Chaos (und ein Hering) (London Roses Europareise – Band 6) - Blake Pierce - E-Book

Chaos (und ein Hering) (London Roses Europareise – Band 6) E-Book

Blake Pierce

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Beschreibung

"Wenn man glaubt, dass das Leben nicht besser werden kann, dann hat Blake Pierce ein weiteres Meisterwerk an Thriller und Mysterium geschaffen! Dieses Buch ist voller Wendungen und das Ende bringt eine überraschende Enthüllung. Ich empfehle dieses Buch jedem Leser, der sich an einem sehr gut geschriebenen Thriller erfreut, es sich anzuschaffen. " -Autor und Filmkritiker, Roberto Mattos (Fast So Gut Wie Vorüber) CHAOS (UND EIN HERING) ist Band 6 einer charmanten neuen Cozy-Krimi-Reihe von Nr. 1 USA Today Bestsellerautorin Blake Pierce, deren Buch Verschwunden über 1.500 Fünf-Sterne-Rezensionen erhalten hat. Die Reihe beginnt mit Band 1: MORD (UND BAKLAVA). Als London Rose, 33, einen Heiratsantrag von ihrem langjährigen Freund erhält, wird ihr klar, dass eine stabile, vorhersehbare, vorherbestimmte (und leidenschaftslose) Zukunft vor ihr liegt. Verständlicherweise macht sie diese Vorstellung verrückt und sie läuft davon – sie nimmt einen Job am anderen Ende der Welt an: Als Reiseleiterin auf einem europäischen Luxusdampfer, der jeden Tag eine neue Stadt besucht. London sucht nach Romantik, nach Unvorhersehbarkeit und einem spannenden Leben, das sicher irgendwo da draußen auf sie wartet. London ist entzückt von ihrem neuen Leben: Die europäischen Kleinstädte, die sie besucht, sind historisch und bezaubernd. Jeden Abend legt sie in einem neuen Hafen an, kann schier endlose neue Gerichte probieren und lernt zahlreiche neue und interessante Leute kennen. Es ist wie ein Traum und alles andere als vorhersehbar. In CHAOS (UND EIN HERING), Band 6, segeln London und ihre Crew in die wunderschöne Stadt Oslo. Sie bewundern die bezaubernde Inselgruppe, sowie die örtliche Architektur und Kochkunst. Alles scheint perfekt – bis London auf einer Angeltour nicht den landestypischen Kabeljau an Land zieht – sondern eine Leiche. Ihr Fund zwingt London erneut dazu, der Sache auf den Grund zu gehen – damit sie nicht selbst in Verdacht gerät. Ihre Karriere und ihre Zukunft stehen auf dem Spiel. Lustig, romantisch, liebenswert und voller interessanter Einblicke in Kultur und Küche, ist die Reihe LONDON ROSES EUROPAREISE ein spannender Trip durch das Herz Europas. Faszinierende Geheimnisse sorgen dafür, dass Sie sich bis zur letzten Seite fragen werden, wie es denn ausgehen wird. Weitere Bände dieser Reihe sind schon bald erhältlich!

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2021

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C H A O S

(U N D   EIN   H E R I N G)

LONDON ROSES EUROPAREISE, BAND 6

B L A K E   P I E R C E

Aus dem Englischen von Vanessa Gautschi

Blake Pierce

Blake Pierce ist Autor der erfolgreichen Mystery-Reihe RILEY PAGE, die aus siebzehn Büchern besteht. Blake Pierce ist ebenfalls Verfasser der MACKENZIE WHITE Mystery-Reihe, die vierzehn Bände umfasst; der AVERY BLACK Mystery-Reihe mit sechs Büchern; der fünfbändigen KERI LOCKE Mystery-Reihe; den sechs Büchern der MAKING OF RILEY PAIGE Mystery-Reihe; der KATE WISE Mystery-Reihe, die aus sieben Büchern besteht; der CHLOE FINE Psycho-Thriller-Reihe, die sechs Bände umfasst; der fünfzehnteiligen JESSE HUNT Psycho-Thriller-Reihe (Fortsetzung folgt); der Psycho-Thriller Reihe DAS AU-PAIR, die aus drei Bänden besteht; der ZOE PRIME Mystery-Reihe, die sechs Teile umfasst; der ADELE SHARP Mystery-Reihe mit zehn Bänden (Fortsetzung folgt); der LONDON ROSES EUROPAREISE Cosy-Krimi-Reihe, die bisher aus sechs Büchern besteht (Fortsetzung folgt); den drei Büchern des neuen LAURA FROST FBI Thrillers (Fortsetzung folgt); der neuen ELLA DARK FBI Thrillern mit bisher sechs Büchern (Fortsetzung folgt); der EIN JAHR IN EUROPA Cosy-Krimi-Reihe aus bisher drei Bänden (Fortsetzung folgt); der dreiteiligen AVA GOLD Mystery-Reihe (Fortsetzung folgt); sowie der RACHEL GIFT Mystery-Reihe, die aktuell aus drei Büchern besteht (Fortsetzung folgt).

Als treuer Leser und lebenslanger Fan des Genres rund um Mystery und Thriller, hört Blake gern von Ihnen, also besuchen Sie die Seite www.blakepierceauthor.com, um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.

Copyright © 2021 by Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Vorbehaltlich der Bestimmungen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder übertragen oder in einer Datenbank oder einem Abfragesystem gespeichert werden. Dieses eBook ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer anderen Person teilen möchten, kaufen Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen und Sie es nicht gekauft haben, oder es nicht nur für Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann senden Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihre eigene Kopie. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dies ist eine erfundene Geschichte. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder das Ergebnis der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, ob lebendig oder tot, ist völlig zufällig.

