Butler Parker 110 – Kriminalroman - Günter Dönges - E-Book

Butler Parker 110 – Kriminalroman E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Diesen Titel gibt es nur als E-Book. Lady Agatha fühlte sich in ihrem Element. Sie saß am Steuer des kleinen Mini-Cooper, der ihrer Sekretärin und Gesellschafterin gehörte. Lady Agatha war eine große, stämmige Dame und erinnerte an die Walküre aus einer älteren Wagner-Inszenierung. Agatha Simpson befand sich mit ihrer Sekretärin auf der Fahrt zu einer Bekannten, die angerufen und fast hysterisch um einen Besuch gebeten hatte. Bevor die Detektivin Fragen stellen konnte, war auf der Gegenseite bereits aufgelegt worden. Daher die Eile. "Die Straße ist ein wenig glatt", stellte Kathy Porter mit neutraler Stimme fest, um Lady Agatha nicht unnötig herauszufordern. "Man muß eben fahren können", erwiderte sie mit ihrer tiefen, baritonal gefärbten Stimme. "Sie haben doch nicht etwa Angst, Kindchen?" "Natürlich nicht, Mylady", gab Kathy Porter wider besseres Wissen zurück und zog den Sicherheitsgurt strammer. "Das möchte ich mir auch ausgebeten haben", stellte Lady Simpson nachdrücklich fest, "ich bin ja schließlich keine Anfängerin." Was nur teilweise stimmte. Sie besaß schon seit vielen Jahren einen Führerschein, hatte sich aber in der vergangenen Zeit immer nur fahren lassen. Erst seit einigen Monaten war ihr sportlicher Ehrgeiz wieder geweckt worden. Leider sehr nachhaltig, wie Kathy Porter fand. Sie wußte, daß Lady Simpson sogar mit dem Gedanken spielte, sich ein Motorrad anzuschaffen.

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Butler Parker -110-

Der Kampf mit den Dämonen

Roman von Günter Dönges

Lady Agatha fühlte sich in ihrem Element.

Sie saß am Steuer des kleinen Mini-Cooper, der ihrer Sekretärin und Gesellschafterin gehörte. Lady Agatha war eine große, stämmige Dame und erinnerte an die Walküre aus einer älteren Wagner-Inszenierung. Agatha Simpson befand sich mit ihrer Sekretärin auf der Fahrt zu einer Bekannten, die angerufen und fast hysterisch um einen Besuch gebeten hatte. Bevor die Detektivin Fragen stellen konnte, war auf der Gegenseite bereits aufgelegt worden. Daher die Eile.

»Die Straße ist ein wenig glatt«, stellte Kathy Porter mit neutraler Stimme fest, um Lady Agatha nicht unnötig herauszufordern.

»Man muß eben fahren können«, erwiderte sie mit ihrer tiefen, baritonal gefärbten Stimme. »Sie haben doch nicht etwa Angst, Kindchen?«

»Natürlich nicht, Mylady«, gab Kathy Porter wider besseres Wissen zurück und zog den Sicherheitsgurt strammer.

»Das möchte ich mir auch ausgebeten haben«, stellte Lady Simpson nachdrücklich fest, »ich bin ja schließlich keine Anfängerin.«

Was nur teilweise stimmte. Sie besaß schon seit vielen Jahren einen Führerschein, hatte sich aber in der vergangenen Zeit immer nur fahren lassen. Erst seit einigen Monaten war ihr sportlicher Ehrgeiz wieder geweckt worden. Leider sehr nachhaltig, wie Kathy Porter fand. Sie wußte, daß Lady Simpson sogar mit dem Gedanken spielte, sich ein Motorrad anzuschaffen. Das alles hing mit ihrem neuen Hobby zusammen, denn die Lady betrachtete sich als Schriftstellerin und war dabei, ihren ersten Kriminalroman zu verfassen. Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, eine gewisse Agatha Christie in den Schatten zu stellen.

»Eine Kurve, Mylady«, erinnerte Kathy Porter mit einer Stimme, in der das ängstliche Beben kaum zu überhören war.

