Chanurs Legat - Carolyn J. Cherryh - E-Book

Chanurs Legat E-Book

Carolyn J. Cherryh

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Beschreibung

Ein Höllentrip quer durch die Galaxis

Hilfy Chanur, Pyanfars Nicht, ist die Kapitänin des Handelsschiffes Chanurs Legat – und in den Menschen Tully verliebt, mit dem sie einst von den Kif gefangen gehalten wurde. Auf der Treffpunkt-Station nimmt sie einen scheinbar einfachen – und obendrein sehr lukrativen – Auftrag an: Sie soll ein kleines religiöses Objekt zur Urtur-Station bringen und es dort einem Angehörigen der so geheimnisvollen wie gefährlichen Spezies der stsho aushändigen. Doch kaum hat sie den Kultgegenstand an Bord, geraten die Dinge außer Kontrolle …

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C. J. CHERRYH

CHANURS LEGAT

Roman

Das Buch

Hilfy Chanur, Pyanfars Nicht, ist die Kapitänin des Handelsschiffes Chanurs Legat – und in den Menschen Tully verliebt, mit dem sie einst von den Kif gefangen gehalten wurde. Auf der Treffpunkt-Station nimmt sie einen scheinbar einfachen – und obendrein sehr lukrativen – Auftrag an: Sie soll ein kleines religiöses Objekt zur Urtur-Station bringen und es dort einem Angehörigen der so geheimnisvollen wie gefährlichen Spezies der stsho aushändigen. Doch kaum hat sie den Kultgegenstand an Bord, geraten die Dinge außer Kontrolle …

Der Autor

Titel der Originalausgabe

CHANUR'S LEGACY

Aus dem Amerikanischen von Rosemarie Hundertmarck

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 1992 by C. J. Cherryh

Copyright © 2016 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Covergestaltung: Das Illustrat

Satz: Thomas Menne

1. Kapitel

Der Treffpunkt war in einem Sinn der Mittelpunkt des Raumgebiets, in dem der Pakt galt, und in einem anderen Sinn war dieser Ort, wo sich alles traf, was zum Pakt gehörte, um Handel zu treiben, der hinterste Winkel der Territorien jeder einzelnen Spezies. Er hatte kosmopolitischen Charakter, und trotzdem verließ einen auf den Docks dort das unsichere Gefühl nicht, man könne von hinten angegriffen werden. Das war auch heute noch so, obwohl Waffengebrauch missbilligt wurde und zwischen den Spezies Frieden herrschte. Die Sauerstoff-Docks des Treffpunkts waren kalt, sie rochen nach Öl und Chemikalien, Läden und Bars, in denen Hochbetrieb herrschte; sie boten eine breite Auswahl von Lastern an. Für die Methan-Seite waren die Methan-Atmer mit den Gedanken ihrer Vielfach-Gehirne und ihren noch seltsameren Liedern zuständig, aber auf der Sauerstoff-Seite handelten die Stsho, die Eigentümer des Treffpunktes, mit allem, was ihnen beliebte. Unter diesen überschlanken, weißhäutigen Kaufleuten konnte man Hani, Mahendo'sat, Kif und (wenigstens dann, wenn ein bestimmtes Schiff im Dock lag) einen einzelnen Menschen von einer Welt finden, die einfallslos Erde genannt wurde.

Dieses bestimmte Schiff war da gewesen. Dieses bestimmte Schiff hatte vor etwa zwanzig Tagen wieder abgelegt, um seinen Geschäften nachzugehen, ein Umstand, der Hilfy Chanur nur recht war. Hilfy Chanur, Kapitänin der Chanurs Legat, war gerade erst im Dock eingetroffen und wurde von der liegengebliebenen Post ihrer Tante belagert, dazu von massenhaft Schmarotzern, Möchtegern-Politikern und solchen, die es beinahe zum Politiker geschafft hätten, Erfindern und Akademikern, die alles an Gefälligkeiten, Beziehungen, verrückten Ideen und Beschwerden mitbrachten, die im Umkreis von vierzig Lichtjahren zu finden gewesen waren.

Wenn man die Nichte der Präsidentin des Paktgebietes, der gewählten Präsidentin der raumfahrenden Amphiktionie von Anuurn, der mekt-hakkikt aller Kif, der Persönlichkeit der Persönlichkeiten der Mahendo'sat (die Götter allein wussten über die Methan-Atmer Bescheid) war – das brachte, kurz gesagt, etliche Verpflichtungen mit sich.

Die Chanurs Legat hatte die ersten Formalitäten hinter sich gebracht, aber es blieb noch abzuwarten, ob Tante Pyanfars jüngste Geschäfte mit dem Direktor des Treffpunktes zu einer weiteren dieser Verpflichtungen führen würden. Doch das würde bald geklärt sein, denn ganz oben auf dem Stapel mit Botschaften, die in den Dateien der Legat gelandet waren, lag die Bitte von Gtst Exzellenz No'shto-shti-stlen, die »erhabene Nichte der hochberühmten (unübersetzbar) Pyanfar Chanur möge die äußerst gastlichen (?) inneren Verwaltungsbüros mit ihrer Gegenwart beehren« und so weiter und so fort, »ohne von Zollformalitäten aufgehalten zu werden, die diese Dienststelle mit großer Freude für Sie erledigen wird« und so weiter in diesem Stil.

Hilfy dachte nicht daran, sich darauf zu verlassen, dass diese Formalitäten ignoriert werden würden, bei den Göttern, das tat sie nicht. Sie beauftragte ihre Stellvertreterin, sich darum zu kümmern, nur für den Fall, dass der ehrenwerte oder ausgezeichnete No'shto-shti-stlen gtst Meinung änderte und ihr Schiff des Schmuggelns bezichtigte.

Deshalb zog Hilfy ihre beste Verwaltungsbürohose aus schwarzem Satin an. Sich ihrer Jugend peinlich bewusst, kämmte sie ihre Mähne, dass sie vor Statik knisterte (und voller wirkte) und ihren Schnurrbart, bis die jugendliche Dürftigkeit einigermaßen kaschiert war. Wenigstens mangelte es Hilfy Chanurs Ohren nicht an Ringen, den Abzeichen ihrer Reisen. Ihr rotgoldenes Fell glänzte. Ihre Stimmung war richtig fröhlich. Sie nahm den Lift von ganz oben bis zu dem Hauptkorridor des unteren Decks und steckte den Kopf in den dortigen Ops-Raum.

»Ich gehe, Cousine. Du hast den Befehl. Wie läuft es?«

»Bisher glatt. Möchtest du wirklich nicht, dass eine von uns mitkommt?«

Tiar machte sich Sorgen – sie waren eine kleine Crew in einem fremden Hafen und hatten mit Beamten zu tun, die sie nicht persönlich kannten. Die Mitglieder der Crew wollten gern an Land gehen, was sie nicht konnten, bevor die Formulare ausgefüllt und die Fracht ausgeliefert war.

»Ich kenne mich hier aus. Ich weiß genau, wohin ich gehe.«

»Du hast doch den Taschenkom dabei?«

Hilfy klopfte sich auf die Hosentasche. »Kein Problem. Das ist nur ein Spaziergang das Dock hinunter zum Aufzug. Du lässt diese Formulare ausfüllen, du vergewisserst dich, dass alle Zollangelegenheiten erledigt sind – du lässt die Formulare auf jeden Fall unterschreiben. Beziehe dich auf das Büro des Direktors. Ich gehe kein Risiko ein.«

»Aye, Käpt'n«, sagte Tiar, und Hilfy betrat die Schleuse, ließ die beißende Luft des Treffpunktes einströmen und ging durch die mit Raureif bedeckte gelbe Röhre der Rampe zu den weit offenen Docks hinunter.

Es war eine Welt aus grauen, stählernen Portalkränen, die in eine blendende Helligkeit hinaufragten. Die Decke war so hoch, dass sie ihr eigenes Wetter machte, gelegentlich die Lichter vernebelte und Kondensationsregen fallen ließ, der dann Pfützen auf den zweckmäßigen Bodenplatten bildete. Neonlicht gleißte von Schaufensterfronten und Bars, sauerstoffatmende Spezies drängten sich, alle Unterschiede ignorierend, denn heute durfte man sich darauf verlassen, dass niemand Waffen trug.

Wenigstens durfte man zuversichtlich hoffen, dass niemand Waffen trug. Hilfy trug keine. Seit dem Friedensvertrag war nur der Polizei erlaubt, auf den Docks Schusswaffen zu tragen; alle Spezies waren jetzt zivilisiert. Das Gesetz regelte Streitigkeiten, die Schiffe enthielten sich der Piraterie – einer historischen Quelle der Provokation – und des Frachtdiebstahls, der eine klare Verletzung des Paktes gewesen wäre. Heute respektierten alle bekannten Spezies den Pakt – bis auf eine.

