Chefarzt Dr. Norden 1140 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Chefarzt Dr. Norden 1140 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Jenny Behnisch, die Leiterin der gleichnamigen Klinik, kann einfach nicht mehr. Sie weiß, dass nur einer berufen ist, die Klinik in Zukunft mit seinem umfassenden, exzellenten Wissen zu lenken: Dr. Daniel Norden! So kommt eine neue große Herausforderung auf den sympathischen, begnadeten Mediziner zu. Das Gute an dieser neuen Entwicklung: Dr. Nordens eigene, bestens etablierte Praxis kann ab sofort Sohn Dr. Danny Norden in Eigenregie weiterführen. Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! "Die Zeit der seelenlosen Betonklötze ist vorbei. Das Parkhaus ist als Prachtbau zurück." Dr. Daniel Norden stand am Schreibtisch seines Büros und las aus der Tageszeitung vor, die ihm seine Assistentin Andrea Sander wie jeden Morgen auf den Tisch gelegt hatte. "Selbst Star-Architekten finden wieder Gefallen daran, wie das Beispiel von Renata van Holten beweist. Sie hat einen Entwurf für das neue Großprojekt eingereicht. Ein Garagenpalast soll entstehen, der einem Festspielhaus gleicht." Felicitas Norden warf einen Blick über die Schulter ihres Mannes. Ein Bild des geplanten Bauwerks zierte die Titelseite des Münchener Teils. "Ein Festspielhaus hatte ich irgendwie anders in Erinnerung." Ohne den Blick abzuwenden, nippte sie an ihrem Kaffee. "Ich verstehe eh nicht, warum wir immer mehr Parkplätze brauchen. Mit dem Geld könnten der öffentliche Nahverkehr gefördert und die Städte lebenswerter werden. Und statt eines Parkhauses könnte ein Park entstehen." Fee lachte. "Das sehen viele Menschen sicherlich anders als du. Allen voran die Frau Architektin und all die Arbeiter, die mit diesem Projekt betraut sind und Geld damit verdienen." Daniel Norden betrachtete seine Frau mit schief gelegtem Kopf. "Seit wann bist du so pragmatisch? Normalerweise ist das doch mein Part, während die Verteidigung der Natur immer deine Aufgabe war."

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Chefarzt Dr. Norden – 1140 –

Bitte sachlich bleiben!

Worte können so viel zerstören

Patricia Vandenberg

»Die Zeit der seelenlosen Betonklötze ist vorbei. Das Parkhaus ist als Prachtbau zurück.« Dr. Daniel Norden stand am Schreibtisch seines Büros und las aus der Tageszeitung vor, die ihm seine Assistentin Andrea Sander wie jeden Morgen auf den Tisch gelegt hatte. »Selbst Star-Architekten finden wieder Gefallen daran, wie das Beispiel von Renata van Holten beweist. Sie hat einen Entwurf für das neue Großprojekt eingereicht. Ein Garagenpalast soll entstehen, der einem Festspielhaus gleicht.«

Felicitas Norden warf einen Blick über die Schulter ihres Mannes. Ein Bild des geplanten Bauwerks zierte die Titelseite des Münchener Teils.

»Ein Festspielhaus hatte ich irgendwie anders in Erinnerung.« Ohne den Blick abzuwenden, nippte sie an ihrem Kaffee.

»Ich verstehe eh nicht, warum wir immer mehr Parkplätze brauchen. Mit dem Geld könnten der öffentliche Nahverkehr gefördert und die Städte lebenswerter werden. Und statt eines Parkhauses könnte ein Park entstehen.«

Fee lachte.

»Das sehen viele Menschen sicherlich anders als du. Allen voran die Frau Architektin und all die Arbeiter, die mit diesem Projekt betraut sind und Geld damit verdienen.«

Daniel Norden betrachtete seine Frau mit schief gelegtem Kopf.

»Seit wann bist du so pragmatisch? Normalerweise ist das doch mein Part, während die Verteidigung der Natur immer deine Aufgabe war.«

»Wahrscheinlich verhält es sich mit Paaren so wie mit Hundebesitzern«, scherzte Felicitas. »Je länger sie zusammen sind, umso ähnlicher werden sich die Partner.«

Daniel streckte die Hand aus und streichelte ihre Wange. Seine Augen blitzten verdächtig.

»So schlimm ist es noch nicht. Zumindest wächst dir noch kein Bart.« Er lachte und Fee mit ihm.