BÜCHER VON BLAKE PIERCE

EIN RACHEL GIFT FBI-SUSPENSE-THRILLER

IHR LETZTER WUNSCH (Band #1)

DIE FÄLLE DER AVA GOLD

BEUTESTADT (Band #1)

ANGSTSTADT (Band #2)

EIN LAURA FROST FBI-THRILLER

VOR LANGEM VERSCHWUNDEN (Band #1)

VOR LANGEM ENTDECKT (Band #2)

BEREITS IN DER FALLE (Band #3)

EIN ELLA-DARK-THRILLER

IM SCHATTEN (Band #1)

WEGGENOMMEN (Band #2)

AUF DER JAGD (Band #3)

EIN JAHR IN EUROPA

EIN MORD IN PARIS (Band #1)

TOD IN FLORENZ (Band #2)

RACHE IN WIEN (Band #3)

EIN TODESFALL IN SPANIEN (Band #4)

LONDON ROSES EUROPAREISE

MORD (UND BAKLAVA) (Band #1)

TOD (UND APFELSTRUDEL) (Band #2)

VERBRECHEN (UND BIER) (Band #3)

EIN UNGLÜCKSFALL (UND GOUDA) (Band #4)

EIN UNHEIL(UND EIN PLUNDERSTÜCK) (Band #5)

CHAOS (UND EIN HERING) (Band #6)

ADELE SHARP MYSTERY-SERIE

NICHTS ALS STERBEN (Band #1)

NICHTS ALS RENNEN (Band #2)

NICHTS ALS VERSTECKEN (Band #3)

NICHTS ALS TÖTEN(Band #4)

NICHTS ALS MORD (Band #5)

NICHTS ALS NEID (Band #6)

NICHTS ALS FEHLER (Band #7)

NICHTS ALS VERSCHWINDEN (Band #8)

NICHTS ALS JAGEN (Band #9)

NICHTS ALS ANGST (Band #10)

DAS AU-PAIR

SO GUT WIE VORÜBER (Band #1)

SO GUT WIE VERLOREN (Band #2)

SO GUT WIE TOT (Band #3)

ZOE PRIME KRIMIREIHE

GESICHT DES TODES (Band #1)

GESICHT DES MORDES (Band #2)

GESICHT DER ANGST (Band #3)

GESICHT DES WAHNSINNS (Band #4)

GESICHT DES ZORNS (Band #5)

GESICHT DER FINSTERNIS (Band #6)

JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE

DIE PERFEKTE FRAU (Band #1)

DER PERFEKTE BLOCK (Band #2)

DAS PERFEKTE HAUS (Band #3)

DAS PERFEKTE LÄCHELN (Band #4)

DIE PERFEKTE LÜGE (Band #5)

DER PERFEKTE LOOK (Band #6)

DIE PERFEKTE AFFÄRE (Band #7)

DAS PERFEKTE ALIBI (Band #8)

DIE PERFEKTE NACHBARIN (Band #9)

DIE PERFEKTE VERKLEIDUNG (Band #10)

DAS PERFEKTE GEHEIMNIS (Band #11)

DIE PERFEKTE FASSADE (Band #12)

DER PERFEKTE EINDRUCK (Band #13)

DIE PERFEKTE TÄUSCHUNG (Band #14)

DIE PERFEKTE GELIEBTE (Band #15)

DAS PERFEKTE IMAGE (Band #16)

CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE

NEBENAN (Band #1)

DIE LÜGE EINES NACHBARN (Band #2)

SACKGASSE (Band #3)

STUMMER NACHBAR (Band #4)

HEIMKEHR (Band #5)

GETÖNTE FENSTER (Band #6)

KATE WISE MYSTERY-SERIE

WENN SIE WÜSSTE (Band #1)

WENN SIE SÄHE (Band #2)

WENN SIE RENNEN WÜRDE (Band #3)

WENN SIE SICH VERSTECKEN WÜRDE (Band #4)

WENN SIE FLIEHEN WÜRDE (Band #5)

WENN SIE FÜRCHTETE (Band #6)

WENN SIE HÖRTE (Band #7)

DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE

BEOBACHTET (Band #1)

WARTET (Band #2)

LOCKT (Band #3)

NIMMT (Band #4)

LAUERT (Band #5)

TÖTET (Band #6)

RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE

VERSCHWUNDEN (Band #1)

GEFESSELT (Band #2)

ERSEHNT (Band #3)

GEKÖDERT (Band #4)

GEJAGT (Band #5)

VERZEHRT (Band #6)

VERLASSEN (Band #7)

ERKALTET (Band #8)

VERFOLGT (Band #9)

VERLOREN (Band #10)

BEGRABEN (Band #11)

ÜBERFAHREN (Band #12)

GEFANGEN (Band #13)

RUHEND (Band #14)

GEMIEDEN (Band #15)

VERMISST (Band #16)

AUSERWÄHLT (Band #17)

EINE RILEY PAIGE KURZGESCHICHTE

EINST GELÖST

MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE

BEVOR ER TÖTET (Band #1)

BEVOR ER SIEHT (Band #2)

BEVOR ER BEGEHRT (Band #3)

BEVOR ER NIMMT (Band #4)

BEVOR ER BRAUCHT (Band #5)

EHE ER FÜHLT (Band #6)

EHE ER SÜNDIGT (Band #7)

BEVOR ER JAGT (Band #8)

VORHER PLÜNDERT ER (Band #9)

VORHER SEHNT ER SICH (Band #10)

VORHER VERFÄLLT ER (Band #11)

VORHER NEIDET ER (Band #12)

VORHER STELLT ER IHNEN NACH (Band #13)

VORHER SCHADET ER (Band #14)

AVERY BLACK MYSTERY-SERIE

MORDMOTIV (Band #1)

FLUCHTMOTIV (Band #2)

TATMOTIV (Band #3)

MACHTMOTIV (Band #4)

RETTUNGSDRANG (Band #5)

SCHRECKEN (Band #6)

KERI LOCKE MYSTERY-SERIE

EINE SPUR VON TOD (Band #1)

 

INHALTSVERZECHNIS

 

 

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

KAPITEL DREIZEHN

KAPITEL VIERZEHN

KAPITEL FÜNFZEHN

KAPITEL SECHZEHN

KAPITEL SIEBZEHN

KAPITEL ACHTZEHN

KAPITEL NEUNZEHN

KAPITEL ZWANZIG

KAPITEL EINUNDZWANZIG

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

KAPITEL DREIUNDZWANZIG

KAPITEL VIERUNDZWANZIG

KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG

KAPITEL DREISSIG

KAPITEL EINUNDDREISSIG

KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG

KAPITEL DREIUNDDREISSIG

KAPITEL VIERUNDDREISSIG

KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG

KAPITEL SECHSUNDDREISSIG

KAPITEL SIEBENUNDDREISSIG

KAPITEL ACHTUNDDREISSIG

KAPITEL NEUNUNDDREISSIG

KAPITEL VIERZIG

KAPITEL EINUNDVIERZIG

KAPITEL ZWEIUNDVIERZIG

KAPITEL DREIUNDVIERZIG

KAPITEL VIERUNDVIERZIG

 

KAPITEL EINS

Einen Moment lang glaubte London Rose, dass sie ihr Bewusstsein verlieren würde.