»Alles eine Frage der Fahrtechnik«, antwortete Agatha Simpson leichthin. »Sie werden sehen, wie ich die harmlose Strecke meistere.«

Die Straße war tatsächlich glatt. Ein starker Wolkenbruch, der die Stadt mit Wasser förmlich überflutet hatte, war in ein leichtes Nieseln übergegangen. Hinzu kam die Tücke gerade dieser Kurve, vor der Kathy Porter gewarnt hatte. Sie begann zwar harmlos, zog sich aber sehr eng zusammen.

Das aber wußte Lady Agatha nicht.

Sie fuhr mit viel Dampf in die Kurve hinein, merkte viel zu spät, daß sie zu schnell war und trat voll aufs Bremspedal. Da sie ohnehin eine äußerst energische Frau war, fiel dieser Bremsvorgang sehr nachdrücklich aus.

Der Mini-Cooper kam aus der Bahn, segelte wie ein Eisstock über die glatte Asphaltstraße und näherte sich Unaufhaltsam dem Schaufenster eines Milchladens auf der gegenüberliegenden Seite.

Kathy Porter schloß die Augen, als der Mini-Cooper krachend durch die berstende Scheibe flog. Glassplitter regneten auf das Dach des Mini-Coopers herunter. Blech kreischte, und Mylady fiel in den Sicherheitsgurt und wurde augenblicklich auf ihrem Sitz fixiert. Sie wußte sofort, daß ihr überhaupt nichts passiert war.

»Mylady?« erkundigte sich Kathy besorgt.

»Alles in Ordnung, Kindchen«, antwortete Agatha Simpson mit ungebrochener Stimme. Auch sie war angeschnallt gewesen und hatte nichts abbekommen. »Ich werde mich übrigens beschweren.«

»Worüber, Mylady?« fragte Kathy erstaunt und sah sich um. Der Mini-Cooper stand vor der Theke und hatte den dort stehenden Milchtank leckgeschlagen. Ein weißer Strom ergoß sich über die eingedrückte Motorhaube, auf der Milchpackungen, Butter, Käse und Eier fast hübsch dekoriert waren.

»Solche Kurven müßten verboten werden«, stellte Lady Agatha grimmig fest. »Überlegen Sie mal, Kindchen, was passiert wäre, wenn ich den Wagen nicht völlig beherrscht hätte!«

»Ich werde Ihnen sofort heraushelfen, Mylady.«

»Ich bin doch keine alte Frau«, raunzte Agatha Simpson ihre Gesellschafterin an. »Hoffentlich brauchen Sie nicht meine Hilfe, Kindchen.«

Lady Simpson wollte die Tür öffnen, doch die hatte sich verklemmt. Die stämmige Dame wußte jedoch Kat. Sie warf sich mit ihrem Oberkörper gegen die klemmende Tür, die daraufhin sofort mitsamt dem Schloß aufsprang und windschief in den Angeln hing.

»Eine gräßliche Unordnung hier«, meinte sie dann mißbilligend. »Die Ladeninhaber scheinen sich sehr gehenzulassen.«

Kathy Porter verdrehte ergeben die Augen. Sie kannte Lady Simpson nur zu gut. Es war sinnlos, ihr mit Gegenargumenten zu kommen, sie hätte darauf nicht gehört.

»Junger Mann«, raunzte sie bereits den Ladeninhaber an, der sich endlich in das Chaos hineintraute. »Kennen Sie sich hier in der Gegend aus?«

»Na… natürlich«, stotterte der junge Mann, der einen weißen Verkaufskittel trug.

»Sehr schön«, sagte Agatha Simpson, »bin ich auf dem richtigen Weg nach Crane Cottage?«

»Nein«, antwortete der junge Mann, der sich von seiner Verblüffung erholt hatte, »fahren Sie noch durch mein Büro, dann kommen Sie mit Sicherheit hin.«

*

Die muntere Unterhaltung wurde jäh gestört, als ein junges Mädchen von etwa zwanzig Jahren im Chaos erschien.

Sie war mittelgroß, schlank und hatte blondes Haar. Obwohl sie die Augen weit geöffnet hatte, schien sie das heillose Durcheinander im Ladenlokal überhaupt nicht zu sehen. Sie benahm sich wie eine Schlafwandlerin und schien in Trance zu sein. Sie stieg automatisch und dennoch geschickt über die Flaschentrümmer und Butterpackungen hinweg und strebte dem Ausgang zu. Dabei kam sie dicht an Agatha Simpson vorbei.

