Catch the Billions, Baby! - J. S. Wonda - E-Book

Catch the Billions, Baby! E-Book

J. S. Wonda

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Beschreibung

Jaden Carter hat der Liebe abgeschworen. Als Scheidungsanwalt hält er weder viel von der Ehe noch von Frauen, die nur an das Geld ihres Gatten gelangen wollen. Als Olivia Bloom vor seiner Kanzlei in seinem Privathaus in Miami Beach auftaucht, weiß er sofort, wer sie ist: eine Heiratsschwindlerin, die sich an seinen Freunden bereichern will. Mit dem Plan, sie zu überführen, übernimmt er ihr Mandat und muss dabei feststellen, dass die hübsche, gerissene junge Frau ihm selbst gar nicht mal so unähnlich ist. Eine Mission treibt Olivia an, die nichts mit Geld zu tun hat. Was ist ihr Geheimnis? Und wieso entwickelt sich aus dem Hass, den Jaden für sie empfindet, Verständnis und schließlich … ein tiefes Gefühl? Das kann er definitiv nicht gebrauchen. Aber Olivia macht es ihm nicht leicht, ihr zu widerstehen. Denn auch sie merkt, dass sie der Liebe nach ihren vielen gescheiterten Ehen wieder eine Chance geben sollte … JADEN Sie ist eine Betrügerin und steht dazu wie keine andere Frau, die ich kenne. Unverfroren schmeißt sie sich an meinen besten Freund ran: schwerreich, sportlich, gutaussehend und verheiratet. Aber das stört die kleine Schlampe nicht, sie will sein Geld und kennt kein Gewissen. Daher wird es mir sehr gefallen, ihr zu zeigen, dass sie für ihre letzte Scheidung nicht nur einen Anwalt sucht – sondern mich. OLIVIA Du kennst die Regeln ... ... oder, Süße? Sei gerissen, sei gut im Bett, spinne deine Intrigen sorgfältig, flirte mit niemandem sonst als mit deinem Zukünftigen, und das Wichtigste: Verliebe dich nicht! Nicht in ihn! Und auf gar keinen Fall – aber ich denke, das versteht sich von selbst, nicht wahr? – in den heißen Anwalt, der für dich deine letzte Scheidung klärt. Eine gefühlvolle Geschichte über eine starke Frau mit dunklem Geheimnis und einen gerissenen Anwalt, die beide ihr Herz finden müssen. Enthält wie alle Romane von J. S. Wonda explizite Liebesszenen. Aus zwei Sichten erzählt. Dieser Roman ist in sich abgeschlossen, aber die Figuren tauchen im Bestseller: »FALLEN: Kein Abgrund ist tief genug« wieder auf.

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CATCH THE BILLIONS, BABY!

ROMAN

J. S. WONDA

Catch the Billions, Baby!

Neuauflage 2023

Copyright: J. S. Wonda, 2016, Deutschland

Bildmaterial: Shutterstock © conrado, Tarapong Siri, djgis, Romolo Tavani, tonyz20, Mayer George, Kursat Unsal und freepik.

Ideen & Entwicklung, unterstützend: Iris Gierke

Korrektorat: Veronika Schlotmann-Thiessen, Claudia Matheis

ISBN Print: 978-3-98595-660-9

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

Alle Rechte vorbehalten.

Jane S. Wonda

Am Himmelkamp 10

30890 Barsinghausen

www.facebook.com/janeswonda

Instagram: @janes_wonda

TikTok: @janes.wonda

www.wondaversum.de/shop

INHALT

Prolog

1. Olivia

2. Jaden

3. Olivia

4. Jaden

5. Olivia

6. Jaden

7. Olivia

8. Jaden

9. Olivia

10. Jaden

11. Olivia

12. Jaden

13. Olivia

14. Jaden

15. Olivia

16. Jaden

17. Olivia

18. Jaden

19. Olivia

20. Jaden

21. Olivia

22. Jaden

23. Olivia

24. Jaden

25. Olivia

26. Jaden

27. Olivia

28. Jaden

29. Olivia

30. Jaden

31. Olivia

32. Jaden

33. Olivia

34. Jaden

35. Olivia

36. Jaden

37. Olivia

38. Jaden

39. Olivia

Epilog

Mehr Jaden & Olivia

Leseprobe aus FALLEN

Danksagung

SOUNDTRACK

ZU CATCH THE BILLIONS, BABY!

Trick Me

Kelis

Northern Rd.

Intergalactic Lovers

Who Shot First?

Elvett

Everybody’s Got To Learn Sometime

The Field

Please Tell Rosie

Alle Farben

und viele mehr

Die vollständige Playlist gibt es auf Spotify.

Vielen Dank an die Musiker und Künstler.

Für Iris & Larry,

ohne die diese Reise ihren Charme verloren hätte.

Ich stehe hinter der Tür. Es ist ein sehr simples Versteck, aber es erfüllt seinen Zweck. Natürlich denkt mein Ehemann, ich sei nicht zu Hause. Ich habe ihm gesagt, ich sei die Woche über in Jackson. Wenn er mich kennen würde, wüsste er, dass ich niemals für eine Woche nach Mississippi zu meinen Eltern jetten würde. Jetzt nicht und in drei Jahren nicht.

Aber er kennt mich nicht. Er hat mich nie so gut kennengelernt wie ich ihn.

Sein durchtrainierter Rücken kommt zum Vorschein. Er trägt nur sein feuchtes T-Shirt, sicher war er gerade joggen. Aus der Ferne betrachtet könnte man meinen, er sähe gut aus. Gerade Brauen, markantes Kinn, dunkelblondes Haar. Ich weiß schon, warum ich ihn mir ausgesucht habe.

Und ich kann nichts dagegen tun, dass es mich verletzt, zu sehen, wie gut mein Plan funktioniert.

Die Flügeltür zum Wohnzimmer gleitet auf. Es ist dunkel, draußen wütet der Ausläufer eines Orkans. Phillip macht dezentes Licht, etwas, auf das er normalerweise nicht achtet. Er schaltet selbst beim Sex die Deckenleuchte ein, so wenig interessiert ihn eine romantische Umgebung – zumindest dann nicht, wenn er mit mir schläft.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich das hier tue, und ich sollte mich mittlerweile daran gewöhnt haben, dass Männer nun einmal so sind, aber es fühlt sich immer wieder aufs Neue wie ein Dolch an, der sich in mein Herz gräbt.

Ja, ich liebe ihn nicht. Weil ich nicht mehr lieben kann, weil es für mich keinen Sinn ergibt, in Gefühle zu investieren, wenn doch nie etwas zurückkommt. Abersein Seitensprung bedeutet, dass auch er mich nie geliebt hat.

Und diese Tatsache fühlt sich wie ein riesiger Verrat an, der mich unkontrolliert erzittern lässt.

Harriet erscheint im Zimmer. Sie trägt nicht mehr als ein Handtuch. Phillip bleibt vor ihr stehen. Er ist sichtlich nervös und weiß nicht, wie er sich verhalten soll. Harriet weiß es. Ich habe sie in ihrem Vorhaben bestärkt. Sie ist ein guter Mensch, ohne meinen Zuspruch hätte sie es nie getan. Aber er. Ihn habe ich nicht eingeweiht und er bestätigt meine schlimmsten Erwartungen.

Als sich Harriet nähert, nach oben zu seinen Lippen reckt, weist er sie nicht ab – wie es ein liebender Ehemann tun würde –, nein, er erwidert den Kuss mit einer Leidenschaft, die ich noch nie an ihm erlebt habe.

Auch insofern habe ich recht: Er liebt sie immer noch. Warum muss diese Erkenntnis jedes Mal aufs Neue so schmerzhaft sein?

Der Kuss wird stürmisch, getrieben von Liebe, und auch wenn es mich verletzt, freut es mich auf der anderen Seite, dass sie endlich zueinanderfinden. Sie. Er.Ich nicht.

Harriet lässt ihr Handtuch fallen und steht mit einem Mal nackt vor ihm. Ihre Brüste sind rund und prall, ihre Lippen vom Kuss gerötet, ihr Haar ist blond und wellig, noch feucht von der Dusche, die Phillip ihr angeboten hat, da sie durchnässt vor seiner Haustür aufgetaucht ist. Sie wartet darauf, dass Phillip etwas tut. Beide warten darauf, ob der andere sich traut.

Aber ich brauche gar nicht darauf zu hoffen, dass Phillip sie abweist, nur weil er eine Frau hat – mich. Er schaltet sein Hirn aus und lässt sich von ihr verführen, so wie ich es geplant habe. Reißt sie an sich, küsst sie stürmisch, greift in ihre Brüste. Sie zieht ebenso verlangend sein T-Shirt nach oben, drückt seine Jogginghose nach unten und holt sein bestes Stück hervor. Ja, mein Ehemann ist gut ausgestattet, keine Frage. Phillip zieht sie mit sich, lässt sich rückwärts aufs Sofa sinken. Sein Schwanz ist lang und hart. Ohne weiteres Zögern setzt sich Harriet auf ihn und sie haben hemmungslosen, wunderschönen, verliebten Sex direkt vor meinen Augen.

Arschloch!

Obwohl ich den Impuls verspüre, ihn zu unterbrechen und ihm sehr viel darüber zu erzählen, was mich genau an seinem Verhalten verletzt, bleibe ich im Schatten und schaue weiter stumm zu. Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen. Bei Phillip so wie bei jedem anderen. Phillip habe ich mit seiner Jugendliebe zusammengeführt. Und ich werde niemandem offenbaren, dass es mit jedem weiteren Mal ein tieferes Loch in mein Herz reißt, wenn ich begreifen muss, dass geschworene Liebe nichtig ist, dass Lügen in einer Beziehung gang und gäbe sind und ich betrogen werde.