Reiß dich zusammen, sagte sie sich. Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für einen Nervenzusammenbruch.

Wie konnte sie sich überhaupt sicher sein, dass das hier wirklich passierte?

Träume ich schon wieder, fragte sie sich.

Sie hatte von dieser Begebenheit schon etliche Male geträumt.

Aber nein, das hier schien überhaupt nicht wie ein Traum. Außerdem hatte die Frau, die sie in ihren Träumen gesehen hatte, knallrotes Haar gehabt. Die lockigen, schulterlangen Haare der Frau vor ihr waren schneeweiß.

Doch diese blauen Augen und das Lächeln auf dem Gesicht der Frau waren unverkennbar.

Das hier scheint ziemlich real, dachte London.

Zwei Meter entfernt, auf einem Holzsteg mitten auf einer kleinen schwedischen Insel, sah London jemandem entgegen, den sie zwanzig Jahre lang nicht gesehen hatte.

„Mama?“, sagte London.

„Ja, ich glaube, das hast du vorhin schon gesagt, London“, erwiderte die Frau mit einem schelmischen Grinsen, an das sich London noch gut aus ihrer Kindheit erinnern konnte. „Es ist lange her, nicht wahr? Also, werden wir uns jetzt drücken, oder was?“

London zögerte. Sie war sich nicht ganz sicher, warum. Wann immer sie versucht hatte, sich dieses Wiedersehen vorzustellen, schien eine Umarmung immer natürlich zu kommen, schien völlig normal. Aber im Moment befremdete London der Gedanke beinahe, die Frau zu umarmen.

Natürlich waren die Umstände auch ziemlich merkwürdig.

Trotz ihrer Verwirrung und den durcheinander geworfenen Gedanken, die durch ihren Kopf sausten, nahm London ein paar weitere Schritte vorwärts. Ihre Mutter tat es ihr gleich.

Sie legte ihre Arme um die Frau.

Die beiden drückten einander, zogen die andere etwas unbeholfen und nicht besonders liebevoll an sich, als wüssten sie nicht ganz, wie man sich umarmte.

Es fühlt sich definitiv merkwürdig an, dachte London.

Zunächst einmal war sie erschrocken darüber, dass ihre Mutter kleiner schien als in ihrer Erinnerung. Das ergab natürlich Sinn. Immerhin war London kaum ein Teenager gewesen, als sie das letzte Mal eine feste Umarmung von ihrer Mutter bekommen hatte.

Als sie ein lautes Bellen vernahmen, ließen sie voneinander ab und traten etwas zurück. Ihre Mutter sah auf den kleinen Yorkshire Terrier auf dem Dock, der mit seinem Schwanz wedelte und zu ihr hochblickte.

„Meine Güte!“, sagte ihre Mutter zu London. „Gehört dieses entzückende kleine Kerlchen dir?“

London nickte und erwiderte: „Sein Name ist Sir Reggie.“

Ihre Mutter ging in die Hocke und griff nach dem kleinen Tier. Sie rieb ihre Nase an seine und der kleine Hund sah so aus, als würde er lächeln.

„Sir Reggie, was?“, sagte sie kichernd. „Also wurde er zum Ritter geschlagen! Es ist mir eine Ehre, dich kennenzulernen, Sir Reggie!“

Sir Reggie schmiegte sich in ihre Arme.

Ich schätze, für ihn fühlen sich Umarmungen nicht seltsam an, dachte London mit einem Hauch Eifersucht, der an ihrem Herzen zog. Aber dann wiederum hatte Sir Reggie nicht dieselbe schwierige Vergangenheit mit ihrer Mutter wie London. Für ihn war Barbara Rose einfach nur eine weitere freundliche Fremde, die ihm nur zu gerne Aufmerksamkeit schenkte.

Ihre Mutter lächelte London an und sprach: „Du siehst aus, als wärst du überrascht, mich zu sehen, Schätzchen. Kein Wunder.“

London schnürte sich angesichts der Worte ihrer Mutter die Kehle zu.

Das ist wohl die Untertreibung des Jahrhunderts, dachte sie, woraufhin ihr ein paar Gegenkommentare einfielen. Oh, es war nur der Großteil meines Lebens … Ein kleines bisschen unerwartet nach all den Jahren … Wir haben uns alle gefragt …

Sie hielt sich davon ab, zu entgegnen: Ich wusste nicht einmal, ob du noch lebst.

Stattdessen fragte sie bloß: „Bist du denn nicht überrascht?“

„Na ja, ich schätze, ein bisschen schon“, antwortete ihre Mutter achselzuckend. „Ich meine, ich hatte nicht erwartet, dass du heute Morgen hier in Lillberg auftauchen würdest. Jedenfalls nicht bis vor Kurzem. Soweit ich wusste, warst du auf deinem Weg nach Oslo.“

London klappte der Mund auf.

„Woher wusstest du …?“, begann sie.

„Dass du dich auf dem Weg nach Oslo befindet?“, erwiderte ihre Mutter lachend. „Oh, du wärst überrascht darüber, was ich alles weiß. Ich würde mich als äußerst gut informiert bezeichnen. Ich habe dein Schiff während seiner ganzen Reise verfolgt. Komm, wir werden uns irgendwo hinsetzen und etwas essen oder einen Kaffee trinken.“

Ihre Mutter setzte Reggie ab und London und ihr Hund folgten ihr den Steg hinab in Richtung Ufer.

Während sie ihr folgte, spielte London die Ereignisse der vergangenen Stunde noch einmal im Kopf durch, versuchte den derzeitigen Moment in etwas klareren Fokus zu rücken.

Das Kreuzfahrtschiff, auf dem sie arbeitete – die Nachtmusik – hatte Kopenhagen gestern verlassen. Heute Morgen hatte das Schiff das Kattegat zwischen Dänemark und Schweden durchsegelt. Und wie ihre Mutter bereits erwähnt hatte, war ihr nächstes Ziel Oslo, Norwegen, gewesen.

Aber das Boot eines dösenden Kapitäns hatte versehentlich die Nachtmusik gerammt, und das Schiff hatte einen Schaden erlitten, der umgehend behoben werden musste. Anstatt zu versuchen, ihre Reise fortzusetzen, hatten sie die kurze Distanz hierhin zurückgelegt, um die Reparaturen in Lillberg vorzunehmen. Das Dorf befand sich auf der Skittmon-Insel, unweit der schwedischen Küste entfernt.