»Stimmt irgend etwas nicht?« fragte die Lady.

»Gwen«, rief der junge Mann die junge blonde Frau an. »Gwen, wo willst du hin? Gwen, so antworte doch?«

Sie bekam seine dringenden, fast ängstlichen Fragen überhaupt nicht mit, ging weiter und schüttelte seine Hand wie ein lästiges Insekt ab. Eine Hand, die sich mahnend auf ihre rechte Schulter gelegt hatte.

»Sollte ich sie derartig erschreckt haben?«

»Nein«, gab der junge Mann im weißen Kittel zurück. »Sie ist schon seit ein paar Stunden so. Ich wollte schon den Arzt holen.«

»Tun Sie’s sicherheitshalber«, meinte die Detektivin und nickte ihrer Gesellschafterin und Sekretärin zu, die sich sofort an die Fersen der jungen Frau heftete.

Gwen, wie der junge Mann sie genannt hatte, stand bereits auf dem Gehweg und schien unschlüssig zu sein, in welche Richtung sie sich wenden sollte. Sekunden später aber überschlugen sich bereits die Ereignisse und nahmen eine schreckliche Wendung.

Ein Sattelschlepper näherte sich der Kurve, minderte die Fahrt und wurde dann jäh und verzweifelt abgebremst. Gwen hatte sich eindeutig in voller Absicht vor den schweren Wagen geworfen, dessen Bremsen aufkreischten. Der Fahrer versuchte zwar noch, den Sattelschlepper herumzureißen, doch er schaffte es nicht mehr. Die junge Frau war plötzlich nicht mehr zu sehen.

Der Fahrer des Sattelschleppers war kreidebleich, als er aus dem Wagen stieg. Er rannte nach vorn, bückte sich, suchte nach der jungen Frau, richtete sich wieder auf, hob ratlos die Schultern, bückte sich erneut, suchte, stand wieder auf und fuhr sich durchs Gesicht.

»N… nichts«, stotterte er entgeistert, »nichts! Das kann doch gar nicht sein. Ich hab’ sie doch deutlich gesehen. Aber da ist nichts! Keine Frau, nichts. Und ich hab’ sie doch deutlich gesehen!«

»Reißen Sie sich gefälligst zusammen, junger Mann«, raunzte die Lady den Fahrer an. »Kathy, ist da noch etwas zu machen?«

Kathy Porter, die einen Hosenanzug trug, richtete sich gerade auf. Auch sie hatte Ausschau nach dem Opfer gehalten. Kathy Porters Gesicht hatte einen völlig verblüfften Ausdruck angenommen, als sie sich Lady Agatha zuwandte.

»Nichts«, sagte auch sie ratlos, »auch ich habe sie doch deutlich gesehen.«

»Bin ich denn von Schwachköpfen umgeben?« Agatha Simpson war in milden Zorn geraten. Sie stapfte auf ihren stämmigen Beinen nach vorn zum Wagenkühler und ließ sich auf ihre Knie nieder. Als sie sich aufrichtete, zeigte ihr Gesicht nichts als grenzenloses Erstaunen.

»Tatsächlich«, murmelte sie, »nichts zu sehen. Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen. Hallo, Sie, junger Mann!«

Der junge Mann im weißen Kittel kam irgendwie ängstlich aus dem Ladenlokal, erinnerte an einen scheuen, oft geprügelten Hund und sah Lady Simpson aus weit geöffneten, fragenden Augen an.

»Sie haben diese Gwen doch ebenfalls gesehen, nicht wahr?« wollte Lady Agatha wissen.

»Bestimmt«, erwiderte der junge Mann. »Und … und sie ist nicht da?«

»Zu makabren Scherzen bin ich nicht aufgelegt«, fuhr die resolute Sechzigerin ihn an. »Wer ist Gwen? Ihre Frau?«

»Meine Schwester«, antwortete der junge Mann, »und sie liegt wirklich nicht unter dem Wagen?«

»Überzeugen Sie sich selbst«, ermunterte Lady Simpson ihn grimmig. »Könnte ja sein, daß wir uns nur getäuscht haben.«

»Nein, nein, ich kann so was nicht sehen«, wehrte der junge Mann ab.