Deshalb beeilte Hilfy Chanur sich unterwegs nicht – und sie sorgte sich auch nicht wegen der Aufmerksamkeit, die sie auf sich zog. Sie machte eine gute Figur mit ihrem rotgoldenen Fell und der schwarzseidenen Kniebundhose in einer Welt trüber Grautöne und grellen Neonlichts. Hani waren in dieser Ecke des Raums ziemlich selten, aber vor allem wäre der Chanur-Name auf der Legat nicht unbemerkt geblieben. Hilfy konnte sich das Geflüster vorstellen: Die Verwandte der Persönlichkeit, die Nichte der mekt-hakkikt, was hat sie vor? – was gerechtfertigt war, denn bei den Chanur war es Sache der Gewohnheit, dass sie etwas vorhatten.

Aber dank der neuen Verfügungen des Treffpunktes wurde sie auf ihrem Weg über die Docks kein einziges Mal angehalten. Da war nur der normale Verkehr. Die Aufzug-Koordinaten, die sie mit der Nummer von Gtst Exzellenz Einladung eintippte, sorgten dafür, dass sie vorrangig abgefertigt wurde. Sie brauchte nicht auf eine Kabine zu warten, sie brauchte die Kabine nicht einmal mit anderen zu teilen. Eine Expressfahrt mit wechselnden Ges durch den großen Körper der Treffpunkt-Station brachte sie in den Abschnitt, den die Stsho-Eigentümer sich selbst vorbehielten, in weiße Flure mit Wandbehängen in Perlmutt- und Pastelltönen, geschmückt mit den sich windenden Alabaster-Formen, die die Stsho Kunst nannten.

Hilfy dachte nicht mehr an Vorsicht, machte sich keine Sorgen mehr wegen überraschender Begegnungen. Dies war ein sicherer Ort, ruhig und friedlich, so harmonisch, dass sie mit nichts als einem bestürzten Blinzeln reagierte, als ihr Kif-Wachen in schwarzen Kutten in den Weg traten.

Also waren die Stsho zu dieser törichten Praxis zurückgekehrt. Da sie selbst, so zerbrechlich, dass ein einziger Schlag sie zerschmettert hätte, nicht kämpften, heuerten sie Vertreter einer anderen Spezies an, die sie verteidigen sollten, falls irgendwelche Individuen gewalttätig wurden. Unglücklicherweise war die am meisten zu Gewalttätigkeit neigende Spezies gerade diejenige, die sie angeheuert hatten. Ihnen war eine äußerst kostspielige Lektion über die Kif erteilt worden, und man hätte denken sollen, dass sie sie beherzigt hätten. Aber die Stsho trafen die Entscheidungen, die die Stsho nun einmal trafen. Offenbar hatten die Experimente mit mahen und hani Wachen sie nicht zufriedengestellt, obwohl Hilfy nichts darüber gehört hatte. Die Tatsache, dass sich einer Hani-Kapitänin beim bloßen Anblick dieser großen, schwarzgewandeten Gestalten die Haare im Nacken aufstellten und ihr Gesichtsfeld am Rand zulief, die Tatsache, dass eine Hani, die in friedlicher Absicht gekommen war, bei einer solchen Begegnung augenblicklich an Gewalt dachte, war für die Stsho ohne Bedeutung. Es ging so höflich zu, so zivilisiert. Die Kif verbeugten sich, die Hani verbeugte sich. Sie sagten: Folgen Sie uns, und sie folgte diesen dünnen, langschnäuzigen Schatten, diesen Kreaturen, die immer, ganz gleich, wie die Umstände beschaffen waren, nach Ammoniak rochen, und wenn es nur in Hilfys Erinnerung war.

»Chanur-Kapitänin«, nannten sie sie mit ihrem eigentümlich klickenden Akzent. Die tödlichen Doppelkiefer erzeugten Konsonanten, die keine Hani genau nachahmen konnte. Sie sprachen ehrerbietig mit ihr, ihrer Tante wegen und der Stsho wegen. Sie benahmen sich ganz so, als fürchteten sie, Hilfy zu missfallen – was stimmen mochte, da die Kif Grund zu der Annahme hatten, Hilfy verfüge über Macht und Einfluss bei ihren Arbeitgebern. Deshalb stellten sie keine Gefahr dar. Sie besaßen keinen hohen kifischen Rang, denn andernfalls würden sie nicht hier arbeiten, abhängig von Fremden. Bekamen sie einen Tritt, würden sie den, der sie trat, dafür nur um so höher einschätzen.

Trotzdem war Hilfy außerordentlich erleichtert, am Ende des Korridors hinter den wehenden Spinnwebvorhängen einen Stsho anzutreffen und ihre Wachen zurücklassen zu können. Der dünne, zerbrechliche Stsho, der, wie gtst ihr mitteilte, der persönliche Adjutant Gtst Exzellenz, des Gouverneurs No'shto-shti-stlen, war, flatterte in Draperien in Beinahe-Rosa und Beinahe-Gold aufgeregt einen Korridor aus wallenden Vorhängen von Beinahe-Weiß entlang. Doch eine Hani mit goldenem Fell und roter Mähne, die ein unpassendes Element in diesem Reich feinster Farbabstufungen darstellte, ließ sich nicht hetzen. Der Gouverneur hatte sich nicht herabgelassen, persönlich zu kommen. Bei diesem diplomatischen Spiel musste Zug um Zug erfolgen. Deshalb betrat Hilfy Chanur in dem gemessenen Tempo, das ihr beliebte, den großen Audienzsaal des Gouverneurs mit seinen Spinnweb-Vorhängen und seinen zahlreichen Schüsselsesseln, Absenkungen des Fußbodens, die mit pastellfarbenen Kissen ausgelegt waren. Der Raum zeugte von dem Sinn des Stsho für Eleganz und Dekor und indirekt von seinem sozialen Status.

In einem dieser Schüsselsessel wartete Direktor No'shto-shti-stlen. Er zupfte blassgrüne Blätter von so etwas wie einer Frucht und aß sie eins nach dem anderen.

Aber der Direktor legte seinen Imbiss hin, als der Adjutant und Hilfy sich näherten. Die Manieren besserten sich. Der Adjutant verbeugte sich und verkündete die Anwesenheit ›der großen Hani-Kapitänin, der Blutsverwandten der hochgeschätzten mekt-hakkikt‹ und so weiter, würdig gtst Aufmerksamkeit und so weiter.

»Setzen Sie sich«, lispelte das Wesen in der Handelssprache mit einem Winken der langen weißen Finger. Gtst Exzellenz wirkte halb transparent. Kaum ein Hauch von Farbe war in der Körperbemalung, die für Hani-Augen Weiß auf Weiß war. Gtst – nicht genau er oder sie, da die Stsho drei Geschlechter und dazu, wenn sie in Angst gerieten, zwei unbestimmte Zustände besaßen – rief in gtst murmelnder planetaren Sprache nach etwas. Der Adjutant beeilte sich zu gehorchen. Im Hintergrund spielte leise Stsho-Musik, bei der von Zeit zu Zeit eine einzige und immer die gleiche Note angeschlagen wurde.

Hilfy faltete sich in der Schüssel gegenüber Gtst Exzellenz zusammen. Sie wusste zu gut Bescheid, als dass sie etwas übereilt hätte, ebenso wie sie sich unterwegs nicht hatte hetzen lassen. Doch sehr schnell erschien ein Diener mit einem Tablett, auf dem Kristallgläser und eine farblose, exquisit duftende Flüssigkeit in einem Kristallkrug standen.

Danach wurden fünf winzige Gläser schweigend genossen. Hilfy kannte das Protokoll – und das Schwindelgefühl, das eine Hani überfallen konnte, die zu eifrig von Stsho-Gastfreundlichkeit Gebrauch machte. Mit aufgestellten Ohren und dem in Hani-Liebenswürdigkeit geschürzten Mund zeigte sie das rechte Maß an kultiviertem Vergnügen an jeder Portion. Das beinahe unmerkliche Flattern von federigen Wimpern und Brauen, die winzigen Veränderungen des Ausdrucks verrieten ihr, dass No'shto-shti-stlen gtst seinen Gast gründlich abschätzte und versuchte (das war bei den Stsho zur zweiten Natur geworden), ihren augenblicklichen Rang, ihre Stimmung und ihre Erwartungen nach der Auswahl, die sie unter ihrem Schmuck getroffen hatte, und ihrem Gleichmut zu bestimmen.

»Schmeckt es Ihnen?«

»Delikat«, antwortete Hilfy in der Handelssprache der Stsho, und die federigen Augenbrauen hoben sich. »Sehr delikat. Sehr angenehm.«

»Wir sind erstaunt über Ihre lobenswerte Beherrschung der Sprache.«

»Euer Exzellenz schmeicheln mir. Und dies ist sehr gut.«

»Bitte, nehmen Sie eine Kiste als Ausdruck meiner Wertschätzung an.«

Ihr Götter. Wertschätzung. Was schätzte er, fragte sie sich. Es war keine geringe Gabe. Sie gab die obligatorische Antwort mit genau dem richtigen Grad von Dankbarkeit: »Euer Exzellenz sind äußerst freundlich. Bitte zeigen Sie Verständnis, wenn ein Geschenk von meinem Schiff eintrifft. Nachdem ich gesehen habe, mit welcher Anmut, mit welch sicherem Geschmack Ihre Räume eingerichtet sind, kann ich nur hoffen, dass mein persönliches Zeichen der Bewunderung Gnade findet.«

»Ich kann es unmöglich annehmen.«

»Ehren Sie es, indem Sie es zu Ihrem Eigentum machen. Ihr Urteilsvermögen ist weit und breit berühmt.«

Es folgten noch zwei oder drei Runden, in denen Komplimente ausgesprochen und bescheiden abgewehrt wurden.