Niemand wird es jemals erfahren.

Ich bin stark.

Und ich habe ein Ziel.

Schöne Scheiße. Mein fünfter Louis-Vuitton-Koffer will einfach nicht zu den anderen vieren in den Kofferraum passen. Eine Corvette bietet nun einmal zu wenig Platz.

Sie ist zu mickrig, zu klein, nicht optimal für einen Auszug.

Ich hätte es langsamer angehen sollen, mir eine Massage buchen und einen Umzugsservice bestellen können, und der Tag wäre friedlicher verlaufen. Aber das passt nicht zu der verzweifelten Ehefrau, die ich mimen muss, also musste Louis Vuitton herhalten.

Wer hätte in dieser Situation bedacht, dass ein Zweisitzer so wenig Platz bietet?

»Liebling«, ruft Phillip hinter mir ebenso verzweifelt, wie ich es sein müsste. »Bitte fahr nicht!«

Ich kann hören, wie er in meinem Rücken die Treppen heruntergehechtet kommt. Das bedeutet, dass mir noch zwei Sekunden bleiben, um meine Augen mit Tränen zu füllen.

»Liebste, bitte, lass uns doch darüber reden, es ist nicht so, wie du denkst.«

Oooh, sehr gut! Einwandfreie Vorlage, Phillip-Schatz, zu freundlich!

Ich drehe mich zu meinem Ehemann um und sehe hoch in sein hellhäutiges Gesicht. Der Typ wird niemals braun, selbst wenn er sich in Miamis Sonne legt und grillen lässt. »Ich weiß nicht, wie du so etwas sagen kannst!«, rufe ich mit weinerlicher Stimme. Die Tränen rinnen in kunstvoller Perfektion meine makellosen Wangen hinab. Sehr schön. »›Es ist nicht so, wie du denkst?‹ Das sagt man nur in Hollywoodfilmen, und es bedeutet immer, dass es so ist, wie die …«, ein theatralischer Schluchzer, »wie die … Ehefrau …«, zwei weitere, »denkt. Immer!«

»Olivia, bitte.« Phillip fährt sich einmal nervös durchs Haar. »Hör mir doch mal zu und lass es mich erklären.«

»Ich will aber nicht, dass du mir das erklärst!«, schreie ich ihn an. Ein Wutausbruch, ein kurzes Aufkratzen der Oberfläche, dann falle ich wieder in mich zusammen, ziehe die Schultern nach vorne und beginne, bitterlich zu weinen. – Ich habe in der Schule jahrelang Theater gespielt. Es gibt zwei Dinge, die man ausgesprochen gut vortäuschen kann: Tränen und Orgasmen. Bei allem anderen wird es schwierig. »Ich will einfach, dass du mich gehen lässt, und weißt du auch warum?« Ich sehe unter meinen Tränen blinzelnd zu ihm hoch.

»Warum?«, fragt er gequält und streckt den Arm nach mir aus, um mich zu berühren, doch ich weiche rechtzeitig einen Schritt zurück.

»Weil es richtig ist! Du und sie … das ist richtig! Ich habe es gesehen und … und …« Ich tue so, als könnte ich nun wirklich nicht mehr an mich halten, und breche vollends in wilde Schluchzer aus. Das ist auch der Moment, in dem ich ihm gestatte, mich zu berühren. Wenigstens an der Schulter.

Ich ahne, dass er kräftig schluckt, bevor er versucht, sich herauszureden. »Sie bedeutet mir ni-«

»Sag nicht, dass sie dir nichts bedeutet!«, fahre ich ihn an. Oh ja, ich bin in meinem Element. »Betrüg nicht auch noch sie, verstehst du?«

»Wie meinst du das denn?«, fragt Phillip und ist, wenn ich so weitermache, ebenfalls bald den Tränen nahe. »Wie könnte ich sie denn –«

»Phillip.« Ich senke ein wenig die Stimme, lasse ein paar meiner Schluchzer versiegen. Ansonsten kommt er womöglich auf die Idee, dass er mich so verheult nicht fahren lassen kann. »Ich habe deine Blicke schon eine Weile bemerkt. Seitdem sie hier aufgetaucht ist. Und ich weiß, dass du immer versucht hast, ihr zu widerstehen. Du hast immer versucht, an uns festzuhalten. Aber es war von Anfang an aussichtslos, verstehst du nicht?«

»Nein«, gibt er trocken zu. »Ich verstehe nicht.«

»Du und sie!« Ich fuchtle wild Richtung Haus, obwohl sich Harriet schon seit gestern Abend nicht mehr dort aufhält. »Ihr gehört zusammen und ich möchte euch nicht länger im Weg stehen! Ihr sollt glücklich werden!«

»Aber … Olive-Süße …«

»Nenn mich nicht so«, flehe ich ihn jammernd an. »Nenn mich bitte nie wieder so! Ich möchte nur noch weg, kannst du das nicht verstehen? Lass mich einfach allein.«

»Und wo willst du jetzt hin?«, fragt er beunruhigt. »Soll ich dir … verdammt, Liebling, ich will nicht, dass du gehst.«

Hm. Er scheint ziemlich an mir festzuhalten. Ich weiß noch nicht, was das für mich bedeutet. Vermutlich ist das ein Vorteil, aber was, wenn ich mich getäuscht habe und die gestrige Nacht nur ein Ausrutscher war?

Egal. So oder so wird er sich von mir in die Zange nehmen lassen.

»Ich muss. Ich muss weg hier, Phillip.« Ich sehe ihn hinter einem Tränenschleier an, betrachte ein letztes Mal seine braunen Augen aus der Nähe, die breite Nase, die hohe Stirn, dann wende ich mich ab. Bei unserem nächsten Treffen werde ich ihm im Gerichtssaal gegenübersitzen. »Bitte versuch, mich zu verstehen. Bitte lass mich gehen.«

Er lässt mich los. So durchschaubar, der Kerl.

»Ruf nicht an.«

»Ich will dich aber anrufen!«, behauptet er. »Du bedeutest mir etwas, Olivia!«

Ich seufze. Tja, ein paar hunderttausend Dollar bedeute ich ihm, das stimmt. »Ich bin mir sicher, dass du glücklich wirst«, sage ich mit fester Stimme, dann nehme ich meinen fünften Koffer in die Hand, knalle den Kofferraum zu und verstaue das kleine Louis-Vuitton-Teil vorne auf dem Beifahrersitz. Ich verabscheue es zwar, wenn dort etwas herumliegt, aber anders ist es wohl nicht möglich. – Es sei denn, ich lasse meine Sommeroberteile zurück und kaufe mir neue. Aber ich versuche trotz allem, nicht allzu verschwenderisch zu sein.

»Mit wem soll ich denn glücklich werden, Olivia?«, ruft er mir hinterher, als ich schon dabei bin, einzusteigen. »Du machst mich glücklich, ja? Hörst du das?«

Ich werfe ihm einen letzten Blick zu, bevor ich meine Sonnenbrille aufsetze. Vollidiot. »Aber ich. Ich bin nicht glücklich, Phillip, jetzt, da ich weiß, dass dein Herz nie aufgehört hat, für Harriet zu schlagen. Ich glaube, du hast dir jahrelang etwas vorgemacht. Du solltest damit aufhören.«

Und nach diesen wundervollen, tragenden letzten Sätzen sinke ich auf den Fahrersitz, stecke den Schlüssel ins Zündschloss und fahre mit einer aufwirbelnden Staubwolke davon. Phillips Villa war ein zauberhafter Zwischenstopp auf dem Weg in ein köstliches Leben.

Und wie meinem ungebrochenen Talent nach zu erwarten war, liegt ebendieser Weg nun klar und strahlend vor mir.

* * *

Es gibt viele schöne Dinge, die man in Miami tun kann, aber eine Sache ist nicht zu toppen: Man fährt in einem knackigen Luxusschlitten mit offenem Verdeck, Kopftuch und tiefem Dekolleté durch die Straßen und lässt sich bewundern. Die Blicke gleiten erst zum Wagen, dann zu der wunderschönen Frau darin und nicht selten wird gepfiffen oder gehupt.

Heute achte ich jedoch nicht darauf. Ich denke an Romeo und Julia und heule. Das ist mein Trick, um mich zum Weinen zu bringen. Irgendeine traurige Liebesgeschichte, die unverdient schlecht ausgegangen ist, und meine Augenränder und Wangen quellen zufriedenstellend auf.

Aber es ist ja auch so traurig!

Ich biege schluchzend in den Morningside Drive ab und parke die einzige wahre Liebe meines Lebens neben einem Motorrad. Ich schließe das Verdeck und begutachte mich im Spiegel. Mein Mascara ist trotz der Tränen und der Hitze nicht verlaufen – gut so. Dennoch muss ich meinen hellbraunen Augen mit rotem Lipliner nachhelfen, damit sie wenigstens etwas verheult aussehen.

Perfekt!

Mit einem eleganten Schwung setze ich meine Füße in den teuren High Heels auf den Asphalt, greife nach meiner Marc-Jacobs-Tasche und straffe stolz die Schultern, nur um sofort darauf wieder in mich zusammenzufallen. Romeo, oh Romeo, where do you have your Juliet?

Zehn Minuten später sitze ich, vor dem leichten Wind geschützt, in einem der Strandkörbe am Rand der Terrasse einer exklusiven Cafébar von Miami Beach und lasse meinen Blick durch die Menge der Gäste gleiten. Obwohl die Klimaanlage auch hier draußen für Abkühlung sorgt, sind nicht viele Gäste anwesend. Ich erkenne niemanden, vermute aber stark, dass ein Großteil der Anwesenden auf einer meiner Hochzeiten war. Phillip und ich haben dreimal gefeiert, um alle Gäste einladen zu können, aber ich habe kaum einen der zweihundertfünfzig Namen behalten können. Nur die wichtigen.

