Blei und Schrott für die Lady - Günter Dönges - E-Book

Blei und Schrott für die Lady E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Der ältere, gepflegt aussehende Herr im grauen Anzug erlitt genau in dem Moment einen Herzanfall, als Butler Parker das Bankgebäude in der City von London verließ, um zu seinem hochbeinigen Wagen hinüberzuschreiten, der seitlich auf dem Parkplatz stand. Der Herr griff sich ans Herz, rutschte leicht in die Knie und konnte von seiner jüngeren Begleiterin nicht mehr gehalten werden. Er fiel ihr, im wahrsten Sinn des Wortes, zu Füßen und stöhnte. Sie sah sich hilflos und entsetzt nach allen Seiten um und brauchte den Butler erst gar nicht um Hilfe zu bitten. Josuah Parker fühlte sich sofort verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten. »Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, daß meine Unterstützung erwünscht sein könnte«, sagte er und lüftete höflich seine schwarze Melone. »Wenn mich nicht alles täuscht, sehe ich mich einem leichten Herzanfall gegenüber.« Er stellte den schwarzen Aktenkoffer ab und sah sich dann keinem Herzanfall gegenüber, sondern der Mündung eines kurzläufigen Revolvers, den der Mann ihm für einen Moment präsentierte. »Keine Dummheiten«, sagte die junge Dame. »Helfen Sie meinem Partner hinüber zum Wagen! Wir werden schießen, wenn Sie um Hilfe schreien!« »Aber ich würde doch auch ohne Schußwaffenbedrohung helfen«, antwortete Parker steif und indigniert. »Wir brauchen keine Hilfe, sondern den Aktenkoffer«, sagte der ältere Mann. »Wimmeln Sie die Neugierigen ab, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist!« Sein Hinweis kam nicht von ungefähr. Passanten waren bereits auf den Zwischenfall aufmerksam geworden, eilten herbei und wollten ebenfalls helfen.

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Butler Parker – 108 –

Blei und Schrott für die Lady

Günter Dönges

Günter Dönges

Blei und Schrot für Lady Simpson

Der ältere, gepflegt aussehende Herr im grauen Anzug erlitt genau in dem Moment einen Herzanfall, als Butler Parker das Bankgebäude in der City von London verließ, um zu seinem hochbeinigen Wagen hinüberzuschreiten, der seitlich auf dem Parkplatz stand.

Der Herr griff sich ans Herz, rutschte leicht in die Knie und konnte von seiner jüngeren Begleiterin nicht mehr gehalten werden. Er fiel ihr, im wahrsten Sinn des Wortes, zu Füßen und stöhnte. Sie sah sich hilflos und entsetzt nach allen Seiten um und brauchte den Butler erst gar nicht um Hilfe zu bitten.

Josuah Parker fühlte sich sofort verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten.

»Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, daß meine Unterstützung erwünscht sein könnte«, sagte er und lüftete höflich seine schwarze Melone. »Wenn mich nicht alles täuscht, sehe ich mich einem leichten Herzanfall gegenüber.«

Er stellte den schwarzen Aktenkoffer ab und sah sich dann keinem Herzanfall gegenüber, sondern der Mündung eines kurzläufigen Revolvers, den der Mann ihm für einen Moment präsentierte.

»Keine Dummheiten«, sagte die junge Dame. »Helfen Sie meinem Partner hinüber zum Wagen! Wir werden schießen, wenn Sie um Hilfe schreien!«

»Aber ich würde doch auch ohne Schußwaffenbedrohung helfen«, antwortete Parker steif und indigniert.

»Wir brauchen keine Hilfe, sondern den Aktenkoffer«, sagte der ältere Mann. »Wimmeln Sie die Neugierigen ab, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist!«

Sein Hinweis kam nicht von ungefähr.

Passanten waren bereits auf den Zwischenfall aufmerksam geworden, eilten herbei und wollten ebenfalls helfen. Parker, der sich an die Schußwaffe sehr deutlich erinnerte, schüttelte abwehrend den Kopf.