»Auch das kann noch kommen.« Bisher war Felicitas von den Begleiterscheinungen der Wechseljahre weitgehend verschont geblieben. Offenbar zählte sie zu dem glücklichen Drittel der Frauen, das kaum Beschwerden hatte. »Im Zweifelsfall leihe ich mir dann deinen Rasierer.«

»Untersteh’ dich!«

Das Ehepaar war in Plauderlaune und hätte noch stundenlang so weitermachen können. Doch der Alltag nahte in Person von Andrea Sander. Dr. Nordens Assistentin klopfte und steckte den Kopf zur Tür herein.

»Ich störe ja nur ungern. Aber eine gewisse Frau van Holten hat sich angemeldet.«

Daniel und Fee tauschten überraschte Blicke.

»DIE Frau van Holten?« Die Zeitung raschelte. Er zeigte Andrea den Artikel.

Sie warf einen kurzen Blick darauf.

»Wenn Sie die Stararchitektin meinen, dann ja.« Anders als ihr Chef hatte Andrea an diesem Morgen noch keine Zeitung gelesen. Maßgeblich schuld daran war ihr Kater. Er hatte vor der Tür auf der Zeitung gelegen und nicht daran gedacht, sein gemütliches Plätzchen aufzugeben. »Frau van Holten ist wegen eines Großprojekts eine Weile in München. Deshalb hat sie beschlossen, sich wegen ihrer Schulterbeschwerden hier behandeln zu lassen. Natürlich besteht sie auf Chefbehandlung und bittet um ein Gespräch.«

»Hoffentlich sieht sie nicht zu gut aus«, tat Felicitas ihre Sorgen kund. Sie zwinkerte ihrem Mann zu.

»Keine Sorge, mein Schatz. Die Frau, dir das Wasser reichen kann, muss erst noch geboren werden.« Daniel drückte Fee einen Kuss auf die lachenden Lippen, ehe er sich zu Andrea umdrehte. »Ich bin bereit für Frau van Holten.«

*

Um diese Uhrzeit kamen die Schiebetüren der Behnisch-Klinik nicht zur Ruhe. Ärzte, Paketboten, neue Patienten, Besucher, Pflegepersonal. Sie alle und noch mehr Menschen strömten in die Lobby oder verließen sie nach getaner Arbeit wieder. Wie eine Insel im Auge des Sturms ruhte der Tresen mitten im Eingangsbereich. Dr. Matthias Weigand stand dort und nahm das Päckchen in Empfang, das ihm eine Schwester überreicht hatte.

Sophie Petzold sah ihren Ex-Freund schon durch die große Glasfront. Einem ersten Impuls folgend wollte sie mitsamt dem Kinderwagen die Flucht antreten. Ihr Blick fiel auf das Baby im Kinderwagen. Unschwer zu erkennen war, was Lea von diesem Vorhaben hielt.

»Du hast ja recht. So weit kommt es noch, dass wir vor diesem Pharisäer davonlaufen.«

Matthias, wie er mitten in der Lobby eine schöne Frau umarmte, ach was, sie förmlich erdrückte, hatte sich Sophies Gedächtnis eingebrannt und alles andere ausgelöscht. Allen voran ihr schlechtes Gewissen. Das sie ohnehin nicht haben musste. Denn hatte Matthias sie mit seinen ständigen Eifersuchtsszenen nicht selbst in die Arme von Leas Vater getrieben? Ohne dieses ständige Theater wäre nie etwas passiert. Davon war Sophie felsenfest überzeugt.

Sie warf den Kopf in den Nacken, straffte die Schultern und schob den Kinderwagen durch die Glastüren, die leise schnurrend vor ihr aufglitten.

Als sie nur noch ein, zwei Meter vom Tresen entfernt war, sah Matthias hoch. Ihre Blicke trafen sich.

»Hallo!«

»Hallo!«

Die Begrüßung zweier Erzfeinde hätte nicht kühler sein können. Sofort konzentrierte sich Matthias wieder auf das Päckchen in seinen Händen. Auf keinen Fall sollte Sophie den Schmerz in seinen Augen sehen. Das Bedauern darüber, dass alles so gekommen war. Zu gern hätte er ihr erklärt, wie die Umarmung mit Mathilda Clement zustande gekommen war. Aber war er ihr wirklich eine Erklärung schuldig? Ihr, der Betrügerin?

Das Baby gurgelte im Kinderwagen. Sophie hätte jetzt einfach zu ihrer Verabredung mit Dr. Aydin gehen können. Wie viele andere Kollegen auch unterstützte er sie während ihres Erziehungsurlaubs beim Lernen für die Facharztprüfung. Doch eine Stimme in ihrem Kopf hielt sie zurück.