Diese Kiste Tee war auf dem Markt ungefähr 3000 wert. Eine gute Kauffrau hatte die Zahlen im Kopf. Der Stsho hatte sie bestimmt im Kopf.

»Es gibt jedoch«, sagte No'shto-shti-stlen (es kam immer ein Jedoch) »einen Weg, auf dem sich uns Gelegenheit böte, unsere Freundschaft zu vertiefen. Noch etwas Tee?«

Götter, diese Umstandskrämerei! Man hätte glauben können, der Stsho versuche, einen Emporkömmling von einem Ausländer dahin zu bringen, dass er sich im verbalen Unterholz verfitzte. Aber man lehnte das Angebot weiterer Verhandlungen nicht ab, wenn man auf gutem Fuß miteinander bleiben wollte. Man hoffte nur, das man den Verstand behielt und dass die Zunge nicht stolperte.

»Natürlich.«

Du liebe Zeit! Noch eine Runde von Plattheiten, noch eine Frist stillen Abschätzens, in der Hilfy reichlich Zeit hatte, darüber nachzudenken, wieviel Shis-Tee sie vertragen und wie weit die Toleranz eines Stsho gehen mochte. No'shto-shti-stlen war ein Stsho, den Tante Pyanfar einigermaßen stabil nannte.

Das bedeutete, bei Handelsgeschäften zuverlässig – und gefährlich infolge gtst langfristiger privater Interessen.

»Ich möchte doch wissen …« – Hilfy stellte das dritte geleerte Glas der zweiten Runde shis-thi-nli ab – »warum meine erlauchte und hochgeschätzte Tante nicht die erste war, einer so verdienten Person zu helfen. Würden Eure Exzellenz mich erleuchten? Sie können ja nicht größeres Vertrauen zu mir, die ich noch so jung bin, haben als zu ihrer erhabenen Person.«

»Ich hoffe, meine Bitte schafft Ihnen nicht irgendeine …« – ein Flattern der Hände, die den Mund hinter einer Serviette versteckten – »Verlegenheit.«

Kftli. »Verlegenheit.« Sinnverwandt mit Fremdheit. Vielleicht scherzte Gtst Exzellenz. Vielleicht hatte Gtst Exzellenz die Entwicklung der Handelssprachen nicht studiert.

»Die erhabene Präsidentin ist hier abgereist und hat sich, wie Sie vielleicht wissen, tief in ein Gebiet von … ähem … äußerster Geheimhaltungspflicht begeben. Ja, sie würde uns den Gefallen erweisen, denn zahllos sind die guten Werke, die sie an Personen in Not tut. Trotzdem sind wir mehr als glücklich über Ihre Ankunft. Wir haben das Archiv durchforscht, um einen Kapitän von … hmm … hinreichend hohem Ansehen und entsprechender Respektabilität zu finden. Ihre Ankunft im System ist eine köstliche Überraschung.«

Hilfy wollte keine weitere Runde Tee. Und sie bereute jetzt die jugendliche Begeisterung, mit der sie sich darauf eingelassen hatte, in der Sprache des Stsho zu verhandeln. An diesem Punkt eine Bitte abzuschlagen, war eine Kunst, die nur ein Stsho beherrschte – und bei einem solchen Rangunterschied war es sowieso ein Ding der Unmöglichkeit. Wollte sie etwa nicht, dass ihr Schiff pünktlich ablegen konnte, dass ihre Waren nicht gestohlen wurden und, vor allem, dass ihr Ladungsverzeichnis keine Fehler aufwies, die zu berichtigen sie vier oder fünf Sonnensysteme weiter weg Bestechungsgelder und einen Zeitverlust von Tagen kosten würde?

Die Götter sollten den Schurken verderben! Hilfy wünschte, No'shto-shti-stlen wäre mit seiner Bitte bei Tante Py gelandet. Oder vielleicht hatte er bei ihr landen wollen, und Tante Py hatte sich plötzlich zu einem viele Lichtjahre von hier entfernten Kurs entschlossen.

»Und wie können wir uns Ihre gute Meinung verdienen?«

»Ich habe ein Frachtstück«, sagte No'shto-shti-stlen, »genauer gesagt, einen Gegenstand, der nach Urtur gebracht werden muss, wobei die Zeit wesentlich ist.«

»Ist es ein kostbarer Gegenstand?«

»Ein außerordentlich kostbarer.«

»Ihr Vertrauen überwältigt mich. Aber darf ich nach der Natur dieses Gegenstandes fragen?«

Hände flatterten. Brauen bebten. »Es ist ein Kunstwerk.«

»Nicht lebend. Nicht animiert.«

»O nein, nein, nein, nichts dergleichen. Aber …«

Jetzt kam der Haken. Hilfy war sich durchaus nicht sicher, ob sie den Auftrag haben wollte.

»… die Auslieferung ist, Sie verstehen schon, liiyei.«

Hilfy riet nach den Wurzeln der Handelssprache: »Eine Zeremonie?«

»Genau. Genau. Aber es muss sofort nach Urtur gebracht werden.«

»Sofort.«

»Sofort. Was werden Sie berechnen? Seien Sie auf keinen Fall bescheiden.«

»Die Masse?«

»Oh, es ist sehr klein. Ich könnte es heben. Seine Maße sind …« Lange weiße Finger zeichneten ein Objekt von ungefähr Kopfgröße in die Luft.

»Zerbrechlich?«

»Nicht mehr und nicht weniger als das Glas, das Sie eben noch in der Hand gehalten haben. Sie sind so bescheiden. Und vielleicht haben Sie andere Fracht. Lassen Sie mich eine Zahl nennen. Eine Million im Voraus.«

Hilfys Kehle funktionierte nicht mehr. Sie fuhr eine Kralle aus und stieß gegen das Glas. Der Adjutant beeilte sich, ihr Glas und das von No'shto-shti-stlen neu zu füllen.

»Gibt es irgendwelche Schwierigkeiten?«, fragte No'shto-shti-stlen.

»Durchaus nicht. Wenn … Ich zögere, die bereits beträchtliche Großzügigkeit Eurer Exzellenz noch weiter in Anspruch zu nehmen, aber ich muss hier Waren laden, die für den Hoas-Hafen bestimmt sind. – Vielleicht könnte ich es arrangieren, dass jemand anders sie übernimmt – es bestehen keine vertraglichen Probleme …«

»Keine Schwierigkeit. Gar keine. Ich nehme an, es waren Verträge des offenen Marktes.«

»Jawohl. Es ist nichts Illegales an einem Zwischenhändler, aber Euer Exzellenz müssen verstehen, ich bin Verpflichtungen eingegangen, diese Waren zu transportieren …«

»Eine Kleinigkeit, eine Kleinigkeit. Ich garantiere persönlich dafür. Ich selbst werde zu Ihrem vollständigen und lückenlosen Schutz einen Zollverschluss an dem Zwischenhändler-Schiff anbringen.«

Das war zu schön, um wahr zu sein. »Mein Schiff hat die Maschinen, um den Sprung bei geringer Masse zu machen. Aber eine Million ist zwar ein höchst großzügiges Angebot – Verwehrt der Vertrag es uns, außerdem andere Fracht zu befördern?«

»In gar keiner Beziehung. Sie dürfen alles befördern, was Sie gefahrlos befördern können. Und ganz bestimmt … ganz bestimmt können wir Ihnen dabei unter die Arme greifen. Sogar … hm … mit Informationen über Stsho-Waren von geringer Masse. Ich habe bereits einen Vertrag entworfen.« No'shto-shti-stlen nahm aus einem Alabaster-Kasten, der neben dem Schüsselsessel stand, ein Klötzchen Dunkelheit, einen Datenwürfel. »Hierin ist sowohl der Vertrag für den Transport als auch die Inkasso-Vollmacht enthalten.«

»Bezahlung beim Ablegen.«

»So ist es. Die ganze Summe ist bei Unterschrift des Vertrags an die Bank zu zahlen. Rücktrittsklauseln gibt es keine mehr, sobald das oji an Bord ist.« Ein Schwenken langer Finger. Und ein idiotensicherer Satz von Bedingungen. »Natürlich würden wir bei einer so ehrenhaften Person wie Ihnen keinen Vertrag brauchen. Doch er dient unserem beiderseitigen Schutz.«

»Natürlich.«

»Bitte, nehmen Sie drei Kisten von diesem Tee zur Entschädigung dafür an, dass Ihr Schiff einen anderen Kurs einschlagen muss.«