»Nur ein kleines Unwohlsein, meine Herrschaften«, rief er den Passanten zu. »Ich darf mich im Namen meines Herrn für Ihre Hilfsbereitschaft bedanken.«

»Sehr intelligent«, lobte ihn die Dame, die etwa 30 Jahre alt war, einen leichten Stadtmantel trug und wie ihr Begleiter seriös aussah.

Parker hakte den älteren Herrn unter und bugsierte ihn behutsam zu dem Bentley, der am Straßenrand stand und für den sich bereits ein Streifenpolizist interessierte. Der Bentley befand sich nämlich in einer Parkverbotszone und lud zu einem Strafmandat ein. Der Polizist sah sofort, daß solch ein Strafmandat jetzt nicht zur Debatte stand, und bot seine Hilfe an. Zusammen mit Josuah Parker geleitete er den schwer atmenden Herrn in den Wagen.

Die Dame setzte sich ans Steuer, Parker neben den Herzleidenden. Wenige Sekunden später rollte der Bentley bereits an und fädelte sich in den Straßenverkehr ein. Der Herr neben Parker hatte sich vollständig erholt und lachte leise.

»Ausgezeichnet«, sagte er zu Parker. »Sie sind ja direkt ein Schnellschalter, Mister Parker.«

»Ich habe den Vorzug, von Ihnen gekannt zu werden?« fragte der Butler gemessen und rückte den Aktenkoffer auf seinem Schoß zurecht.

»Wir wissen eine ganze Menge«, redete der Herr weiter und deutete auf Parkers Aktenkoffer, »So zum Beispiel, daß Sie von der Bank gerade 100 000 Pfund abgeholt haben.«

»Sie sind in der Tat vorzüglich informiert«, gestand Parker.

»Trotzdem wollen wir Sie nicht länger stören, Parker«, meinte der Herr ironisch, »an der nächsten Kreuzung können Sie aussteigen. Es wird Ihnen überhaupt nichts passieren.«

»Ich muß wohl von der Tatsache ausgehen, daß Sie den Aktenkoffer behalten wollen?«

»Wie schnell Sie wieder mal kapieren, Parker! Öffnen Sie den Koffer, ich will wenigstens sehen, ob Sie sich auch an Lady Simpsons Anweisungen gehalten haben!«

Parker knipste beide Kofferverschlüsse auf und hob den Deckel leicht an.

»Bestens«, sagte der ältere Herr und nickte zufrieden. »Danke, der Blick genügte mir bereits! Drüben an der Kreuzung können Sie sich empfehlen.«

»Sie bringen mich in eine äußerst peinliche Situation«, gestand Josuah Parker. »Lady Simpson wird den Verlust der Banknoten nicht gerade begrüßen.«

»Sie wird’s überleben, wozu ist sie schließlich stinkreich.« Die Dame am Steuer des Bentley hatte sich zu Wort gemeldet und lachte amüsiert. »So, Mister Parker, es ist soweit. Vielen Dank für die prompte Bedienung!«

Sie hielt den Wagen kurz an, und Parker empfahl sich, wobei er nicht vergaß, höflich seine schwarze Melone zu lüften. Der seriöse ältere Herr ließ ihn noch mal in die Mündung der Schußwaffe sehen und schlug dann die Tür zu.

Der Bentley glitt wie auf Katzenpfoten weiter, um dann sofort in einer Seitenstraße zu verschwinden. Die beiden Insassen des Wagens hatten sich für das Absetzen des Butlers einen guten Platz ausgesucht.

Parker dachte an den Aktenkoffer, den er im Bentley zurücklassen mußte, doch erstaunlicherweise zeigte er keine Spur von Unruhe. Ein aufmerksamer Beobachter hätte vielleicht sogar in seinem Gesicht die Andeutung eines feinen Schmunzelns wahrgenommen.

*

»Nun, Mister Parker, ich hoffe, Sie haben mir eine interessante Geschichte zu erzählen«, sagte Lady Agatha Simpson. Sie war groß, stattlich und redete grundsätzlich nicht über ihr Alter, obwohl sie sechzig Jahre zählte. Sie war, was ihre Erscheinung anbetraf, das Urbild einer Bühnenheroine und verfügte über eine stets etwas grollend wirkende baritonale Stimme, die bis zum Baß reichte. Agatha Simpson konnte sich mit der Würde einer Herzogin bewegen, aber auch aus sich herausgehen wie eine resolute Marktfrau.

