Chefarzt Dr. Norden 1146 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Chefarzt Dr. Norden 1146 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Jenny Behnisch, die Leiterin der gleichnamigen Klinik, kann einfach nicht mehr. Sie weiß, dass nur einer berufen ist, die Klinik in Zukunft mit seinem umfassenden, exzellenten Wissen zu lenken: Dr. Daniel Norden! So kommt eine neue große Herausforderung auf den sympathischen, begnadeten Mediziner zu. Das Gute an dieser neuen Entwicklung: Dr. Nordens eigene, bestens etablierte Praxis kann ab sofort Sohn Dr. Danny Norden in Eigenregie weiterführen. Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! "Willst du nicht doch lieber im Wagen bleiben, Manni?", fragte Eva Tuck und stellte den Motor ab. Mit beängstigend langen, pinkfarbenen Fingernägeln zog sie den Schlüssel ab. "Dann sage ich einer Schwester oder einem Pfleger Bescheid, dass sie dich hier abholen sollen." "Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich bin doch kein Pflegefall", knurrte Manfred. Er stieß die Wagentür auf und kämpfte sich vom Beifahrersitz hoch. Auf seine Frau gestützt machte er sich auf den Weg Richtung Klinikeingang. Passend zur Stimmung war der Himmel wolkenverhangen. Das hielt einige Patienten nicht davon ab, ihre Morgenzigarette zu rauchen. Ein Mann im Frotteebademantel stand neben einem anderen, der einen Ständer mit Infusionslösung mit sich führte. Bei Evas Anblick verstummte das Gespräch schlagartig. Kein Wunder beim Anblick der Fleisch gewordenen Barbiepuppe. Eva war sehr blond. Sehr vollbusig. In einem sehr kurzen Kleid in kreischendem Pink. I-Tüpfelchen ihrer Erscheinung waren die glitzernden Highheels und jede Menge Schmuck, der klimperte und klirrte, als wollte er der platinblonden Mähne die Show zu stehlen. Als das ungleiche Paar die Lobby betrat, wurde es schlagartig still. Alle starrten das seltsame Wesen an.

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Leseprobe: Ich will ein Baby!

Professor Joachim Kayser war fassungslos. »Du hast vier Kinder, Antonia!«, hielt er seiner Tochter aufgebracht vor. »Und da willst du wieder arbeiten? In meinen Augen ist das verantwortungslos, aber du hast ja schon als junge Frau immer deinen Kopf durchsetzen müssen.« Er wandte sich an seinen Schwiegersohn. »Und du hast ihr diesen Unsinn nicht ausreden können?« Dr. Leon Laurin fing einen Blick seiner Frau auf, der ihn warnte. Dieses Gespräch brachte ihn in eine unangenehme Situation, da er die Vorstellung, dass Antonia schon bald wieder als Kinderärztin arbeiten würde, auch nicht besonders angenehm fand. Geld verdiente er als Chef der Kayser-Klinik, die er von seinem Schwiegervater übernommen hatte, genug, und er hatte sich daran gewöhnt, dass Antonia zu Hause war, wenn er müde aus der Klinik kam. Manchmal, wenn es viel zu besprechen gab, führten sie dann lange Gespräche, es kam aber auch vor, dass sie nur still beieinander saßen. Er liebte diese ruhigen Stunden mit ihr. Ruhe war in seinem Leben selten und daher besonders kostbar. Er war schließlich auch nur ein Mensch: Er war nicht gern allein und liebte es, wenn seine Frau ihn verwöhnte und umsorgte. Bald würde sie dafür deutlich weniger Zeit haben als bisher. Natürlich gefiel ihm diese Vorstellung nicht, insofern berührten die Vorhaltungen seines Schwiegervaters einen wunden Punkt. Andererseits wusste er, dass seiner Frau der Verzicht auf ihren Beruf schwer gefallen war, obwohl es für sie nie einen Zweifel daran gegeben hatte, dass sie der Kinder wegen zu Hause bleiben würde. Vier Kinder zog man nicht nebenbei auf, wenn es nicht zwingende Gründe dafür gab, wie etwa Geldsorgen. Und sie war eine sehr gute Ärztin gewesen, so lange sie praktiziert hatte.

Chefarzt Dr. Norden – 1146 –

Wenn das Herz nicht mitspielt …

Es geht um Liebe und Leben

Patricia Vandenberg

»Willst du nicht doch lieber im Wagen bleiben, Manni?«, fragte Eva Tuck und stellte den Motor ab. Mit beängstigend langen, pinkfarbenen Fingernägeln zog sie den Schlüssel ab. »Dann sage ich einer Schwester oder einem Pfleger Bescheid, dass sie dich hier abholen sollen.«

»Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich bin doch kein Pflegefall«, knurrte Manfred.