Ich schlürfe gerade genussvoll die Reste meines Cocktails, da begegnet mir der forschende Blick eines Mannes ganz in der Nähe. Er sitzt allein an der Bar und sieht ungeniert zu mir herüber, ein Umstand, den ich unbemerkt durch meine dunkle Sonnenbrille wahrnehmen kann.

Ich müsste mich auf das Gespräch mit Logan vorbereiten, mir die Sätze zurechtlegen, die nötig sind, um ihn dazu zu bewegen, mich zu sich einzuladen, aber dieser Mann schafft es tatsächlich, mich abzulenken. Was will er von mir?

Immer wieder neige ich den Kopf so, als würde ich die Aussicht auf das Meer genießen, um einen weiteren Blick auf diesen Mann zu erhaschen, der mir vage bekannt vorkommt. Diese dunklen Haare und breiten Schultern habe ich doch irgendwo schon einmal gesehen …? Vor allem diese stechenden Augen rühren an einer meiner Erinnerungen … Concentration, Baby!

Logan ist jetzt angesagt. Er ist nicht nur ein guter Freund meines ›Ex‹-Mannes und wurde ebenfalls von seiner Frau betrogen – nein, er und nur er ist mein Schlüssel zu New York, zu den Milliardären Manhattans. Denn ihm gehören zwei Hotels nahe dem Central Park und ich würde nur zu gerne als seine nächste Geliebte eine der Suiten beziehen …

Der Gedanke an New York lässt mich den fremden Kerl fast vergessen. Vermutlich meint er nicht mich, sondern die zwei Bikiniweiber mit Plastikbrüsten hinter mir, die nahe der Treppe zum Strand ihre langgezogenen Wimpern klimpernd zur Schau stellen und damit ihren Job so viel schlechter machen als ich. Da sie jünger sind, offenkundig dämlich wie Toast und ihre Brüste von Gott gekauft haben, müssen sie sich nicht anstrengen. Doch geheiratet werden diese Weiber eher seltener und für wesentlich mehr Sex müssen sie auch herhalten. Nein, danke.

Ich bin zufrieden mit dem, was ich tue. Dass ich die Männer mag, die ich treffe, ist schließlich nicht geheuchelt. Deswegen bewahre ich sie vor ihren Schicksalen oder verkupple sie wie Phillip mit einer vergessen geglaubten Verflossenen und alle sind zufrieden.

So auch mein Plan mit Logan Westham und seiner Bald-Ex, die treffenderweise Tiffany heißt. Ich habe noch nie eine Frau getroffen, die mir unsympathischer sein könnte, und es passt zu ihr, dass sie Logan betrogen hat. Zu meinem Vorteil, aber ganz bestimmt nicht zu Logans Nachteil. Schließlich ist er sie jetzt los, und ich werde ihm dazu verhelfen, dass er nach mir niemals wieder an so eine gerät.

Darin bin ich erstklassig. Ich führe Menschen zusammen. Ich verkupple nicht nur, nein, ich bringe das eine Stück zu seinem Gegenpart wie bei einem Puzzle, das einzig durch mich als Puzzler zusammengesetzt wird. Zudem sorge ich dafür, dass die Männer ihr zuvor schlechtes Leben in ein rein positives verwandeln. Und dafür erhalte ich meinen Lohn bei der Scheidung. Bisher hat sich keiner von ihnen im Nachhinein bei mir beschwert.

»Madam, darf ich?« Der Kellner greift nach meinem leeren Glas und stellt mir daraufhin ein neues hin.

»Ich habe keinen Swimming Pool bestellt«, erinnere ich ihn.

»Das kommt von dem Herrn an der Bar und es ist ein Blue Lagoon«, erklärt er geflissentlich, rückt den teuren Cocktail zurecht und verschwindet wieder.

Mist. Etwas in meiner Brust beginnt zu flattern. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich jemals einen Drink ausgegeben bekommen habe – schon gar nicht von so einem Kerl, dem nicht nur die Bikinigirls blind hinterherdackeln würden. Nein, wenn mir ein Mann einen Drink ausgegeben hat, dann weil ich es so wollte und ich es arrangiert habe. Ruhig Blut, das wird doch eine wie dich nicht aus der Bahn werfen?

Natürlich nicht. Ich lege elegant drei Finger um das kalte Glas, hebe den Cocktail an und beuge mich vor, um Mr. Geheimnisvoll zuzulächeln – enttäuscht stelle ich fest, dass er nicht mehr auf seinem Platz sitzt.

»Suchst du mich?«

Ich schrecke zusammen. »Logan!«, rufe ich eine Spur zu irritiert und stelle den Cocktail zügig ab. Hat er mir den Drink bezahlt? »Ich bin so froh, dass du es einrichten konntest.« Ich stehe elegant auf und lasse mich von ihm zur Begrüßung auf beide Wangen küssen.

»Das war einfacher als gedacht. Meine Abende sind seit Neuestem recht frei.« Ich weiß, worauf er anspielen will. Seine fast schwarzen Augen werden trüb und sein Lächeln verliert an Aufrichtigkeit. Logan ist ein attraktiver schwarzer Amerikaner, der seinen Südstaatenakzent nie ganz losgeworden ist. Er hat vor Jahren die Unternehmen seiner Adoptiveltern übernommen und sie zu einem Spitzenimperium ausgebaut. »Schlimmer noch, dass es dir nun ähnlich ergeht.« Er öffnet den unteren Knopf seines Jacketts und setzt sich rechts neben meinen Strandkorb auf einen der Stühle. Schade eigentlich, denn so werden wir kaum dazu kommen, uns aus Versehen zu berühren. »Wie ich sehe, hast du schon bestellt?«

»Ja, ich bin schon seit sechs hier.« Also war es doch nicht Logan, der mir den Drink ausgegeben hat …

Logan greift nach der Karte und schlägt sie auf. Er hat das eine Bein auf dem Knie des anderen abgestützt. Seine Pose ist männlich, dominant und elegant. Jemand wie er musste sich sein Geld erarbeiten, so viel steht fest, und dieser Lebensweg schmeichelt ihm verdammt gut. Er trägt eine Sonnenbrille in der Brusttasche des weißen Hugo-Boss-Hemdes, eine hunderttausend Dollar teure Uhr und seinen Platin-Ehering. Er ist ganze zehn Jahre älter als ich und damit kurz vor den Vierzigern. Sein Personal Trainer verdonnert ihn zu Sport, und außerdem habe ich gehört, dass er sehr auf die Ernährung achtet. Sein kurz geschorenes, schwarzes Haar wirkt ordentlich und lässt seine markante Stirn, die kräftigen Augenbrauen und die Ohren frei. Er ist immer rasiert, hat ein auffällig breites Kinn und sehr sinnliche, dunkle Lippen, die besonders dann, wenn er denkt, parallel zu seinen Gehirnwindungen zucken. Sein Gesicht ist nicht das eines typischen Schönlings, aber diese Tatsache macht er durch seine Ausstrahlung wett. Außerdem hat er einen interessanten Charakter. Er war nicht nur Tiffany immer treu – er schenkt auch den albern kichernden Plastikbarbies drei Tische weiter nicht das geringste bisschen Aufmerksamkeit. Solche Männer gefallen mir. Sie haben noch Geschmack und suchen Frauen wie mich. Ich habe mich im letzten Jahr oft dabei erwischt, wie ich heimlich davon geträumt habe, Logan könnte der Richtige für mich sein und ich würde ihn jedem Realismus zum Trotz aus wahrer Liebe heiraten.

Aber das ist Illusion. So nett er auch ist, irgendwann wird es scheitern, und dann bin lieber ich diejenige, die die Fäden in der Hand hält und die Schere zückt, um sie im richtigen Moment zu durchtrennen.

»Sie will mich ausnehmen.« Logan legt die edel gebundene Karte zurück auf den Tisch und löst seine Krawatte. »Ich weiß, es ist unhöflich, wenn ich hierherkomme und dir von mir erzähle …«

»Nein, bitte, erzähl ruhig. Wie kommst du darauf?«

Logan seufzt auf. So gebeutelt wirkt er wie jeder andere Mann auch, der eine zu schwere Last zu tragen hat. Er ist einfach wundervoll. »Wir streiten nicht nur um das Geld, sondern auch um den Anwalt.«

»Was darf ich Ihnen bringen, Sir?« Der Kellner taucht aus dem Nichts neben uns auf, wie ein Schatten in der Sonne, und wartet erpicht auf die Bestellung des wohlhabenden Gastes.

»Ein kaltes Bier«, bestellt Logan abwesend, ohne mich aus den Augen zu lassen. Tiffany will ihn ausnehmen? »Sie betrügt mich und ist dann so abgebrüht und schnappt mir den Anwalt vor der Nase weg, den einzigen, dem ich vertraue.«

Ich runzle die Stirn. »Sie denkt jetzt schon an eine Scheidung?« Damit habe ich nicht gerechnet. Ist sie wirklich so schnell bereit, Logan aufzugeben, und sieht nur das Geld?

