig wie stets gekleidet. Zum schwarzen Zweireiher trug er schwarze Handschuhe und eine Melone in ebenfalls schwarzer Farbe. Sein unvermeidlicher Universal-Regenschirm befand sich in einer Haltevorrichtung seitlich neben ihm. Korrektheit war Parkers oberstes Gebot. Hinzu kam eine Höflichkeit, die manchmal schon fast penetrant wirkte. Und Nerven, deren Haltbarkeit an die von besonders starken Schiffstauen erinnerten.

In seiner vornehmen Zurückhaltung war er das krasse Gegenteil von Lady Agatha Simpson, die trotz ihres Alters quirlig wie ein junges Mädchen war. Lady Agatha, mit dem englischen Hochadel verschwistert und verschwägert, war eine immens reiche Frau, die sich Extravaganzen leistete, sofern sie ihr Spaß machten. Sie liebte es, sich mit besonders verzwickten oder aufregenden Kriminalfällen zu befassen und hatte in letzter Zeit den Ehrgeiz entwickelt, eine gewisse Agatha Christie schriftstellerisch zu übertrumpfen. Schon vom gemeinsamen Vornamen her fühlte sie sich dazu berufen und auch verpflichtet.

„Ich glaube, daß ich inzwischen ärgerlich geworden bin“, ließ Lady Agatha sich wieder vernehmen und räusperte sich bedrohlich, „was sagen Sie zu dem Benehmen von Miß Kathy?“

„Miß Kathy dürfte mit einiger Sicherheit aufgehalten worden sein, Mylady“, erklärte Parker gemessen.

„Holen Sie sie aus dem schrecklichen Haus heraus“, entschied Lady Simpson grimmig, „und machen sie ihr klar, wie wütend ich bin!“

„Mylady können sich auf meine bescheidene Wenigkeit verlassen“, versprach Josuah Parker und stieg ohne jede Hast aus dem Wagen. Er blieb neben dem geöffneten hinteren Wagenfenster stehen und lüftete seine schwarze Melone. „Soll ich mich hinsichtlich Ihrer Gemütsverfassung in Einzelheiten ergehen, Mylady?“

„Überlassen Sie das nur mir, Mister Parker! Kathy kann sich auf etwas gefaßt machen.“

„Sehr wohl, Mylady.“ Parker legte sich den bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den Unterarm, prüfte noch mal den korrekten Sitz seiner schwarzen Melone und lustwandelte anschließend gemessen zur breiten Treppe, die hinauf in die Empfangshalle des Krankenhauses führte.

Natürlich wußte er nur zu genau, warum Mylady den Besuch nicht selbst gemacht hatte. Lady Agatha hatte eine Allergie gegen Krankenhäuser und konnte den typischen Geruch, der in solchen Häusern herrschte, auf den Tod nicht ausstehen.

Josuah Parker machte sich hinsichtlich des Zorns von Mylady keine unnötigen Sorgen. Gewiß, Kathy Porter war zwar offiziell nur die Gesellschafterin und Sekretärin seiner Herrin, doch in Wirklichkeit genoß Kathy Porter den Status einer leiblichen Tochter. Darüber hinaus war Kathy schließlich auch noch Mitglied eines Trios, das sich mit viel Erfolg und Können der Aufklärung von Verbrechen widmete. Sie war Teil dieses Teams und zeichnete sich durch besondere Fähigkeiten aus. Nach außen hin wie ein scheues Reh wirkend, besaß sie in Wirklichkeit die Spannkraft einer Pantherkatze.

In der großen Vorhalle des Krankenhauses angekommen, ließ Parker die Stationsschwester anrufen und erkundigte sich bei ihr mit wohlgesetzten Worten nach dem Verbleib von Miß Porter. Er erfuhr zu seiner ehrlichen Verblüffung, die er allerdings nicht zeigte, daß Kathy das Krankenzimmer schon vor zehn Minuten verlassen hatte.

Parker legte den Hörer auf und entdeckte dann Kathy, die gerade aus dem Aufzug gekommen sein mußte, während er noch mit der Stationsschwester sprach. Sie wandte ihm allerdings den Rücken zu und ging schnell auf eine Glastür zu, die den Zugang zu einer Station im Erdgeschoß bildete. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Es mußte sich um Kathy handeln. Das typische, dunkelrote Haar war einfach unverkennbar, ebenso die schlanke Figur.

„Miß Porter?“ Parker machte sich mit höflicher Stimme bemerkbar und ging ihr nach. Die Frau mit dem dunkelroten Haar drehte sich um und sah ihn fragend an.