Er stieß die Wagentür auf und kämpfte sich vom Beifahrersitz hoch.

Auf seine Frau gestützt machte er sich auf den Weg Richtung Klinikeingang. Passend zur Stimmung war der Himmel wolkenverhangen. Das hielt einige Patienten nicht davon ab, ihre Morgenzigarette zu rauchen. Ein Mann im Frotteebademantel stand neben einem anderen, der einen Ständer mit Infusionslösung mit sich führte. Bei Evas Anblick verstummte das Gespräch schlagartig. Kein Wunder beim Anblick der Fleisch gewordenen Barbiepuppe.

Eva war sehr blond. Sehr vollbusig. In einem sehr kurzen Kleid in kreischendem Pink. I-Tüpfelchen ihrer Erscheinung waren die glitzernden Highheels und jede Menge Schmuck, der klimperte und klirrte, als wollte er der platinblonden Mähne die Show zu stehlen.

Als das ungleiche Paar die Lobby betrat, wurde es schlagartig still. Alle starrten das seltsame Wesen an. Die Besucher, die es sich auf den Loungemöbeln gemütlich gemacht hatten. Die Frau im Rollstuhl, einen Arm in einer monströsen Schiene, die pausenlos auf ihren Mann eingeredet hatte. Die drei Ärzte, die in einer Ecke standen und diskutiert hatten. Allen stockte der Atem.

Eva nahm von dem Aufsehen keine Notiz. Sie hörte Schritte hinter sich. Trat zur Seite, um einen Paketboten vorbeizulassen. Auch er riss die Augen auf. Verdrehte sich den Kopf. Der Stapel Päckchen in seinen Armen schwankte. Es war nur Evas beherztem Eingreifen zu verdanken, dass er nicht stürzte.

»Vorsicht, die Teppichkante!«, warnte sie ihn.

In einer Ecke hatte sie einen freien Sessel entdeckt, auf den sie zusteuerte.

»Warte hier.« Sie drückte ihren Mann in die Polster. »Ich sage Bescheid, dass wir hier sind.«

»Tu, was du nicht lassen kannst.«

Eva verdrehte die Augen. Sie war seit zwei Jahren mit ihm verheiratet. Bisher hatte sie ihre Entscheidung nicht bereut. Ganz im Gegenteil. Doch seit einiger Zeit war Manfred nicht mehr er selbst. Erst heute Morgen hatte er sie angeschrien, dass ihr noch immer die Ohren klingelten. Wegen einer Fliege an der Wand.

»Kann ich Ihnen helfen?«

Vor zwanzig Jahren hätte sich Schwester Elena auch noch lustig gemacht über die skurrile Erscheinung, die vor ihr aufgetaucht war. Doch im Laufe der Zeit hatte sie viele Erfahrungen gemacht. Obwohl die eigenwillige Aufmachung dieser Frau nicht dem mitteleuropäischen Stilempfinden entsprach, wirkte ihr Lächeln freundlicher als das mancher gewöhnlicher Zeitgenossen.

»Das ist sehr freundlich. Schwester Elena.« Das Schild an ihrer Brust verriet Eva den Namen. »Mein Mann hat einen Termin bei Dr. Norden. Manfred Tuck.«

»Kleinen Augenblick.« Elena verschwand hinter dem Tresen. Die Tastatur klapperte unter ihren Fingern. »Ah, hier haben wir ihn ja. Wo ist denn Ihr Mann?«

Eva deutete mit der pinkfarbenen Pfeilspitze auf den Sessel neben dem Eingang.

»Er ist nicht besonders gut zu Fuß.«

Schwester Elenas Blick huschte von Eva zu Manfred und wieder zurück. Gut, dass Eva die Verhältnisse geklärt hatte. Elena hätte den Mann für ihren Vater gehalten.

»Ich sage nur schnell Dr. Norden Bescheid und bin gleich bei Ihnen.«

Sie legte den Hörer gerade zurück auf die Gabel, als ein Donnerschlag die Lobby erschütterte.

