Gefährliche Täuschung - Jenny Pergelt - E-Book

Gefährliche Täuschung E-Book

Jenny Pergelt

0,0

Beschreibung

Jenny Behnisch, die Leiterin der gleichnamigen Klinik, kann einfach nicht mehr. Sie weiß, dass nur einer berufen ist, die Klinik in Zukunft mit seinem umfassenden, exzellenten Wissen zu lenken: Dr. Daniel Norden! So kommt eine neue große Herausforderung auf den sympathischen, begnadeten Mediziner zu. Das Gute an dieser neuen Entwicklung: Dr. Nordens eigene, bestens etablierte Praxis kann ab sofort Sohn Dr. Danny Norden in Eigenregie weiterführen. Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! Dr. Daniel Norden gefiel überhaupt nicht, was seine Recherchen zu dem neuen Medikament gegen Multiple Sklerose ergeben hatten. Immer wieder las er sich den Online-Artikel durch, in der Hoffnung, etwas Wichtiges überlesen zu haben. Aber nein, es war sicher: RDO 150, das seit einigen Jahren auf dem amerikanischen Markt war, hielt leider nicht, was es versprochen hatte. Es war völlig wirkungslos! Dabei hatten die ersten Studienergebnisse so vielversprechend geklungen. So vielversprechend, dass die Genehmigung für Deutschland als beschlossene Sache galt. Daniel lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er bedauerte alle Patienten, die der Zulassung entgegenfieberten. Für sie würde eine Welt zusammenbrechen, wenn ihre Hoffnung wie eine Seifenblase zerplatzte. Es gab einen Grund dafür, dass Daniel sich zu dieser frühen Zeit mit den Berichten über RDO 150 beschäftigte. In einer halben Stunde hatte er einen Termin mit Dr. Konrad Schneider. Er kannte den jungen Mann schon seit vielen Jahren. Konrad Schneider hatte zusammen mit Danny, dem ältesten Sohn von Daniel und Fee Norden, Medizin studiert. Mit zwei anderen Kommilitonen hatten sie eine Lerngruppe gegründet, die sehr oft im Haus der Nordens zusammenkam. Während sich Danny später als praktischer Arzt niederließ, hatte es Konrad in die Forschung gezogen. Er war Wissenschaftler geworden und arbeitete in einem Forschungsinstitut, das sich mit pharmazeutischen Studien beschäftigte. Als Projektleiter der Zulassungsstudie für RDO 150 war es seine Aufgabe, Kliniken für die Mitarbeit zu gewinnen. Die Klinikärzte sollten dann passende Patienten auswählen, sie über die Studie aufklären und ihnen die Teilnahme anbieten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 115

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Leseprobe: Familie Dr. Norden Special Edition

Unveröffentlichte Romane

E-Book 1: Immer wieder Dr. Lammers!

E-Book 2: Da stimmt doch etwas nicht?

E-Book 3: In einer anderen Welt

E-Book 4: Deutliche Zeichen

E-Book 5: Leben heißt Veränderung

Chefarzt Dr. Norden – 1154 –

Gefährliche Täuschung

So darf ein Arzt nicht handeln

Jenny Pergelt

Dr. Daniel Norden gefiel überhaupt nicht, was seine Recherchen zu dem neuen Medikament gegen Multiple Sklerose ergeben hatten. Immer wieder las er sich den Online-Artikel durch, in der Hoffnung, etwas Wichtiges überlesen zu haben. Aber nein, es war sicher: RDO 150, das seit einigen Jahren auf dem amerikanischen Markt war, hielt leider nicht, was es versprochen hatte. Es war völlig wirkungslos!

Dabei hatten die ersten Studienergebnisse so vielversprechend geklungen. So vielversprechend, dass die Genehmigung für Deutschland als beschlossene Sache galt.

Daniel lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er bedauerte alle Patienten, die der Zulassung entgegenfieberten. Für sie würde eine Welt zusammenbrechen, wenn ihre Hoffnung wie eine Seifenblase zerplatzte.