Er lacht schnaubend. »Aber sicher. Als hätte sie die Scheidung die ganze Zeit gewollt.«

»Oh …« Ich könnte innerlich hüpfen vor Glück. Das macht alles so viel einfacher. »Das tut mir wirklich leid.«

»Ach was.« Er winkt mit seiner breiten Hand ab. »Ich musste es ja wenigstens nicht miterleben. Du Ärmste. Phillip hat mir schon gebeichtet, dass du ihn in flagranti erwischt hast. Glaub mir, ich habe ihm sofort ins Gesicht gesagt, was ich von seinem Verhalten halte. Wir waren immer gute Freunde, aber das hätte ich ihm nicht zugetraut.«

Ist Logan nicht herrlich? So ehrlich, so treu? Er kann sich nicht einmal vorstellen, dass andere Männer mit ihrem Schwanz denken und die vollbusigere Blondine der kompliziert gewordenen Ehefrau vorziehen. Das macht ihn wirklich sympathisch. »Ich kann es noch gar nicht begreifen«, erkläre ich stockend und schlürfe verloren an meinem Cocktail. »Ich kriege … ich glaube, ich werde diese Bilder von ihm und ihr …« Ich senke das Glas und beiße mir wirkungsvoll auf die Unterlippe. Nach außen hin wirkt es so, als würde ich mich bemühen, nicht in Tränen auszubrechen.

»Es tut mir leid.« Logan beugt sich vor und greift nach meiner Hand. Seine Haut ist weich und warm und ich genieße die Berührung. Außerdem liebe ich es, wie unsere verschiedenen Hauttöne miteinander harmonieren. Hell und dunkel … »Olivia, ich weiß, was du durchmachst. Du hast all das hier auf dich genommen, bist an die Ostküste gezogen und kennst hier niemanden. Es tut mir aufrichtig leid, dass dir das geschehen musste.«

Ich schluchze dankbar auf und verberge die fehlenden Tränen hinter meiner Sonnenbrille. »Danke.«

»Kann ich etwas für dich tun? Wo wirst du jetzt wohnen? Gehst du zurück nach Mississippi?«

Er weiß sogar, woher ich komme! Wow. Meine Vorarbeit war erste Sahne.

Ich schüttle den Kopf. »Nein … zu meinen Eltern? Ich will ihnen keine Sorgen bereiten … außerdem versauere ich in dem Kaff dort.« Ich lasse ein wenig meiner Persönlichkeit durchblitzen, streiche eine Strähne zur Seite und lache verschämt.

Logan lächelt ebenfalls. »Das kann ich verstehen. Ich würde dir anbieten, in unser Gästehaus zu ziehen, aber das ist vermutlich ebenfalls keine gute Idee.«

Was? Wieso denn nicht? Das Gästehaus! Darauf habe ich spekuliert. »Wegen Tiffany meinst du?«, frage ich schüchtern. Noch immer hält er meine Hand. Es ist eine freundschaftliche Berührung und das ist gut so. Freundschaft ist die beste Grundlage für eine vertrauensvolle Beziehung und daher so viel besser als ein erotischer Flirt. Ich habe nicht vor, seine Ablenkung oder sein Trostpflaster zu werden. Dafür können gerne andere herhalten. Nein, ich plane eine Freundschaft, aus der sich mehr entwickelt und die so besonders ist, dass er mich letztendlich allen anderen vorziehen wird.

»Ich will nicht, dass du dazwischengerätst«, erklärt er einfühlsam. »Wir führen tagein, tagaus sinnlose Dispute. Schlimm genug, dass die Angestellten alles mitbekommen. Zum Glück interessiert sich die Klatschpresse nicht für mein Leben. Noch nicht.« Sein Lächeln wird bitter.

Ich habe davon gehört, dass letzte Woche Paparazzi auf seinem Grundstück aufgetaucht sind, die eine Story über einen Milliardär wittern, aber bisher ist dazu nichts in der Presse erschienen. Dafür ist er dann doch zu unbekannt. Logan besitzt einige Firmen und ein paar Hotels, nichts von öffentlichem Interesse.

»Ich habe mir ein Hotelzimmer genommen«, erkläre ich nüchtern. »Ich weiß nicht, was danach geschehen soll. Bist du denn wirklich sicher, dass Tiffany dich schon seit Längerem verlassen wollte?«

Er sieht auf, als würde er sich erst erinnern müssen, dass ich vor ihm sitze. Dann verziehen sich seine Mundwinkel zu einem abfälligen Grinsen. »Sie hat keine Scheu, einen der besten Scheidungsanwälte anzuheuern, von dem sie weiß, dass er besonders gut darin ist, für die weibliche Partei alles herauszuholen, was möglich ist. Das ist sein Ruf, man tritt schon gar nicht mehr gegen ihn an. Das beweist doch, dass sie nur auf eines hofft.«

Ich horche auf. Ein Scheidungsanwalt, der die Gegenpartei ausnimmt? So etwas suche ich! »Kennst du diesen Anwalt denn?«, frage ich unbekümmert.

Sein Lächeln friert auf seinem Gesicht ein. »Carter? Er ist einer meiner besten Freunde. Jedenfalls glaubte ich das mal.«

Uuh, bitter.

»Aber es scheint mir, als würden langsam alle meine Freunde ihr wahres Gesicht zeigen.« Er spielt auf Phillip an. Und jetzt auch dieser Carter. Logan tut mir wirklich leid.

»Kann ich dich irgendwie ablenken?«, schlage ich fröhlich vor. »Wir sollten am Wochenende bei der Bootstour versuchen, einmal nicht daran zu denken, was uns widerfahren ist. Ich freue mich schon darauf. Vielen Dank, dass du mich eingeladen hast.«

»So wie ich dich kennengelernt habe, wird das ein Leichtes sein.« Sein Kompliment wärmt meine Seele. Er hat recht. Auf Events und Partys und zu Gelegenheiten, bei denen ich nicht die verletzte Ehefrau mimen muss, bin ich meistens recht ausgelassen und lustig. Ich stehe bei den Männerrunden und unterhalte mich mit ihnen ausgiebig über Sport, Autos und den Finanzmarkt, alles Dinge, die ich langweiligen Illustrierten vorziehe. Man muss natürlich darauf achten, die anderen Frauen bei solchen Festen nicht zu vernachlässigen – Feinde in Form von Ehefrauen will niemand. Mein Trick ist es, im entscheidenden Moment allen zu bedeuten, dass ich glücklich verheiratet bin. Zumindest war es das bis jetzt. Nun steht es mir frei, mich herumzutreiben, und ich weiß genau, dass einige nur darauf gewartet haben. Aber ich werde mich unnahbar geben – ich bin nicht leicht zu haben und schon gar nicht für irgendeinen Mann.

Das weitere Gespräch verläuft ereignislos. Wir unterhalten uns, schwelgen in gemeinsamen Erinnerungen an vergangene Partys, bedauern uns gegenseitig und lassen durchblicken, was uns jeweils beschäftigt. Mich überrascht die Aufmerksamkeit, die er mir schenkt, und die Anteilnahme, die er bereit ist, mir zu geben. Ja, Phillip habe ich nicht aus Liebe geheiratet, aber ich weiß, wie es ist, verlassen, betrogen und enttäuscht zu werden. Bei so viel Einfühlungsvermögen muss ich mich zügeln, ihm nicht doch noch etwas mehr von meiner Vergangenheit zu erzählen.

Aber das würde ihn nur abschrecken. Er soll denken, dass ich schon immer die starke Frau war, die heute vor ihm sitzt, und Phillip ihr erster Schicksalsschlag ist, den sie nicht verdient … Wenn er wüsste.

Auch wenn er mich dazu drängt, mich gegen neun Uhr ins Hotel zu bringen, lehne ich dankend ab. Ein freundschaftliches Date mit Logan heute Abend ist in Ordnung, aber in sein Auto steigen? Das ginge zu weit. Wir verabschieden uns mit einer etwas festeren Umarmung, die mir mehr als gefällt. Mist! Ich darf nicht mein Ziel aus den Augen verlieren! Nicht dass ich mir doch noch etwas einbilde und zu viele Gefühle zulasse. Vielleicht, weil sich etwas in mir danach sehnt …

Ich unterdrücke alle weiteren Gedanken und bestelle einen neuen Drink. Zeit, allen zu zeigen, wie sehr ich verletzt wurde. Diese Location bietet die perfekte Kulisse.

Sie ist eine Bitch. Warum das niemandem sonst auffällt, kann ich nicht begreifen. Ihre lügnerische Art enttarnt man auf drei Meilen. Tiff hatte recht.

Sie hatte auch recht damit, dass Logan sich von ihr einwickeln lassen wird wie eine einfältige Fliege, die im Schein der Neonlampe ins Netz gerät, obwohl es doch von allen Seiten bestrahlt wird. Was hat der Typ für ein Problem? Wo sind seine Sensoren? Warum checkt er nicht, dass diese Fremde hier auftaucht und sich erst an Phillip und jetzt an ihn ranschmeißt?

Niemand weiß etwas über sie. Ja, sie ist beliebt, sie soll auf Partys witzig sein, aber ihre Schauspielerei vorhin war durch nichts zu unterbieten. Und Logan nimmt ihr das ab?

Ich könnte verstehen, wenn er sie knallen will, selbst wenn ein mieser Charakter jedes noch so ansehnliche Äußere zerstört. Er wurde betrogen, jedenfalls glaubt er das, und sucht nach Ablenkung, was weiß ich. Ich war noch nie in so einer Situation und kann nur spekulieren. Doch das Gespräch vorhin war alles andere als oberflächlich. Logan hat ja nicht einmal daran gedacht, sie sich zu nehmen, und hat damit das Bild bestätigt, das ich immer von ihm hatte. Treu bis in die Haarspitzen, galant bis in die Zehen. Nur so hat er überhaupt das Vermögen seiner Eltern retten können, mit bewusster Zurückhaltung und echter Bescheidenheit. Und dann soll es an einer kleinen Schlampe scheitern, die sein Geld ergattern will?