»Wozu haben wir einen Termin ausgemacht, wenn wir dann stundenlang herumsitzen und warten müssen?«

»Manni, bitte!«, flehte Eva ihren Mann an. Ein Glück, dass sie daran gewöhnt war, Aufmerksamkeit zu erregen. Sonst hätte sie die neugierigen Blicke nicht ertragen. Ein Glück, dass in diesem Moment Schwester Elena mit einem Rollstuhl vor ihnen auftauchte. Ihr Blick zeugte von ihrem Verständnis für Evas Lage.

»Guten Morgen, Herr Tuck. Mein Name ist Elena. Ich bin die Pflegedienstleitung im Haus«, wandte sie sich an den Patienten. »Es tut mir leid, dass Sie warten mussten. Dr. Norden war noch bei einem Notfall. Aber jetzt hat er Zeit für Sie. Ich bringe Sie sofort zu ihm.« Sie deutete auf den Rollstuhl.

Mannis Miene verhieß nichts Gutes. Eva reckte das Kinn vor und klimperte mit den schwarz getuschen Wimpern. Doch der gefürchtete Anfall blieb aus.

»Sieh mal einer an!« Manfred sah der Schwester dabei zu, wie sie die Fußstützen hochklappte. »Sie haben ja an alles gedacht.«

»Das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme. Wenn Sie wollen, können Sie selbstverständlich auch zu Fuß gehen.«

Manfred zögerte.

»Schon gut. Ich nehme Ihr Angebot besser an.« Er schob das Haar über der Stirn fort. Blasslila Spuren und Reste einer Kruste wurden sichtbar. »Vielleicht muss ich mich ja in Zukunft daran gewöhnen.«

»Was redest du denn da, Manni?« Evas Schmuck klimperten leise. »Wo müssen wir jetzt hin?«

»Kannst du endlich aufhören, mich zu bemuttern?«

Da war er wieder, der Ton, der Eva zur Verzweiflung brachte.

»Am besten, Sie warten in ­unserem Klinikkiosk«, empfahl Schwester Elena schnell. »Immer geradeaus und am Ende der Lobby rechts.«

Eva zögerte nicht.

»Sehr gern«, erwiderte sie und machte den Eindruck, als wäre sie der Schwester am liebsten um den Hals gefallen.

*

»Hast du die Einladung zur Eröffnung des neuen Thailänders gesehen?« Christine Lekutat stand an einem der Schreibtische im Dienstzimmer der Ärzte und durchsuchte einen Stapel Papier. Heute wollte sie es endlich wagen. Heute wollte sie den Kollegen zum Mittagessen einladen.

»Hängt an der Pinnwand«, erwiderte Milan Aydin, ohne von der Patientenakte aufzusehen.

Der Stoff ihrer Dienstkleidung raschelte, als sie das Zimmer durchquerte. Sie nutzte die günstige Gelegenheit, um eine Handvoll Gummibärchen in den Mund zu werfen. Das Rascheln verstummte.

»Warst du das? Hast du ihn da oben hingehängt?«, nuschelte Christine und reckte sich nach dem Flyer. Hüpfte vor der Pinnwand in die Höhe. Vergeblich.

Aydin beobachtete die Kollegin mit hochgezogener Augenbraue. Ein Lachen zuckte in seinen Mundwinkeln.

»Na klar. Warum nicht?«

»So hoch? Da kommst du als Lahmer doch gar nicht hin!«

Ein typischer Lekutat-Witz!

Milan unterdrückte ein Seufzen. Würde er sich je an diese Art von Humor gewöhnen? Er klappte die Akte zu, packte die Greifräder des Rollstuhls und fuhr hinüber zu Christine. Eine Drehung, und er saß auf der rechten Lehne.

»Lieber lahm als klein und fett.« Er landete wieder auf der Sitzfläche und drückte ihr die Einladung in die Hand.

»Frechheit!«

Ihr Schnauben entlockte ihm nur ein müdes Lächeln.

»Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es auch wieder heraus.«

»Meine Güte, was war doch nur ein Spaß. Kein Grund, gleich ausfallend zu werden«, wetterte Christine und sah hinüber zur Tür. Die Assistenzärztin Sophie Petzold kam ihr gerade recht. »Ach, sieh mal einer an! Die Dame ist auch schon da.« Sie warf einen demonstrativen Blick auf die Uhr. »Ist mir da irgendwas entgangen? Gibt es eine neue Arbeitszeitregelung?«

Sophie stutzte. Was war denn jetzt los? Bisher hatten sie sich doch recht gut verstanden, hatten sogar ab und zu miteinander gelernt. Umso weniger verstand sie diesen Angriff.

