Chefsache Leidenschaft - verliebt in den Boss 4 - Gina Wilkins - E-Book

Chefsache Leidenschaft - verliebt in den Boss 4 E-Book

GINA WILKINS

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Beschreibung

EIN PRINZ FÜR DORNRÖSCHEN

Ein Mann und eine Frau - gestrandet in der Wildnis Australiens. Trotzdem hat die zarte Grace keine Angst, denn sie vertraut ihrem Boss, dem berühmten Regisseur Mitchell Wentworth. Und sie erlebt ein erotisches Abenteuer, das sie nie vergisst!

ICH HEIRATE DEN BOSS

Fast hätte Trey Beckenridge seine Assistentin Jane nicht wiedererkannt - plötzlich sieht sie so weiblich, so verführerisch, so hinreißend aus! Was ist nur mit ihr geschehen? Trey ahnt nicht, dass Jane beschlossen hat, ihn mit den Waffen einer Frau zu erobern. Seit fünf Jahren liebt sie ihn heimlich. Jetzt ist es an der Zeit, die Träume wahr werden zu lassen …

PROBEZEIT FÜR EINE NEUE LIEBE

Holly nimmt das Angebot des Gutbesitzers Kevin McEwan, bei ihm in seinem Herrenhaus zu wohnen und zu arbeiten, nur zu gern an. Die Chance, ständig in der Nähe des attraktiven Mannes zu sein, kann sie sich einfach nicht entgehen lassen. Kevin fasziniert sie wie noch keiner je zuvor …

VERWIRRSPIEL AUS LIEBE

Als sich Karla in die grauhaarige Jeanette verwandelt, geht es ihr nur um den Job bei Matthew Gramling, den sie auch prompt bekommt. Der überaus attraktive Unternehmer hat nämlich zwei goldene Regeln: keine Sekretärin unter 50 - keine Freundin über 25! Wochenlang gelingt Karla die Maskerade perfekt, doch eines Abends im Theater beginnt Matthew mit ihr heiß zu flirten. Jetzt fängt es an, kompliziert und aufregend zu werden …

KARRIERE ODER LIEBE?

Für Lydia - Dozentin für Mikrobiologie - gibt es nur ein Ziel: Sie will Karriere machen. Die lockere Beziehung zu dem Anwalt Scott kommt ihr da gerade recht, denn auch er geht ganz in seinem Beruf auf. Nur ihre Familien haben andere Pläne - sie sähen sie gerne verheiratet. Um den lästigen Verkupplungsversuchen zu entgehen, tun Lydia und Scott so, als seien sie ein echtes Paar. Ein gefährliches Spiel! Brennend heiße Sehnsucht, für immer bei Scott zu sein, erwacht in Lydia …

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Seitenzahl: 988

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Barbara Hannay, Elizabeth Harbison, Margaret Mayo, Barbara Mcmahon, Gina Wilkins

Chefsache Leidenschaft - verliebt in den Boss 4

IMPRESSUM

Ein Prinz für Dornröschen erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2000 by Barbara Hannay Originaltitel: „Outback with the Boss“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1389 - 2001 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Ellen Hartlieb

Umschlagsmotive: GettyImages_AndreyPopov, ntstudio

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733758189

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Grace Robbins griff in ihre große Reisetasche und zog zögernd ihre schwarze Spitzenwäsche heraus. Nervös spielte sie mit der zarten Zierkante. Wie, um alles in der Welt, sollte sie Marias unerhörten Vorschlag in die Tat umsetzen?

„Das Problem ist, dass du von Natur aus prüde bist“, teilte Grace ihrem Spiegelbild mit. Es behagte ihr gar nicht, sich vor einem Mann zur Schau zu stellen. Sie seufzte. Vielleicht sollte sie einfach einen Schritt nach dem anderen tun. Sie war schon in die Wohnung ihres Freundes gekommen, ohne dass er es wusste. Wenn sie jetzt diese Wäsche unter ihrer Kleidung anziehen würde, könnte sie später noch entscheiden, ob sie den verrückten Plan, den ihre Freundin ausgeheckt hatte, weiterverfolgen wollte.

Als sie die Wäsche angezogen hatte, hielt Grace inne und betrachtete sich in dem hohen Spiegel. Der Effekt ihres Körpers im Türrahmen, mit nur einem Hauch sinnlicher schwarzer Spitze bekleidet, war erstaunlich. Vielleicht hatte Maria doch recht. Auch Henry würde überrascht sein.

Grace schnitt dem Spiegel ein Gesicht und versuchte, eine sexy Pose einzunehmen. Sie sah lächerlich aus. Sie probierte eine andere, zurückhaltendere Pose. ‚Du meine Güte‘, dachte Grace, ‚was versuche ich da? Das bin ich einfach nicht.‘ Die femme fatale war einfach nicht ihre Rolle. Grace sah auf die Uhr und entschied, dass sie noch genügend Zeit hatte. Henry würde frühestens in einer Stunde zurückkommen. Sie musste die Angelegenheit ruhig und vernünftig überdenken.

Ruhig und vernünftig? Sie war seit Tagen nicht imstande, einen logischen Gedanken zu fassen. Das war alles Mitch Wentworth’ Schuld! Der neue Chef hatte sie in eine dumme Lage gebracht!

In den letzten zwei Wochen hatte schon der Gedanke daran, dass Mitch Wentworth kommen würde, um die Firma zu übernehmen, jede vernünftige Idee aus Grace’ ansonsten eher klarem Kopf verbannt. Und es waren vor allem Grace’ Wut und ihre Verärgerung über diesen Mann, die Maria auf diese dumme Idee gebracht hatten.

Beim Mittagessen hatte es angefangen. Maria hatte die Ellbogen auf den Tisch in der Cafeteria gestützt und sich zu Grace hinübergelehnt. „Meine Güte“, hatte sie geseufzt, „hör endlich auf, dich über Mitch Wentworth aufzuregen, und konzentriere dich auf die positiven Seiten. Unser neuer Boss ist ein toller Typ! Er wird bald kommen, um Tropicana Films zu übernehmen, und weil du seine Assistentin bist, wirst du mit ihm zusammenarbeiten. Hast du sein Foto auf der Titelseite von Movie Mag gesehen?“

Aus ihrer riesigen Handtasche zog Maria ein Hochglanzmagazin und warf es auf den Tisch.

„Natürlich habe ich es gesehen“, erwiderte Grace und zog angewidert die Nase kraus. „Ich habe einen Blick auf sein selbstgefälliges Lächeln geworfen, und dann wollte ich schon meine Kündigung einreichen, und zwar fix.“

„Selbstgefällig?“ Maria blinzelte ungläubig. „Nun komm schon, er hat doch ein süßes Lächeln! Mitch ist der Spitzenkandidat auf der Liste der G. D. U!“

„Wie bitte?“

„Groß, dunkelhaarig und unmöglich zu kriegen.“

Grace schob die Zeitschrift beiseite. „Ich bin sicher, dass es in seinem Fall bedeutet: Groß, dunkelhaarig und unsympathisch!“

„Die Hälfte der Frauen in der Filmbranche würde sich darum reißen, deinen Job zu bekommen, nur um dieselbe Luft atmen zu dürfen wie Mitch Wentworth.“

„Das reicht!“ Grace seufzte. „Auch von Henry höre ich nur noch, was für ein Glück ich habe, dass ich für den großen Mitch Wentworth arbeiten darf.“

„Henry?“ Maria schnipste triumphierend mit den Fingern. „Jetzt hab ich’s! Nicht Wentworth ist dein Problem. Es ist dein Freund Henry! Das hätte ich mir denken können.“

Grace verdrehte die Augen. „Ich habe den Fehler begangen, ihm die Handlung von Wentworth’ nächstem Film New Tomorrow zu erzählen, und nun verbringt Henry die Nächte damit, irgendwelche Computeranimationen zu entwerfen, die Wentworth seiner Meinung nach unbedingt brauchen wird.“

„Und somit hat er keine Zeit mehr für dich?“

„Genau.“

Grace hatte Henry kennengelernt, als sie gerade von Sydney nach Townsville gezogen war, und es war schön gewesen, jemanden zu haben, der ihr alles zeigte. Aber während der letzten vierzehn Tage hatte sein Wunsch, Grace’ neuen Boss zu beeindrucken, überhand genommen, und in gleichem Maße hatte ihre Begeisterung für Henry nachgelassen.