»Sehen Sie gefälligst nach, junger Mann«, dröhnte die Stimme der älteren Dame, die an die eines altgedienten Wachtmeisters erinnerte. »Wir treiben hier kein Gesellschaftsspielchen.«

Der junge Mann ging scheu und zögernd nach vorn zum Sattelschlepper, bückte sich nun ebenfalls, warf einen kurzen Blick unter den Wagen und richtete sich hastig wieder auf.

»Ich … ich kann auch nichts sehen«, sagte er erleichtert und nachdenklich zugleich. »Gott sei Dank, daß ihr nichts passiert ist.«

»Wo haben Sie sie zuletzt gesehen?«

»Oben, in ihrem Zimmer.«

»Schauen wir dort nach«, meinte Lady Agatha grimmig, »dieses Rätsel verlangt nach einer Lösung.«

Nun, sie brauchten nicht nach der jungen, blonden Frau zu suchen. Sie stand plötzlich vor ihnen in der lädierten Tür des Milchgeschäftes und beobachtete desinteressiert die ganze Aufregung. Sie war heil und unversehrt, lächelte jetzt andeutungsweise und … ging zurück ins Geschäft.

»Zwicken Sie mich gefälligst«, bellte Lady Agatha ihre Gesellschafterin an. »Tun Sie endlich etwas, Kathy, bevor ich verrückt werde!«

*

»Mylady wurden offensichtlich das Opfer einer Sinnestäuschung«, stellte Josuah Parker fest, nachdem seine Herrin ihre Geschichte erzählt hatte. Sie befand sich wieder in ihrer Stadtwohnung in Shepherd’s Market und stand noch sichtlich unter dem Eindruck dessen, was sie draußen am Stadtrand von London erlebt hatte.

»Verschonen Sie mich gefälligst mit diesen Gemeinplätzen«, grollte Lady Agatha und deutete auf ihre Sekretärin. »Kathy hat jedes Detail so erlebt wie ich.«

»Hinzu kommen noch der Fahrer des Sattelschleppers und der junge Mann aus dem Milchladen«, fügte Kathy Porter hinzu. »Mister Parker, ich begreife das alles nicht.«

»Eine Art Massensuggestion.« Mehr sagte der Butler nicht, der steif und gemessen im großen Wohnsalon der Stadtwohnung stand, das Urbild eines hochherrschaftlichen, englischen Butlers, wie ihn ein Film nicht besser liefern konnte.

»Jetzt verstehen wir uns schon wesentlich besser«, sagte Lady Agatha zufrieden. »Die Frage ist jetzt, wer uns diese Massensuggestion bescherte und warum er es tat.«

»Könnte dieses Phänomen möglicherweise mit Myladys Fahrt nach Crane Cottage in Verbindung stehen?« erkundigte sich Butler Parker in gewohnt vornehm-zurückhaltender Art, die ihn auszeichnete.

»Sie glauben, daß man Kathy und mir etwas demonstrieren wollte, Mister Parker?«

»Es könnte sich durchaus um einen reinen Zufall gehandelt haben, Mylady.«

»Nein, das war kein Zufall! Oder doch?« Lady Simpson sah ihre Gesellschafterin erwartungsvoll an. »So sagen Sie doch endlich etwas, Kindchen! Muß ich denn immer allein denken?«

»Mylady sollten Mister Parker vielleicht sagen, warum Sie nach Crane Cottage gefahren sind.«

»Das ist schnell erklärt.« Agatha Simpson schmunzelte ein wenig ironisch. »Meine Freundin Glaters will Teufel und Dämonen gesehen haben, was natürlich reinster Humbug ist.«

»Dürfte ich darüber mehr erfahren, Mylady?« ließ der Butler sich vernehmen.

»Das alte Mädchen ist ein wenig skurril«, schickte Agatha Simpson voraus, »in der vergangenen Nacht trieben sich auf der Wiese vor ihrem Schlafzimmer ein paar kleine Teufelchen herum. Das wenigstens behauptete sie nachdrücklich.«

»Erstaunlich«, meinte Parker zurückhaltend.