»Ich kann nicht garantieren, dass der Vertrag unterschrieben wird. Bitte, machen Sie das Geschenk davon abhängig, dass wir uns einigen.«

»Ihre Ehre ist in meinen Augen untadelig. Keine solche Klausel. Bitte. Nehmen Sie die Kisten für Ihre Hilfe bei einer zusätzlichen Schwierigkeit.«

Ein Schluck Tee. So etwas musste ja kommen. Zwei Schlucke. »Eine zusätzliche Schwierigkeit?«

»Eine Sache, in der Euer Gnaden die Lösung darstellen könnte, wenn Sie wollen.«

»Auf welche Weise könnte ich die Lösung eines so schwierigen Problems sein?«

»Es erfordert Feingefühl. Ein Mitglied Ihrer Spezies ist hier im Treffpunkt gestrandet – offenbar ein Versehen seitens des betreffenden Schiffes. Es liegt uns sehr viel daran, die Sache zu bereinigen.«

»Man hat sie zurückgelassen.«

No'shto-shti-stlen nahm einen Schluck Tee und ließ die Wimpern flattern. »Ihn, wenn ich so dreist sein darf.«

Ihn. Ihr Götter! Hilfy musste sich in aller Eile umorientieren. Sie hatte ein entschieden mulmiges Gefühl. »Ein Hani-Schiff hat einen Mann seiner Besatzung zurückgelassen?«

»Es lag – Euer Gnaden möge bitte verstehen – ein leichter Rausch vor, ein Bruch unbedeutender Vorschriften von außerordentlich schlechtem Geschmack – und vor allem – eine heftige Auseinandersetzung mit einem Fremden von … ähem … höherem Status – die, das versichere ich Euer Gnaden, ein gutes Ende gefunden hatte.«

»Welche Nationalität hatte die geschädigte Partei, Exzellenz?«

»Kif.«

Götter!

»Ein einfaches Missverständnis, ein paar Stunden Haft und ein paar auszufüllende Formulare … aber durch irgendeine Unachtsamkeit machte sein Schiff einfach eine Frachtpriorität geltend und legte ab, ohne dass unser Büro … ähem … etwas von dem Versehen merkte. Es war uns furchtbar peinlich. Wir vermuten, auf dem Schiff glaubte man, er sei schon wieder zurück an Bord, eine Voraussetzung, von der auch ein … ähem … Individuum der Verkehrskontrolle ausging, das das Ablegen überwachte.«

»Ist das Schiff nicht benachrichtigt worden?«

»Doch, aber man zeigte keine Beunruhigung. Es kam die Nachricht zurück, das sei zwar ein Unglück, aber sie seien vertraglich gebunden und wir sollten ihn dem ersten Hani-Schiff mitgeben, das einverstanden sei. Ihre hochgeschätzte Tante war natürlich schon fort. Auf der Handurs Regenbogen, die danach eintraf und inzwischen abgelegt hat – war keine Koje frei.«

Eine vertragliche Bindung?

Das hieß, die Regenbogen hatte sich die Last nicht aufbürden wollen. Verdammt sei ihre Hochnäsigkeit.

Aber – Götter! – er hatte einen Kif von Rang geschlagen? Wer wollte denn schon einen Hani mit einem Groll dieser Art an Bord haben?

»Dürfen wir Ihre außerordentliche Großzügigkeit in Anspruch nehmen? Seine Anwesenheit hier ist eine Peinlichkeit. Wie versorgen wir ihn? Wie bringen wir ihn unter?«

»Ich verstehe vollkommen.« Denke schnell, Hilfy Chanur. »Welchen Kurs hatte sein Schiff?« Es stand fünfzig zu fünfzig, dass es …

»Zufällig wollte es nach Hoas. Aber alles geht durch Urtur.«

»Wie dem auch sei …« Götter, wie bin ich in diese Sache hineingeraten? Aber, verdammt zu einer mahen Hölle … ich werde nicht einmal nach seinem Clan fragen. Er ist Hani. Er ist in Not. Man hat ihn hier sitzengelassen, die Götter sollen diese Leute verderben – wenn die Kif seine Auslieferung verlangen, können die Stsho dem Druck nicht widerstehen. Kein Wunder, dass sie ihn hier weg haben wollen, bevor es ein Unglück gibt.

»Wir können seine Passage bezahlen«, sagte No'shto-shti-stlen.

»Nein. Nein. Verzeihen Sie meine unschickliche Bestürzung. Eine Bezahlung kann ich unmöglich annehmen. Dies ist eine Frage der …« – die Stsho-Sprache hatte keinen Ausdruck für Spezies-Ehre – »der Eleganz.«

»Noch eine Kiste Tee.«

»Ich bitte Sie!« Andererseits: Bei dreitausend die Kiste … »Andererseits …«

Ein verzweifeltes Flattern. No'shto-shti-stlen wollte diesen Jungen unbedingt vom Hals haben. Unbedingt. Und er fürchtete, er werde schwer dafür bezahlen müssen.

Was er vielleicht nicht anders verdiente … nur dass Hilfy Chanur nicht mit Hani-Fellen handelte, unter gar keinen Umständen.

»Ihr hochgeschätzter und weiser Einfluss könnte eventuelle juristischen Hindernisse, eventuelle Mängel in seinen Dokumenten beseitigen, so in dieser Art. Das würde die Sache beschleunigen.«

»Es ist uns eine Freude, zu helfen. Es wird keine Hindernisse geben.«

»Keine Verwicklungen. Keine schwebenden Verfahren.«

»Sie haben mein Wort. Ich habe dieses Zusammensein so genossen. Bitte, übermitteln Sie Ihrer hochgeschätzten Verwandten meine Grüße. Sagen Sie ihr, dass No'shto-shti-stlen sie außerordentlich bewundert.«

»Das werde ich ausrichten.« Es gab eine zivilisierte und eine barbarische Methode, sich aus einem Schüsselsessel zu erheben. Hilfy stellte zivilisiert den linken Fuß auf die ungepolsterte Linie, den rechten auf den Rand, es war kein Trick dabei. Den Datenwürfel in der Hand, machte sie eine kleine Verbeugung, und No'shto-shti-stlen nickte mit einem anmutigen Schwanken von gtst weißem Federbüschel und gtst federigen, kosmetisch verstärkten Augenbrauen.

»Es war höchst, höchst angenehm«, beteuerte No'shto-shti-stlen.

»Eine denkwürdige Stunde, höchst denkwürdig.«

Unterschätze niemals einen Stsho.

Dann hatte sie also einen Passagier – aber er war belanglos. Die andere Frage, was in dem Vertrag stand, rutschte vorerst an zweite Stelle hinter dem schwindelerregenden Gedanken an eine Million Credit für den Transport eines Schmuckgegenstandes, den sie mit einer Hand tragen konnte. Dazu war die Ladebucht, sobald sie sie geleert hatten, frei für alles, was sie am Treffpunkt einkaufen und in einem Hafen weiterverkaufen konnten, über dessen dringlichsten Bedarf die Legat Listen gespeichert hatte.

Es war zu schön, um wahr zu sein, jawohl. Hilfy hatte sich einwickeln lassen. Ihre Behauptung, sie werde vielleicht nicht unterschreiben, hatte sie nicht früh genug und nicht überzeugend genug ausgesprochen, und auf dem Weg hinaus waren keine kifischen Wachen notwendig, um ihren Magen in Aufruhr zu versetzen.

»Alles gut abgelaufen?«, hatte ein Kif die Frechheit, sie zu fragen.

»Fragen Sie den, der Sie füttert«, erwiderte sie, und der vermessene Kif zog sich zischend zurück.

Von Sympathie konnte keine Rede sein. Die Kif wussten, dass sie eine unversöhnliche Feindin war, aber sie mussten sie zu den Dockanlagen zurückkehren lassen.

Und wie konnte man jetzt noch einem Direktor, der am Knotenpunkt praktisch des gesamten Transsektor-Handels saß, eine Bitte abschlagen – auch wenn man eine Tante hatte, die die mekt-hakkikt des bekannten Universums war?

Sollte sie sich auf Pyanfars Einfluss berufen?

Bei den Göttern, nein. Nicht Hilfy Chanur. Nicht, wenn sie sich weiterhin im Spiegel ansehen wollte. Nicht, wenn sie nicht wollte, dass sich die Geschichte auf jedes Schiff weiterverbreitete, das mit No'shto-shti-stlen zu tun hatte.

Und der Stsho würde sie verbreiten. Nicht etwa im Zorn zuschlagen, o nein, das taten die Stsho nicht. Ihre Dolche waren alle symbolisch und theoretisch. Oder sie wurden von kifischen Söldnern geschwungen.