Grace’ Erfahrungen mit Männern hatten sie sehr vorsichtig werden lassen. Noch immer quälten sie Erinnerungen an Roger die Ratte, der ihr das Herz gebrochen hatte. Nach dieser niederschmetternden Erfahrung brauchte es nicht mehr viel, um sie davon zu überzeugen, dass es in der Berufswelt nur so wimmelte von Männern, die oberflächlich betrachtet zwar großartig, aber so mit ihrem eigenen Ego beschäftigt waren, dass sie über Frauen hinwegtrampelten und sie mit dem Gefühl zurückließen, gebraucht und missbraucht worden zu sein.

Deswegen war sie mit Henry ausgegangen. Er sah nicht so gut aus, hatte jedoch andere Vorzüge, die Grace im Augenblick mehr schätzte. Er war gebildet, ernst und vor allem zuverlässig.

Grace zuckte die Schultern. „Ich denke nicht, dass Henry nicht interessiert ist. Nur lässt er sich leicht … ablenken.“

„Ablenken? Was kann einen wirklichen Mann von deinen langen Beinen und deinen grünen Augen ablenken, ganz zu schweigen von dem, was zwischen beidem liegt?“

Grace lachte kurz auf. „Computer.“

Maria stöhnte und warf den Kopf zurück. Eine Weile sah sie an die Decke der Cafeteria. Dann senkte sie den Blick. „Ihr beide habt aber schon etwas miteinander, oder?“

Grace fühlte sich unwohl. Sie fuhr sich mit den Fingern durch das dichte dunkelblonde Haar. „Das kommt schon noch, da bin ich sicher. Ich habe Henry wirklich … nun … sehr gern. Es ist nur eine Frage des … des Zeitpunktes.“

„Zeitpunktes?“ Maria schüttelte missbilligend den Kopf. „Mein liebes Mädchen, die Antwort ist klar und eindeutig: Du wirst Henry vergessen und höhere Ziele anvisieren.“

„Höhere Ziele? Wie viel höhere? Was meinst du?“

„Mitch Wentworth natürlich. Du könntest dir den neuen Chef schnappen. Du hast sicherlich alles, was man dafür braucht.“ Maria sah an ihrem etwas rundlichen Körper herab und seufzte. „Wenn ich nur nicht so gern Schokolade essen würde.“

Grace sprang auf. „Der neue Chef? Verflixt noch mal, Maria, wo bleibt denn da die Loyalität? Denk doch mal daran, was er unserem alten Boss, George Hervey, angetan hat. Der Ärmste wurde durch diese Übernahme doch einfach aufs Abstellgleis geschickt. Wentworth stürmt Tropicana Films und erwartet, dass alle sofort ‚Ja Chef! Nein, Chef!‘ sagen.“

Grace setzte sich wieder hin. „Danke, dass du mir zugehört hast, aber du bist wirklich auf dem Holzweg. Ich ertrage nicht einmal den Gedanken, dass ich für diesen Mann arbeiten muss … Ich werde endgültig mit Henry zusammenbleiben.“

„Bist du da sicher?“

Plötzlich war Grace davon überzeugt. „Ich muss nur einen Weg finden, Henry von diesem Computer wegzubekommen.“

Maria lächelte plötzlich. „Keine Sorge, meine Liebe. Ich merke schon, wie mir eine glänzende Idee kommt. Wir werden diesem Unsinn, den Henry treibt, ein Ende bereiten. Heute ist die Nacht der Nächte. Bevor unser Mr. Wentworth hier ist, um Henry völlig abzulenken, werden wir ihn aus dem Konzept bringen. Wir werden dafür sorgen, dass Henry dich bemerkt.“

Grace’ Blick fiel auf Mitch Wentworth’ Gesicht auf dem Cover von Movie Mag, und sie stellte ihn sich in ihrem Büro vor. Wenn ihr neuer Chef erst einmal da wäre, würden dieses freche Lächeln, dieser schalkhafte Blick und diese unanständigen Muskeln unmittelbar vor ihren Augen sein.

Maria sah sie durchdringend an, und Grace hatte den Eindruck, dass ihre Freundin genau wusste, was sie störte! Wie, um alles in der Welt, sollte sie jeden Tag ihre Arbeit tun, wenn ein Mann wie Mitch Wentworth in ihrem Büro herumstolzierte?

Er war noch nicht einmal angekommen, und schon zog er alle ihre Gedanken auf sich. Diese erschreckende Erkenntnis hatte Grace dazu bewegt, zu handeln. „Okay, du hast gewonnen“, hatte sie zu Maria gesagt. „Ich werde Henry eine letzte Chance geben. Was für eine Idee hattest du?“

Sich Marias Plan anzuhören war einfach gewesen. Aber nun, als Grace in Henrys Wohnung ihrem Spiegelbild gegenüberstand, sah sie ihre großen, ängstlich blickenden Augen und ihre nervös an der Wäsche nestelnden Finger, und sie wusste, dass sie der Aufgabe, die ihr bevorstand, nicht wirklich gewachsen war. Die Aufgabe war unlösbar. Sie konnte einfach nicht an der Wohnungstür posieren und den Rest des Planes durchführen.

Das Hochgefühl, auf das Mitch Wentworth bei seiner Ankunft in Townsville gehofft hatte, ließ ihn schwindeln. Das muss der Jetlag sein, sagte er zu sich selbst und strich sich müde über die Augen. Ein Flug von San Francisco mit nur wenigen Stunden Aufenthalt in seiner Heimatstadt Sydney, bevor es weiter nach Norden, nach Townsville ging, würde den meisten Reisenden zu schaffen machen. Und wahrscheinlich war es falsch, sich noch eine weitere Herausforderung zu suchen und so spät bei den Tropicana Filmstudios zu erscheinen.

Er war davon ausgegangen, dass er viele Büros leer vorfinden würde. Schließlich war es halb sieben abends, und so war es nicht erstaunlich, dass alle seine Mitarbeiter schon nach Hause gegangen waren. Auch die wunderbare Miss Robbins.

Ihr Name stand an der Bürotür, vor der Mitch Wentworth stehen geblieben war. Grace Robbins. Nach allem, was George Hervey ihm über diese Frau erzählt hatte, über ihre Effizienz, ihre Ergebenheit der Firma gegenüber und ihre erstaunlich zahlreichen Fähigkeiten, hatte Mitch gedacht, dass sie vielleicht, nur vielleicht, dageblieben sein könnte, um ihn kennenzulernen. Und nachdem er ihr seine Flugzeiten gefaxt hatte, war er tatsächlich beinahe davon ausgegangen, dass sie ihn am Flughafen erwarten würde.

Georges Lob war eindeutig zu enthusiastisch gewesen, und seine eigenen Ansprüche waren zu übertrieben, entschied Mitch, als er ihr Büro betrat. Er befand sich wegen New Tomorrow in einer finanziell riskanten Lage. Fast sein gesamtes Geld hatte er investiert, und dieser Film musste ein Kassenschlager werden, er brauchte die Unterstützung der besten Leute. Er hatte Miss Robbins eine Schlüsselrolle in diesem Projekt zugedacht.