Während Olivia sich einen Drink nach dem anderen hinter die Binde kippt und jedem von dem Betrug ihres Mannes erzählt, der es hören und weitertratschen will, stehe ich im Schatten an der Bar. Ich warte darauf, dass sie betrunken genug ist, um es nicht mehr mitzubekommen, wenn sie mir ihre wahren Absichten verrät, und lasse sie daher keinen Moment aus den Augen.

Gerade hat sie sich Elouise und Cathryn vom Tennisclub geangelt und seufzt ihnen in einer langwierigen Tour nach der anderen vor, wie sehr sie sich doch betrogen fühlt. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich denken, die Übelkeit in mir käme vom Alkohol. Aber natürlich bleibe ich in so einer Situation nüchtern. Ich kenne Elouise und Cathryn. Beide sind ebenfalls hoffnungslos schlecht darin, Lügner zu enttarnen, und haben schon mehrmals ihr Geld an irgendwelche Idioten verloren. Daher wundert es mich nicht, dass sie von Olivia angetan sind. Vermutlich tun sie ab morgen so, als wären sie die besten Freundinnen, und werden eine eingeschworene Einheit gegen Phillip bilden. Genau das wird Olivias Plan sein.

Ich zweifle keine Sekunde an meiner Theorie, dass sie sich innerlich darüber freut, Phillip wieder los zu sein und ordentlich etwas dafür einstreichen zu können. Solche Frauen kenne ich viel besser als irgendjemand sonst. Jahrelang habe ich für sie gearbeitet, anfangs noch, weil ich glaubte, für sie einstehen zu müssen, dann, weil es äußerst bequem war, hübsche, verlorene Mandantinnen zu ficken, und schließlich, weil am Ende diejenigen Frauen zu mir kamen, die darauf spekuliert haben, ihren Ehemann ausnehmen zu können, und ich das mit der Zeit eben am besten konnte.

Nicht ohne Grund bin ich für drei Jahre nach London gegangen, um diesen Ruf loszuwerden. Solche Weiber deprimieren mich, und kaum bin ich zurück, sind zwei meiner Freunde in Olivias Fängen?

Aus Langeweile bestelle ich bei dem Barkeeper eine Schachtel Zigaretten und zünde mir eine mit einem der bareigenen Streichhölzer an. Ich war nur zwei Minuten abgelenkt, aber als ich aufsehe, sind Elouise und Cathryn plötzlich verschwunden und Olivias Platz ist leer. Die Strandbar ist an einem Mittwochabend nicht besonders voll und doch kann ich sie nicht finden.

So schnell können sie doch gar nicht gegangen sein?

Beruhigt stoße ich den Rauch aus, als ich Cathryns schrilles Gackern aus dem Flur zu den Toiletten höre. Zu dritt aufs Klo – natürlich.

Ich greife nach meinem Handy und überlege, in der Zwischenzeit eine SMS zu schreiben. Vielleicht wird es Tiffany aufbauen, wenn ich ihr sage, dass alle ihre Vermutungen richtig waren.

»Für Sie, Mister.«

Der Barkeeper stellt mir einen Drink auf den Tresen.

»Ich habe nichts –« Ich stoppe mitten im Satz, als mir die blaue Farbe des Cocktails auffällt, und sehe mich um.

»Guten Abend.«

Ich halte inne.

Phillips Ex sitzt geschmeidig wie eine Katze zwei Plätze weiter an der Bar und flirtet mich mit ihrem Blick so offensiv an, dass ich mich kurz fragen muss, ob es dieselbe Frau ist, die Logan vorhin nicht einmal einen erotischen Wimpernaufschlag geschenkt hat. Ihre Haare sind dunkelbraun, voll und lang, ihre Beine schlank, ihre Hüften weiblich. Ihr niedliches Gesicht wirkt durch ihre Stupsnase spitzbübisch und ihre Augen nehmen einen unmittelbar gefangen. Sie hat irgendetwas an sich, das Männer in den Bann zieht, so viel steht fest.

»Gefällt Ihnen die Aussicht?« Sie streicht sich kokett eine Strähne hinters Ohr. Man sieht ihr deutlich an, dass sie getrunken hat, aber wenigstens tut sie jetzt nicht so, als wäre sie durchgehend den Tränen nahe. Nein, sie hat ihre Augen getrocknet, die schwarze Tusche nachgezogen und ihre Lippen blutrot übermalt. Nicht mehr die verlassene Ehefrau, sondern die Aufreißerin – und dann kommt sie ausgerechnet zu mir?

Ich stoße stumm den Rauch aus und asche ab. Den Drink ignoriere ich vorerst. »Ich komme nur wegen der Aussicht hierher.« Das stimmt sogar, jedenfalls war es früher so. Meine heutige Kanzlei, in der ich anfangs gejobbt habe, liegt keine fünfzehn Minuten von hier in Downtown, und früher eignete sich dieser Ort wunderbar dafür, französische Urlauberinnen abzuschleppen. Damals war ich zwanzig, half Logan im Studium bei seinen Hausarbeiten und ließ mir im Gegenzug die teuren Drinks bezahlen. Mittlerweile ist der Schuppen so exklusiv, dass man ihn als Zwanzigjähriger nur in Begleitung seiner millionenschweren Eltern betreten darf – die Aussicht auf einen Teil Miamis und das ruhige Meer ist dieselbe.

»Das dachte ich mir«, erwidert Olivia sanft und legt das eine Bein über das andere. Sie hat ihre Bluse abgelegt, die sie für den anständigen Logan bis zum Hals zugeknöpft trug, und sitzt nun nur in ihrem schwarzen Minikleid vor mir. Diese Frau ist nicht ohne Grund in die High Society aufgenommen worden. Sie ist äußerst sexy; zwar sportlich durchtrainiert, aber doch mit genügend natürlichen Kurven, um eine Augenweide zu sein. Sie kennt ihre eigenen Vorzüge genau und kurz muss ich über diese Tatsache schmunzeln. Wann ist mir das letzte Mal eine Frau begegnet, die sich ihrer Reize auf Männer so bewusst war …? »Ich habe den ganzen Abend darüber nachdenken müssen, warum Sie mich beobachtet haben und es bei einem einzelnen Drink beließen, aber es hat sich mir nicht erschlossen, verstehen Sie?« Sie lächelt ironisch zu mir hoch, legt ihre Handtasche auf den Tresen und holt betont gleichgültig einen Zigarettenfilter hervor. Tatsächlich eines dieser Teile, die Audrey Hepburn berühmt gemacht haben.

Ich zögere. Natürlich erwartet sie, dass ich ihr eine anbiete, aber es gefällt mir nicht, dass sie nach all dem Theater plötzlich so tut, als wäre sie auf Männerfang. Also bleibe ich stehen und rauche ungerührt weiter.

Wie ich es erwartet habe, hat sie selbst Zigaretten dabei. Sie lässt sich nichts anmerken, als sie sich eine hervorholt, in den Filter steckt und anzündet. Aus den Augenwinkeln beobachte ich, dass Cathryn und Elouise die Strandbar durch einen der Seitenausgänge verlassen, ohne sich noch einmal nach Olivia umzusehen. Ein Glück, denn sie hätten mich erkannt und vielleicht Phillip davon erzählt.

»Ihre Freundinnen gehen, wollen Sie gar nicht hinterher?« Wenigstens den Aschenbecher schiebe ich ihr über die Theke zu, sodass sie ebenfalls abaschen kann. Im Hintergrund läuft leise irgendein Song der Ronettes, und die anderen Gäste sitzen weit genug entfernt, sodass uns niemand hören kann.

»Wenn ich das wollte, wäre ich wohl gegangen, oder?«, fragt sie kokett und beweist damit ihre Schlagfertigkeit.

Scheiße. Diese Frau hat mehr als zwei Gesichter und genau das macht sie für jemanden wie Logan und Phillip so attraktiv. Ich stecke mein Handy weg. Tiffany zu schreiben hat sich wohl erledigt, stattdessen sollte ich lieber all meine Pläne umwerfen. »Danke für den Drink«, sage ich also nur und leere das Cocktailglas mit einem Zug. Der blau gefärbte Wodka rinnt mir brennend durch die Kehle und erinnert mich einmal mehr daran, warum ich harten Alkohol seit der Uni meide.

Olivia nickt mir lächelnd zu. »Also, warum beobachten Sie mich?«

»Sie haben Brüste und ich will Sie vögeln, was dachten Sie?« Ich kann mein Grinsen nicht verbergen.

Sie versucht, sich nichts anmerken zu lassen, aber die Schamesröte in ihrem Gesicht ist unverkennbar. Sie senkt ihre Augenlider, was nicht zu dem Bild passt, das ich bisher von ihr hatte. Eine wie sie, verschämt? »Und deswegen beobachten Sie mich die ganze Zeit?«, fragt sie neugierig, als würde sie wirklich glauben, dass es stimmt, was ich gerade gesagt habe.

Ich warte zwei Züge an meiner Zigarette ab, ehe ich knapp antworte. »Es scheint zu funktionieren.«

Auch mit dieser Antwort hat sie nicht gerechnet und sie lacht ehrlich belustigt auf. Ihr Lachen wandelt sich zu einem Kichern und zum ersten Mal an diesem Abend wird sie mir sympathisch. Wenn sie auf diese Art bei Phillips Partys gelacht hat, kann ich verstehen, wieso die Leute sie mögen.