Es gab einen Grund dafür, dass Daniel sich zu dieser frühen Zeit mit den Berichten über RDO 150 beschäftigte. In einer halben Stunde hatte er einen Termin mit Dr. Konrad Schneider. Er kannte den jungen Mann schon seit vielen Jahren. Konrad Schneider hatte zusammen mit Danny, dem ältesten Sohn von Daniel und Fee Norden, Medizin studiert. Mit zwei anderen Kommilitonen hatten sie eine Lerngruppe gegründet, die sehr oft im Haus der Nordens zusammenkam.

Während sich Danny später als praktischer Arzt niederließ, hatte es Konrad in die Forschung gezogen. Er war Wissenschaftler geworden und arbeitete in einem Forschungsinstitut, das sich mit pharmazeutischen Studien beschäftigte. Als Projektleiter der Zulassungsstudie für RDO 150 war es seine Aufgabe, Kliniken für die Mitarbeit zu gewinnen. Die Klinikärzte sollten dann passende Patienten auswählen, sie über die Studie aufklären und ihnen die Teilnahme anbieten. Die Verabreichung des Medikaments und die Überwachung seiner Wirksamkeit würden außerdem zu den Aufgaben der Klinik gehören. Das bedeutete sehr viel zusätzliche Arbeit für seine Mitarbeiter, die Daniel ihnen nicht leichten Herzens zumuten wollte. Doch er wusste, dass sie ­diesen Aufwand nicht scheuen würden – in Erwartung positiver Effekte für ihre Patienten. Positive Effekte hieß, dass die Patienten Heilung oder zumindest Linderung erwarten dürften. Doch genau das war nach den neuesten Erkenntnissen zu RDO 150 mehr als fraglich.

Daniel stieß hörbar die Luft aus. Er hatte eine Entscheidung getroffen und wusste, dass sie Konrad Schneider nicht gefallen wird.

Es klopfte an der Tür, und auf sein freundliches »Herein« ließ sich alsbald Katja Baumann, seine Assistentin, blicken.

»Guten Morgen, Dr. Norden«, begrüßte sie ihn mit einem strahlenden Lächeln, und sofort schrumpften Daniels trübe Gedanken auf ein Nichts zusammen. Frau Baumann schien eine besondere Gabe zu haben. Anders war es für Daniel nicht zu erklären, warum sich niemand ihrer guten Laune und dem herzlichen Naturell entziehen konnte. Es war, als würde in ihrer Gegenwart die Sonne immer ein wenig heller scheinen. Er wusste, es ging nicht nur ihm so. Auch auf andere hatte sie diese Wirkung. Nun gut, einige Ausnahmen gab es da schon. Bei Menschen wie Dr. Berger konnte selbst sie nichts ausrichten. Er blieb auch in ihrer Gegenwart zynisch und mürrisch. Man könnte fast meinen, dass er dann besonders unfreundlich wäre. So, als hätte er Sorge, ihr freundliches Wesen könnte als Sieger aus einem Wettstreit hervorgehen.

»Sie sind heute ja sehr zeitig im Büro, Dr. Norden. Ich dachte mir, dass Ihnen deshalb eine Tasse Kaffee guttun würde.« Katja stellte das kleine Tablett, auf dem sich neben einer vollen Kaffeetasse auch ein Tellerchen mit Schokoladenkeksen befand, auf dem Schreibtisch ab.

»Wann haben Sie denn den Kaffee gemacht?«, fragte Daniel erstaunt. »Sie müssen doch gerade erst gekommen sein.«

Katja lachte leise. »Nein, ich bin schon seit einer Stunde hier. Aber Sie waren so in Ihrer Arbeit vertieft, dass Sie mein Kommen gar nicht bemerkt haben. Allerdings war ich auch sehr leise, weil ich Sie nicht stören wollte.«

»Sie fangen aber recht früh an, Frau Baumann, lange vor Ihrem eigentlichen Arbeitsbeginn«, bemerkte Daniel stirnrunzelnd. »Und mir drängt sich der Verdacht auf, dass das nicht nur heute so ist.«

»Na ja, manchmal vielleicht«, wiegelte Katja ab. »Ich fange gern ein bisschen eher an. Diese frühen Stunden sind mir am liebsten. Alles ist dann noch so friedlich und still. Finden Sie nicht auch?«

Bevor Daniel antworten konnte, traf Konrad Schneider ein.