»Sie sollen eine Art Satansreigen aufgeführt haben«, berichtete Agatha Simpson weiter. »Das gute, alte Mädchen wurde richtig rot, als sie von den Obszönitäten sprach, die sie gesehen haben will.«

»Wie denken Mylady darüber?« fragte Parker.

»Sie hätte heiraten sollen«, meinte die Detektivin forsch. »Jetzt geht die erotische Phantasie mit ihr durch.«

»Handelte es sich um mehrere Teufel und Dämonen, Mylady?«

»Sie nehmen diesen Humbug doch hoffentlich nicht ernst, Parker.« Agatha Simpson sah ihren Butler streng an. »Bleiben wir lieber bei diesem Milchmädchen, das sich vor den Sattelschlepper warf und einige Minuten später unversehrt hinter uns auftauchte. Das ist etwas, was mich interessiert. Daraus könnte man eine tolle Geschichte machen, finden Sie nicht auch?«

»Durchaus, Mylady«, räumte Parker höflich ein. »Konnten Mylady einige Details über dieses junge Mädchen in Erfahrung bringen?«

»Sie heißt Gwen Perkins und ist die Schwester des Inhabers des bewußten Milchladens«, nannte Kathy Porter die Fakten, die sie sich hatte geben lassen. »Miß Perkins ist zweiundzwanzig Jahre alt, weder verheiratet noch verlobt und arbeitet bei einem Anwalt Hawkins als Sekretärin.«

»Darf ich fragen, ob die Polizei sich eingeschaltet hat?« wollte der Butler wissen.

»Erfreulicherweise nicht«, erklärte die Lady. »Der Fahrer des Sattelschleppers war froh, daß er sofort weiterfahren konnte.«

»Und was geschah im Hinblick auf Myladys Umweg durch den Milchladen?«

»Ich habe mich mit dem jungen Mann privat arrangiert«, gab die ältere Dame zurück, »er verzichtet auf eine Anzeige.«

»Mylady hat den jungen Mann sehr großzügig abgefunden«, warf Kathy Porter ein. »Ich möchte annehmen, daß er froh ist, diesen Besuch im Milchladen bekommen zu haben.«

»Verlieren wir uns nicht in Einzelheiten«, raunzte Agatha Simpson dazwischen. »Wir werden diesem Rätsel natürlich auf den Grund gehen, das ist doch klar. Hier bahnt sich ein interessanter Fall an. Mit Teufeln und Dämonen wollte ich schon immer mal verkehren!«

*

Ihr Wunsch sollte schnell in Erfüllung gehen.

Agatha Simpson saß wieder mal in ihrem Arbeitszimmer vor der Schreibmaschine und versuchte, eine gewisse Agatha Christie auszustechen. Sie hatte sich selbstverständlich eine elektrische Schreibmaschine angeschafft und die notwendige Basis-Literatur. Ihr Arbeitszimmer glich einer öffentlichen Bibliothek, so zahlreich waren die Bücher, die sich mit Fragen und Erkenntnissen zur Kriminalistik befaßten. Lady Simpson konnte sich diesen Aufwand durchaus leisten, denn sie war eine mehr als reiche Frau.

Schon seit vielen Jahren Witwe und mit dem Blut- und Geldadel der Insel verschwistert und verschwägert, verfügte sie über ein immenses Vermögen. Im Grunde konnte sie sich jeden Spleen leisten und dabei immer noch großzügige Spenden an begabte junge Menschen vornehmen, denen die Mittel für ein Studium fehlten. Damit befaßte sich eine Art Stiftung, die Lady Simpson eingerichtet hatte.

Sie war schon eine recht ungewöhnliche Frau, diese Lady Agatha Simpson.

Sie war Amateur-Detektiv aus Leidenschaft und scheute weder Kosten noch Zeit oder Mühen, Gesetzesübertreter größeren Stils zu entlarven. Kleine Gauner interessierten sie nicht, denn sie war zusammen mit ihrem Butler und Kathy Porter hinter den Haien der Unterwelt her. Dabei entwickelte sie eine Zähigkeit und Energie, die schon fast beängstigend waren. Josuah Parker hatte stets alle Hände voll zu tun, um sie vor Schaden zu bewahren.