Das Schiff hatte an einem kleinen Kai angelegt und die Passagiere wie auch die Crew waren dazu ermutigt worden, an Land zu gehen und die bezaubernde Insel zu erkunden, während das Schiff hier ankern würde. London hatte sich einfach ein paar Leuten angeschlossen, die über die Landungsbrücke auf den Steg gelangt waren, als ein unheimlich bekanntes Gesicht ihre Aufmerksamkeit erhascht hatte. Ihre längst verloren geglaubte Mutter hatte zwischen ein paar Dorfbewohnern gestanden, die sich versammelt hatten, um das Schiff zu begrüßen.

Und obwohl sie sich gewissermaßen umarmt und kurz miteinander gesprochen hatten, konnte London es noch immer nicht ganz fassen, dass das hier wirklich passierte. Was noch schlimmer war: Sie konnte sich nicht genug sammeln, um zu wissen, was sie von diesem ungeplanten und unvorhergesehenen Wiedersehen halten sollte.

Was habe ich erwartet, zu fühlen, fragte sich London.

Sie hatte definitiv erwartet, etwas zu fühlen, fall es jemals passieren würde. Immerhin hatte sie erst in jüngster Vergangenheit aufgehört, an jeder Haltestelle in Europa nach ihrer Mutter zu suchen. Alles, was sie jetzt verspürte, war heillose Überforderung.

Hatte ich erwartet, dass ich überglücklich sein würde, fragte sie sich.

Ihre Mutter führte London und Sir Reggie in ein putziges kleines Café an der Küste, welches über eine fröhliche, pastellfarbene Tapete sowie angenehm krächzende Weidenmöbel verfügte. Zum Glück war der Kellner nicht bestürzt darüber, dass sie einen Hund bei sich hatten. Er führte sie fröhlich zu einem kleinen Tisch mit drei Stühlen, wo London, ihre Mutter und Sir Reggie sich hinsetzten.

„Hast du Lust, zu frühstücken?“, fragte ihre Mutter.

„Ich habe bereits gegessen“, erwiderte London.

„Und Sir Reggie auch?“

London nickte.

„Spielt keine Rolle“, meinte ihre Mutter. „Hier in Schweden ist es immer Zeit für Fika.“

„Fika?“, fragte London.

„Es ist ein bisschen so wie der englische Fünfuhrtee. Mit dem Unterschied, dass es mehrere Male pro Tag geschehen kann, um jede beliebige Uhrzeit. Die Schweden sind in dieser Hinsicht ziemlich gelassen. Ich empfehle einen Cappuccino und ein Mazarin-Törtchen.“

Ihre Mutter deutete mit dem Kinn auf Sir Reggie und ergänzte: „Obwohl ich mir nicht so sicher bin, ob unserem aristokratischen Freund Süßigkeiten guttun.“

Nein, vermutlich nicht, dachte London, während sie sich daran erinnerte, wie übel Sir Reggie in Kopenhagen geworden war, als er sich bei einem Kuchenfestival überfressen hatte.

„Ist schon gut“, sagte London. „Ich habe etwas für ihn dabei.“

Sie schmiss ihm eines der hausgemachten Hundeleckerli zu, die sie und andere Passagiere auf sich hatten, um sie ihm zu geben. Er schnappte es sich, noch während es durch die Luft sauste, und verschlang es begierig.

Der Kellner kam zu ihnen und ihre Mutter bestellte für sie beide in einer Sprache, die sich für London nach perfektem Schwedisch anhörte. London wünschte sich, die skandinavischen Sprachen besser zu beherrschen.

Während sie auf ihre Bestellung warteten, sagte ihre Mutter zu London: „Also, wo sollen wir anfangen?“

London wurde wieder etwas benommen zumute und ihre Gedanken flogen wild umher. Sie und ihre Mutter hatten sich eben erst vor ein paar Minuten wiedergefunden, aber sie waren bereits am schwierigen Punkt ihres Gesprächs angelangt.

Ja wirklich … Wo sollen wir anfangen, fragte sie sich.

KAPITEL ZWEI

London hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie das Gespräch beginnen sollte. Wie hatte sie sich diese Begegnung in ihrer Vorstellung ausgemalt? Was hatten die beiden zueinander gesagt?

Ihr wollte einfach nichts einfallen.

„Also“, brach ihre Mutter die Stille. „Was hast du in all den vergangenen Jahren getrieben?“

Jetzt fühlte sich London heillos überfordert.

„Ich schätze, … ich bin erwachsen geworden“, erwiderte sie.

Ohne eine Mutter, verkniff sie sich zu ergänzen.

„Ja, du bist erwachsen geworden“, sagte ihre Mutter mit einem zustimmenden Nicken. „Und eine wunderbare junge Frau bist du geworden. Und was für eine Karriere du im Gastgewerbe und der Reiseindustrie hingelegt hast! Ich habe deine Entwicklung unentwegt verfolgt. Du warst alles: von Barfrau über zu Buchhalterin, bis du als Reiseleiterin für die Epoch World Cruise Lines angefangen hast. Und jetzt bist du die Concierge an Bord dieses einzigartigen Schiffes!“

„Eigentlich bin ich Social Director“, korrigierte London sie.

„Gibt es da einen Unterschied?“, fragte ihre Mutter.

„Ja, irgendwie schon“, meinte London. Sie war versucht, zu ergänzen, dass sie der Concierge des Schiffes übergeordnet war, aber ihre Mutter plapperte einfach weiter.

„Wie auch immer … Du hast nicht geheiratet“, sagte sie. „Na ja, ich kann es dir nicht übelnehmen. Lass dich von niemandem zu etwas zwingen, das du nicht willst. Mutter zu sein, ist so unheimlich anstrengend.“

London gelang es, nicht mit der offensichtlichen Antwort darauf herauszuplatzen.

Woher würdest du das wissen?

Dann endlich stellte sie ein paar Fragen, die an ihr genagt hatten.

„Mama, wo warst du all die Jahre? Wohin bist du gegangen? Warum hast du uns verlassen?“

Eine erneute Stille kam über sie, während ihre Mutter nervös mit den Fingern gegen die Tischkante trommelte.