Erst jetzt merkte Josuah Parker, daß er sich geirrt hatte. Diese Frau war nicht Kathy Porter! Sie glich ihr nur auf eine geradezu irritierende Art und Weise. Nur die Länge ihrer Beine wurde ihm jetzt nachträglich bewußt, sie fehlte bei dieser Frau.

„Ich bitte um Entschuldigung, Madam“, bat Parker und lüftete höflich seine schwarze Melone. „Ich unterlag dem, was man gemeinhin eine Täuschung nennt.“

„Schon gut“, erwiderte die Frau, die vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt war und ein hart geschnittenes Gesicht besaß. „Schon gut, Mann.“

Sie hatte es augenscheinlich sehr eilig, sah zur Treppe und den Fahrstühlen hinüber, drückte die Glastür auf und klapperte dann mit ihren Absätzen schnell über den Korridor. Sie trug, was Parker nebenbei registrierte, eine kleine Schultertasche, die allerdings vollgestopft war.

Parker bemerkte das etwas spöttische Lächeln der diensttuenden Schwester am Empfang. Die ältere Frau dachte wohl, er habe sich eine Abfuhr geholt, schaute dann aber wieder sehr bemüht auf ihr Journal mit der Liste der Patienten.

Parker ignorierte die Schwester, begab sich zum Aufzug und fuhr hinauf in die zweite Etage, wo Kathy Porter sich aufgehalten hatte. Als er ausstieg, stieß er auf drei junge Schwestern, die sich aufgeregt miteinander unterhielten.

„Ich möchte keineswegs aufdringlich erscheinen, meine Damen“, begann der Butler und grüßte höflich. „Ist Ihnen möglicherweise eine junge, rothaarige Dame aufgefallen?“

„Natürlich“, erwiderte eine der drei Jungschwestern, „darüber unterhalten wir uns ja gerade.“

„Wie anregend, dies zu hören.“

„Sie soll angeblich die Masern gehabt haben“, sagte die zweite Jungschwester.

„Nun sehen Sie meine bescheidene Wenigkeit leicht verblüfft.“

„Behauptete wenigstens der Mann, der zusammen mit ihr in den Fahrstuhl ging“, fügte die dritte Jungschwester hinzu. „Besucher haben uns das eben mitgeteilt. Sie durften nicht mit hinunterfahren.“

„Ein junger Mann also, Masern und eine rothaarige Dame“, memorierte der Butler halblaut, drehte sich um und betrat sofort wieder den Fahrstuhl. Als die Tür sich geschlossen hatte, drückte er den Knopf für das Kellergeschoß.

Ihm war ein schrecklicher Verdacht gekommen!

*

Kathy Porter fühlte sich hundeelend.

In ihrem Mund war ein widerlich-pelziger Geschmack nach süßlichem Chloroform. Sie hatte heftige Kopfschmerzen, wollte sich aufrichten und merkte erst jetzt, daß man sie auf einer Trage festgeschnallt hatte. Sie schaute sich um und brauchte einige Augenblicke, um sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden.

Die junge Dame befand sich in einem Krankenwagen, der in normaler Fahrt durch die Straßen von London fuhr. Neben ihr saß ein Mann in weißem Arztkittel und rauchte eine Zigarette. Er hatte gemerkt, daß Kathy wach geworden war, beugte sich über sie und blies ihr den Rauch ins Gesicht.

Kathy hustete und fühlte sich noch schlechter.

„Was hat das zu bedeuten?“ fragte sie, einen Brechreiz nur mühsam unterdrückend.

„Weißt du doch, Hübsche“, meinte der Mann. „Spezialoperation.“

Er schien sein Stichwort für einen besonders gelungenen Witz zu halten und lachte ironisch.

„Wohin bringen Sie mich?“ stellte Kathy ihre nächste Frage.

„Weißt du auch, Hübsche.“ Der Mann lehnte sich zurück und rauchte weiter. „Nutz’ die Zeit und laß’ dir ’ne prima Ausrede einfallen!“

Natürlich lag hier eine Verwechslung vor, daran zweifelte Kathy nicht einen Moment. Aber wie sollte sie das diesem Mann beibringen? Er würde ihr ja doch kein Wort glauben. Sie legte den Kopf zur Seite und schaute nach oben. Sie hoffte herauszubekommen, wohin man sie brachte. Die Milchglasscheiben des Krankenwagens hatten am oberen Rand Sichtschlitze.