Daniel stand auf und begrüßte den jüngeren Mann herzlich: »Konrad, es ist schön, Sie wiederzusehen. Unser letztes Treffen liegt schon ein paar Jahre zurück. Ich glaube, es war auf Ihrer Hochzeit.«

»Ja, Dr. Norden, vor zwei Jahren«, gab Konrad steif zurück. Dem jungen Wissenschaftler gefiel es nicht, dass der Chefarzt der Behnisch-Klinik ihn so salopp mit dem Vornamen ansprach. Es war ja fast so, als wäre er immer noch Student und würde dieser peinlichen Lerngruppe angehören! Inzwischen war er ein renommierter Wissenschaftler geworden. Einen respektvolleren Umgang konnte er da schon erwarten.

Nachdem Katja auch ihm einen Kaffee gebracht hatte, kam Konrad auf den Grund seines Besuchs zu sprechen. Er wies auf die Studienunterlagen, die er Daniel Norden vor einer Woche geschickt hatte und die gut sichtbar auf dem Schreibtisch lagen.

»Wie ich sehe, haben Sie sich schon mit der Studie beschäftigt.« Konrad freute sich. Oft kam es nämlich vor, dass die Unterlagen in der Ablage oder im Papierkorb verschwanden, ohne dass vorher auch nur ein Blick darauf geworfen wurde. Nur selten machte sich jemand die Mühe, alles durchzulesen und sich intensiver damit zu befassen. Dr. Daniel Norden bildete da eine rühmliche Ausnahme. Es war unschwer zu erkennen, dass er die Unterlagen ausführlich studiert hatte. Davon zeugten die vielen Unterstreichungen und Notizen, die Konrad auf den Blättern sah. Seine Stimmung besserte sich sogleich. Endlich mal ein Termin nach seinem Geschmack. Er wusste doch, auf den alten Daniel Norden war Verlass. Der Einschluss der Behnisch-Klinik in die Studie war so gut wie sicher. Es zahlte sich eben aus, wenn man über gute Verbindungen verfügte.

Doch Daniel verwandelte Konrads vermeintlichen Triumph mit den nächsten Worten in eine Niederlage:

»Ja, das habe ich, Herr Schneider. Und nicht nur die. Ich habe auch weitere Publikationen zu RDO 150 gelesen. Und die klangen zu meinem größten Bedauern nicht halb so verheißungsvoll wie Ihr Anschreiben. Deshalb muss ich Ihnen leider mitteilen, dass die Behnisch-Klinik nicht an der Studie teilnehmen wird.«

»Ich verstehe nicht …« Konrad sah den Chefarzt verdattert an. Er war sich seiner Sache doch so sicher gewesen. Wie ein Kartenhaus fiel der Traum von einem schnellen Abschluss in sich zusammen. Dass ihn Norden plötzlich mit seinem Nachnamen ansprach, fiel ihm dabei noch nicht mal auf.

»Herr Schneider, ich habe mich ausführlich mit allen Veröffentlichungen zu dem neuen Medikament beschäftigt. Nach den anfänglich guten Therapieerfolgen wird jetzt immer deutlicher, dass diese nur auf den Placeboeffekt zurückzuführen sind. RDO 150 scheint völlig wirkungslos zu sein.«

Es ärgerte Konrad, dass Daniel Norden Informationen besaß, die er ihm nicht gegeben hatte. Das war eben der Fluch des Internets. Den Menschen standen sämtliche Fakten zur Verfügung. Sie bildeten sich eine eigene Meinung, und die stimmte leider – wie in diesem Fall – nicht mit Konrads überein. Wenn er Norden doch noch umstimmen wollte, musste er sich etwas einfallen lassen.