Lady Agatha war schon seit vielen Jahren Witwe, verfügte über ein immenses Vermögen und konnte sich das leisten, wonach ihr der Sinn stand. Sie hatte sich der Aufklärung von Kriminalfällen verschrieben, betätigten sich als leidenschaftliche Amateurdetektivin und verbuchte einen Erfolg nach dem anderen, seitdem Josuah Parker für sie arbeitete.

Sie hatte sich vor ihrem Butler aufgebaut und sah ihn aus großen, erwartungsvollen Augen an.

»Ich darf Mylady versichern, daß alles nach Plan verlief«, antwortete der Butler. »Der Überfall wurde allerdings mit einer Dezenz ausgeführt, die man nur lobend erwähnen kann.«

»Einzelheiten«, forderte sie, »und dazu einen kleinen Kreislaufanreger, Mister Parker.«

»Bitte, Mylady.«

Kathy Porter hatte diesen Wunsch erwartet und entsprechende Vorkehrungen getroffen. Sie servierte Lady Agatha einen doppelten Kognak, den die stets streitbare Dame genießerisch zu sich nahm.

Kathy Porter war die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady und im Grund fast so etwas wie eine Haustochter. Groß, schlank und langbeinig, hatte sie wunderbares, kupferrotes Haar und stach jedes Covergirl einer guten Illustrierten aus. Betonte Wangenknochen und leicht schräg gestellte Augen verliehen ihr den sanften Ausdruck einer Exotin. Kathy Porter glich überhaupt einem scheuen Reh, doch dieser Eindruck täuschte gewaltig. Die junge Dame war eine Einzelkämpferin von hohen Graden, kannte sich in vielen Sportarten aus und konnte zu einer Pantherkatze werden, wenn es erforderlich war.

Sie hatte sich im Lauf der Zeit immer mehr zur heimlichen Assistentin des Butlers entwickelt, was Parker nicht ungern sah. Er schätzte ihre Intelligenz, Anpassungsfähigkeit und ihren Mut, den er oft genug aber als Leichtsinn tadeln mußte.

»Ärgern Sie mich nicht unnötig!« grollte Lady Agatha ihren Butler an. »Wieso Dezenz? Seit wann arbeiten Gangster mit Stil?«

Parker erging sich in Einzelheiten und schilderte den Überfall, wobei er nicht vergaß, das gekonnte und sichere Auftreten des Pärchens zu erwähnen.

»Die Individuen werden sich wundern, wenn sie den Koffer öffnen«, freute sich Lady Agatha sichtlich. »Glauben Sie, daß die Überraschung klappen wird?«

»Damit ist durchaus zu rechnen, Mylady«, antwortete Parker. »Es kommt darauf an, mit welcher Gier und wie unbeherrscht man das Geld auspackt.«

*

Der seriöse Herr und seine Begleiterin hatten den gestohlenen Bentley in einer Straße stehen lassen, waren ein Stück zu Fuß gegangen, hatten die Untergrundbahn benutzt, waren dann in einen Morris gestiegen und hielten vor einem Reihenhaus, das in einer guten Wohngegend lag.

Sie hatten dieses Haus vor einem Monat gemietet und sich als provisorischen Unterschlupf eingerichtet. Sie bemühten sich um Haltung, solange sie noch auf der Straße waren. Als sie jedoch ins Haus traten und die Tür hinter sich schlossen, stießen sie einige gedämpfte Jubelschreie aus und fielen sich vor Freude erst mal um den Hals.

»Geschafft«, sagte der ältere Herr, der Thomas Leaming hieß.

»Hunderttausend Pfund«, sagte Edith Cilham andächtig. »Ich kann’s noch gar nicht glauben, Thomas.«

»Komm, sehen wir uns die Scheine an!« Thomas Leaming hatte es eilig, den Wohnraum zu betreten und stellte den Aktenkoffer auf dem runden Mitteltisch ab.