Aber, liebe, federlose Götter, wenn es sich um eine reelle Sache handelte …

Die Legat spie Container aus – hatte schon mindestens einen Lastwagen voll mit denen, deren leuchtend rote Etiketten sie als warm zu lagernde Waren kennzeichneten. Eine Reihe von Lastwagen wartete darauf, sie an ihre verschiedenen Bestimmungsorte zu bringen. Einige waren für die Station, einige für den Weitertransport nach Kshshti, einige für Häfen, die kein hani oder mahen Schiff erreichen konnte, und einige gingen sogar auf die Methan-Seite – weitere fünfzig kalt zu lagernde Container: Hani-Waren, für die Tc'a bestimmt. Neue Märkte. Neuer Reichtum – für Schiffe, die bereit waren, das Risiko einzugehen und in weite und fremde Fernen aufzubrechen.

Auf Wettbewerb eingestellte Schiffe. Schiffe, die Clan-Wohlstand und Clan-Geschäfte dahin brachten, wo Hani-Clans keine planetengebundene Vertretung hatten. Schiffe, die mit neuen Ideen nach Anuurn zurückkehrten. Mit Ideen wie dem Pakt selbst. Mit Ideen, die die alten Frauen auf Anuurn nach oben statt nach innen blicken ließen und erfahrene Kapitäninnen, die in ihren Ansichten festgefahren waren, zu dem Eingeständnis zwangen, Chanur sei nicht im Exil, Chanur, der Clan, der in jedem göttergefiederten Hafen des Paktes respektiert wurde. Die Neinsager mussten einsehen, dass Chanur in ihr, Hilfy Chanur, mehr als ein stellvertretendes Clan-Oberhaupt besaßen, und dass dem Clan-Oberhaupt das Recht zustand, die Stolz zu ersetzen und Pyanfar Chanur zu ersetzen und durch ehrlichen Handel zu überleben.

Diese Fahrt konnte den Beweis liefern, indem er sie über die Rentabilitätsgrenze brachte. Mit diesem Vertrag konnten sie zum ersten Mal in der Existenz der Legat Gewinn machen. Der Bau der Legat war vollständig bezahlt, und sie würden überhaupt keine Schulden mehr haben, wenn es ihnen gelang, diese Chance zu nutzen – eine Million für einen lächerlich leichten Gegenstand und 500 000 hier für die Ware, die sie mitgebracht hatten. Dagegen standen 14 000 000 an noch vorhandenen Schulden plus anderthalb Tausend an Einkäufen von Luxusgütern mit geringer Masse und Palladium, die man auf Urtur mit 500% Gewinn weiterverkaufen konnte, dazu die Artikel, die ihr No'shto-shti-stlen höchstpersönlich versprochen hatte – ganz zu schweigen von den Pauschaltransporten, die sie abschließen konnten. Hilfy rechnete bereits aus, was sie bei diesem schwierigen Langstreckensprung mitnehmen konnten, einschließlich der Eilpost. Immer wieder und wieder ermahnte sie sich zur Vorsicht. Schließlich ging sie zu Cousine Tiar und fasste sie ruhig beim Ellenbogen.

»Wir haben einen Auftrag. Er verlangt einen Umweg über Urtur. Ich bin drinnen und lese den Vertrag. Wenn irgendwelche Stationswachen mit einem Passagier kommen, lass ihn herein.«

»Passagier?«, fragte Tiar. Chihin hörte mit der Arbeit auf, spitzte die Ohren. Sie waren Veteraninnen der Raumfahrt, Tiar Chanur, Chihin Anify, beide aus Rheans Crew gekommen, als Rhean sich zurückzog. Und ›Stationswachen‹ und ›ihn‹ ließ Falas Ohren hochschnellen.

»Ihn?« Tiar wischte sich die Hände ab. Auf zwei weiteren Gesichtern erschien ein verwirrtes Stirnrunzeln.

»Warum wir?«, fragte Tiar. »Nichts für ungut, Käpt'n.«

Was bedeutete: Wenn ›er‹ ein Mahe war, gab es mahe Schiffe, die ihn aufnehmen konnten, und wenn ›er‹ ein Kif war, gab es genügend kifische Schiffe, ganz zu schweigen von denen der Stsho.

»Weil«, antwortete Hilfy ruhig, »er ein Hani ist.«

»Götter …« Chihins Ohren legten sich flach.

»Ich will ihn hier herausholen. Ich will der Kapitänin, die ihn im Stich gelassen hat, das Fell abziehen. Vor allem will ich ihn von den Kif wegbringen. Wenn er aufkreuzt – sollte er tatsächlich aufkreuzen –, überprüfe seine Papiere. Vergewissere dich, auch wenn du ihn deswegen warten lassen musst. Frage beim Stationscomputer nach, ob er irgendeinen Schmutzfleck in seiner Akte hat, du verstehst. Lass ihn vorher auf keinen Fall an Bord gehen. Der Direktor will ihn loswerden, und sobald er an Bord ist, haben wir kein Druckmittel mehr – das hat dann die Einwanderung, du verstehst?«

»Keine Frage«, sagte Tiar.

»Sein Schiff hat ihn zurückgelassen?« Falas junges Gesicht war ganz ernst.

»Es ist eine lange Geschichte. Wir bringen ihn hier weg, das ist alles, was wir versprechen können. Holen sein Schiff ein, wenn das möglich ist. Wir sind nur nett. Weiter nichts.«

Sie schlug Tiar auf die Schulter, dann Chihin, und überhörte absichtlich, dass Chihin sagte: »Das kommt davon, wenn man Männer in den Raum lässt …« Chihin war ebenso wie Tiar konservativ und würde sich nicht über Nacht ändern.

Aber die Dinge hatten sich verändert. Sie hatten sich so sehr verändert, dass ein Hani-Schiff einen Hani-Jungen mitnehmen und ihn vierzig Lichtjahre von zu Hause entfernt auf einer Station sitzenlassen konnte, wo Kif die Wachen und Stsho die einzige Gerechtigkeit waren.

Hilfy stieg die Rampe hoch, durchquerte die kalte, gelb gerippte Zugangsröhre bis zur Schleuse und schaltete den Mechanismus ein. In der Ops-Station des unteren Decks fand sie Tarras vor der Schalttafel, wie sie das Entladen steuerte, und hängte ihr die Computer-Arbeit auf.

Man steckt keinen fremden Würfel in den Hauptcomputer des Schiffes oder in ein Terminal, das in Verbindung mit ihm steht. Nicht etwa, dass sie Gtst Exzellenz nicht traute. Natürlich traute sie ihm.

Aber es war immer besser, das Hilfsgerät vom unteren Deck zu benutzen, das auf Befehl Selbstmord beging und wiederauferstand.

»Ich will einen Ausdruck«, sagte Hilfy zu Tarras. »Einen im Original, einen durch den Translator, klassisches Stsho. Aber zuerst diagnostiziere die Quelle. Ich möchte nicht, dass das Ding unsere Navigation verändert oder löscht. Ma'sho?«

»Sho'shi«, sagte Tarras, die Ohren gespitzt, voller Begeisterung.

»Schnell. Innerhalb einer Stunde.«

Tarras' Ohren sanken auf Halbmast. »Käpt'n …«

»Du schaffst es.«

Tarras murmelte ein weiteres Wort in der mahen Handelssprache, schüttelte sich und nahm den Würfel, sah ihn sich von der einen Seite an und von der anderen. Doch offensichtliche Dinge waren nicht hineingebaut.

»Dafür brauche ich einen Laser.«

»Nach exotischeren Viren kannst du suchen, nachdem wir den Ausdruck haben. Ich brauche den Ausdruck, Tarras. Wir alle brauchen diesen Ausdruck.«

»Was ist denn los?«

»Wir brauchen Geld, das ist los. Wir können einen größeren Vertrag bekommen, von dem ich nicht weiß, ob ich ihn haben will, und von dem ich nicht weiß, wie ich ihn ablehnen soll, und an dem das Wohlwollen des Direktors uns gegenüber hängt.«

»Ich fange sofort an«, sagte Tarras und machte sich an die Arbeit.

Die Geräusche und Gerüche der Zellen waren grauenhaft. Hallan schlief, wenn er konnte, und schreckte immer wieder von dem Zuknallen ferner Türen und dem Kommen und Gehen der Wärter auf. Es ging ständig so weiter, doch man konnte überhaupt nichts sehen, nur eine leere Tür und leere graue Wände, und die Geräusche sagten ihm, dass er nicht allein war. Hallan wusste längst nicht mehr, wieviel Zeit vergangen war. Er amüsierte sich mit dem Addieren von Zahlenketten. Bei der Festnahme hatte man ihm gesagt, seine Kapitänin werde ihn herausholen müssen. Und dann, es war Tage und Tage her, hatten die kifischen Wachen, die ihm das Frühstück brachten, gesagt, sein Schiff habe ohne ihn abgelegt.

Das war der absolute Tiefpunkt der Verzweiflung gewesen. Er hatte den Wachposten gefragt, was man mit ihm anfangen werde, und der Wachposten hatte geantwortet, oh, wahrscheinlich werde man ihn für den Rest seines Lebens hier behalten.

Der Kif hatte gesagt: Wenn wir jemanden loswerden wollen, töten wir ihn. Deine Leute haben sich weggeschlichen und dich zurückgelassen. Du bist um die Hälfte größer als eure Frauen. Es heißt, du seist ein Kämpfer. Warum hast du sie nicht getötet und dir deinen Platz gesichert?