Mitch versuchte, seinen Unmut zu verdrängen und vernünftig zu sein. Vielleicht sollte er die Frau nicht gleich verurteilen, nur weil sie nicht da war, wenn er mehr oder weniger unangemeldet in der Stadt auftauchte. Er hatte das Fax erst unmittelbar vor seinem Abflug aus Sydney geschickt, und vielleicht hatte sie ja einen Termin – es gab viele Gründe, nach Hause zu gehen.

Sein Blick schweifte durch das Büro. Er konnte zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht viel daraus schließen. Ihr Computer war natürlich heruntergefahren. Es lagen Stapel von Faxen auf ihrem Schreibtisch, aber er wollte nicht schnüffeln. Zumindest müllte sie ihren Schreibtisch nicht mit persönlichem Kram oder Familienfotos zu. Das fand Mitch gut. Er mochte es, wenn sein Team Beruf und Privatleben auseinanderhielt.

Sein Blick fiel auf die letzte Ausgabe von Movie Mag, die auf der Schreibtischkante lag. Stirnrunzelnd nahm Mitch die Zeitschrift in die Hand. Jemand hatte einen dicken schwarzen Marker genommen und das Cover bemalt. Sein Foto wurde von einem Hitler-Bärtchen und einem riesigen schwarzen Brillengestell verunstaltet. Einige seiner Zähne waren schwarz angemalt, es sah lächerlich aus, als ob er Zahnlücken hätte.

Mitch atmete tief ein. Langsam rollte er die Zeitschrift zusammen und steckte sie nachdenklich in seine Manteltasche.

Als er durch das leere Gebäude zurückging, spürte er den Jetlag noch deutlicher. Mitch hatte gerade die Glastüren am Eingang des Studios erreicht, als er auf einen hohen, dunklen Schatten draußen aufmerksam wurde. Ein junger Mann gestikulierte wie wild, deutete auf sich und dann auf Mitch. Ein Hoffnungsschimmer. War irgendein eifriger Angestellter zurückgekommen, um ihn zu begrüßen? Aber nein – die Mitarbeiter hatten alle einen Schlüssel.

Mitch öffnete die Tür, und der Mann kam auf ihn zu und streckte die Hand aus. „Mr. Wentworth?“

Mitch nickte. „Guten Abend.“

„Henry Aspinall. Ich muss sagen, es ist mir eine große Ehre. Oh Mann, das ist wirklich ein Glück, dass ich Sie hier treffe, Mr. Wentworth, Sir. Ich habe den ganzen Nachmittag versucht, Grace anzurufen, um ihre Ankunftszeit zu erfahren, und …“

Mitch unterbrach seinen begeisterten Wortschwall. „Grace? Grace Robbins? Sie kennen sie?“

„Klar.“ Henry nickte. „Ich habe sie zu Hause nicht erreicht, und da hab ich gedacht, dass sie noch hier sein muss.“

„Nein, hier ist niemand, nicht einmal Miss Robbins.“

„Oh, nun, macht nichts.“ Henry lächelte. „Ich wollte ja ohnehin Sie treffen. Haben Sie meine E-Mails erhalten?“

Mitch strich sich über eine Augenbraue und verfluchte die Müdigkeit, die sein Gehirn vernebelte. „Aspinall, Aspinall …“ Er musste sich ins Gedächtnis zurückrufen, ob das jemand wirklich Wichtiges war oder nur ein lästiger Fan.

Henry nutzte sein Zögern. „Grace hat mir von New Tomorrow erzählt, und ich habe einige Computergrafiken entworfen, die man sehr schön in das Hinterland von North Queensland einblenden kann …“

Mitch hob die Hand, um Henrys Redefluss zu stoppen. „Natürlich. Sie haben mein Büro in Los Angeles mit Mails geradezu überschwemmt.“

„Genau, Sir! Möchten Sie die Grafiken sehen?“

„Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir gehen? Ich würde wirklich gern in mein Hotel kommen.“

„Nein, Sir. Kein Problem. Wo haben Sie ein Zimmer? Im Sheraton? Es wäre mir ein Vergnügen, Sie dorthin zu fahren.“

Mitch zuckte die Schultern. Warum sollte er sich nicht hinbringen lassen? Dann brauchte er wenigstens keinem Taxi nachzulaufen. Unter anderen Umständen hätte er Henry Aspinalls Eifer lästig gefunden. Aber heute Abend tat er seinem angekratzten Ego gut. Wenigstens ein Mensch, der sich freute, ihn zu sehen, und der sich über den Erfolg seines Filmes Gedanken machte.

Als sie auf die Straße traten, hüpfte Henry vor Aufregung den Bürgersteig entlang. „Meine Wohnung liegt auf dem Weg. Ich habe alles vorbereitet. Ich könnte ihnen schnell zeigen, …“

Mitch nickte. „In Ordnung.“

Zu Mitchs großer Erleichterung parkten sie schon fünf Minuten später vor einer Reihe niedriger Häuser. Die Autotür quietschte, als Mitch ausstieg, um Henry in die Wohnung zu folgen. Nachdem er einen kleinen Moment gesessen hatte, war seine Müdigkeit zurückgekehrt. Er würde diesen Besuch so kurz wie möglich halten. Er wollte nur noch eines: in raschelnde, saubere Hotellaken kriechen und drei Tage lang schlafen.

„Das ist merkwürdig“, sagte Henry, als sie durch den schmalen Vorgarten gingen, „ich erinnere mich nicht, dass ich das Licht angelassen habe.“

Er lächelte Mitch ein wenig verwirrt zu und suchte an seinem Schlüsselbund nach dem Haustürschlüssel. Aber der Schlüssel erreichte das Schlüsselloch nicht.

Als ihre Schritte auf dem Pflaster ertönten, flog die Haustür auf.

„Überraschung!“

Helles Licht erleuchtete die Türöffnung, in der ein wunderschönes, kaum bekleidetes Wesen stand. Der Blick der Frau war auf Henry gerichtet.

Mitch stand ein wenig hinter Henry, im Schatten. Er war zu erstaunt, um sich bewegen oder sprechen zu können.

Eine Göttin, groß und mit dunkelblondem Haar, posierte vor ihnen, bekleidet mit nur einem Hauch von schwarzer Spitzenwäsche. Sie war absolut atemberaubend. Ihre helle Haut schimmerte samten, und ihre weiblichen Kurven waren perfekt – zarte Schlankheit und üppige Fülle in genau den richtigen Proportionen.

Mitch blinzelte, aber dann machte er ganz große Augen, um nichts zu verpassen. Und er bemerkte dieses „Etwas“, in ihren Augen, das nicht ganz zum Bild der Verführerin passte. War es Furcht, Verlegenheit? Der geneigte Kopf und die leicht hängenden Schultern erinnerten ihn an ein kleines Mädchen, das ehrgeizige Eltern ins Rampenlicht geschubst hatten. Diese Frau hatte den Körper einer Sirene und die Haltung eines verletzlichen Kindes.

„Was, um alles in der Welt, tust du da?“, schrie Henry.

Seine Stimme ließ sie am Türrahmen zusammensinken wie eine Marionette, deren Fäden man durchtrennt hatte. Aber dann fiel ihr Blick auf Mitch, und sie erwachte sofort wieder zum Leben.

„Oh nein“, stöhnte sie und sah Mitch voller Entsetzen an. Sie schlug die Arme vor der Brust zusammen. „Oh nein! Oh nein!“

Im nächsten Moment wurde die Tür zugeschlagen.

2. KAPITEL

„Grace! Was ist nur in dich gefahren?“

Zitternd vor Entsetzen drehte Grace sich um. Henrys rotes Gesicht war wutverzerrt.

„Ist dir klar, was du da gerade getan hast?“, schrie er. „Weißt du, wer …?“, flüsterte er plötzlich panisch. „Das da draußen ist Mitch Wentworth!“

„Ich weiß, ich weiß“, jammerte Grace. Ihre Blicke schossen durch den Raum auf der Suche nach irgendeinem Kleidungsstück. Warum tat sich nicht ein großes schwarzes Loch auf, um sie zu verschlingen?