Edith Cilham nickte ihrem Partner zu, der die beiden Verschlüsse aufklicken ließ und den Koffer dann langsam öffnete. Genießerisch beugten die beiden Gauner sich vor und ergötzten sich am Anblick der Pfundnoten.

»Das ist das wirklich große Geld«, sagte Leaming und hob die ersten Banknotenbündel hoch.

»Damit sind wir ein für allemal aus dem Schneider«, bestätigte die Frau, die allerdings von Wort zu Wort immer, langsamer und gedehnter redete. Ihre eben noch freudige Stimme bekam einen Ton der Überraschung und dann der Enttäuschung.

Was sehr gut zu verstehen war …

Unter der ersten Lage Banknoten befanden sich gut und korrekt zugeschnittene Papiernoten, die völlig unbedruckt und nur als Notizzettel zu benutzen waren.

So etwas mußte enttäuschen!

Was Thomas Leaming und Edith Cilham nicht sahen, waren kleine, schwarze Punkte, nicht größer als Stecknadelköpfe. Diese schwarzen Pünktchen waren recht munter und sehr aktiv. Sie gehörten zur Ordnung der Aphanipteren, also der flügellosen Insekten, und hatten den Fachnamen Pulex irritans. Mit anderen Worten und im Klartext, es handelte sich um Menschenflöhe, die vier Wochen ausgiebig gehungert hatten.

Diese munteren Insekten, etwa bis zu 3 Millimeter lang, gierten danach, sich endlich zu betätigen. Sie witterten Wärme in ihrer unmittelbaren Nähe, was für sie Nahrung bedeutete, nämlich Gasttiere, an denen sie sich erfreuen konnten.

Mit kraftvollen Sprüngen, die bis zu 30 Zentimeter lang ausfielen, stellten sie sich auf ihre letzten Beinpaare und machten sich an die Arbeit. Sie hüpften aus dem Aktenkoffer und konzentrierten ihre Bemühungen auf die beiden Gauner, die nach wie vor entgeistert waren und das sportliche Training überhaupt nicht mitbekamen.

»So ein verdammter Schuft«, fluchte Leaming gerade und wirbelte das zugeschnittene, wertlose Papier durch die Luft. Dadurch versetzte er einige Insekten in die Lage, große Sprünge zu machen.

»Das verstehe ich nicht.« Edith Cilham war den Tränen nahe und bemerkte nicht, daß zwei besonders sprungkräftige Exemplare dieser flügellosen Insekten ihren Ausschnitt anvisierten und dann alles auf eine Karte setzten. Sie rieb sich leicht die Haut, als die beiden Weitspringer ihr Ziel erreicht hatten und sich schleunigst in Deckung begaben. Die Flöhe stiegen nach unten in den BH und sahen sich hier näher um.

Sie fühlten sich in dieser neuen Umgebung sofort wohl und richteten sich auf einen längeren Aufenthalt ein. Sie begaben sich in die Naht des BH-Körbchens und setzten dann ihre bohrartigen Saugrüssel an, um erst mal ausgiebig zu frühstücken.

Edith Cilham zuckte unter den feinen Stichen zusammen und kratzte sich ausgiebig am Ausschnitt, kam aber nicht auf den Gedanken, Untermieter besonderer Art könnten sich bei ihr einquartiert haben.

Das Beispiel der beiden Pioniere machte Schule.

Auch die übrigen Flöhe witterten das Frühstück und machten sich auf die Reise. Sie hüpften aus dem Aktenkoffer und überfielen Edith Cilham und Thomas Leaming. Es dauerte nicht lange, bis die beiden Ganoven ihre Enttäuschung vergaßen und nur noch mit sich selbst beschäftigt waren. Etwa hundertzwanzig Flöhe, von Josuah Parker mühevoll erworben, befanden sich in Freiheit und labten sich am warmen Blut.

Die beiden Ganoven kratzten sich inzwischen gegenseitig und rissen sich die Kleider vom Leib. Sie tanzten und hüpften umher wie ihre Untermieter und merkten endlich, was man ihnen angetan hatte. Es war Thomas Leaming, dem ein Licht aufgegangen war. Er hatte bei der Armee Ihrer Majestät gedient und war mal von einigen Flöhen angefallen worden. Er hatte gerade ein recht leichtsinniges und vielleicht auch trunkenes Exemplar dieser flügellosen Insekten erwischt und diagnostiziert. Deshalb wußte er jetzt, was auf sie zugekommen war.