Das hatte ihn entsetzt. Aber für einen Kif war das ein gesprächiger Kif, und er war freundlicher, als Hallan es bei einem von dieser gefährlichen Sorte erwartet hatte. Anfangs hatte Hallan Schwierigkeiten, den Kif zu verstehen. Er unterbrach jedes Wort mit Klicklauten. Er roch nach Ammoniak. Er beschwerte sich, Hallan stinke. Er hatte eine nackte schwarze Haut, grau da, wo das Licht darauffiel, und samtig weich und runzlig, obwohl das bei einem Kif anscheinend kein Zeichen von Alter war. Er hatte lange Kiefer und einen kleinen Mund, und nach dem, was er erzählt hatte, musste er lebende Nahrung zu sich nehmen, die er mit einem zweiten Satz Kiefer, weiter hinten im Schlund, zu einer feinen Paste zermalmte – wonach er Knochen und Fell ausspuckte. Wenn er einen biss, konnten diese Zähne eine entsetzliche Wunde schlagen. Er aß seine eigene Art, und er empfand deswegen keine Gewissensbisse. Das durfte man ihm nicht verübeln, seine psychische Struktur war eben anders, vollkommen auf das Eigeninteresse ausgerichtet, und man tat besser daran, das zu glauben und ihn nicht nach Hani-Begriffen zu beurteilen. Das hatte Hallan in seinen Büchern über Kif gelernt.

Dieser Kif war jedoch der einzige, der mit ihm redete, das einzige lebende Wesen, das er außer dem mahen Arzt zu sehen bekommen hatte, und der Arzt hatte ihm nicht viel zu sagen gehabt, außer dem, was er bereits wusste, nämlich dass er sich in Schwierigkeiten befand. Allmählich freute er sich darauf, dass der Kif am Morgen kam, weil er blieb und sich unterhielt, und er glaubte jetzt nicht mehr, der Kif werde ohne Grund ein Stück von ihm abbeißen.

Aber diesen Morgen war der Kif nicht gekommen, und den Morgen davor auch nicht. Und als sich die Tür öffnete, dachte Hallan, das sei das Mittagessen, an dem er nicht interessiert war, weil sein Magen nur das Frühstück vertrug, und niemanden kümmerte das, und niemand änderte den Speiseplan.

Deshalb meinte er, auf der Pritsche liegenbleiben und den Wachposten ignorieren zu können, und dann werde der wieder weggehen.

Doch das tat er nicht. Wer das auch sein mochte, er erzeugte nicht die üblichen Geräusche, mit denen ein Tablett abgesetzt wurde. Wer das auch sein mochte, er stand einfach da.

Hallan drehte sich auf die Seite und sah hin, und er sah einen Kif wie jeden anderen Kif, nur dass sein schwarzes Gewand glitzerte und der Saum seiner Kapuze mit einer silbernen Schnur verziert war. Das Gesicht konnte Hallan nicht ganz sehen, nur die Schnauze. Trotzdem hatte er den Eindruck, fixiert zu werden. Er setzte sich auf.

»Sir?« Er hatte keine Ahnung, was hier als schicklich galt, ob er sich verbeugen oder stehenbleiben sollte, aber er entschied sich für das Verbeugen. Vielleicht war das ein Funktionär der Station. Es war sogar möglich, dass es der Kif war, den er geschlagen hatte, wodurch er an diesem Ort gelandet war. Hallan hoffte, der Kif wollte keinen Kampf. Er war beträchtlich im Nachteil, und außerdem war er durch so etwas in Schwierigkeiten geraten.

»Man sagt mir, du verweigerst die Nahrung.«

Es war tatsächlich irgendein Funktionär. »Sie bekommt mir nicht, Sir. Ich bitte um Verzeihung.«

»Ein sehr respektvoller Hani. Männer deiner Art haben den Ruf, gewalttätig zu sein. Bei ihrer Kraft ist das zu erwarten. Aber man sagt, du seist ein so stiller, kooperativer Gefangener.«

»Ich hatte nicht die Absicht, irgendjemanden zu schlagen. Falls Sie es waren, bitte ich um Verzeihung.«

»Nein, nein, ich war es nicht. Das versichere ich dir. Tatsächlich habe ich mir erlaubt, mich in deinem Fall mit dem Direktor in Verbindung zu setzen. Ein Hani-Schiff ist im Hafen. Ich dachte, es sei vielleicht bereit, dir zu helfen, dass du wieder nach Hause kommst.«

Sein Puls begann zu rasen. Immer hieß es, vertraue niemals einem solchen Wesen, und bestimmt wollte der Kif etwas – Kif taten einem keinen Gefallen. Das sagten alle. Die Sache musste einen Haken haben.

»Wer sind sie, Sir?«

»Verwandte der Mekt-hakkikt. Chanur-Clan. Und sie haben sich bereiterklärt, dich in Gewahrsam zu nehmen. Ich hoffe, es ist dir angenehm.«

Angenehm. Hallan kreuzte die Arme vor der Brust, um nicht zu zittern. »Ja, Sir. Durchaus.« Chanur. Götter, o Götter, konnte es denn wahr sein …?

»Du fragst dich, warum es jemanden meines Ranges interessiert?«

»Ja, Sir.«

»Mein Name ist Vikktakkht. Kannst du das aussprechen?«

»Vikktakkht.«

»Kannst du es dir merken?«

»Ja, Sir.«

»Du weißt, was Dankbarkeit ist.«

»Ja, Sir.«

»Dann tu mir einen Gefallen. Wenn du daran denkst – wiederhole meinen Namen da, wo es dir richtig vorkommt.«

»Verzeihung …?«

Der Kif trat nahe an ihn heran und legte ihm eine schwarzklauige Hand auf den Arm. Er war ebenso groß wie Hallan, und so kam Hallan zu einem höchst unbehaglichen Blick in die Kapuze hinein, in schmale, rotgeränderte Augen, die sich tief und neugierig in seine bohrten.

»Geh mit den Wachen. Mach keinen Ärger. Merke dir meinen Namen. Vergiss ihn niemals. Irgendwann wirst du den Wunsch haben, mir eine Frage zu stellen.«

Bogen fielen in den Ausdruckkorb. Einer … zwei … drei …

… zehn … elf. Das Ding war ein Monster.

… neunundvierzig … fünfzig …

Götter, lief der Drucker mit einer Programmschleife?

… einhundert … einhunderteins …

Papier alle. Tarras lud den Behälter nach, und Hilfy setzte sich und betrachtete den Stapel mit düsteren Blicken. Sie weigerte sich, mit dem Lesen anzufangen, bevor der Ausdruck fertig war.

… zweihundertsechsundzwanzig … zweihundertsiebenundzwanzig.

Das ›Ready‹-Licht ging aus. Der Hefter schwirrte. Hilfy zog einen Vertrag aus dem Korb, der beinahe so schwer war wie die Fracht, die er repräsentierte, und blätterte den kleingedruckten Text durch.

Der Computer fing mit dem Übersetzungsprogramm an und warf das Ergebnis auf den Schirm. Hilfy betrachtete die Stsho-Schrift, Seite nach eng beschriebener Seite.

Der Interkom plärrte: »Sicherheit ist hier, Käpt'n.«

»Geh nach draußen«, sagte Hilfy zu Tarras. »Überprüfe diese Papiere. Tiar weiß, was ich meine.«

»Sicherheit?«, fragte Tarras, die Ohren von neuem aufgestellt.

»Unterbrich das Entladen für eine Stunde. Du wirst bei der Station rückfragen.«

»Was hat die Sicherheit damit zu tun?«

Hilfy versuchte, die Stsho-Schrift zu lesen. Auf diesem Schirm war es eine Zumutung für das Sehvermögen. »Ich habe einen Akt der Barmherzigkeit begangen. Die Strafe der Götter für Dummköpfe.« Der Translator verlangte bereits Konfliktlösungen. Das konnte niemand anders erledigen als sie. Tiars Stsho-Kenntnisse reichten für die Zollbehörden aus. Klassisches Stsho verstand sie nicht. Und das hier war klassisches Stsho.

Und wenn man einen Vertrag hatte, dann, bei den Göttern, las man ihn. Eine Hani-Fassung verlangen? Besser war es, den Vertragsgeber in seiner eigenen Sprache festzunageln, sonst behauptete er nachher noch, man habe ihn täuschen wollen. Besser war es, man konnte sagen, er habe einen täuschen wollen. Dafür vergaben die Gerichte Punkte.

Gab es eine Nichterfüllungsklausel? Und welche Seite hatte eine Konventionalstrafe zu zahlen?

Gab es eine Klausel über Bruchschaden? Über Krieg und solare Ereignisse und Piraterie?

Deckte der Vertrag Persönlichkeitsveränderungen ab? Und das Wechseln des Geschlechts? Bei den Stsho kam das vor, unter Stress und bei Verletzungen.