„Gute Fragen“, murmelte sie. „Die Wahrheit ist …“

Der Gesichtsausdruck ihrer Mutter wurde traurig. London spürte, dass sie versuchte, den Mut zu fassen, um alles offen und ehrlich zu erklären. Dann aber blickte ihre Mutter nervös hin und her.

„Na ja, das weiß ich selbst nicht ganz so genau“, meinte sie.

„Was willst du damit sagen?“, wollte London ungläubig wissen.

„Meine Erinnerungen sind … na ja, etwas verschwommen“, erklärte ihre Mutter.

„Deine Erinnerungen an was?“, hakte London nach. „Deine Erinnerungen daran, wie du Papa, Tia und mich verlassen hast?“

„Ja, ich schätze, das habe ich damit gemeint.“

„Willst du mir etwa sagen, dass du an Gedächtnisverlust leidest oder so?“

Ihre Mutter legte ihren Kopf nachdenklich schief.

„Ich schätze, so kann man es auch sagen“, meinte sie.

„Hast du dir den Kopf gestoßen und dein Gedächtnis verloren?“

„Ja, so etwas in der Art muss es gewesen sein. Mehrere Jahre meines Lebens sind … na ja, nicht vorhanden.“

London platzte beinahe heraus: Das glaube ich dir nicht.

Es schien völlig offensichtlich, dass ihre Mutter ihr die Wahrheit nicht sagen wollte. Was auch immer die Wahrheit war. Und sosehr sie geduldig und verständnisvoll sein wollte, wurde London zusehends wütender.

„Na ja, vielleicht kann ich deinem Gedächtnis etwas auf die Sprünge helfen“, sagte London. „Du hattest zwei kleine Töchter und einen Ehemann. Wir waren eine glückliche Familie. Es war ein verrücktes Leben, weil du und Papa beide Flugbegleiter wart, aber es war die gute Art von verrückt. Wir hatten jede Menge Spaß und erlebten Abenteuer. Ihr habt mich und Tia mit auf eure Reisen mitgenommen und wir sind damit groß geworden, die Welt zu entdecken und allerhand Dinge zu lernen – Fremdsprachen, zum Beispiel.“

Ihre Mutter nickte und bemerkte: „Und man sieht, dass du deine Kindheitserinnerungen in etwas Positives umgewandelt hast. Aber du hast vergessen, zu erwähnen, dass dein Vater sich irgendwann als homosexuell geoutet hat.“

„Das wollte ich gerade erwähnen“, meinte London. „Um ehrlich zu sein, war es keine so große Sache. Du hattest selbst gesagt, dass du wusstest, dass Papa homosexuell war – lange bevor er es überhaupt wusste, und du erleichtert warst, dass er sich endlich damit abgefunden hatte. Und du hattest auch gesagt, dass du dich für ihn freust. Ihr beide habt euch im Guten scheiden lassen und an unseren Leben hat sich nicht wirklich viel geändert.“

„Ich erinnere mich etwas anders daran“, meinte ihre Mutter. Dann seufzte sie tief und ergänzte: „Aber du hast recht. Ihn trifft keine Schuld. Es gab andere Gründe.“

„Was für andere Gründe?“, wollte London wissen.

Ihre Mutter wurde still und ihr Gesichtsausdruck verdüsterte sich. In der Zwischenzeit sah Sir Reggie London und ihre Mutter abwechselnd und mit besorgter Miene an. Er spürte offenbar, dass Anspannung in der Luft lag.

In diesem Moment kam der Kellner mit ihren Cappuccinos und ihrem Gebäck. Letzteres sah aus wie ein winziger Kuchen, der mit Staubzucker bestäubt und einer Himbeere sowie einer Blaubeere garniert waren. Ihre Mutter lächelte, da sich ihr eine Möglichkeit für einen Themenwechsel bot.

„Probiere dein Mazarin-Törtchen, Schätzchen. Ich verspreche dir, du wirst es lieben.“

London bemerkte Sir Reggies neidischen Blick und nahm einen Bissen vom Mazarin-Törtchen, welches wirklich vorzüglich war. Die Kruste war leicht und flockig und barg eine Mandelfüllung. Dann aber legte sie das Gebäck zurück auf ihren Teller. Sie war nicht direkt in Stimmung, um es gebührend zu genießen.

„Und jetzt?“, fragte sie ihre Mutter.

„Was meinst du mit ‚und jetzt‘?“, entgegnete ihre Mutter.

„Ich meine … Was passiert jetzt? Zwischen uns? Ich werde nicht lange hier sein und ich habe keine Ahnung, wie dein Plan aussieht. Sollen wir mehr Zeit miteinander verbringen? Oder wirst du einfach wieder das Weite suchen?“

Ein trauriger Ausdruck zog auf dem Gesicht ihrer Mutter auf.

„Das hast du jetzt aber nicht sehr nett gesagt“, sagte sie.

„Tut mir leid, aber ich muss es wirklich wissen.“

London und ihre Mutter sahen einander in die Augen, als würden sie die jeweils andere dazu bringen wollen, als Erste etwas zu sagen. Aber bevor eine von ihnen ein Wort von sich geben konnte, vernahm London ein sanftes Klopfen in der Nähe.

Sie drehte sich um und blickte durch das Fenster des Cafés. Davor stand ein elegant gekleideter, weißhaariger Mann mit einer flotten Baskenmütze auf dem Kopf. Er hatte sanft mit den Knöcheln gegen das Fenster geklopft, um Londons Aufmerksamkeit zu erregen.

„Ach, du meine Güte!“, sagte ihre Mutter nach Atem ringend. „Wer ist denn dieser charmante Gentleman da draußen?“

„Das ist mein Vorgesetzter“, erwiderte London und bedeutete dem Mann mit einem Winken, hereinzukommen.

„Wirklich? Du sprichst also von Jeremy Lapham, dem CEO von Epoch World Cruise Lines, höchstpersönlich?“

Sie hat ihre Hausaufgaben definitiv gemacht, dachte London.

„Ganz genau“, erwiderte sie und unterdrückte ein Seufzen, als Mr Lapham durch die Eingangstür kam. Es war frustrierend, dass sie so gut wie nichts über ihre Mutter wusste. Oder jedenfalls nichts, das das größte Rätsel ihres Lebens lüften würde.