Das Gaunerpärchen stripteaste also und machte sich auf die Mikrojagd, als diese Beschäftigung jäh gestoppt wurde.

Zwei junge, stromlinienförmig aussehende Männer, vielleicht etwas über 20 Jahre alt und mit schallgedämpften Waffen ausgerüstet sahen dem verrückten Spiel fassungslos zu und vergaßen darüber das obligate »Hände hoch« zu rufen.

*

»Wenn ich mir eine Bemerkung gestatten darf, Sir, so scheint man sich auf Mylady eingeschossen zu haben«, stellte Josuah Parker fest und nickte Chefinspektor Sounders andeutungsweise zu. »Ich darf daran erinnern, daß man Mylady schließlich vor einigen Monaten entführte und ein geradezu horrendes Lösegeld verlangte.«

»Und worum geht es diesmal?« Chefinspektor Sounders, einem Bernhardiner nicht ganz unähnlich, wandte sich an die Hausherrin. Man befand sich im Salon der Stadtwohnung von Lady Simpson, in Shepherd’s Market gelegen, einem reizenden Teil von London, in dem altehrwürdige Fachwerkhäuser noch eine Art ländlichen Stil schufen.

»Es geht um meine Nichte Hazel Maidenhead«, antwortete Lady Simpson grollend. »Fragen Sie mich nur nicht nach dem Verwandtschaftsgrad, Sounders. Sie wissen, daß mir meine Verwandtschaft normalerweise gestohlen bleiben kann. Hier aber liegt ein besonderer Fall vor. Mister Parker, die Details!«

»Sehr wohl, Mylady.« Parker, der seitlich hinter Agatha Simpson stand, räusperte sich diskret. »Mylady bekamen gestern den Anruf besagter Maidenheads, der Eltern eben genannter Miß Hazel. Anonyme Anrufer machten klar, daß Miß Hazel entführt worden sei und sich in Lebensgefahr befände.«

»Gegen Zahlung von hunderttausend Pfund will man Hazel wieder freilassen«, warf Lady Agatha mit Baßstimme ein. »Das soll man sich mal vorstellen, hunderttausend Pfund. Das allein ist bereits eine Frechheit! Man scheint mich für eine Millionärin zu halten.«

»Sind Sie das denn nicht?« wunderte sich Chefinspektor Sounders gespielt überrascht und arglos.

»Fragen Sie meinen Vermögens Verwalter, nicht mich«, erwiderte sie grimmig, denn sie verfügte selbstverständlich nicht nur über eine einzige Million. »Aber das steht hier nicht zur Debatte, Sounders. Hazels Eltern waren in hellem Aufruhr und baten um die Summe. Was hätten Sie an meiner Stelle getan?«

»Das Geld natürlich zur Verfügung gestellt«, meinte Sounders. »Erfreulicherweise habe ich dieses Problem nicht.«

»Aber ich.« Ihre Stimme klang grimmig. »Ich schickte also Mister Parker los, das Bargeld abzuheben. Am Geld soll es schließlich nicht liegen, wenn man ein Menschenleben dadurch retten kann.«

»Sehr nobel, Mylady.«

»Zum Teufel, sehr kostspielig«, grollte Agatha Simpson. »Das Geld sollte gegen 10 Uhr hier im Haus bereitliegen. Ein weiterer Anruf sollte uns dann sagen, wohin wir diese horrende Summe zu liefern hätten.«

»Die Entführer hatten sich inzwischen direkt an Sie gewandt, Mylady?«

»Nein, ich rede immer nur von den Maidenheads«, raunzte sie. »Sind Sie begriffsstutzig, Sounders?«

»Manchmal«, räumte der Kriminalist ungeniert ein. »Demnach haben Sie also keinen direkten Kontakt mit den Entführern?«

»Habe ich das nicht deutlich genug gesagt? Es sind die Maidenheads, nur die Maidenheads, Sounders! Haben Sie jetzt endlich begriffen?«

Sounders ließ sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen, schmunzelte und nickte.