Erwähnte er den Fall, dass der genannte Empfänger starb oder die Persönlichkeit änderte, bevor er das Objekt erhalten hatte?

War darin eine genaue Identifikation des Objektes enthalten?

Der Translator unterbrach sich dauernd, bat um Entscheidungen. Hilfy sah eine schlaflose Wache voraus. Gereizt teilte sie den Schirm in die Stsho- und die Hani-Version.

Man übersetzte einen formellen Stsho-Vertrag nicht in die Handelssprache; das führte nur zu Doppeldeutigkeiten. Man befahl dem Translator nicht, seine Konflikte selbst zu lösen. Die erste falsche logische Abzweigung konnte ihn in den tobenden Wahnsinn schicken.

»Käpt'n. Tut mir leid, wenn ich störe. Bei der Station sagen sie, ohne Genehmigung von der Verwaltung hätten wir keinen Zugriff auf den juristischen Speicher …«

»Besorge sie dir. Rufe den Adjutanten des Direktors an. Erkläre ihm das Problem. Sag ihm, ich hätte eben erst mit Gtst Exzellenz gesprochen, und mir sei versichert worden, so etwas werde nicht geschehen.«

»Aye«, sagte Tiar fröhlich, und der Kom ging aus.

Setzte der Vertrag einen Ablieferungstermin fest?

Sprach er von Schäden und Schiedsgerichtsverfahren?

»Käpt'n.«

Götter. »Tiar?«

»Das Stationsbüro will den Anruf ohne Genehmigung von dir nicht durchstellen.«

Ein Zusatz zum Vertrag. Zugriff. Für jedes einzelne Mitglied der Crew.

»Ich werde den Kif erschießen. Sag ihnen das. Sag ihnen …« Nein, sie würde nicht auf Tante Pys Namen oder ihre Privilegien oder ihren Ruf pochen. »Sag ihnen, dass ich selbst anrufen werde. Ich persönlich.«

»Aye, Käpt'n.«

Sie tat es. Sehr geduldig. Sie löste einen Konflikt für das Übersetzungsprogramm, dann schaltete sie den Stationskom ein und tönte: »Hier ist Kapitänin Hilfy Chanur, Chanurs Legat. Ich möchte No'shto-shti-stlen sprechen, Direktor des Treffpunktes und so weiter – ergänzen Sie die Titel. Exzellenz: Ein Individuum der unteren Dienstgrade missachtet Ihre Befehle. – Geben Sie das weiter! Sofort!«

»Chanur-Kapitänin.«

»Ja?«

»Chanur-Kapitänin, wir wollen doch nicht übereilt handeln. Kann diese Person Ihnen helfen?«

»Möglicherweise.« Hilfy wechselte zu einem sehr viel liebenswürdigeren Ton über. »Wenn Sie eine Kopie des gesamten Dossiers beschaffen können, das meine Crewfrau soeben verlangt hat, und uns eine offizielle Erklärung geben, dass die in Rede stehende Angelegenheit mit dem heutigen Datum erledigt ist … nur für den Fall, dass etwas in die Dateien irgendeiner anderen Station hineingerät. Sollen wir Unannehmlichkeiten bekommen, weil wir dem Direktor einen Gefallen tun? Der Meinung bin ich nicht.«

»Verehrte Kapitänin. – Eine Sache von Augenblicken. Nichts als eine Formalität. Jedes Papier, das Sie wünschen.«

»In der Zwischenzeit – halten Sie diese Botschaft zum Absenden bereit. Eine Viertelstunde, um diese Papiere aufs Dock an unseren Liegeplatz zu bringen. Das hätte längst geschehen sein sollen, verstehen Sie das? No'shto-shti-stlen hat es selbst befohlen!«

»Hochgeschätzte Kapitänin, eine Viertelstunde. Weniger als das!«

»Die Viertelstunde läuft, Stationskom. Ich wünsche Ihnen viel Glück.«

Da war die Klausel wegen der Bezahlung. 1 000 000 für Transport und Auslieferung. Und da war die Klausel, dass die Fracht einem Stsho im Büro der Stsho-Vertretung auf der Urtur-Station übergeben werden müsse.

So weit, so gut. Hilfy las die folgenden Paragraphen durch.

»Käpt'n, wir haben die Papiere.«

»Gut. Dem Stationskom sei Dank.«

»Käpt'n. Sein Clan ist Meras. Aber er kommt von einem Sahern-Schiff.«

Hilfy hob ruckartig den Kopf. Der Translator steckte schon wieder fest. Sie ignorierte ihn. Sie hatte die Situation mit dem Jungen ignoriert – sie hatte nicht aus dieser Schleuse hinausspazieren und mit einer Partei verhandeln wollen, die aus einem Kif und einer Geisel bestand. Das erforderte eine kühlere Haltung, als sie im Augenblick aufbringen konnte.

Aber Sahern?

Keine Freundinnen. Ein Clan, mit dem sie eine jahrhundertealte, offiziell eingetragene Fehde führten.

Ich danke euch, Götter. Das ist in der Tat eine Strafe für einen Akt der Barmherzigkeit.

»Ich will ihn sehen.«

Hilfy löste das Problem des Translators, ließ ihn laufen und lesen, bis sie die Schleuse gehen hörte. Dann beugte sie sich vor, löschte den Schirm, drehte sich mit ihrem Sessel der Tür zu.

Junge, hatte sie gesagt. Es waren so viele Jungen in den Raum gegangen. Aber er war älter als ein Junge. Er war voll ausgewachsen – zumindest in der Länge, musste den Kopf einziehen, um durch die Tür zu kommen. Seine Schultern waren breit genug, um die Konsolen in Gefahr zu bringen. Ein hübscher Bursche – das hätte sogar eine Statue bemerkt, und eine Crew von Raumfahrerinnen, die monatelang unterwegs war, würde es bestimmt merken. Schüchtern, verängstigt, wie es ein junger Mann gar nicht anders sein konnte, der in einen fremden Clan hineingeschleudert wurde und dabei noch etwas ausgefressen hatte – er brauchte einen Augenblick, bevor er sich sagte, dass er sie ansehen musste.

»Na Meras. Willkommen an Bord.«

»Ich danke Ihnen, Ker Chanur. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier sein darf.«

»Daran zweifele ich nicht. Ich zögere zu fragen, warum Ihr Schiff es für notwendig hielt, abzureisen.«

»Das weiß ich nicht, Ker Chanur.«

»Käpt'n genügt. Sie wissen es also nicht?«

Die Ohren sanken herab. Der Junge fand eine interessante Stelle auf dem Deck. »Ich erinnere mich nicht, was ich getan habe. Man sagt, ich hätte Geschirr zertrümmert. Und einen kifischen Gentleman geschlagen.«

»Einen kifischen Gentleman.« Der Junge war fein erzogen.

»An diesen Teil erinnere ich mich nicht«, sagte er. Ergänze: Unerfahren, was Getränke und Bars angeht.

»Sie hatten keine Kommunikation mit Ihrem Schiff.«

»Nein, Käpt'n.«

»Die ganze Zeit nicht?«

»Nein, Käpt'n.«

»Und Sie haben auch keine Ahnung, warum Ihre Kapitänin einen Anfall von Gedächtnisschwund erlitten hat.«

»Nein, Käpt'n.«

»Na Meras, diese Antwort könnte im Laufe der nächsten paar Monate recht ermüdend werden. Vielleicht schon bis morgen.«

»Ich bitte um Verzeihung, Käpt'n.«

»Wie ist Ihr Name, Na Meras?«

Er blickte hoch, die Ohren halb aufgerichtet. »Hallan, Käpt'n. Von Syrsyn. – Ich … ich habe einmal Ihre Tante gesehen, auf dem Anuurn-Dock. Und Ker Haral …«

Hilfys Ohren sanken herab. Auch sie erinnerte sich an ein Dock auf Anuurn, an eine Trennung von der Crew. Eine Handvoll bitterer Worte.

Das Gesicht des Jungen zeigte absolute Anbetung – die, davon war sie überzeugt, auf keinem Sahern-Schiff kultiviert wurde. Und genug Verstand, dass er merkte, er hatte soeben gefährlichen Boden betreten. Bestürzung … Verwirrung. Er war so gescheit, den Mund zu halten, das musste man ihm lassen.

»Haben Sie in den Sahern-Clan eingeheiratet, eine Seitenlinie … wie sind Sie verwandt?« Ein Maß für die Häufigkeit und die Dauer ihrer Besuche auf dem Heimatplaneten war, dass sie die Beziehungen der Familien untereinander nicht mehr verfolgte. Soviel sie wusste, konnte er mit der Heiligen Persönlichkeit von Me'gohtias verwandt sein.

»Es besteht keine Verwandtschaft.« Es gelang ihm, diesen Fleck auf dem Boden wiederzufinden.

Der gute Geschmack hätte erfordert, dass sie mit dem Fragen aufhörte. Sieh sich einer den Jungen an. Wahrscheinlich hatte er eine Heuer gewollt. Und Sahern hatte ihm eine gegeben.