»Übrigens werde ich mir einen anderen Anleiter für die Facharztausbildung suchen.« Täuschte sie sich oder hatte Matthias wirklich gerade gezuckt? Eine diebische Freude erfüllte Sophie.

»Hier an der Klinik gibt es niemanden, der diese Aufgabe übernehmen kann«, erwiderte er beiläufig.

»Ich weiß. Deshalb habe ich mich auch woanders beworben. Zwei Einladungen zu Vorstellungsgesprächen habe ich schon. Eines in Berlin und eines in Flensburg.«

Matthias’ Miene war Gold wert. Sein Blick ebenfalls.

»Du willst weg von hier?« Seine Stimme war rau.

»Ich will alles hinter mir lassen und woanders ganz von vorn anfangen.«

Matthias atmete ein paar Mal tief ein und aus. Beruhigte sein aufgeregt schlagendes Herz. Worüber regte er sich überhaupt auf? Zwischen ihnen war Schluss, aus, alles vorbei.

»Fairerweise solltest du den Kollegen schon beim Einstellungsgespräch sagen, dass du die Weisheit mit Löffeln gefressen hast und im Normalfall immer alles besser weißt.« Ein Piepen zerriss die Luft. Ein Notfall! Wie schade. Ausgerechnet jetzt, als er dabei war, sich warmzulaufen. Er schnitt eine Grimasse und hielt den Pieper hoch. »Tut mir leid. Ich muss los.«

»Ein Glück!«, schnaubte Sophie und marschierte davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.

»Findest du, das war eine clevere Bemerkung?«, erkundigte sich Dr. Norden, der den letzten Teil des Gesprächs mitangehört hatte.

Ein vernichtender Blick. Matthias Weigand packte sein Päckchen und ließ seinen Freund und Chef stehen. Kopfschüttelnd sah Daniel ihm nach.

*

»Die Parkplatzsituation in dieser Stadt ist unterirdisch«, schimpfte Renata van Holten und kletterte aus dem Taxi. »Wie soll man als Patient denn in die Klinik kommen, wenn alles zugeparkt ist.«

»Wo ist das Problem?«, fragte der Taxifahrer und hielt ihr die Babyschale hin. »Wir stehen direkt vor dem Eingang.«

»Trotzdem.« Renata nahm ihm die Schale samt Baby aus der Hand und stapfte davon. Nur, um ein paar Meter weiter wieder stehenzubleiben.

»Ist das denn die Möglichkeit?« Sie starrte den Mann an, der im Begriff war, die Klinik zu betreten. »Volker!«

Dr. Lammers blieb stehen und sah sich um. Sein erster Blick galt der Frau.

»Renata!« Er lächelte. Fühlte sich mit einem Schlag um ein halbes Leben zurückversetzt. Sah sein Gymnasium wieder vor sich. Ein paar Gesichter aus seiner Klasse. Und Renata, Traum aller Abiturienten, ungekrönte Königin der ganzen Schule. Lammers erinnerte sich an keinen Mitschüler, der nicht offen oder heimlich in die Amazone verliebt gewesen wäre. Schön und unerreichbar wie ein Stern am Himmel. Ein Schrei riss ihn aus seinen Erinnerungen. Sein Blick wanderte weiter. Entdeckten das kreischende Baby. Volkers Lächeln erstarb. »Du bist Mutter?«

»Oh, Verzeihung.« Renata steckte ihrem Sohn einen Schnuller in den Mund und hob die Babyschale hoch. »Darf ich vorstellen! Karl-Friedrich. Nach dem berühmten Bauherrn Karl Friedrich Schinkel, der um 1800 im Dienste des Königs Friedrich Wilhelm III stand.« Ihr Gesicht leuchtete vor Mutterstolz. »Wer weiß, vielleicht tritt er ja in die Fußstapfen seines Namenspatrons.«

»Nur zu deiner Information: Die Monarchie wurde in Deutschland bereits vor hundert Jahren abgeschafft.« Volker Lammers verzog das Gesicht und musterte das Kind, das am Schnuller saugte. Der Ring daran hüpfte auf und ab. »Zum Glück.«

Renata van Holten folgte dem Kinderarzt in die Klinik. Ihr Lachen hallte durch die Lobby.

»Immer noch derselbe Char­meur wie früher.«

»Manche Dinge ändern sich nie.«

»Auch das ist ein Glück. Das gibt Sicherheit.« Renata bemerkte die neugierigen Blicke, die ihnen von allen Seiten zugeworfen wurden. »Sag bloß, du arbeitest hier?«

»Ich bin stellvertretender Chef der Pädiatrie«, erwiderte Volker.