„Wie konntest du mir das antun, Grace? Was wird er nun denken?“ Henry fluchte und lief zurück zur Haustür. Grace flüchtete ins Schlafzimmer.

„Er ist weg!“, hörte sie Henry brüllen. „Wentworth ist schon gegangen.“

Erleichtert ließ sie sich aufs Bett sinken. Was für ein Glück! Mit zittrigen Händen zog sie ein T-Shirt über den Kopf.

Henry platzte herein. „Du hast mich ruiniert! Ist dir das klar? Ich werde Wentworth nie mehr dazu bewegen können, dass er sich meine Grafiken ansieht.“ Er fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. „Ich hatte Mitch Wentworth hier, Grace, hier bei mir zu Hause. Er wollte sich meine Grafiken ansehen. Heute! Du dummes Ding! Du hast alles verdorben!“

Grace schauderte. „Es tut mir leid, Henry. Wie hätte ich wissen können, dass du ihn mitbringst? Ich wusste nicht mal, dass er in Townsville ist.“ Mit fahrigen Bewegungen zog sie ihre Jeans an. Sie wollte nur noch fort. Und sie würde nie mehr zurückkommen!

„Sicher kannst du ihm deine Ideen ein anderes Mal vorstellen“, meinte Grace. „Es tut mir leid, dass mein Plan so ein Flop war. Ich dachte, es wäre eine gute Idee …“ Aber das dachte sie nun nicht mehr. Eine Welle von Scham überflutete sie. Sie hatte nie deutlicher das Gefühl gehabt, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.

Henry schüttelte den Kopf. „Ich dachte, du wärst schlau. Aber das hier war das Dümmste, was ich je gesehen habe.“

Eines ist sicher, versprach sich Grace im Stillen: Henry wird so etwas nie wieder zu sehen bekommen. Sie sprang auf, nahm ihre Reisetasche und sagte: „Ich stör dich hier nicht länger.“ Sie drängte ihre Tränen zurück und lief an Henry vorbei aus dem Zimmer.

Bitte, bitte, bitte, mach, dass er mich nicht wieder erkennt.

Als Mitch Wentworth am nächsten Morgen ihr Büro betrat, beugte Grace sich gerade über ihren Computer und betete wie nie zuvor.

Sie wollte gern in Sack und Asche Buße tun. Sie konnte auch für einen wohltätigen Zweck spenden. Oder auch beides. Alles. Solange nur ihr Chef sie nicht mit der erniedrigenden Situation an Henrys Haustür in Verbindung brachte.

Sie hatte sich an diesem Morgen sehr große Mühe gegeben, ganz anders auszusehen als am Abend zuvor. Aber ob es reichte? Grace zweifelte daran, dass Haargel und ein steifer Haarknoten ihr Äußeres wirklich geändert hatten. Und wie hilfreich war das dicke Brillengestell, das sie sich von ihrer Nachbarin geliehen hatte? Ihr einziger Trost war, dass Mitch sie gestern Abend nur sehr kurz gesehen hatte. Und sicher verbarg das weite, glanzlos braune Kleid ihre Figur, oder doch nicht?

Was an der Tür bei Henry geschehen war, war äußerst peinlich, aber mit einer gehörigen Portion Glück wusste Mitch Wentworth nicht, dass sie mit Henry Aspinall zu tun hatte – oder mit dem Flittchen, das ihn gestern Abend an der Tür empfing.

Doch als Mitch nun auf sie zukam, straffte sie die Schulter, als würde sie sich auf einen Angriff vorbereiten.

„Guten Morgen. Ich nehme an, ich habe das Vergnügen mit Miss Robbins?“ Mit seinen dunklen Augen sah er sie prüfend an, zeigte jedoch kein Zeichen des Wiedererkennens.

Ja! Erleichterung überkam Grace, aber sie konnte noch kein Lächeln zu Stande bringen. „Guten Morgen, Mr. Wentworth.“ Grace stand auf und streckte die Hand aus, um ihn zu begrüßen. Sein Handschlag war, wie vorherzusehen, fest und stark.

Meine Güte, war er groß! Und so breitschultrig. Sie war auf die gute Figur, auf das dichte dunkle Haar vorbereitet gewesen, auch auf diese Augen, die nur zum Verführen geschaffen schienen, und schon gestern Abend hatte sie bemerkt, dass er groß war. Aber nun, in ihrem Büro, beanspruchte er viel zu viel Raum. Man konnte seiner faszinierenden männlichen Ausstrahlung nicht entkommen, diesen Blicken, denen instinktiv zu misstrauen Grace gelernt hatte.

„Man hat Sie sehr empfohlen. George Hervey hat mir geradezu überschwänglich von Ihnen berichtet.“

Sie lächelte schwach.

Mitch erwiderte ihr Lächeln nicht. „Aber das ist natürlich nun Vergangenheit. Bei mir müssen Sie sich neu beweisen.“

Mich neu beweisen?

Trotz ihrer Nervosität brachte ein Anflug von Trotz Grace’ Wangen zum Glühen. Da haben wir’s schon! Der blutrünstige Pirat übernimmt das Ruder!

Mitch begann wieder zu sprechen. Seine tiefe, gedehnte australische Sprechweise mischte sich mit dem amerikanischen Näseln, das er nach vielen Jahren in den USA angenommen hatte. „Ich erwarte hundertprozentiges Engagement und Loyalität.“

„Natürlich, Mr. Wentworth.“

Mitch atmete tief ein, und Grace vermutete, dass ihre sanfte Unterwürfigkeit ihn ärgerte. Aber er fuhr fort: „Sie sind eine wichtige Schlüsselfigur für den Erfolg des New Tomorrow-Projektes. Aber …“, er senkte die Stimme und machte eine kleine dramatische Pause, „… ich bin dieses Projekt. Sie arbeiten nun für mich, Grace Robbins. Wenn Sie an New Tomorrow denken, sollten Sie an mich denken.“

Er war so von sich überzeugt, wie Sie es vermutet hatte! Doch sie konnte auch nicht leugnen, dass sein Projekt sehr aufregend war und dass es sie schon reizte, daran mitarbeiten zu können.

„Ihr Film hat die besten Voraussetzungen“, antwortete sie und wollte noch weitersprechen, aber Mitch langte mit einer Unheil verkündenden Gebärde in seine Tasche und zog etwas hervor, das wie eine Zeitschrift aussah.

Er warf sie auf den Tisch.

Ihr Chef lächelte vom Titelbild zu ihr auf, sein Gesicht von einem Schnurrbart entstellt. Ein dickes Brillengestell. Und geschwärzte Zähne!

Grace hatte das Gefühl, ihr Magen wäre mit Beton gefüllt. Ihre Kritzelei war mit kräftigen Strichen, die ihre Verärgerung ausdrückten, über sein Bild gezeichnet und der deutliche Beweis für die schlechte Laune, die sie nach ihrer mittäglichen Diskussion mit Maria gehabt hatte.

Wie, um alles in der Welt, hat er das gefunden?

Warum konnte es im wirklichen Leben nie wie bei Dreharbeiten zugehen? Wenn nur ein Regisseur ins Büro stürzen und rufen würde „Schnitt! Die Szene gefällt mir nicht. Fangen wir noch mal an, und diesmal lassen wir das mit der Zeitschrift weg …“

Aber nein.

Einige Sekunden lang hoffte Grace, dass sie in Ohnmacht fallen würde. Doch sie hatte kein Glück. Ihre Beine zitterten, gaben jedoch nicht nach. Und Mitch Wentworth stand noch immer vor ihr und fixierte sie mit seinem kalten, unnachgiebigen Blick.

„Offensichtlich haben Sie ein Problem mit mir“, sagte Mitch mit kühler, ausdrucksloser Stimme.