Mr Lapham lief auf ihren Tisch zu und nahm seine Baskenmütze ab. Als er Londons Mutter erblickte, sagte er zu London: „Sieh an, sieh an. London Rose“, sagte er in exzellentem Schwedisch. „Sieht aus, als hätten Sie keine Zeit verschwendet und sich mit den Einwohnern angefreundet. Würden Sie mich netterweise mit dieser charmanten schwedischen Dame bekannt machen?“

Ihre Mutter kicherte leise, ganz offensichtlich entzückt von Mr Laphams galanter Art.

„Oh, ich bin keine Einheimische“, sagte sie in Englisch zu ihm. „Ich bin aus Amerika, wie sie. Und es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Jeremy Lapham.“

Mr Lapham führte die Finger von Londons Mutter an seinen Mund und küsste sie leicht.

„Ah, Sie haben mir etwas voraus, Ma’am“, erwiderte er. „Ich kenne Ihren Namen noch nicht.“

London verkniff sich ein weiteres Seufzen und sagte: „Mr Lapham, darf ich vorstellen? Das ist meine Mutter, Barbara Rose.“

Mr Laphams Augen weiteten sich überrascht.

„Ihre Mutter?“, sagte er zu London. „Aber … wie ist das möglich? Sie beide hätten niemals ein Treffen auf dieser Insel vereinbaren können. Sogar ich habe bis vor Kurzem nicht gewusst, dass wir hier anlegen würden.“

Ihre Mutter strahlte jetzt.

„Es sieht so aus, als hätte der Zufall uns zueinander geführt, Mr Lapham“, sagte sie. Ihre Mutter zuckte leicht zusammen, als sie das Wort ‚uns‘ sagte. Es hörte sich beinahe so an, als hätte ihre Mutter sich und Mr Lapham, jedoch nicht London damit gemeint.

„Zufall, meine Gute?“, sagte Mr Lapham zu Londons Mutter. „Nein, ich glaube, es war das Schicksal, das seine Finger im Spiel hatte. Und nicht direkt unerwartet. Oder jedenfalls nicht völlig.“

Er wandte sich London zu und ergänzte: „Haben wir nicht die Prophezeiung erhalten, dass jemandem an Bord der Nachtmusik ein ‚transformativer Moment‘ bevorsteht?“

Ja, haben wir, dachte London, ohne es laut auszusprechen.

Eine seiner scheinbar unzähligen Eigenheiten war, dass der millionenschwere CEO hinsichtlich vieler seiner Geschäftsentscheide auf den Rat eines Astrologen baute. London versuchte sich noch immer daran zu gewöhnen.

Das Gesicht ihrer Mutter erhellte sich interessiert.

Sie sagte zu Mr Lapham: „Ein ‚transformativer Moment‘, sagen Sie? Das hört sich unheimlich interessant an. Bitte, erzählen Sie mir mehr darüber. Bitte setzen Sie sich doch und schließen Sie sich uns an. Dieses Café hat vorzügliche Mazarin-Törtchen.“

Mr Lapham seufzte traurig und sah auf seine Uhr.

„Leider habe ich keine Zeit dafür“, sagte er. „Wie es das Schicksal so will, habe ich gerade einen Anruf bezüglich einer dringenden Angelegenheit an Bord der Nachtmusik erhalten. Ich habe London in diesem Café sitzen sehen und gehofft, dass sie mit mir zurückkommen kann. Aber jetzt würde ich natürlich nicht einmal im Traum daran denken, dieses außerordentliche Wiedersehen zu unterbrechen. Aber wenn Sir Reggie vielleicht verfügbar ist …“

Als Sir Reggie seinen Namen hörte, hüpfte er von seinem Stuhl und stellte sich eifrig neben Mr Lapham.

Londons Mutter sagte zu Mr Lapham: „Oh, ich möchte Londons Zeit nicht vollends für mich beanspruchen. Nicht, wenn sie ihren Pflichten nachkommen muss.“

„Aber Ma’am, ich möchte wirklich nicht stören –“

„Humbug. Sie stören überhaupt nicht. London und ich haben alle Zeit der Welt, um über alte Zeiten zu sprechen.“

Alle Zeit der Welt, fragte sich London.

In diesem Moment schien ihr das wenig wahrscheinlich.

„Ich muss darauf bestehen –“, begann Mr Lapham.

„Nein, ich muss darauf bestehen“, unterbrach Barbara ihn. „Geschäft ist Geschäft, und Arbeit kommt vor dem Vergnügen. London gehört ganz Ihnen – solange Sie sie brauchen.“

„Na gut, Ma’am“, meinte Mr Lapham mit einem Nicken.

London drehte sich der Kopf.

Habe ich dazu gar nichts zu sagen, fragte sie sich.

Dann aber kam ihr der Gedanke, dass es vermutlich gut war, dass sie nicht nach ihrer Meinung fragten. Sie war sich nicht sicher, ob sie sich für einen der beiden hätte entscheiden können. Im Moment war alles einfach etwas zu verstörend.

Sie sagte zu ihrer Mutter: „Aber wann werden wir …?“

„Dieses interessante Gespräch fortsetzen?“, sagte ihre Mutter. „Natürlich beim Abendessen.“

Sie wandte sich Mr Lapham zu und sprach: „Wird sie um neunzehn Uhr dreißig frei sein?“

„Sie können sich darauf verlassen“, erwiderte Mr Lapham.

Ich könnte genauso gut nicht hier sein, dachte London frustriert.

„Aber wo gehen wir –?“, begann London.

Ihre Mutter zeigte mit dem Finger auf ein Restaurant. „Schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite befindet sich ein Restaurant. Es heißt Strömmingsvagnen, und ich habe gehört, dass es sehr gut sein soll. Mir wurde gesagt, dass es tierfreundlich ist, also bring Sir Reggie ruhig mit. Mr Lapham, möchten Sie sich uns anschließen?“

London zuckte zusammen, als sie den Vorschlag ihrer Mutter hörte.

Will sie nicht ein wenig Zeit mit mir allein verbringen, fragte sie sich.

Mr Lapham schien Londons Bedrängnis zu spüren.

„Danke, aber ich würde nicht einmal wagen, daran zu denken“, erwiderte Mr Lapham. „Sie beide haben viel zu bereden, und ich weigere mich, das fünfte Rad am Wagen zu sein.“

Er küsste Barbaras Hand erneut und ergänzte: „Aber ich hoffe, dass wir beide uns zu einem späteren Zeitpunkt besser kennenlernen können.“

„Das hoffe ich auch“, erwiderte ihre Mutter mit einem anzüglichen Lächeln.