„Der Boß ist ziemlich sauer auf dich, Süße“, ließ der Mann im Arztkittel sich wieder vernehmen.

„Ich bin mir keiner Schuld bewußt“, erwiderte Kathy Porter automatisch.

„Mach’ ihm das klar, Hübsche. Hoffentlich klappt’s.“

„Ich habe damit nichts zu tun“, stieß Kathy nach. Sie wollte möglichst viel erfahren. Ihr Interesse war verständlicherweise geweckt worden. Diese Entführung bewies, daß es sich um einen keineswegs harmlosen Fall handelte.

„Schieb’s von mir aus auf Harry“, antwortete der Mann neben der Trage und lächelte spöttisch.

„Warum haltet ihr euch nicht an Harry?“ fragte Kathy weiter.

„Der kommt auch noch dran, sobald er transportfähig ist“, beruhigte der Mann sie und nickte nachdrücklich. „Bei uns kommt jeder dran, Hübsche, aber das solltest du doch wissen.“

„Ich bin unschuldig. Ehrlich!“

„Und warum hast du dann nicht Alarm geschlagen?“ erkundigte sich ihr Begleiter. „Zeit genug hattest du doch. Nee, Hübsche, ihr wolltet mit der Ware abhauen. Geschäft auf eigene Rechnung, wie? Und beinahe hätt’ das ja auch hingehauen, wenn der Laster nicht gewesen wäre.“

Kathy hatte keine Ahnung, worum es ging und was sich ereignet hatte, aber sie ließ sich selbstverständlich nichts anmerken. Sie spielte ihre Rolle geschickt weiter, obwohl ihr immer noch schlecht war.

„Harry hat mich gezwungen“, behauptete sie also und war gespannt, wie die Reaktion jetzt ausfallen würde.

„Natürlich hat der Trottel dich gezwungen. Ausgerechnet dich!“ Der Mann im weißen Arztkittel grinste abfällig. „Wenn du auf die Tour reisen willst, seh’ ich schwarz für dich, Hübsche. Jeder weiß doch, was mit euch los ist.“

Kathy Porter hielt es für angebracht, vorerst keine weiteren Fragen zu stellen. Sie befand sich auf sehr dünnem Eis. Jede weitere Frage konnte den vorzeitigen Einbruch bedeuten. Früher oder später würde man natürlich herausfinden, daß sie mit der erwähnten Helen nicht identisch war. Dann aber war immer noch Zeit genug, sich etwas einfallen zu lassen. Kathy Porter war kein ängstliches Mädchen. Sie wußte sich ihrer Haut zu wehren.

Zudem setzte sie natürlich wieder mal auf Lady Agatha und Butler Parker.

Sie konnte sich lebhaft vorstellen, daß sie bereits vermißt wurde. Hoffentlich fanden Mylady und Parker schnell eine Spur, um ihr beistehen zu können.

Die Fahrt im Krankenwagen war plötzlich beendet.

Nach einer scharfen Rechtskurve rollte der Wagen in eine Halle, von der Kathy nur das Glasdach sehen konnte.

„In deiner Haut möcht’ ich jetzt nicht stecken“, sagte der Mann neben ihr und schob sich auf die Seitentür zu. „Du weißt ja, wie schnell der Boß sich aufregt.“

Der junge Mann, der sie im Krankenhaus mit der schallgedämpften Waffe abgefangen hatte, und der Mann im weißen Arztkittel zogen die Trage aus dem Wagen und trugen Kathy Porter dann tatsächlich durch eine kleine Halle. Bei dieser Gelegenheit verrutschte die Decke, die man über Kathy gebreitet hatte.

Erst jetzt merkte sie, daß man sie während ihrer Ohnmacht ausgezogen hatte.

Sie war bis auf ihre spärliche Unterwäsche nackt.

*

Der Mann stand noch unter einem schweren Schock.

Er war niedergeschossen worden. Das Geschoß hatte ihn an der linken Hüfte getroffen. Nachdem Parker ihm im Kellergeschoß des Spitals entdeckt hatte, wurde der Verwundete hier unten an Ort und Stelle ärztlich versorgt.

Der Angestellte hatte nicht viel zu berichten.

Er blieb in einer Art Trance und erwähnte immer nur die rothaarige Frau auf der Trage, wie er sich ausdrückte. Mehr war im Augenblick nicht aus ihm herauszubekommen. Parker überließ ihn den Ärzten und Krankenschwestern und ging in den Innenhof des Krankenhauses. Nach wenigen Minuten wußte er, daß einer der hier abgestellten Krankenwagen fehlte. Der Leiter des Wagenparks stand vor einem Rätsel, er wußte dazu nichts zu sagen.