Agatha Simpson saß also vor ihrer Schreibmaschine und starrte auf das eingespannte, immer noch leere und weiße Blatt. Sie rang mit dem ersten Satz ihres Kriminalromans, der ein Weltbestseller werden sollte Sie schrieb an diesem Roman schon seit vielen Monaten und war glücklich über jede Störung. Eine noch so geringfügige Ablenkung war für sie Vorwand und Grund genug, schleunigst aufzustehen und echt aktiv zu werden.

Lady Simpson schob sich plötzlich langsam zurück und ließ das unbeschriebene Blatt nicht aus den Augen. Es zeigte plötzlich vage Konturen, die sich langsam zu einem schmalen, ovalen Gesicht formten. Da waren der Mund, eine spitze, kräftige Nase und dann die Augen. In diesen Augen waren spöttische Lichter zu sehen, die in blanken Hohn übergingen. Der schmallippige Mund öffnete sich und zeigte ein kräftiges Gebiß. Die langen Bartkoteletten gingen über in dichtes, schwarzes Haar, das weit über der hohen Stirn tief eingebuchtet war. Und jetzt sah die Detektivin es ganz deutlich: Aus diesem schwarzen Haar heraus schauten zwei kurze, kräftige Bockshörner.

Agatha Simpson fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und spürte ein Stechen in ihren pochenden Schläfen. Sie stand hastig auf, aber sie kam nicht auf den Gedanken, nach ihrem Butler oder nach Kathy Porter zu rufen. Sie wußte mit letzter Gewißheit, daß diese Erscheinung dann sofort wieder verschwand.

Das Gesicht war jetzt plastisch geworden, zeigte Tiefe und Bewegung. Ein Auge zwinkerte ihr zu, die Lippen verzogen sich zu einem dünnen Lächeln. Ein Zweifel war ausgeschlossen, dieses Gesicht war existent und lebte!

Nein, Angst hatte Lady Simpson nicht. Eine grenzenlose Neugier und Erwartung machten sich in ihr breit. Sie blieb an der Wand ihres Arbeitszimmers stehen und hielt es für selbstverständlich, daß diese satanische Erscheinung weiter Form und Gestalt annahm. Sie wand sich aus der Schreibmaschine und war zuerst nur eine kleine Nebelsäule, die sich ausweitete und dann zu einer Gestalt wurde.

Diese Erscheinung schien aus dem Mittelalter zu kommen. Sie trug spitze Schnabelschuhe, Strümpfe und Pluderhosen, die weit ausgebuchtet waren. Das Wams war bestickt und sah kostbar aus. Die Erscheinung trug einen langen Schleppdegen und einen schmalen Dolch am reich verzierten Gürtel.

Der Kratzfuß, den diese Erscheinung ausführte, war elegant und dennoch irgendwie herausfordernd-ironisch.

»Da bin ich«, sagte die Gestalt. »Sie suchten Kontakt mit mir, ich konnte und wollte nicht widerstehen.«

»Wer … wer sind Sie?« fragte Lady Simpson, obwohl sie es bereits ahnte.

»Ein Diener Satans«, erwiderte die Erscheinung, »er selbst kann natürlich nicht kommen, was Sie verstehen werden. Er hat einfach zuviel zu tun.«

»Woher kommen Sie?« frage Lady Simpson wie selbstverständlich. Angst hatte sie immer noch nicht. Ja, eigentlich fühlte sie sich wohl wie ein Mensch, dem sich neue Welten erschließen.

»Aus meiner Welt«, sagte der Diener Satans. »Verfügen Sie über mich!«

Die Erscheinung löste sich blitzschnell auf, als angeklopft wurde und Parkers Stimme den Tee ankündigte.

Agatha Simpson faßte sich an die Schläfen und sah ihren Butler aus weit geöffneten Augen an.

»Der Tee, Mylady«, meldete Parker und stellte das Tablett auf dem kleinen Beistelltisch ab. Außer Tee hatte er selbstverständlich eine Kristallkaraffe mit dem von Lady Simpson so sehr geschätzten Kognak mitserviert.

»Haben Mylady noch Wünsche?« erkundigte er sich.

»Scheren Sie sich raus!« fuhr sie ihn wütend und enttäuscht an. »Gehen Sie doch endlich! Ich kann Sie nicht sehen! Sie stören doch, oder merken Sie das gar nicht?«