London fühlte sich fehl am Platz und wickelte den Rest des Mazarin-Törtchens in ihre Serviette ein. Sie stammelte zu ihrer Mutter: „Wir … Wir sehen uns später.“

„Ja, werden wir“, sagte ihre Mutter lächelnd.

Dann folgten London und Sir Reggie Mr Lapham aus dem Café.

„Tut mir leid, London“, sagte Mr Lapham, als die beiden sich zurück zum Steg begaben. „Wenn ich auch nur die geringste Ahnung gehabt hätte, hätte ich Sie in Frieden gelassen.“

„Ist schon gut. Wirklich“, erwiderte London. „Was ist passiert?“

Mr Lapham gab ein tiefes, melancholisches Seufzen von sich.

„Na ja, wie Sie sich sicherlich erinnern, habe ich gestern noch vorgehabt, unsere Reise zu unserer letzten Haltestelle in Oslo abzusagen, wegen all den Morden und dem Chaos, mit denen wir zu kämpfen gehabt haben. Aber dann haben die Passagiere mir eine Petition zukommen lassen und verlangt, dass wir unsere Reise fortführen. Und natürlich habe ich diesem Wunsch nur zu gerne stattgegeben.“

Er zuckte mit den Achseln und fuhr fort: „Aber ich fürchte, diese Meinung ist mittlerweile nicht mehr ganz so vorherrschend. Jetzt, wo unser Schiff von einem dösenden Kapitän auf einem Motorboot wie ein Torpedo angegriffen wurde, haben drei Pärchen haben darum gebeten, ihre Reise hier, in diesem Fischerdorf, abzubrechen. Natürlich werden wir ihrem Wunsch nachkommen, aber zuerst müssen so einige Details klären. Ich will, dass sie ihre Reise zufrieden beenden.

Der Gedanke, dass jemand die Reise unzufrieden beenden würde, machte London traurig. Sie fragte sich, von welchen Pärchen Mr Lapham wohl sprach.

„Ich werde gerne helfen“, sagte sie.

„Sehr schön“, erwiderte Mr Lapham.

Er sah über seine Schulter und ergänzte: „Eine reizende Dame, Ihre Mutter. Wann haben Sie sich das letzte Mal gesehen?“

„Vor zwanzig Jahren“, antwortete London.

Mr Lapham atmete erschrocken ein.

„So lange! Oh, das hört sich wahrhaftig wie ein ‚transformativer Moment‘ an.“

London erwähnte es ihm gegenüber nicht, aber das Wort ‚transformativ‘ schien ihr für das Wiedersehen mit ihrer Mutter nicht ganz passend.

‚Erschreckend‘ trifft es eher, dachte sie.

KAPITEL DREI

Das ist schlicht und einfach verrückt, dachte London, während sie in der Lobby des Lillberg Hotel wartete, um den Rest ihrer Pflichten für den heutigen Nachmittag zu beenden.

Wie hatte ein unvorhergesehener Halt der Nachtmusik auf ihrer Europareise dazu führen können, dass sie ihrer Mutter wiederbegegnet war?

War es bloß ein Zufall oder …?

Das Schlimmste daran war, dass sie keine Ahnung hatte, was sie als Nächstes erwarten sollte.

Konzentrier dich!, befahl sie sich selbst.

Im Moment musste sie sich mit den Passagieren befassen, die ihre Reise in Lillberg beenden würden. Obwohl sie nur noch eine Haltestelle ansteuern würden, machte es London traurig, sich verfrüht von ihnen verabschieden zu müssen. Diese Leute waren ihr während der Reise ans Herz gewachsen.

Den ganzen Nachmittag lang hatte sie mit peinlicher Genauigkeit Hotelreservationen gemacht und Flugpläne erstellt, um sie zurück in die Vereinigten Staaten zu entsenden. Und, was natürlich am wichtigsten war: Sie hatte den Kunden ihre Tickets und ihre Spesen – auf Mr Laphams Anordnung hin – großzügig zurückerstattet.

Ihre letzte Aufgabe war, die Passagiere in das charmante kleine Hotel einzuchecken, in dessen Lobby sie stand, und darauf wartete, dass die Passagiere vom Schiff eintrafen. Bald darauf kamen sie an, gefolgt von Stewards, die ihnen mit ihrem Gepäck halfen. London rang mit den Tränen.

Das erste Pärchen, das ankam, war ein mürrisches Duo, das sich vor Kurzem gefunden hatte.

Cyrus Bannister sagte auf seine übliche abfällige Art: „Na, sogar die katastrophalste aller Reisen muss früher oder später ein Ende finden.“

„Oh, nicht alles davon war schrecklich“, wies ihn Audrey Bolton zurecht. „Es war auf jeden Fall ein Abenteuer. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich einen Mörder geschnappt habe! Ich werde den Leuten jahrelang davon erzählen.“

London lächelte trotz ihrer Betrübnis. Es stimmte, dass Audrey in Bamberg, Deutschland, genau im richtigen Moment hereingeplatzt war, um einen flüchtenden Täter in den Fluss zu stoßen.

Es war wahrhaftig ein Abenteuer, dachte London, als sie sich beim Empfang anmeldeten.

Die nächsten Passagiere waren Rudy und Tina Fiore, ein junges Ehepärchen, das seine Flitterwochen auf dem Schiff verbracht hatte, und London ans Herz gewachsen war.

„Danke für die wunderbare Reise“, sagte Tina zu London. „Und danke, dass ihr uns irgendwie in dieses bezaubernde Dörfchen gebracht habt. Das ist der perfekte Ort für uns, um eine Pause einzulegen, bevor wir weiterziehen.“

Rudy ergänzte: „Wir haben beschlossen, dass es eine gute Jahreszeit ist, um Schweden etwas eingehender zu erkunden. Vielleicht gehen wir auf einer anderen Reise nach Norwegen.“

Nachdem das Pärchen weitergegangen war, wurde es Zeit, Walter und Agnes Shick zu verabschieden – zwei pummelige ältere Menschen. London mochte die Shicks ganz besonders, und sie spürte eine Welle der Trauer über sie kommen, als sie Tränen in Agnes’ Augen erblickte. Agnes streckte ihren Arm aus und drückte London.

„Ich werde Sie vermissen, London Rose“, sagte sie.