Wo hatte sie noch gehört, dass Angriff die beste Verteidigung sei? Mit einem Finger deutete Grace anklagend auf Mitch. „Sie … Sie haben mir hinterherspioniert!“

Er sah sie schweigend an. Dann schüttelte er den Kopf. „Ich spioniere nicht, Miss Robbins! Ich habe gestern Abend kurz hier vorbeigeschaut, um mir das Büro anzusehen. Mein Büro! Und ich brauchte nicht die Hilfe eines Spionagedienstes, um zu entdecken, was Sie so offen auf ihrem Schreibtisch haben liegen lassen. Genau hier!“

Grace sah weg. Er wollte sie feuern! Und wenn sie sich in seine Lage versetzte, konnte sie ihm daraus nicht einmal einen Vorwurf machen.

Aber sie liebte ihre Arbeit. In den vergangenen vier Jahren war sie das einzig Wichtige in ihrem Leben gewesen! Sie blickte wieder auf und sah, dass Mitch sie aufmerksam betrachtete.

„Möchten Sie dieses Projekt zu Ende bringen?“

„Was? Oh … wie bitte?“

„New Tomorrow. Möchten Sie weiter im Team arbeiten?“

„Ja. Sehr gern. Ich engagiere mich wirklich sehr für New Tomorrow. Ich …“

„Möchten Sie mit mir arbeiten?“

Sie zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde. Aber das war schon lang genug, ihn wieder die Stirn runzeln zu lassen.

„Ja. Ja, das möchte ich.“

Mitch nahm die Zeitschrift, die der Stein des Anstoßes war, und warf sie in den Papierkorb. Dann begann er, auf dem kleinen Teppich in der Mitte ihres Büros auf und ab zu gehen. „Okay. Dann vergessen wir das, Grace.“

Grace? Sagte er nicht mehr Miss Robbins?

„Ich habe zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Probleme“, fuhr er fort. „Wenn Sie Probleme haben, sollten Sie sie jetzt loswerden.“ Er warf ihr einen fragenden Blick zu.

Sie schüttelte den Kopf.

„Sind Sie ganz sicher?“, hakte er nach.

Natürlich hatte sie Einwände gegen Mitch Wentworth. Aber was konnte sie schon tun? Wie konnte eine Angestellte ihren Chef für die Art und Weise kritisieren, mit der er sich seinen Weg bis zur Übernahme von George Herveys kleiner Filmgesellschaft gebahnt hatte? Und was ihre anderen Probleme anging – sie konnte einem Mann wohl kaum sein atemberaubend gutes Aussehen zum Vorwurf machen.

Sie hatte keine andere Wahl, als die weiße Flagge zu schwenken. „Ich habe keine Beschwerden“, sagte sie. „Und … es tut mir leid. Sie hätten dieses dumme Gekritzel auf dieser Zeitschrift nie sehen sollen. Ich muss zugeben, dass ich … ziemlich gedankenlos war.“

Mitch wandte sich halb um und sah sie forschend an, die Hände auf den Hüften, sodass sein Sakko nach hinten geschoben wurde. Er sah viel zu gut aus.

„Aber“, schloss Grace trotzig, „können Sie mir ein weiteres Gespräch ersparen?“

Mitch lachte leise in sich hinein. „Nein, Grace, ich befürchte, Sie müssen mich noch ein wenig ertragen. Von nun an haben sich die Leute daran zu gewöhnen, meinen Anweisungen Folge zu leisten. Und das New Tomorrow-Projekt muss das Denken jedes Einzelnen beherrschen. Das ist mein einziges Anliegen, und das muss das Anliegen eines jeden Mitarbeiters im Team sein. Für jeden, der nicht auf der gleichen Wellenlänge liegt, bedeutet das viel Verdruss. Und wenn Köpfe rollen müssen.“

„Ich verstehe“, antwortete Grace, und leichte Röte stieg ihr in die Wangen. Wie konnte er es wagen, anzudeuten, sie wäre nicht engagiert? Sie war auf ihr berufliches Engagement immer sehr stolz gewesen. Mitch sah ihr einen unbehaglich langen Moment in die Augen. Dann ließ er den Blick zu ihrem Mund gleiten.

Grace fühlte sich, als wäre sie in Treibsand geraten.

Wie machte er das nur?

Die Hände tief in den Hosentaschen, stand Mitch gut eineinhalb Meter von ihr entfernt, und doch kam es ihr vor, als würde er sie berühren! Das war lachhaft!

Grace presste die Lippen zusammen. Ihr Verstand arbeitete fieberhaft, und sie begann zu sprechen. Sie sagte irgendetwas, um ihren inneren Aufruhr zu verbergen. „Ich … Ich denke, Sie werden sehen, dass ich die Außenaufnahmen sehr erfolgreich vorbereitet habe. Ich habe Grundbesitzer in den Tablelands und den Golfregionen kontaktiert. Ich habe zahllose Hotelangebote von Reisebüros im Norden bekommen. Ich habe Landkarten der Umgebung vom Militär, Informationen über die Straßen … Das Internet ist von unschätzbarem Wert …“

Mitch hob eine Hand. „Hören Sie auf. Okay, ich bin beeindruckt, aber ich brauche jetzt noch keine detaillierte Aufzählung. Ich bin mir sicher, dass alles in Ihrem Bericht steht.“

Grace’ Augen blitzten. „Ich kann ja nicht anders, als irgendetwas zu plappern. Sie machen mich nervös, wenn Sie mich weiterhin so anstarren.“ Hitze stieg ihr in die Wangen.

Mitch trat einen Schritt näher heran, und eine Sekunde lang dachte Grace, er würde sie tatsächlich berühren. „Mögen Sie es nicht, wenn Männer Sie ansehen?“, sagte er langsam.

„Natürlich nicht“, fuhr sie ihn an, während ihr Herz wie wild klopfte. „Keine Frau mag das“, fügte sie empört hinzu.

„Frauen verliebt anzusehen ist am Arbeitsplatz sicher nicht angebracht“, stimmte Mitch zu. „Es tut mir leid, wenn es aussah, als ob ich Sie anstarrte. Sie haben ein faszinierendes … Gesicht.“

Grace schluckte und wusste nicht, wie sie reagieren sollte.

Mitch ging zur Tür und blieb dort stehen.

Grace spürte noch immer ihr Herz wild schlagen. Mitch zögerte, als wollte er ihr noch irgendetwas Unangenehmes sagen, und sie wünschte sich, er würde es schnell tun und es wäre bald vorbei.

Sicher will er mir jetzt sagen, dass er mich erkannt hat. Er weiß, dass ich das leichte Mädchen in der schwarzen Spitzenwäsche bin.

Aber als sein Blick ihren wieder traf, glitzerte zwar heimliche Belustigung in seinen Augen, doch er nickte nur und sagte sehr höflich: „Schön, Sie kennengelernt zu haben, Grace. Ich bin gespannt auf Ihren Bericht.“

Er drehte sich um, verließ das Büro, und Grace’ Knie gaben nach. Sie sank auf einen Stuhl.

Grace versuchte sich einzureden, dass Mitch nichts von dem Vorfall des Vorabends wissen konnte. Sie geriet unnötig in Panik. Wenn er sie erkannt hätte, hätte er es offen angesprochen … so wie er es mit der Zeitschrift getan hatte.

Oje! Die Zeitschrift! Verzweifelt barg sie das Gesicht in den Händen. Die Zeitschrift! Die Unterwäsche! Wie sollte sie das alles schaffen?

Grace blickte durch ihre gespreizten Finger auf die Tastatur. Nun wusste sie, was es hieß, etwas zu bedauern. Aber, so entschied sie nach einigen Minuten quälender Gewissensbisse, am meisten bedauerte sie, dass das menschliche Gehirn nicht wie ein Computer funktionierte. Wenn es nur einen sicheren Weg gäbe, die Daten im Gehirn eines Mannes zu löschen … und endgültig zu vernichten!