»Nun, so rigoros würde ich das nicht sagen«, sagte Konrad leicht verstimmt. »Der Wirkstoff hat eindeutig das Potenzial, die Symptome zu lindern und das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten. Wir sind jetzt in Phase zwei der Zulassung und müssen nun einfach herausfinden, welche Dosierung erfolgreich sein wird. Die bisher übliche Dosis von 150 mg ist nicht ausreichend. Da stimme ich Ihnen zu. Deshalb versuchen wir es in unserer Zulassungsstudie für den deutschen Markt mit einer viel höheren Dosierung.«

»An welche Dosierung dachten Sie dabei?«

»450 mg, also die dreifache Dosis.«

Ablehnend schüttelte Daniel den Kopf. »Das wäre dann ein weiterer Grund für mich, die Teilnahme zu verweigern. In den Staaten wurde diese Dosis bereits getestet. Man kam gar nicht dazu, die Wirkung zu beurteilen, weil die Probanden die Studie auf Grund der gravierenden Nebenwirkungen abbrechen mussten.«

»Einzelfälle!«, unterbrach Konrad den Chefarzt. »Das sind alles nur Einzelfälle gewesen, die überhaupt nichts belegen!«

»Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Wie dem auch sei, ich möchte das meinen Patienten nicht zumuten. Sie würden mit großen Erwartungen in diese Studie gehen und am Ende feststellen, dass ihnen das Medikament nicht hilft. Von den Nebenwirkungen, die die hohe Dosierung mit sich bringt, ganz zu schweigen. Als gewissenhafter Mediziner möchte ich dafür nicht verantwortlich sein. Sicher verstehen Sie das, Herr Schneider.«

»Ich denke als Mediziner vor allem daran, jede Chance zu nutzen, die Heilung verspricht«, gab Konrad spitz zurück.

»Aber nicht unter allen Umständen. Besonders dann nicht, wenn die Nebenwirkungen so schlecht einschätzbar sind und die Wirksamkeit des Medikaments nicht belegt ist. Tut mir leid, das mache ich nicht mit, und das dulde ich auch von keinem anderen Arzt an meiner Klinik.«

Konrad fiel es nicht leicht, seine Frustration zu verbergen. Für ihn hing einfach zu viel von der Zulassung ab. Sollte es ihm nicht bald gelingen, Probanden in die Studie einzuschließen, würde man dem Institut die zugesagten Forschungsgelder streichen. An diesem Geld klebten Arbeitsplätze, vielleicht sogar sein eigener.

»Manchmal muss man eben auch Risiken eingehen können, Herr Norden.«

»Auf Kosten der Patienten? Nein, ohne mich.« Daniel stand auf. Für ihn war das Gespräch beendet. Es brachte nichts, es fortzuführen. Dafür war ihm seine Zeit zu schade, die er nutzbringender bei seinen Patienten verbringen könnte.

Konrad Schneider erhob sich zähneknirschend. »Nichts für ungut, Dr. Norden. Aber so wie es aussieht, fehlt es in diesem Haus an Freigeistern.«

»Wie bitte?«, fragte Daniel gefährlich ruhig zurück.

Konrad war nur noch sauer. Es interessierte ihn jetzt nicht mehr, dass er es sich mit Daniel Norden verdarb, wenn er seinen Ärger herausließ. Die Behnisch-Klinik war für ihn sowieso erledigt.

»Wenn sich alle großartigen Wissenschaftler so vor Risiken gescheut hätten wie Sie, würde es keinen medizinischen Fortschritt geben. Wahrscheinlich würden wir dann noch heute die Patienten mit Aderlass und Blutegeln behandeln und wüssten nichts von Röntgenstrahlung oder Herztransplantationen.«

»Meinen Patienten steht der ganze großartige Fortschritt der Medizin zur Verfügung. Sie bekommen hier die bestmögliche Behandlung, die ihnen hilft und deren Risiken zu vertreten und vor allem einzuschätzen sind. Ich glaube, ich muss Sie nicht erst daran erinnern, wie viele Menschen in den vergangenen Jahrhunderten zu Schaden kamen, weil sie in die Hände von Scharlatanen gerieten, die sie als Versuchskaninchen missbrauchten.«

»Unvermeidliche Kollateralschäden …«

»Das reicht jetzt, Herr Schneider.« Daniels Stimme hatte jede Freundlichkeit verloren. »Für uns als Mediziner sollte es selbstverständlich sein, alle Schäden von unseren Patienten fernzuhalten. Im Namen aller Menschen, mit denen Sie es zu tun haben, bedauere ich es sehr, dass Sie meine Einstellung nicht teilen.« Daniel wies zur Tür.