„Ich werde Sie auch vermissen, Agnes“, erwiderte London. „Es tut mir leid, dass es so enden musste.“

„Mir auch“, antwortete Agnes, löste sich von ihr und wischte ihre Tränen weg.

Walter sagte zu London: „Ich hoffe, Sie können das verstehen. Es wurde alles etwas zu viel für …“

Er nickte in Agnes’ Richtung.

„Ich verstehe“, sagte London.

Und das tat sie wirklich – jedenfalls mehrheitlich.

London war die einzige Person an Bord der Nachtmusik, die wusste, dass Agnes und Walter dreißig Jahre lang im Zeugenschutzprogramm gewesen waren. London wusste nicht, was vor all den Jahren geschehen war, aber sie wusste, dass Agnes traumatisiert davon war. Sie war mit den fünf Morden so gut es ging klargekommen, aber als die Nachtmusik von einem kleinen Boot gerammt wurde, war ihr alles zu viel geworden.

Agnes beugte sich zu Sir Reggie hinunter und streichelte ihm über den Kopf.

„Und dich werde ich auch vermissen, mein Süßer“, sagte sie.

Als Sir Reggie ein zustimmendes Wimmern von sich gab, drohte Agnes von ihren Gefühlen überwältigt zu werden, und sie und Walter entfernten sich rasch.

„Ich werde sie alle vermissen“, sagte London zu Sir Reggie, der zu ihren Füßen saß.

Sir Reggie konnte immer spüren, in welcher Gemütslage sich London befand, und jetzt drückte er sich tröstend an ihren Knöchel. London hob auf den Arm. Es fühlte sich gut an, ein warmes, mitfühlendes Tier an ihrer Seite zu haben.

„Komm, Sir Reggie“, sagte London und streichelte ihm übers Köpfchen. „Treffen wir uns mit Mama.“

Sie nahm Sir Reggie auf ihren Arm, ging nach draußen und sah zum Himmel hoch. Es war beinahe Zeit für ihr Treffen mit ihrer Mutter, obwohl es noch immer überraschend hell draußen war. Immerhin reisten sie immer mehr gen Norden, wo die Sommernächte kürzer waren, als es sich London gewohnt war.

Das war das erste Mal, dass London sich im kleinen Fischerdörfchen Lillberg wirklich umsehen konnte. Das Kai voller Boote und die Holzhäuschen sahen aus wie Spielzeuge zwischen riesigen Felsen, zwischen denen nur wenig Vegetation wuchs.

London war erstaunt darüber, wie anders als die majestätischen Städte dieses Dörfchen war, die die Nachtmusik bisher angesteuert hatte: Budapest, Győr, Wien, Regensburg, Bamberg, Amsterdam und Kopenhagen.

Aber Lillberg hatte seinen ganz eigenen Charme und unter normalen Umständen fand sie, dass das Dorf ein hervorragender Halt auf ihrer Reise wäre. Sie sah ein paar Passagiere den unerwarteten Stopp ausnutzen, über die Pflastersteinstraßen wandern und in mehrere Schaufenster spähen, während sie das Lächeln und die Begrüßungen der Einwohner genossen. Sie verstand, warum die Fiores beschlossen hatten, eine Weile hierzubleiben.

Endlich kamen London und Sir Reggie beim Strömmingsvagnen an – dem Restaurant, in dem sich zu treffen ihre Mutter vorgeschlagen hatte. Es war ein pittoreskes, wettergegerbtes Schindelgebäude aus dessen Schornstein Rauch drang.

London erinnerte sich daran, dass ihre Mutter gesagt hatte, dass das Restaurant tierfreundlich war. Als London mit Sir Reggie auf dem Arm eintrat, war sie verblüfft zu sehen, wie recht ihre Mutter damit gehabt hatte.

Mehrere große Katzen trotteten umher und suchten unter den Tischen nach heruntergefallenem Essen oder schliefen auf leeren Stühlen. Sie sahen gut genährt und gepflegt aus, lebten ganz offensichtlich hier. Die Gäste, darunter einige Passagiere der Nachtmusik, störten sich nicht im Geringsten an ihnen.

Und Sir Reggie auch nicht. Das überraschte London nicht besonders, da ihr Hund in den letzten Tagen zum Lieblingsgefährten von Mr Laphams Katze, Siegfried, auf dem Schiff geworden war. Die Katzen hier waren genauso wenig beunruhigt darüber, einen Hund ihr Etablissement betreten zu sehen.

„Ich schätze, sie sind an Hunde gewöhnt“, meinte London zu Sir Reggie und stellte ihn auf den Boden. Ein Kellner, der einen altmodischen Matrosenanzug trug, kam auf sie zu, und in gebrochenem Schwedisch fragte London ihn, ob sie einen Tisch für drei hätten und dass sie einen weiteren Gast erwarteten. Der Kellner geleitete London und Sir Reggie zu einem Tisch für drei. Die beiden setzten sich hin und machten es sich gemütlich.

Wie so vieles anderes in Lillberg war auch das Restaurant Strömmingsvagnen fröhlich und reizend eingerichtet. Eine tiefe, mit Holzdielen besetzte Decke, ein Kamin, in dem ein Feuer loderte, und eine Tapete mit Ankermuster. Es war ganz offensichtlich kein luxuriöses Restaurant, aber ausgehend von den Aromen, die die rauchige Luft erfüllten, war das Essen definitiv gut.

London sah auf ihre Uhr. Es war jetzt genau neunzehn Uhr dreißig. Ihre Mutter und sie hatten vereinbart, sich um diese Zeit hier zu treffen. Dann blickte sie aus dem Fenster.

„Bis jetzt keine Spur von Mama“, sagte London zu Sir Reggie. „Wer weiß, ob sie üblicherweise pünktlich ist oder nicht. Ich muss noch vieles über sie herausfinden.“

Sie saß da und starrte auf den dritten Stuhl am Tisch, der noch immer leer war.

Worüber werden wir während des Essens sprechen, fragte sie sich.

Ganz egal, was für ein Gespräch sie sich auch vorzustellen versuchte, es schien immer in einem Streit – ja sogar in Tränen – zu enden. London konnte dieses ungute Gefühl nicht abschütteln, dass dieses Wiedersehen, nach dem sie sich jahrelang gesehnt hatte, überhaupt nicht gut ausgehen würde. Weder für sie noch für ihre Mutter.

Wenn sie überhaupt auftaucht, dachte sie und sah besorgt auf ihre Uhr.