Auch ich muss schmunzeln. »Wo werden Sie heute Nacht schlafen?«

»Unter der Brücke?«, fragt sie keck lächelnd. »Ich wurde verlassen, das sollten Sie doch mitbekommen haben. Sind Sie so einer, der das sofort ausnutzt? Das ist wirklich beschämend. Vor allem stört es mich, dass ich Sie irgendwoher kenne.«

»Für eine Frau wie Sie, die zehn Drinks intus hat, denken Sie äußerst kombinatorisch«, erwidere ich ruhig und drücke meine Zigarette aus. Ich mache einen Schritt auf Olivia zu und stehe nun so nah, dass ich die Gesichtszüge unter ihrem Make-up ausmachen kann. Zarte Lachfältchen, Sommersprossen, ein Muttermal oberhalb der Augenbraue. »Woher kennen Sie mich?« Ich dürfte ihr bei ihrer Hochzeit kaum aufgefallen sein, denn ich kam zu spät und blieb nicht lange. Nur Logan zuliebe habe ich Phillip und ihr meinen Segen ins Gästebuch geschrieben. Eigentlich war ich nur gekommen, um Susan abzugreifen, bevor sie mit einem anderen die Party verlassen hätte, aus keinem anderen Grund. Am nächsten Tag bin ich schon zurück nach London gejettet.

Ich verabscheue Hochzeiten abgrundtief.

»Woher ich Sie kenne? Ich glaube, wir sind uns schon begegnet, nur wo?«

»Sie befinden sich in Miami Beach und in einem der teuersten Clubs«, antworte ich charmant, aber ausweichend. »Man kennt sich.«

»Diese Antwort gefällt mir nicht«, erwidert sie und senkt leicht argwöhnisch ihre Brauen. »Aber wenn das alles ist, was Sie mir zu sagen haben, kann ich auch …« Sie stößt sich von der Theke ab, setzt ihre High Heels auf den Boden und stolpert. Ganz automatisch greife ich nach ihrem Arm und stütze sie. »… gehen.«

Ich hebe eine Braue. »Wenn Sie jetzt ein Taxi bestellen, müssen Sie bei dem Andrang zwanzig Minuten warten. Sehen Sie? Die meisten sind in den letzten zehn Minuten gegangen.« Ich weise um mich herum auf die leeren Plätze. »Wollen Sie nicht hier warten?« Und noch ein bisschen ›plaudern‹?

Olivia lacht auf und befreit sich aus meinem Griff. »Ich warte lieber draußen und rede mit den Steinen.«

»Sie wollen selbst fahren«, kombiniere ich und habe das Bedürfnis, sie zurückzuhalten. Trotz allem, was ich über sie denke, habe ich doch Skrupel, sie im schlimmsten Fall in den Tod fahren zu lassen, so unsicher, wie sie steht und läuft.

»Nein?«, fragt sie nonchalant über die Schulter und wankt unbeirrt weiter. Sie muss sich zwischendurch an einem der Barhocker abstützen. »Hups. Ich meinte … ich stehe lieber bei den Steinen als bei Ihnen an der …« Das Ende ihres Satzes vergisst sie. Der Typ, der am Ende der Theke sitzt, gafft sie schamlos an und ein unwohles Gefühl breitet sich in mir aus. Bei aller Ehre, nachher liegt es in meiner Verantwortung, dass sie heile nach Hause findet – oder in ihr Hotel oder sonstwohin. Schläft sie bei einer Freundin? Shit, ich weiß noch zu wenig über sie.

Sie schafft es, sich gerade auf ihren wahnsinnig hohen High Heels zu halten. Ich mag es, wenn Frauen diese Schuhe tragen. Vor allem großen Models steht es ausgezeichnet und sie wissen sich damit in Szene zu setzen. Auch Olivia beherrscht die Kunst trotz ihres Alkoholpegels ausgesprochen gut. Sie passt perfekt in diese Welt, auch wenn ich ahne, dass sie nur gelernt hat, sich anzupassen.

So wie ich.

Ich stecke dem Kellner das Geld für ihre und meine Getränke zu und folge ihr in einigem Abstand durch die vereinzelt stehenden Tische nach draußen. Hier und da grüßen mich Bekannte, häufig weiblicher Natur, aber die meisten von ihnen nehme ich kaum wahr. Ich verabschiede mich beim Türsteher und folge Olivia auf den Parkplatz. Weder sie noch ich haben unser Fahrzeug abgegeben. Sie parkt direkt neben mir, vielleicht eine Vorsehung.

Sie ist dermaßen benebelt, dass sie gar nicht mitbekommen hat, wie ich ihr gefolgt bin. Mit unkontrollierten Handbewegungen sucht sie nach ihrem Schlüssel, findet ihn in ihrer Tasche und schließt die silbern-golden schimmernde Corvette damit auf. Ein wirklich schönes Auto, das ein Vermögen wert sein muss. Gerade als Olivia die Tür aufziehen will, trete ich an ihre Seite, lege meine Hand um ihre Taille, damit sie nicht vor Schreck fällt, und nehme ihr den Schlüssel aus der Hand.

Sie gibt ein ersticktes Geräusch von sich und sieht mich überrascht an. »Sie sind mir gefolgt!«

Ohne Widerstand lässt sie sich von mir um die Motorhaube des edlen Wagens führen, hin zur Beifahrertür. Ich öffne sie und drücke Olivia auf den Sitz, nicht ohne vorher ihren niedlichen Koffer im Fußraum zu verstauen. Was tut eine Frau da hinein?! Erst dann fällt mir auf, dass ich mich unbewusst dafür entschieden habe, sie zu fahren. Ich könnte auch ein Taxi rufen … aber vielleicht werde ich ihr nie wieder so nahe sein können wie heute Abend, ohne dass sie es mitbekommt.

Sie starrt ungläubig zu mir hoch, und ich spüre ihre Blicke auf mir, als ich längst die Tür geschlossen habe und um den Wagen herumgehe. Schweigend setze ich mich auf den Fahrersitz, lasse mein Motorrad mit einigem Wehmut stehen und starte den Motor.

»Wohin?«, frage ich knapp.

»Nimmst du mich nicht mit zu dir?«

Irritiert neige ich den Kopf und bin kurz versucht, ›Wie bitte?‹ zu fragen. »Sie haben kein Hotel?«

»Noch nicht.« Sie lächelt mich offen an, leicht schief, ja, aber dennoch offen und ungeniert. »Aber vielleicht brauche ich auch keines.«

Die Ex von Phillip lädt sich bei mir ein und hat dabei allem Anschein nach auch noch Hintergedanken? Shit, wer hätte diese Wandlung erwartet?

»Ich fahre Sie zum Bal Harbour«, erkläre ich, setze zurück und lehne so ihr Angebot ab. Vorerst. Es dürfte sich mir trotzdem die Gelegenheit bieten, sie aufs Zimmer zu begleiten – und wenn sie schläft, werde ich nicht sofort gehen, sondern mich ihrem Gepäck widmen.

»Ich hasse dieses Hotel«, murmelt sie und lehnt sich schlaftrunken ans Fenster, die Augen halb geschlossen.

»Es ist eines der besten in Miami«, halte ich dagegen. Außerdem liegt es besonders nah.

»Ich hasse leere Hotelzimmer. Diese Brücke, wenn man kein Zuhause hat, ich hasse es.«

Das mit der Brücke ist metaphorisch gemeint, aber sie erwähnt sie zum zweiten Mal an diesem Abend. »Ich verstehe. Diese Putzfrauen, die ständig aufgefüllte Minibar, der Zimmerservice, der einem alles von den Lippen liest. Es muss ein grausames Leben sein.«

»Sie machen sich über mich lustig«, erkennt sie matt und beobachtet die Reklametafeln an der rechten Straßenseite, die sanft an uns vorbeirauschen. Ich werfe ihr einen Blick zu. Ihre Stirn ist nachdenklich verzogen. »Lieber schlafe ich im Auto als in einem Hotel.«

»Das ist keine Option.« Nachher fährt sie doch noch in ihrem Zustand weiter. »Haben Sie eine Freundin, zu der ich Sie fahren kann?«

»Nein, mein einziger Freund in Florida meldet sich seit fünf Tagen nicht und der andere hat eine ätzende Ex-Frau zu Hause, die mich hasst.«

Logan?

»Dabei wäre das Gästehaus …« Sie nuschelt undeutlich und schließt vollends ihre Augen. »… so schön gewesen.«

Logan. Sie hat also darauf spekuliert, bei ihm einzuziehen. Wie gut kennen die beiden sich wirklich? Ich war einfach zu lange weg. Wenn Logan sich nicht so stur stellen würde, könnte ich ihn selbst fragen, was hier vor sich geht! Ich spüre das dringende Bedürfnis, die Corvette beim Bal Harbour stehen zu lassen und zum Strandclub zurückzulaufen. Ich bin weder ein guter Privatdetektiv, noch geht es mich etwas an, wen Logan bei sich im Gästehaus wohnen lässt – wäre da nicht Tiffany, deren Bitten mich nicht loslassen wollen.

Also füge ich mich den Zufällen, halte vor dem opulenten Haupteingang des Hotels, gebe den Wagen ab und beauftrage einen Pagen damit, Olivias zahlreiche Koffer auf einen Gepäckwagen zu stellen. Wozu braucht eine Frau so viel Zeug?

»Ich wollte doch gar nicht hierher …«, nuschelt sie und hängt sich in meinen Arm, als ich ihr aus dem Wagen helfe.

Ich antworte nicht, es hätte eh keinen Sinn. Zum Glück sind um die Uhrzeit keine Gäste in der Lobby und das Hotel ist im August nicht ausgebucht. Wir steigen mit einigen Schwierigkeiten die Treppe hoch, da Olivia sich an jeder Stufe die Zehen stößt, erreichen die Rezeption in der gläsernen Empfangshalle und stellen uns davor. »Ein Einzelzimmer, bitte.«

»Wie viele Nächte, Sir?«

»Ein paar«, erklärt Olivia lallend.