Keine drei Minuten später bereute er zutiefst, diese Information preisgegeben zu haben.

»Kinderarzt?« Renata konnte es kaum glauben. »Ein Menschenhasser wie du? Wie konnte das geschehen?«

»Solange sie mir nicht widersprechen können, mag ich sie.« Volker war an den Tresen getreten und ließ sich die Post aushändigen, die für ihn abgegeben worden war. Er musterte die Kuverts. In Wahrheit dachte er allerdings darüber nach, wie er seine Schulfreundin so schnell wie möglich wieder loswerden konnte. Wenn Renata allein gewesen wäre, ja, dann … Ihr Lachen klang immer noch so verführerisch wie früher. Aber es nützte nichts. Volker drehte sich zu ihr um und wollte sich verabschieden, als ihn ein Gewicht am rechten Arm unversehens in Schieflage brachte.

»Das ist wirklich wahnsinnig nett, dass du auf Karl-Friedrich aufpasst, solange ich beim Chef bin. Fläschchen und Windeln sind in der Wickeltasche.« Renata küsste das Baby und schickte Volker einen Handkuss.

Er versuchte noch zu verstehen, was gerade passiert war, als sich Renata schon auf den Weg in Dr. Nordens Behandlungszimmer machte. Sie schlängelte sich an anderen Besuchern vorbei, lächelte mal hierhin, mal dorthin und verschwand schließlich hinter einer Säule.

*

Krachend fiel die Spindtür ins Schloss. Schwester Elena, die im Aufenthaltsraum am Tisch saß, verschüttete ihren Kaffee.

»Meine Güte! Wie kann man am frühen Morgen nur so schlechte Laune haben?« Sie betrachtete die Kaffeetasse, die wie eine Insel auf dem hellbraunen Kaffeesee thronte. »Vor allen Dingen als alleinstehender Mann? Keine Teenager, die stundenlang das Bad blockieren, an der Brotzeit herummeckern und in letzter Minute anfangen, Bücher zu suchen oder vergessene Hausaufgaben nachzuholen. Kein Ehemann, der den Hochzeitstag vergessen und stattdessen die Freunde zur Schafkopfrunde eingeladen hat.«

Klatschend landete ein Spüllappen neben ihr.

»Kein Mensch hat dich gezwungen zu heiraten und zwei liebreizende Kinder in die Welt zu setzen«, knurrte Matthias und ließ sich neben die Freundin auf einen Stuhl fallen. »Mein Mitleid hält sich also in Grenzen.«

Elena tupfte den Kaffeesee auf und brachte den Lappen zur Spüle zurück.

»Lass mich raten: Du hast Sophie gesehen«, bemerkte sie, als sie zurückgekehrt war.

Eine Weile sagte Matthias nichts. Er saß nur da, mit gesenktem Kopf, die Ellbogen auf die Tischplatte gestützt.

»Sie hat gesagt, dass sie sich in Flensburg und Berlin beworben hat.«

Elena stieß einen Pfiff durch die Zähne aus.

»Noch weiter weg geht es kaum. Alle Achtung. Da hast du ganze Arbeit geleistet.«

Ruckartig hob Matthias den Kopf. Seine Augen feuerten funkelnde Blitze ab.

»Was hat denn das mit mir zu tun?«

Elenas Lachen tat ihm in den Ohren weh.

»Wenn du immer noch davon überzeugt bist, dass Sophie allein verantwortlich ist für das Schlamassel, dann tut sie gut daran, von hier zu verschwinden und irgendwo anders noch einmal ganz von vorn anzufangen.«

Wie eine Luftmatratze, aus der ein Kind den Stöpsel gezogen hatte, sank Matthias wieder in sich zusammen. Starrte wieder in die Kaffeetasse, als stünde dort die Wahrheit oder wenigstens die Zukunft geschrieben.

Draußen knirschten Gummisohlen auf dem Vinylboden. Den Arm vollgepackt mit Patientenakten bog eine Schwester schwungvoll um die Ecke.

»So eine Ungerechtigkeit! Nur weil ich kurz mit meiner Freundin geredet habe, brummt mir dieser Lammers seine Patientenbriefe auf.« Krachend landete der Stapel auf dem Tisch.

Diesmal brachte Elena ihre Tasse rechtzeitig in Sicherheit.

»Ausgeschlossen!« Sie schüttelte den Kopf.

Die Falten auf Schwester Lisas Stirn glätteten sich.

»Wirklich? Ich muss die Dinger nicht schreiben?«