3. KAPITEL

Mitch klappte den Ordner mit Grace’ Bericht über die möglichen Drehorte für New Tomorrow zu und legte ihn auf seinen Schreibtisch. Dann verschränkte er die Hände im Nacken. Das war seine bevorzugte Haltung beim Nachdenken.

Und er musste über Grace Robbins nachdenken.

Der Bericht, den sie vorgelegt hatte, war beeindruckend. Die klare, präzise Schreibweise, die Karten und Illustrationen, das tadellose Layout und die Aufmerksamkeit im Detail zeigten zweifelsohne, dass Grace professionell arbeitete.

Seit sie vor zwei Monaten aus dem Büro in Sydney hierher gezogen war, um in dem Team vor Ort in Townsville mitzuarbeiten, hatte Grace eine Unmenge an Informationen zusammengetragen, und alle waren für das Projekt relevant. Als Mitch ihren Bericht las, wurde er ganz aufgeregt angesichts der möglichen Locations, die sie aufführte.

Was ihn aber wirklich überraschte, war ihr geradezu unheimliches Verständnis dessen, was er mit seinem Film erreichen wollte. Er hatte nur eine Projektskizze geschickt; sie hatte nicht einmal ein ganzes Skript zu lesen bekommen. Und dennoch war es, als hätten Grace und er schon mehrere intensive Gespräche über seine Erwartungen an New Tomorrow geführt.

Mitch musste zugeben, dass George Hervey recht gehabt hatte: Grace war für die Firma von unschätzbarem Wert.

Schade war nur, dass diese Qualitäten nicht mit einem angenehmen, heiteren Wesen einhergingen. Während der drei Tage, die Mitch nun im Büro war, war Grace’ Gesicht eine höfliche, aber stirnrunzelnde Maske gewesen. Es störte ihn zwar nicht sehr, doch Mitch begann zu glauben, dass er den Anblick dieser verführerischen, provokanten Schönheit im Türrahmen von Henry Aspinalls Wohnung nur geträumt hatte.

Vielleicht hätte er etwas sagen sollen, um die Atmosphäre zu reinigen. Aber er wollte berufliche und private Angelegenheiten zwischen ihm und der Frau, mit der er so eng zusammenarbeiten musste, nicht vermischen.

Mitch schlug den Ordner wieder auf. Einen Stift in der Hand, las er den Bericht noch einmal, unterstrich manche Punkte und machte sich Notizen am Rand.

Grace hatte Lust, sich etwas Besonderes zu kochen. Diese Anwandlung überkam sie nicht oft, aber wenn, dann bereitete Grace größere Mengen zu, um genug für mehrere Mahlzeiten zu haben. Manchmal fühlte sie sich überschwänglich und lud Leute zum Abendessen ein, aber heute Abend wollte sie ihr Lieblingscurry machen, und sie hatte nicht vor, es mit jemandem zu teilen.

Auf dem Weg nach Hause hielt sie am Supermarkt und kaufte die Zutaten. Und nach einem langen, warmen, duftenden Schaumbad tapste sie in die Küche, zog die roten Baumwollvorhänge zu und legte ihre Lieblings-CD mit spanischer Gitarrenmusik auf.

In den vier Jahren, die Grace nun für Tropicana Films arbeitete, hatte sie sich immer bemüht, Arbeit und Freizeit zu trennen. Am Ende eines Arbeitstages genoss sie die Zeit für sich, in der sie ihre Gedanken wieder klären konnte. Und nun war es besonders wichtig, den neuen Chef zu vergessen und die andauernde, nagende Sorge, dass er sie als die Person wieder erkannt haben mochte, die sich in Henrys Tür zur Schau gestellt hatte.

Grace stellte die Musik lauter ein, und sie begann, sich besser zu fühlen. Sie summte leise mit, während sie Lammfleisch in Würfel schnitt und Zwiebeln und Knoblauch hackte. Zwanzig Minuten später duftete es in der kleinen Küche nach Lamm, das in Curryblättern, frischem Koriander, zerstoßenem Kreuzkümmel und Chili vor sich hin schmorte.

Grace gab gerade die Kokosmilch hinzu, als ein Klopfen an der Tür sie aus ihren Gedanken riss. Schnell schaltete sie den Herd herunter und griff nach einem Geschirrtuch, um sich die Hände abzuwischen, während sie zur Tür eilte.

Der letzte Mensch, den sie erwartet hatte, war Mitch Wentworth. Grace’ Herz klopfte wild.

„Wow, hier riecht es wundervoll.“ Er schnupperte anerkennend.

„Oh, hallo, Mr. Wentworth“, sagte Grace und widerstand der Versuchung, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Zumindest war sie dieses Mal vollständig bekleidet. Allerdings war ihr geliebter alter Jogginganzug nicht unbedingt die passende Kleidung, um darin ihren Chef zu empfangen. Vor allem, wenn er noch den eleganten Anzug trug, den er im Büro anhatte. Sie fasste an ihr Haar, das sich durch den Dampf des Bades und die Wärme in der Küche gelöst hatte und ihr nun in dünnen Strähnen ins Gesicht fiel. „Was kann ich für Sie tun?“

„Rieche ich richtig? Rogan Josh Curry?“, fragte Mitch.

Sie sah ihn erstaunt an. „Eher Madras“, antwortete sie vorsichtig. Er wollte doch nicht etwa bei ihr essen?

„Ah ja, das hätte ich merken müssen.“ Mitch lächelte. Grace trat einen Schritt zurück. Sie musste ein wenig Abstand zwischen sich und dieses Lächeln bringen. „Ein leichter Duft von Kokosnuss ist dabei“, gab er zu. „Und in Rogan Josh Curry ist Joghurt, nicht wahr?“

„Sie – Sie mögen Currys?“ Warum fragte sie? Alle Männer, die sie kannte, mochten Currys. Aber sie waren selten so vertraut mit den Details der Zutaten. „Es muss noch eine ganze Weile kochen“, fügte sie schnell hinzu, nur für den Fall, dass er auf die Idee kommen sollte, sich zum Essen einzuladen.

„Keine Angst, Grace, ich will Sie nicht lange stören. Und ich bin sicher, dass Henry Aspinall etwas dagegen hätte, wenn ich seinen Teil des Abendessens verzehren würde.“

„Hen… Henry?“, sagte Grace stockend. Was weiß er genau über Henry und mich?

„Er ist hinter mir her gewesen, damit ich seine Computergrafiken ansehe, und als wir uns zum ersten Mal getroffen haben, hat er erwähnt, dass Sie und er … gute Freunde seien.“

„Oh.“ Grace schluckte. Nervös wartete sie ab, ob Mitch noch mehr Informationen liefern wollte. Als er es nicht tat, fügte sie hinzu: „Warum sind Sie denn nun hier?“

„Dürfte ich einen Moment hereinkommen? Ich muss ein paar Dinge mit Ihnen besprechen, und ich würde sie gern heute Abend noch klären.“

Mitch hatte erwartet, dass Grace zögern würde, aber er wusste auch, dass sie ihn hineinbitten würde. Sie hatte gesehen, dass er den Ordner mit ihrem Bericht in der Hand hielt, und Neugier blitzte in ihren grünen Augen. Mitch ignorierte tapfer das Knurren seines Magens und folgte Grace in das kleine Wohnzimmer, das von den leckeren, würzigen Düften aus der Küche erfüllt war.

Es war ein schönes Zimmer – nicht übertrieben eingerichtet, aber gemütlich und einladend. Die gefühlvolle, leidenschaftliche Gitarrenmusik im Hintergrund überraschte Mitch.

Er sah sich langsam im Raum um. Die natürlichen Erdfarben der Terrakottafliesen auf dem Boden und die beiden großen Aborigines-Malereien an der Wand verbreiteten eine sanfte Stimmung. In der gegenüberliegenden Ecke, unter einem Filmplakat in Schwarz-Weiß von Bogey und Bacall, stand ein großer Tontopf mit einem Bündel getrockneten Grases. Daneben lag ein riesiges Bodenkissen mit einem Bezug in Burgunderrot und Steingrau.