»Zehn Uhr ist vorüber«, stellte er dann fest. »Haben Ihre Verwandten sich inzwischen gemeldet?«

»Das werden sie sein«, meinte Parker, als sich wie auf ein Stichwort hin das Telefon meldete. Er hob ab und nannte seinen Namen. Er hörte einen Moment schweigend zu, während Mylady gereizt mit den Fingerkuppen auf der Lehne ihres Sessels trommelte. Als der Butler aufgelegt hatte, musterte sie ihn gereizt.

»Die Familie Maidenhead«, meldete Parker gemessen und würdevoll. »Die Entführer verlangen das Geld pünktlich um elf Uhr am Trafalgar-Square zu sehen, wie die Kidnapper sich auszudrücken beliebten.«

»Dann wird’s echte Schwierigkeiten geben«, sagte Sounders und sah auf seine Uhr. »Sie haben nur noch zwanzig Minuten Zeit. Sagten Sie eben nicht, man habe Ihnen den Aktenkoffer mit den hunderttausend Pfund vor der Bank abgeluchst?«

»Nur das Duplikat«, korrigierte Parker. »Ich vergaß wohl, darauf zu verweisen, Sir. Den Aktenkoffer mit dem Bargeld schaffte Miß Porter etwa zwei Minuten nach mir aus dem Bankgebäude. Wir tauschten in der Vorhalle die beiden gleich aussehenden Koffer aus, um jedem Risiko aus dem Weg zu gehen.«

»Dann war der Überfall auf Sie nur ein Zufall?« Sounders’ Stimme klang skeptisch.

»Dies, Sir, kann und möchte ich mir nicht vorstellen«, lautete Parkers Antwort. »Hier scheinen Dinge im Spiel zu sein, deren Grenzen ich noch nicht zu übersehen vermag.«

*

»Wir woll’n ja nicht unbedingt stören«, sagte einer der beiden stromlinienförmigen jungen Männer, die übrigens echte Profis waren und gar nicht aussahen, wie es in ihrer Branche üblich war. Sie glichen cleveren Angestellten mit Aufstiegschancen, waren gut gekleidet und hatten durchaus angenehme Gesichter, die vielleicht ein wenig zu glatt waren.

Thomas Leaming und Edith Cilham sahen nur kurz zur Tür hinüber, ohne sich in ihren seltsamen Verrenkungen stören zu lassen. Sie juckten und kratzten und stöhnten wonnig auf, wenn die richtige Stelle erwischt war.

»Den Rücken, den Rücken«, keuchte Edith und riß sich den BH von der Brust. Sie rannte auf die beiden völlig perplexen Profis zu und drehte ihnen den Rücken hin. »Links, ja, da unter dem Schulterblatt! Ich werde wahnsinnig!«

Die beiden Kerle hatten so etwas noch nie erlebt und waren dementsprechend ratlos. Sie dachten natürlich zuerst an einen besonders raffinierten Trick und wichen etwas zurück, doch Edith blieb ihnen aufdringlich auf den Fersen und wandte ihnen ihren Rücken zu.

»Mach’ doch endlich!« Ihre Stimme überschlug sich.

Der eine Profi steckte also seine Waffe weg und kratzte an der gewünschten Stelle. Zuerst ein wenig schüchtern und verlegen, dann aber mit ehrlicher Hingabe. Seine kalten Fischaugen belebten sich dabei sichtlich, denn Edith hatte etwas vorzuweisen. Ihre Haut wirkte noch recht jugendlich und straff.

Sie stöhnte wohlig, machte einen Katzenbuckel und schlug dann blitzschnell auf ihre Oberschenkel. Dort hatte gerade ein Pulex irrtans eine Landung vollzogen und seinen Saug- und Bohrrüssel in ihre Haut getrieben.

Thomas Leaming, nur noch in Unterhosenshorts und Sporthemd, rollte wütend auf dem Teppich herum und scheuerte sich den Rücken. Dazu kratzte er an seinem Unterschenkel und schnappte dann nach einem weghüpfenden Floh.