Die Rezeptionistin wendet sich vor ihren Bildschirm. »Wir hätten ein Einzelzimmer mit Meerblick frei, vierter Stock, Balkon.«

Das dürfte locker in Phillips Budget liegen. »Perfekt.«

»Dürfte ich Ihren Ausweis haben, Mister?«

»Das Zimmer ist nicht für mich«, weiche ich aus und blicke zu Olivia, die ihre Hand zwar fest um ihre Tasche geschlossen hält, aber nicht auf die Idee kommt, ihren Ausweis hervorzuholen. Es wäre nur zu interessant, welcher Name darauf steht. »Olivia? Ihr Ausweis?«

Sie sieht blinzelnd zu mir hoch. »Woher kennen Sie meinen Namen …?« Sie ist viel zu betrunken, also nehme ich ihr die Tasche einfach aus der Hand und hole den Ausweis und ihre Kreditkarte selbst hervor.

Olivia … Bloom, steht dort. Das klingt fast nach einem Künstlernamen. Wie hat sie es nur geschafft, ihre Vergangenheit hinter sich so auszuradieren? Wenn mich nicht alles täuscht, heißen ihre Eltern Farr. Wie kam sie zwischenzeitlich zu dem Namen Bloom? Und warum heißt sie nicht Raines, so wie Phillip?

»Vielen Dank, Mister.« Die Rezeptionistin reicht mir Olivias Kreditkarte, ihren Ausweis und die Zimmerkarte und ich nehme alles entgegen.

»Wieso ein Einzelzimmer?«, fragt sie mich schlaftrunken und lehnt sich beim Gehen an mich. Sie riecht nach Alkohol und Zigaretten und anders, als ich es erwartet hätte, nicht nach schwerem Parfum. Ich bugsiere sie in den Fahrstuhl und lege ihre rechte und linke Hand jeweils an das vergoldete Geländer, damit sie sich festhalten kann und nicht umkippt, während ich auf die Vier tippe.

Mein Körper verspannt sich, als etwas Dünnes über meinen Rücken fährt. Ihr Finger.

Olivia lächelt mich schief an. »Dieses enge Shirt schmeichelt deinem Körper erstaunlich gut.«

»Danke.« Was will sie von mir? »Wie lange betrügt dich Phillip schon?«

Ihr Lächeln weitet sich und wird eine Spur herausfordernder. »Im Kopf oder mit dem Körper?«

»Gibt es da Unterschiede?«

Der Aufzug hält, doch wir bleiben voreinander stehen und ignorieren die aufgleitenden Türen. Jetzt wird es spannend.

Olivia hebt einen Finger und wickelt kokett eine verlorene Strähne ihrer dunkelbraunen Haarmähne darum. Ihre Stimme ist nur ein Raunen. »Ich kann mit einem Mann schlafen und einen anderen dabei lieben. Oder ich liebe die Person, mit der ich schlafe, habe aber eigentlich einen anderen.«

»Und bei Phillip war es wie herum?«, hake ich nach.

Gerade als die Türen sich wieder schließen und ich den Fuß vor die Lichtschranke stelle, damit sie es nicht tun, stolpert sie auf mich zu.

»Hups!« Sie krallt sich an meine Brust und sieht mit großen Augen zu mir hoch. Eine Frau mit zu vielen Gesichtern. »Warum bringen Sie mich hierher, Mister Unbekannt? Ich traue Ihnen nicht.«

»Ich bin Anwalt, Sie sollten mir nicht trauen.« Lächelnd greife ich nach ihren Handgelenken, halte sie von mir und geleite sie schließlich durch die Fahrstuhltüren in den pompös dekorierten Flur. Flache Springbrunnen, moderne Kunst an den Wänden und helle, im Fußboden eingelassene LED-Leuchten verleihen dem St. Regis Bal Harbour seinen Charme. Olivias Zimmer liegt nur ein paar Schritte vom Fahrstuhl entfernt. Sie geht stöckelnd an meiner Seite, wartet geduldig, bis ich die Tür geöffnet habe, und lässt sich schließlich von mir durch den Rahmen geleiten. Der Blick auf das Meer und die seitliche Sicht auf die glitzernde Skyline Miami Beachs ist atemberaubend. Vielleicht komme ich deswegen nicht von Florida los.

Olivia wirft geräuschvoll ihre Schuhe ab und schrumpft dadurch um eine halbe Kopflänge. Als würde sie der Ausblick magisch anziehen, geht sie auf die bodentiefen Fenster zu, schiebt die leichten Vorhänge beiseite und öffnet die Balkontür. Da ich ohnehin noch warten muss, bis der Page ihre Koffer bringt, folge ich ihr. Sie lehnt sich über die Balustrade und nimmt die schwüle Nachtluft und den herausragenden Ausblick in sich auf. Ich lehne mich in den Türrahmen und hole meine frisch erstandene Packung Zigaretten hervor. Jugendsünden. Wann habe ich vor dem heutigen Abend zuletzt geraucht?

»Nicht anzünden.«

Mit dem Feuerzeug vor der Kippe halte ich inne.

Olivia dreht sich leicht zu mir um. Ihre Augen funkeln dunkel, und vermutlich ist es Absicht, dass sie mir ihren Hintern in bester Pose entgegenstreckt.

»Wie heißt du?«, fragt sie mit rauchiger Stimme. Sie hat offenkundig Schwierigkeiten damit, mich klar zu erkennen, und ihre Alkoholfahne weht bis hierher.

»Jad.« Sie wird meinen Namen vergessen.

»Jad?« Sie dreht sich wankend um, stößt sich vom Geländer ab und kommt auf mich zu. Ihr Blick ist dunkel, verklärt und unfassbar sexy. Sie ist durch eine gute Schule gegangen, wenn sie selbst mich mit ihren Reizen nicht unberührt lässt. Wieder kommt sie mir so nah, dass sie ihre Hände auf meine Brust legen kann. Ihre Gestik hat etwas von der Jungfrau in Nöten, die sich an einen wie mich lehnt, um beschützt zu werden.

Meine Zigarette habe ich längst heruntergenommen. Ich sollte sie ins Bett verfrachten, warten, bis sie schläft, und die Dinge tun, deretwegen ich sie hierher begleitet habe. Aber als sie sich auf ihre Zehenspitzen stellt, sich zu mir hochreckt, mir auffordernd in die Augen sieht und sich meinen Lippen nähert, bleibe ich dennoch stehen.

Vielleicht liegt es daran, dass sie an einer meiner Erinnerungen rüttelt. Einer Erinnerung, in der es um Phillip, Logan, mich und eine Frau geht, in der ich mich nicht davon abhalten kann, ein Spiel mitzuspielen, das so lange zurückliegt, dass ich es längst vergessen haben müsste.

Ihre Lippen treffen auf meine, doch ich bleibe passiv. Klar, es wäre nichts einfacher, als sie jetzt noch hier auf dem Balkon gegen die Fensterscheibe zu ficken, aber so funktioniert das Spiel nicht. Ich verschwimme nicht gerne in einer Erinnerung, die alkoholbedingt bei Olivia nachlassen wird. Wenn sie mich bekommt, soll sie sich an jedes Detail erinnern können.

Ihre Zunge stößt sich sanft in meinen Mund vor und gleitet zärtlich zurück. Obwohl sie so betrunken ist, hat ihr Kuss etwas Gemäßigtes. Ein kleines Antesten, ein Zeichen.

Das Zeichen dafür, dass ich noch einige Anläufe brauchen werde, bis ich in Erfahrung bringe, wer sie ist.

Das Problem daran, betrunken zu sein, ist, dass man sich den letzten Idioten ins Bett holen kann und es doch nicht merkt. Der Mann vor mir riecht gut, spricht gut, stützt mich gut, aber ob mir sein Gesicht wirklich gefällt, kann ich nicht mehr so genau sagen. Ja, ich habe ihn an der Bar sitzen sehen, und ich glaube auch, dass er mir dort gefallen hat, aber ist er es überhaupt?

Auf jeden Fall habe ich so viel Lust auf Sex wie noch nie. Noch nie? Nun ja, Phillip war nicht unattraktiv, ich schlafe ausschließlich mit Männern, die mir gefallen, aber es war eben … weder prickelnd noch außergewöhnlich, und seit Monaten habe ich mich rar machen müssen, damit er auf die Idee kommt, mich zu betrügen, was dazu geführt hat, dass ich richtiggehend ausgetrocknet bin. Ein riesiger Nachteil an meinem ›Job‹! Es gibt nur einen einzigen Abend, an dem ich mich gehen lassen darf. Eine einzige Nacht, in der ich bekommen kann, was ich will, und die ist heute. Jeder wird es verstehen und mir nachsehen, wenn herauskommt, dass ich betrunken, hilflos und überaus verzweifelt den Nächstbesten gevögelt habe. Es würde mein Drama unterstreichen, wenn ich danach wieder zu der braven Ehefrau werde, die sich so etwas nüchtern niemals erlauben würde. Ein Aussetzer, ein Fehltritt. Etwas, das das Gericht nachvollziehen kann, eine Revanche, eine Racheaktion, die jeder versteht.

Und da mir der Typ gefällt, der gerade sanft die Hände an meine Taille legt und meinen Kuss langsam erwidert, werde ich umso entschlossener. Ich will ihn.

Heute Nacht ist die einzige Möglichkeit, mich auch einmal gehen zu lassen. Und er hätte mich nicht heraufgebracht, wenn er es nicht ebenfalls wollen würde.