Er war nur selten lange genug an einem Ort gewesen, um sich ein Zuhause zu schaffen, aber wenn er Einrichtungsgegenstände kaufte, dann zogen ihn immer dieselben Erdtöne an, sonnenverbranntes Ocker und Brauntöne.

„Haben Sie die Wohnung selbst eingerichtet?“, fragte er.

„Ja. Ich habe gedacht, dass New Tomorrow so lange dauern wird, dass es sich lohnt, alle meine Sachen von Sydney hierher zu bringen.“

Mitch nickte. „Es ist sehr schön hier. Ich freue mich schon darauf, eine Wohnung für mich zu finden.“ Er ließ den Blick zum Aquarium hinter ihrem Sessel schweifen. Zwei Goldfische und ein schwarzer Fisch. „Ich habe eine Schwägerin, die Feng-Shui-Expertin ist. Sie behauptet, Aquarien würden helfen, um eine …“ Er suchte nach dem richtigen Wort, gab dann aber mit einem Lächeln und einem Schulterzucken auf. „… eine glückliche Umgebung zu schaffen.“

Um Grace’ Mundwinkel zuckte es, als sie auf die Fische deutete. „Das sind die Marx Brothers.“

„Lassen Sie mich raten. Der Schwarze ist Groucho.“

„Genau.“ Sie lachte. Dann wirkte sie plötzlich verwirrt. „Nun … worüber wollten Sie mit mir reden?“

Mitch nahm den Ordner mit Grace’ Bericht auf die Knie und tippte mit dem Finger auf den Deckel. „Das ist gut, Grace. Sehr gut. Ich muss sagen, ich bin beeindruckt davon, wie schnell Sie sich mit North Queensland vertraut gemacht haben.“

Ihre Augen leuchteten vor Freude auf. Mitch fand das plötzliche Glitzern sehr fesselnd.

„Es ist eine sehr interessante Gegend“, antwortete Grace und schlug unbewusst ein langes Bein über das andere. „Wie ich in meinem Bericht erwähnt habe: Ich denke, dass es viele mögliche Drehorte gerade vor unserer Haustür gibt.“

Mitch war nie zuvor aufgefallen, wie sexy ausgebleichter blauer Frottee sein konnte. Er wandte langsam den Blick ab. „Ihr Bericht ist sehr überzeugend. Deswegen bin ich heute Abend hier. Ich würde gern sofort einige dieser Drehorte im Busch ansehen.“

„Jetzt sofort?“

„Morgen früh.“

Sie nickte nachdenklich, und Mitch konnte förmlich spüren, wie es in ihrem Kopf arbeitete, während sie überlegte, was zu tun sei. „Sie möchten tatsächlich Undara ansehen?“

„Die alten Lavatunnel? Ja. Es klingt, als wären sie fantastisch für die Unterweltszenen geeignet. Und ich möchte auch einige von den alten, verlassenen Minenstädten besichtigen.“

„Ravenswood oder die Gegend um den Mount Surprise?“

„Genau.“ Mitch nickte.

„Mieten Sie einen Jeep?“

„Ich denke, das wäre das Beste. Dann könnte ich losziehen und mehr vom Hinterland erkunden. Ich möchte mir die Gegend am Golf genau ansehen. Da gibt es so viel großartige wilde Landschaft.“

„Und von einzigartiger Schönheit“, ergänzte Grace. Sie lehnte sich vor, und ihre Wangen färbten sich rosig vor Aufregung. „Ich bin sicher, dass Sie am Golf genau finden werden, was Sie suchen.“

Einen kurzen Moment hatte Mitch das unheimliche Gefühl, das eine tiefer gehende Prophezeiung in ihren Worten lag – als würde er tatsächlich etwas viel Bedeutenderes finden als einen Drehort für seinen Film.

Er lächelte sie an. „Sie verstehen, wonach ich suche, nicht wahr?“

„Ich … ich glaube, ja.“ Vielleicht musterte er sie zu durchdringend. Ihre Wangen wurden noch rosiger, und sie sah einen Moment lang fort. „So wie ich es verstehe, möchten Sie ein Szenario schaffen, das an eine Zeit nach dem Dritten Weltkrieg erinnert – eine Welt, in der die Leute, die übrig geblieben sind, ganz von vorn anfangen müssen. Die alte Welt ist untergegangen oder verseucht, bis auf diesen schmalen Streifen Land, und der ist rein und unberührt. Also möchten Sie einen ursprünglichen, unberührten Drehort.“

Mitch sprang auf. „Das ist genau das, was ich suche. Es ist fantastisch, dass Sie das verstehen. Und deswegen werden Sie mit mir kommen.“

Das Entsetzen, das in Grace’ Zügen zu lesen war, schockierte ihn. Er hatte keinen Widerspruch von jemandem erwartet, der sich so sehr für den Film engagierte.

„Sie werden mir natürlich helfen, die Drehorte zu besichtigen.“

„Oh nein. Ich kann nicht. Ich … ich kann möglicherweise nicht“, sagte sie stockend.

„Warum nicht?“ Er würde alles daransetzen, dass Grace ihn begleitete. Ihr Wissen, die Nachforschungen, die sie schon angestellt hatte, waren von unschätzbarem Wert.

„Ich habe so viel zu tun.“ Sie sah so erschrocken aus, dass Mitch sie am liebsten bei den Schultern gepackt und geschüttelt hätte, um sie zur Vernunft zu bringen.

„Ich bin der Chef, Grace. Ich weiß genau, was sie tun müssen. Und ich weiß, dass Sie Zeit für diesen Ausflug haben.“

Was hatte er falsch gemacht? Was hatte sie so aufgebracht? Wie konnte sie in der einen Minute so eifrig sein und dann plötzlich einen Rückzieher machen, als hätte er sich in ein scheußliches Monster verwandelt? Mitch lief auf und ab. Gefesselt von ihrem Bericht, war er heute Abend in der Erwartung hierher gekommen, dass Grace es als ihre berufliche Pflicht betrachtete, ihn zu begleiten – unabhängig von ihren persönlichen Belangen. Und nun wollte er so hartnäckig wie nötig sein.

Er würde nicht gehen, bevor sie eingewilligt hätte.

4. KAPITEL

„Grace, ich gebe Ihnen die Möglichkeit, aus diesem Büro herauszukommen – in den Busch zu fahren und die Gegend mit mir zu erkunden. Wie können Sie das ablehnen?“

„Indem ich Nein sage“, erklärte Grace scharf und stand auf. „Ich stelle fest, dass es eine neue Erfahrung für Sie zu sein scheint, Mr. Wentworth.“

Er warf ihr einen verblüfften Blick zu, dann lachte er. „Natürlich habe ich auch meinen Teil an Zurückweisungen abbekommen, Miss Robbins.“

Mitch warf ihr einen scharfen Blick zu, und Grace fühlte sich wie eine Zeugin vor Gericht im Kreuzverhör. Es herrschte ein langes, peinliches Schweigen, bevor er weitersprach. „Wollen wir hier über Beziehungen reden? Über Beziehungen zwischen Mann und Frau? Oder reden wir über den Job und die Welt im Allgemeinen?“

Grace antwortete nicht, aber als Mitch auf sie zukam, hielt sie den Atem an. Trotz aller Warnungen ihres Verstandes reagierte ihr Körper jedes Mal, wenn dieser Mann ihr nahe kam. Er musste die Wirkung kennen, die er auf Frauen hatte. Er sollte sie berücksichtigen und auf Distanz bleiben.

„Welche Grace Robbins hat meine Bitte abgelehnt?“, fragte Mitch und hielt ihr ihren Bericht hin. „Die Grace, die dies hier geschrieben hat, würde nicht zögern, mit mir die Drehorte anzusehen.“

Plötzlich fühlte sie sich sehr unsicher.