Bevor Sophie antwortete, schenkte sie sich eine Tasse Kaffee ein. Sie stellte die Kanne zurück auf die Warmhalteplatte. Löffelte Zucker in den Kaffee. Goss Milch dazu. Rührte gründlich um. Erst dann drehte sie sich um.

»Falls es Sie interessiert: Ich schreibe morgen meine Facharztprüfung. Aus diesem Grund hat mir Dr. Norden freigestellt, wie ich meinen Dienst plane.

»Interessant.« Christines Augen wurden schmal. »Wenn Sie so viel Zeit auf Ihre Studien verwenden, können Sie mir sicherlich sagen, welche hirneigenen Tumore häufig vorkommen.«

Christine Lekutat hatte der angehenden Fachärztin für Chirurgie überhaupt nichts zu sagen. Trotzdem wusste Sophie, dass sie diese Herausforderung annehmen musste. Es ging um Macht und darum, wie sich die Verhältnisse in Zukunft verteilen würden.

Aufreizend ruhige schlenderte sie hinüber zum Schreibtisch von Milan Aydin und setzte sich auf die Tischkante.

»Die Medizin unterscheidet Meningeome, Neurinome, Hypophysenadenome, Gliome und Medulloblastome.« Sie garnierte ihre Ausführung mit einem liebenswürdigen Lächeln. Dagegen wirkte Christine wie ein Hund, der die Zähne fletschte.

»Sehr schön. Dann können Sie mir sicher auch etwas mehr über Gliome berichten.«

Mist! Ausgerechnet die Gliome hatte Sophie nur überflogen. Mut zur Lücke, wie ihr Verlobter Dr. Matthias Weigand ihr geraten hatte.

Sie durchbohrte Dr. Aydin mit Blicken. Doch er war vertieft in seine Arbeit. Die Tastatur klapperte unter seinen Fingern.

Sophie konzentrierte sich.

»Gliome entstammen … entstammen den Stützzellen des Hirngewebes, den sogenannten Gliazellen. Von ihnen leiten sich verschiedene Tumoren ab wie zum Beispiel das Astrozytom. Oder wie das Oligo …« Wieder ein hilfesuchender Blick Richtung Milan. Er nickte unauffällig in Richtung Computer. Sophie hätte ihm um den Hals fallen wollen. »Das Oligodendrogliom. Es existieren auch Mischformen aus beiden Zellarten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat diese Tumoren in verschiedene Grade eingeteilt. Sie reichen von WHO I bis WHO …«

»Genug. Ablesen kann ich das auch selbst«, zischte die Lekutat.

Dr. Aydin und Sophie lachten, während die Kollegin vor Wut zitterte.

»Sie werden schon sehen, was Sie davon haben! Und wie heißt es so schön: Wer zuletzt lacht, lacht am besten.« Mit diesen Worten rauschte sie – im wahrsten Sinne des Wortes – aus dem Dienstzimmer.

Nach und nach verging Sophie das Lachen. Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten. Sie wischte sich eine Träne von der Wange.

»Welche Laus ist der Kollegin denn heute über die Leber gelaufen?«

»Das kann man nie so genau wissen«, erwiderte Aydin grinsend. »Schließlich ist sie eine Frau.«

*

Wie versteinert saß Manfred Tuck auf dem Stuhl im Untersuchungszimmer. Dr. Daniel Norden kehrte mit einem Glas Wasser zurück und drückte es ihm in die Hand.

Er setzte sich auf einen Hocker und rollte vor seinen Patienten. Eine Weile saß er nur da und sah Manfred beim Nachdenken zu.

»Wie geht es Ihnen?«, fragte er schließlich.

»Was erwarten Sie denn? Mit so einer Diagnose.« Mannis Stimme war rau.

»Dafür wissen Sie jetzt wenigstens, was für die Wesensveränderung und die Schwindelanfälle verantwortlich ist.«

»Eva wird sich freuen. Jetzt kann sie wenigstens sicher sein, dass es nicht an ihr liegt.« Er zupfte mit den Zähnen an der Unterlippe. »Und nicht an meiner Liebe zu ihr.« Manfred hob die Augen. Suchte den Blick seines Arztes. »Können Sie sich vorstellen, wie schlimm das ist? Von einem Moment auf den anderen nicht mehr man selbst zu sein. Ein Fremder im eigenen Körper.« Er schüttelte den Kopf. Senkte den Blick wieder und betrachtete das Glas in seinen Händen. »Wenn mir das früher einer gesagt hätte, hätte ich ihn für verrückt erklärt.«