Ich knabbere sanft an seinen Lippen und spüre, wie sich die Lust zunehmend in mir ausbreitet. Er ist ein wahrlich guter Küsser! Es gibt so viele Männer, die auch noch dann scheiße küssen, wenn man betrunken ist, aber er beherrscht es perfekt. Ich lasse meine Hände langsam nach unten gleiten, hin zu seinem Gürtel. Der Stoff seines Shirts fühlt sich gut unter meinen Fingern an, aber noch gespannter bin ich auf den muskulösen Körper darunter. Er ist ein echtes Prachtexemplar! Das habe ich vorhin schon in dem Strandcafé erkannt. Und jetzt hat es sich so gefügt, dass ich ihn bekomme. Ja, vielleicht hätte ich weniger trinken sollen, damit ich nichts von alldem vergesse, aber vermutlich hätte ich ihn mir dann versagt und es für immer bereut.

»Ich will dich«, flüstere ich schmeichelnd an seine Lippen und schmiege mich noch enger an ihn.

»Das habe ich begriffen.«

Ich stutze. »Was?«

Er löst sich von mir, greift bestimmend an meine Handgelenke und zieht mich nach drinnen. »Zieh dich aus und leg dich ins Bett.«

Es klopft an der Tür, und während er mich Richtung Bett drückt, kommt der Page herein. Er braucht eine gefühlte Ewigkeit, bis er meine vielen kleinen Koffer in das Zimmer verräumt hat, dann steckt ihm mein One-Night-Stand üppiges Trinkgeld zu und er verschwindet. Die ganze Zeit über sitze ich auf dem Bett und versuche, den Boden scharf zu stellen. Er wankt allerdings so sehr, dass ich das Gefühl habe, mich auf einem Schiff zu befinden, und mir wird wie bei einer Reisekrankheit übel.

»Hier.« Mein sexy Typ drückt mir ein Glas Wasser in die Hand. »Trink alles aus.«

Ich gehorche. Noch immer brennt kein Licht, weshalb er nur aus einer Silhouette besteht. Der Page hat uns unterbrochen, aber irgendwie verläuft das hier alles gar nicht so, wie ich es erwartet habe. Warum vögeln wir nicht längst? Jetzt ist er wieder weg, füllt mein Wasserglas auf. Er kümmert sich wie eine Mutter um mich, das ist doch schrecklich!

Habe ich es übertrieben? Bin ich zu betrunken, um ihn verführen zu können? Toll! So habe ich mir selbst ein Bein gestellt, weil ich einmal die Sau rauslassen wollte wie ein unvernünftiger Teenie, und jetzt klemmt das Gatter und ich kann das wilde Tier nicht befreien.

Frustriert sinke ich ins Himmelbett und betrachte die fernen Sterne der Stadt.

Und dann ist dieses Gefühl der Kissen unter meinem Kopf irgendwie doch recht angenehm und alles wird allmählich sehr, sehr dunkel …

»Und?«

»Fehlanzeige.« Genervt werfe ich die Schuhe in den größten der drei Louis-Vuitton-Koffer zurück. »Keine doppelten Böden, alle Geheimverstecke leer, nichts.«

Tiff schluchzt. »Sie muss doch irgendwo was haben!«

»Süße, es ist zwei Uhr morgens. Geh schlafen, wir finden schon noch etwas.«

»Oh, Jad …«, seufzt sie. »Es muss etwas in ihren Sachen sein! Phillip hat schon die ganze Villa auf den Kopf gestellt –«

»Er hat was?!«, rufe ich zu laut ins Telefon.

»Na ja, er hat …«

»Tiff, er weiß davon?!«

»Ich habe … ich war so … es …«

Das ist nicht ihr Scheißernst! Ich senke meine Stimme und schiele zu Olivia, ob sie wie eben noch ruhig und selig in ihrem Bett schläft. »Hast du Phillip erzählt, dass ich dir helfe?«

»Ich war …« Sie druckst herum. Tiffany hat eine wunderschöne Stimme – normalerweise. Seit einigen Tagen allerdings ist sie durchgehend zu hoch und zu schrill, da sie ständig kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht. »Ich dachte, wenn ihr beide etwas sucht …«

»Tiff, weiß Phillip, dass ich heute in der Bar war?«

Sie schweigt. Das ist eine Bejahung und mein Fallstrick. Ja, Tiffany vertraut Phillip und mir gleichermaßen. Sie wird ihm davon erzählt haben, dass ich ihr helfe, so wie sie mir gerade bereitwillig erzählt hat, dass sie mit ihm gesprochen hat.

»Ich dachte, ihr seid Freunde …«, erklärt sie ausweichend und schnupft. Sie trägt mittlerweile auch im Dunkeln eine Sonnenbrille, weil ihre Augen dauergerötet sind, und so stelle ich sie mir gerade vor. Zwei Uhr morgens, die Sonnenbrille aufgesetzt, einen Scotch vor sich, den sie nicht anrührt. »Du kannst ihm doch auch helfen, wenn er sich eine Schwindlerin angelacht hat! Du weißt schon, dann musst du ihm helfen!«

»Wir wissen doch überhaupt nichts über sie!«, fahre ich sie ungehalten an und bereue es sofort. Angespannt streiche ich mir durchs Haar. »Tiff, unsere Vermutungen können völlig falsch sein. Außerdem hat Phillip Olivia wirklich betrogen, das ist doch ein ganz anderer Sachverhalt.«

»Sie hat das eingefädelt«, zischt Tiffany aufgelöst. »Sie will, dass Phillip sich von ihr trennt, weil Logan …«

»Wir verschieben dieses Gespräch. Geh schlafen, Honey. Du hast es bitter nötig.« Ohne eine Antwort abzuwarten, lege ich auf. Dass Phillip nun weiß, dass ich mich in dem Zimmer seiner Ehefrau befinde, könnte für mich echte Schwierigkeiten bedeuten. Dieser Mann ist chronisch eifersüchtig und er liebt seine dämliche Olivia wirklich. Daran besteht so gut wie kein Zweifel, auch wenn er sich vorgestern von Harriet verführen ließ. Das war dieser typische Moment, in dem ein Mann in die verbotene Frucht beißen muss, weil sie ihm so lange verwehrt geblieben ist. Schon tausendmal auf der Gegenseite im Gerichtssaal gehabt. Unbedeutend, nicht wichtig. Die Männer lieben ihre Frauen, selbst wenn sie sich entsagen, kompliziert werden, Forderungen stellen und, und, und. Doch wenn ihnen eine alte Jugendliebe begegnet oder das Pornohäschen, dem sie fünf Jahre im Internet zugesehen haben, müssen sie kosten. Meistens, um herauszufinden, dass es vollkommen unnötig war. So erging es Phillip.

Darauf verwette ich einen Großteil meines Arschs.

Und weil er sie aufrichtig liebt und auf jeden Fall zurückhaben will, ist es nicht von Vorteil, dass ausgerechnet ich in ihren Sachen wühle. Vermutlich ist er längst unterwegs ins Bal Harbour, entweder um mir die Fresse zu polieren, sollte er jemals herausfinden, dass ich Olivia auch nur angefasst habe, geschweige denn mich küssen ließ, oder aber, um sie anzuflehen, zu ihm zurückzukehren.

So oder so habe ich nicht mehr viel Zeit. Eilig verschließe ich den Koffer und stelle ihn zurück. Ich sehe mich um und überprüfe, ob ich Spuren hinterlassen habe, lösche das Licht im Bad und schleiche mich durch die Dunkelheit zurück zur Zimmertür.

Dann höre ich es.

Ein Wimmern.

Auch das noch!

»Mason?«

Ich habe den Türknauf schon in meiner Hand.

»Mason?« Olivia murmelt im Traum. Ein Albtraum. »Mason! Nein!«

Fuck off! Ich lasse den dusseligen Türknauf wieder los und gehe zurück ins Zimmer. Olivia wälzt sich im Bett hin und her.

»Mason! Ich … Mason, hier! Nimm meine Hand! Geh nicht zu ihr!« Olivias Gesicht ist feucht.

Ich zögere. Das hier ist eine meiner schlechteren Ideen. So wie sie daliegt und sich quält, bekomme ich Mitleid, und das kann ich am allerwenigsten gebrauchen. Aber ich bin kein Sadist, also drücke ich den Lichtschalter, beuge mich zu ihr vor und rüttle sanft an ihrem Arm.

Sie windet sich und ich packe fester zu. Anstatt allerdings aufzuwachen, greift sie alkoholbedingt nach meiner Hand und zieht mich bestimmend zu sich heran. Sie murmelt und seufzt und ihr plötzlich entspanntes Gesicht ist mädchenhaft, geradezu unschuldig.

Und das ganz ohne Absicht.

Bevor ich mich von ihr lösen kann – denn schließlich ist ihr Albtraum vorbei –, öffnet sie die Augen. Braun und klar starren sie mich an. Interessiert, vorwurfsvoll, überrascht – eine Mischung aus allem.

»Wer bist du?«

»Wer ist Mason?«, frage ich sofort.

Sie betrachtet mich für eine Weile schweigend. »Warum bist du noch hier?«

Ich verdrehe die Augen. »Wer ist Mason?«

»Mein Hund.« Sie lässt mich los, als ob sie sich verbrannt hätte, und legt ihre Hände unter ihre Decke, als würde sie sich mit einem Mal vor mir schämen. Ihr Alkoholpegel dürfte ihr noch immer zu schaffen machen, obwohl ich ihr einige Gläser Wasser aufgezwungen habe.

»Dein Hund«, wiederhole ich spöttisch.

Sie nickt stoisch. Eine Lüge.

Was ich dann tue, gleicht reinem Automatismus. Da ich eh schon über sie gebeugt dastehe, lasse ich meinen Kopf sinken und drücke ihr einen Kuss auf die Lippen.

Überrumpelt lässt sie es zu.