Josuah Parker riet dem konsternierten Mann, umgehend die Polizei zu verständigen und begab sich dann zurück zu Lady Agatha. Die resolute Dame marschierte bereits leicht gereizt vor Parkers hochbeinigem Wagen auf und ab und maß ihn mit grimmigen Blicken.

„Sie sind jetzt ebenfalls seit genau zwölfeinhalb Minuten unterwegs“, stellte sie mit gefährlich leiser Stimme fest. „Hoffentlich bekomme ich eine einigermaßen gute Ausrede zu hören, Mister Parker.“

„Miß Porter dürfte nach Lage der Dinge gekidnappt worden sein“, antwortete der Butler. „Sind Mylady mit dieser Erklärung zufrieden?“

„Das ist ja wunderbar!“ Agatha Simpsons Augen glänzten augenblicklich, ihr Gesicht nahm einen unternehmungslustigen Ausdruck an. Sie witterte einen Fall!

„Miß Porter denkt möglicherweise anders darüber, Mylady“, redete der Butler weiter. „Die Kidnapper scheuten sich nicht, einen Angestellten des Spitals niederzuschießen. Demnach dürfte man es mit Gangstern zu tun haben.“

„Das möchte ich aber auch sehr hoffen“, sagte Lady Agatha grimmig und freudig zugleich. „Und wo finden wir diese Strolche? Ich hoffe, Sie haben das inzwischen bereits ermittelt.“

„Ich fürchte, Mylady enttäuschen zu müssen.“

„Was soll das heißen?“

„Nach meinen ersten Ermittlungen, Mylady, wurde Miß Porter in einem Krankenwagen verschleppt. Dessen Standort ließ sich leider noch nicht ausfindig machen.“

„Dann sollten wir uns sofort an die Arbeit begeben, Mister Parker.“

„Sehr wohl, Mylady.“ Parker ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

„Worauf warten wir noch?“ Sie sah ihn flammend an und wirkte wie ein reichlich fülliges und angejahrtes Rennpferd vor dem Start.

„Auf das, Mylady, was man gemeinhin eine Eingebung nennt“, gestand Josuah Parker. „Zu meinem Leidwesen sehe ich mich zur Zeit außerstande zu sagen, wo man den sprichwörtlichen Hebel ansetzen könnte.“

„Kathy befindet sich unter Umständen in Lebensgefahr“, stellte Lady Agatha vorwurfsvoll fest.

„Dieser Tatsache, Mylady, bin ich mir durchaus bewußt.“

„Dann unternehmen Sie endlich etwas!“ Sie sah ihn mehr als vorwurfsvoll an und stampfte mit dem Fuß auf das Pflaster.

„Myladys Wunsch ist meiner bescheidenen Wenigkeit Befehl“, antwortete Josuah Parker, dem plötzlich eine Idee gekommen war. Er besann sich auf die rothaarige Frau, die er in der Empfangshalle des Spitals gesehen und mit Kathy Porter verwechselt hatte. War diese Frau vielleicht der Schlüssel zu Kathys Entführung?

Automatisch lüftete er seine schwarze Melone, bevor er sich umdrehte und noch mal zurück in die Empfangshalle ging. Bei der ältlichen Krankenschwester am Empfang erkundigte Parker sich nach der rothaarigen Dame, die er auf den ersten und zweiten Blick hin mit Kathy Porter verwechselt hatte.

Erfreulicherweise wurde er fündig.

Die Krankenschwester, von Parkers Höflichkeit jetzt sehr beeindruckt und von seinen lauteren Absichten überzeugt’, schickte den Butler hinauf in die zweite Etage. Ihrer Erinnerung nach hatte die rothaarige Dame sich nach einem gewissen Harry Lancing erkundigt.

„Mister Harry Lancing“, bestätigte Parker und nickte bedeutungsschwer, „es handelte sich wahrscheinlich um den Blinddarm, nicht wahr?“

„Um einen Lastwagen“, korrigierte ihn die immer noch beeindruckte Krankenschwester, „er wurde davon nämlich überrollt.“

„Nannte die Besucherin zufälligerweise ihren Namen?“ stellte der Butler seine nächste Frage.

„Jetzt muß ich leider passen“, gab die Schwester bedauernd zurück, „aber der Patient wird ihn ja wahrscheinlich kennen, finden Sie nicht auch, Sir?“