Hilfy schoss einen Blick zu Tiar hinüber. »Ich denke, wir bringen den Jungen in einer Passagierkabine unter.«

»Ich kann Wartungsarbeiten tun. Ich habe meine Lizenz.«

»Das wird sich zeigen. In der Zwischenzeit …« Ihre Gedanken richteten sich auf die praktischen Dinge. »Ich nehme nicht an, dass Sie mit Gepäck gekommen sind.«

»Alles …« Der Junge machte eine verzweifelte Geste. »Alles ist an Bord der Sonne.«

»Der Aufgehenden Sonne? – Tellun Sahern?«

»Ja, Käpt'n.«

Weitere schlechte Nachrichten. »Wir werden Sie auf Ihr Schiff zurückbringen oder Sie da absetzen, wo Sie eine Verbindung herstellen können …«

»Ich möchte hierbleiben.«

»Auf dem Treffpunkt?«

»Nein, Käpt'n. Auf diesem Schiff. Ich möchte bei Ihnen bleiben.«

»Die Legat hat eine vollständige Besatzung. Es ist keine Heuer frei.« Sie sah, dass die Ohren sich flachlegten, sah das Stirnrunzeln, das nicht ganz Resignation war, und merkte sich vor, den Jungen im Auge zu behalten. Irgendwie spürte sie Widerstand. Gegen was? Sie war sich nicht sicher. »Wollen Sie meinen langfristigen Rat hören? Fahren Sie nach Hause. Kehren Sie zurück, arbeiten Sie im interplanetaren Frachtverkehr, wenn Sie so wild auf die Raumfahrt sind.«

»Nein, Käpt'n.«

Ein kurzes Aufflackern von Temperament. Ein Zusammenpressen des Mundes. Götterverdammter dummer Junge, dachte sie, und ihr Gesicht verfinsterte sich. Womit habe ich das verdient?

2. Kapitel

Der Stapel, den der Translator ausgespien hatte, war 532 Seiten dick – wenn man die alternativen Übersetzungen, die eine nach der anderen geliefert worden waren, mitzählte. Das war der erste Versuch des Computers. Das juristische Beratungsprogramm gab bekannt, seine Analyse der Übersetzung werde 20 588 Seiten lang werden. Es fragte, ob der Operator eine einfache Zusammenfassung wünsche.

»Offenbar ist das Ding eine Vase«, sagte Hilfy. Vier Hani-Gesichter, vier besorgte Hani-Gesichter starrten zurück und blinzelten beinahe synchron.

»Eine zeremonielle Vase«, sagte Tiar. »Ist jemandes Großmutter darin begraben?«

»Soviel ich weiß, nicht. Ich habe den Ausdruck oji durch alle verwandten Wörter und alle Ableitungen verfolgt, die ich finden konnte. Es bedeutet ›zeremonielles Objekt mit akkumuliertem Wert‹ und ist verwandt mit dem Wort für ›Antiquität‹ und ›Reliquie‹. Im übertragenen Sinne hat es mit ›zeremoniellem Gegenstand mit sozialer Bedeutung‹ und mit ›gemeinschaftlich eingenommenem Tee‹ zu tun …«

»Du machst Witze.«

»… und mit ›Erbe‹.«

»No'shto-shti-stlen wird sterben?«, fragte Fala.

»Wer weiß?« Ein Achselzucken war nicht diplomatisch, aber sie waren hier unter sich. »Vielleicht bestimmt gtst einen Nachfolger. Vielleicht kehrt der alte Knabe tatsächlich nach Hause, um zu sterben.«

»Das tun die Stsho«, bemerkte Chihin. »Sie sterben nicht vor den Augen von Fremden. Das gilt als geschmacklos.«

»Die Bezahlung ist im Voraus erfolgt. Gtst kann gtst Meinung nicht mehr ändern.«

»Soviel steht fest.«

Hilfy betrachtete den Stapel. »Bezahlung im Voraus. Götter, es lohnt sich. Man fragt sich nur immerzu, warum.«

»Was kann denn schiefgehen?«, fragte Fala. Ein Kreis von Gesichtern mit flachgelegten Ohren und ein Augenblick des Schweigens antworteten ihr.

Hilfy sagte: »Es gibt einen enzyklopädischen Eintrag unter oijgi, einem verwandten Substantiv, in dem Sinne, dass ein Gegenstand dieser Art nicht bezahlt werden kann, dass er nur übereignet wird und dass Geld ihn nicht direkt berühren darf. Ihn auf keinen Fall direkt berühren darf. Das hängt irgendwie mit dem Status zusammen. Es muss der Grund für diese Extravaganz sein.«

»Wir könnten jemanden geradeheraus fragen«, schlug Tarras vor.

»Nein. Nicht, solange wir nicht wissen, womit wir es zu tun haben – oder wie explosiv die Sache ist. No'shto-shti-stlen hat Ohren in jeder Wand dieser Station.«

»Elektronisch gesprochen«, sagte Tiar.

»Ich würde den Vertrag nicht dagegen wetten.«

»Du bist also geneigt, ihn zu unterschreiben?«

»Einmal pro Viertelstunde, und in der übrigen Zeit möchte ich unsere Fracht nach Hoas bringen und vergessen, dass ich jemals von dem Ding gehört habe. Warum in einer mahen Hölle muss es als Eilgut nach Urtur geschafft werden? Warum nicht langsam via Hoas? Muss der Direktor so schwierig sein? Explodiert der Gegenstand bei der Auslieferung?«

»Willst du meine Meinung hören?«

»Sag schon.«

»Ich sage, wenn wir den Auftrag annehmen, sollten wir alle übrige Fracht vorher einkaufen. Und das Unterschreiben bis zum allerletzten Moment hinausschieben. In dem Augenblick, wo dieser Scheck bei der Bank eingeht, wird es Gerüchte geben. Und dann schraubt man uns die Preise hoch.«

»Lass dem alten Knaben keine Zeit«, fiel Tarras ein, »uns irgendetwas anzuhängen. Denn du kannst die Einnahmen der nächsten Fahrt darauf wetten, dass dieser Bastard No'shto-shti-stlen darüber nachdenkt, wie er sich das Geld zurückholen kann, bevor es in unsere Taschen gerät. Auf gtst Totenbett würde gtst dafür noch Vorsorge treffen. Gtst ist nicht ohne Grund auf dieser Seite des Raums die reichste Person.«

»Das Problem ist«, meinte Chihin, »wir müssen Waren für Urtur mitnehmen, wenn das unser Ziel ist. Und falls der alte No'shto-shti-stlen nicht ungewöhnlich diskret war, gibt es auf dieser Station Stsho, die über diesen Handel Bescheid wissen, und wenn sie es wissen, ist die Sicherheit bereits durchlöchert. Wenn wir es tun wollen, tun wir es besser schnell, denn ich habe so eine Ahnung, wenn dieses Ding den Stsho dermaßen wichtig ist, könnte es auch No'shto-shti-stlens Feinden wichtig sein. Deshalb werden Spione melden, was wir kaufen und um was wir verhandeln und welche Verträge wir abschließen. Wir brauchen nur zu niesen, und es wird in jemandes Datenspeicher eingehen und als erstes an No'shto-shti-stlens Ohren gelangen.«

»Und gleichzeitig an andere Ohren«, nickte Hilfy. Tante Py hatte mit den Stsho Handel getrieben. Und trieb immer noch mit ihnen Handel. Wie lautete Tante Pys Ausdruck? Verlasse dich nie darauf, die Stsho seien Hani! Sie waren es nicht. Sie würden es nie sein. Ebensowenig wie Hani nach Stsho-Regeln oder mahen Regeln spielten, und die Stsho waren solche Kosmopoliten, dass sie diese einfache Tatsache gekannt hatten, bevor der Han oder der Mahendo'sat darauf gekommen war. Man füge hinzu, dass eine Hani, die zufällig perfekt in der Handelssprache und der Geschichte der Stsho war, sich in speziellen, persönlichen blinden Flecken an der Schnittstelle zwischen Sprachen und Weltanschauungen täuschen mochte.

»Ich möchte …« – Hilfy zählte die Punkte ab, indem sie eine Klaue nach der anderen ausstreckte – »eine vorläufige Liste von Dingen, die ich unter ›Urtur‹ gespeichert habe. Ich setze auf Waren, die von jenseits des Treffpunktes stammen und die niemand aus der anderen Richtung bringen wird. Waren, von denen wir wissen, dass sie auf Urtur knapp sind. Und ich möchte eine Untersuchung über die Ladungsverzeichnisse der Schiffe, die hier ablegen wollen. Wir können nicht feststellen, was von Kshshti hereinkommen mag – deshalb wollen wir uns auf Stsho- und Tc'a-Waren konzentrieren.«

»Götter, nicht schon wieder eine Methan-Ladung!«

»Es zahlt sich aus. Es zahlt sich aus, und sie haben ihre eigenen Stauer.«

»Mir macht nur Sorgen, wer sich sonst noch dafür interessieren könnte«, sagte Tiar.