Wütend rauschte Konrad hinaus. Den freundlichen Abschiedsgruß von Katja Baumann ignorierte er.

*

Katja stand von ihrem Platz auf und schloss die Tür, die Konrad offengelassen hatte.

»Den haben Sie aber so richtig verärgert, Dr. Norden«, bemerkte sie, als sie die unberührte Kaffeetasse des Besuchers wegräumte.

»Er mich aber auch«, knurrte Daniel ungehalten. Dass ihm die Erinnerung an die vergangene Unterhaltung noch immer zusetzte, war ihm deutlich anzuhören. Katja hielt überrascht inne. Sie kannte ihren Chef nur als ausgeglichen, freundlich und stets gut gelaunt. In den letzten Minuten musste etwas passiert sein, was die gute Stimmung des Chefarztes zerstört hatte. Katja wusste sofort, dieser Dr. Schneider konnte keine nette Person sein, wenn er dafür verantwortlich war.

»Solche Menschen wie er dürften niemals Medizin studieren«, schimpfte Daniel. »Ihnen geht es nur um Karriere, Ruhm und Profit. Das Wohl der Patienten ist ihnen völlig egal. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich mir vorstelle, welches Leid dabei entstehen kann. Ich hoffe, dass mir dieser Mensch nie wieder über den Weg läuft, sonst vergesse ich doch noch meine gute Erziehung.«

Katja seufzte. »Dann setze ich ihn wohl am besten auf die Schwarze Liste.«

»Schwarze Liste?« Daniel sah sie verwirrt an. »Wovon sprechen Sie, Frau Baumann?«

»Na, die gibt es doch in jedem Büro. Zumindest in jedem, das ich bisher kennengelernt habe. Und Sie wissen ja, durch meine Anstellung in der Zeitarbeitsfirma waren das nicht wenige. Auf der Schwarzen Liste stehen die Namen von Personen, die als unerwünscht gelten. Also schwierige Mandanten, Kunden oder Vertreter, mit denen sich niemand auseinandersetzen mag.« Katja rutschte der nächste Seufzer heraus. »Es ist dann die Aufgabe der Sekretärin, dafür zu sorgen, dass keine Anrufe von ihnen durchgestellt werden. Angeblich weil der gewünschte Ansprechpartner dann gerade in einer Sitzung ist oder krank oder verreist. Je nachdem, was am besten passt.«

Daniel schüttelte verwundert den Kopf. »Ich hatte keine Ahnung, dass es so etwas gibt. Und ich habe auch nicht vor, so eine Liste bei uns einzuführen.«

Erleichtert atmete Katja auf. »Oh, da fällt mir wirklich ein Stein vom Herzen. Ich habe es immer gehasst, die Leute anlügen zu müssen, und konnte nie verstehen, warum das von mir verlangt wurde.«

»In der Behnisch-Klinik verlangt das niemand von Ihnen, Frau Baumann. Als professionelle Lügnerin wären Sie auch völlig ungeeignet.« Daniel lachte leise. Den Verdruss über Konrad Schneider vergaß er dabei. »Ich glaube nämlich nicht, dass Sie eine Lüge herausbekommen, ohne zu stottern oder zu erröten.«

Katja nickte. Allein diese Unterhaltung sorgte dafür, dass ihre Gesichtsfarbe einen warmen Rotton annahm. »Da kommt wohl die Klosterschülerin in mir zum Vorschein. Wenn man sein ganzes Leben gelernt hat, dass Lügen eine Sünde sei, dann bleibt man lieber bei der Ehrlichkeit.«

»Klosterschülerin?«, fragte Daniel sofort neugierig nach. Er entdeckte immer neue, interessante Seiten an seiner Assistentin.

»Ja, seit meinem sechsten Lebensjahr bis zum Abitur. Meine Eltern starben bei einem Autounfall, als ich noch ganz klein war. Ich kam dann zu meiner Großmutter. Sie fühlte sich mit einem lebhaften­ kleinen Kind schnell überfordert und hat mich dann in einem Internat untergebracht. Es waren die Schwestern, die mich aufs Leben vorbereitet haben und mir dabei ihre Wertvorstellungen vermittelten. Lügen gehörten ganz sicher nicht dazu.«