„Gibt es einen tiefer liegenden Grund? Vielleicht hatte ich Unrecht damit, diese Zeitschrift mit Ihrem Kunstwerk einfach in den Papierkorb zu werfen und zu denken, dass wir von vorn beginnen könnten? Finden Sie mich so abscheulich, dass Sie es nicht ertragen können, diese Reise in meiner Gesellschaft zu unternehmen?“

Grace schüttelte den Kopf und versuchte, sich selbst einzureden, dass ihr Widerspruch begründet sei, aber um nichts in der Welt konnte sie ihre Gegenargumente vorbringen. Natürlich hatte sie gute, gewichtige, berufliche Gründe, neben der traurigen Tatsache, dass er so sexy war, dass ihr klarer, scharfer Verstand aussetzte, sobald Mitch in ihre Nähe kam. Und nun erwartete er, dass sie mit ihm verreiste!

Nur sie beide!

Mitch sah sie noch immer durchdringend an. „Würde es einen Unterschied machen, wenn ich Henry Aspinall versprechen würde, Sie für die Dauer der Reise nicht anzurühren?“, fragte er.

„Henry?“ Grace’ Wangen röteten sich. Warum erwähnte er schon wieder Henry? „Henry hat nichts damit zu tun. Er irrt sich, wenn er denkt, dass wir noch … Freunde seien.“

„Tatsächlich?“ Mitch dachte einen weiteren unangenehmen Moment lang über ihre Antwort nach. „Sie sehen verschreckt aus. Wovor haben Sie Angst?“

Mitch trat einen Schritt nach vorn und mit einer Sicherheit, die von jahrelanger Erfahrung zeugte, streckte er eine Hand aus und legte sie Grace leicht auf den Nacken. Ihre Haut wurde heiß unter seiner Berührung, und sie wollte ihn wegschieben. Aber er zog sie zu sich heran, und ihre guten Absichten schwanden dahin. „Ist es das, wovor Sie Angst haben, Grace?“

Ihr Herz pochte wie wild.

Kein Zweifel, er wollte sie küssen.

Und Grace spürte genau, dass er sie losließe, wenn sie schreien oder ihn wegstoßen würde. Sie hätte ihn bitten können aufzuhören, wenn sie nicht solche Schwierigkeiten gehabt hätte, ruhig zu atmen. Stattdessen ließ sie es zu, dass er diese schmale Lücke schloss.

Als Mitch den Mund auf ihren presste, entfuhr Grace ein leiser Schluchzer, und sie fühlte, wie er sich ein wenig zurückzog. Aber sie stand schon ganz in seinem Bann.

Sie hatte die Augen geschlossen, den Kopf geneigt. Nach dieser kurzen Berührung seiner Lippen bat sie ihn im Stillen, mehr von ihr zu kosten, ihren Mund mit seinem zu erkunden. Und als er es tat, sank Grace gegen ihn, als bräuchte sie seine Stärke.

Zärtlich umfasste Mitch ihr Gesicht und erforschte langsam das Innere ihres Mundes. Es war eine Erkundungsreise, wie Grace sie nie erträumt hätte. Wo immer Mitch sie berührte, flammte Sinnlichkeit auf. Die Art, wie sein Mund sie liebkoste, langsam und verführerisch, fühlte sich so gut an. Völlig fasziniert öffnete Grace die Lippen und bat um mehr. Mitch küsste sie leidenschaftlich, und unwillkürlich hob sie die Arme und legte sie ihm um den Nacken.

Nie zuvor hatte Grace sich so weiblich, so begehrenswert gefühlt. Als Mitch schließlich aufhörte, musste sie ihren ganzen Willen zusammenzunehmen, um nicht leise zu protestieren.

Er sah sie an, sein Blick war verschleiert. „Da haben wir die Antwort auf eine weitere Frage“, flüsterte er sanft.

Und der Bann war gebrochen. Schockiert trat Grace zurück, als könnte sie nicht glauben, dass sie so etwas hatte geschehen lassen.

„Was glauben Sie eigentlich, was Sie da tun? Sie können sich doch nicht durchsetzen, indem Sie versuchen, mich zu verführen“, rief sie, und ihre Stimme war schrill vor Selbstanklage.

„Natürlich nicht. Ich wollte diesen Kuss nicht benutzen, um Sie zu überreden. Es war nur – wie soll ich es sagen? Ein Experiment. Ich musste etwas herausbekommen.“

„Wie können Sie es wagen? Wie können Sie mit mir herumexperimentieren?“

„Ich weiß nicht, Grace“, entgegnete Mitch, und ein leises Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Können Sie erklären, warum wir ein so gutes Team sind, wenn es ums Küssen geht?“

„Glauben Sie nur nicht, ein kleiner Kuss könnte dazu führen, dass ich mit Ihnen verreisen will“, brauste sie auf.

„Und wenn ich verspreche, Sie nie wieder zu küssen?“

„Oh?“ Grace schnappte nach Luft. Nie wieder? Bedauern stieg in ihr auf.

„Pfadfinderehrenwort!“, antwortete Mitch. Dann warf er einen Seitenblick auf sie und fügte hinzu: „Natürlich bin ich bereit, eine Befreiungsklausel einzubauen.“

„Befreiungsklausel?“

„Ich werde Sie nur küssen, wenn Sie es möchten. Das nächste Mal wird dann sein, wenn Sie mich darum bitten, Miss Robbins.“

Das brachte Grace in die Wirklichkeit zurück. „Davon träumen Sie wohl, Wentworth.“

„Ich fürchte, ich kann nicht für das garantieren, was in meinen Träumen passiert.“

Grace sah ihn an und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie spürte die Auswirkungen dieses Kusses noch immer. Ihr Herz schlug nicht nur schnell, es raste. Man hätte denken können, dass sie nie zuvor geküsst worden wäre. Sie schob die Erkenntnis beiseite, dass sie so noch nie geküsst worden war. Roger die Ratte war nicht einmal ansatzweise so gut gewesen.

Mitchs geschäftsmäßiger Ton unterbrach Grace’ Gedanken.

„Ich brauche Sie wirklich auf dieser Rundreise. Sie verstehen genau, was ich will. Sie haben schon die ganze Vorarbeit geleistet. Vertrauen Sie mir. Ich schwöre, ich bin nicht so ein Chef, der seinen weiblichen Mitarbeitern nachstellt. Ich möchte, dass wir als gutes Team zusammenarbeiten.“

Vergiss diesen Kuss. Er meint es so. Es wird nicht mehr vorkommen. Konzentrier dich auf deinen Job. „Wie viele Tage werden wir fort sein?“, fragte sie leise.

Mitch sah sie an. „Ich wusste, dass Sie mich nicht im Stich lassen würden.“ Er warf einen Blick auf seine Notizen. „Fünf Tage sollten ausreichen.“

Sie nickte schwach.

Er antwortete auch mit einem Nicken, als hätte er die ganze Zeit gewusst, dass sie nachgeben würde, und das ärgerte Grace. Aber sie zwang ihren Verstand, bei den praktischen Details zu bleiben. „Müssen wir irgendetwas buchen?“

„Ich werde für morgen Abend in Undara buchen“, antwortete er. „Danach möchte ich so flexibel wie möglich sein. Wir nehmen mein Handy mit und lassen jeweils für die folgende Nacht reservieren.“ Mitch zog die Augenbrauen hoch und wies mit dem Kopf in Richtung Küche.

„Ihr Curry dürfte nun langsam fertig sein, oder?“

„Fordern Sie Ihr Schicksal nicht zu sehr heraus, Mr. Wentworth“, warnte Grace und zeigte zur Tür. „Ich muss die nächsten fünf Tage mit meinem Chef verbringen, ich brauche heute Abend meine Ruhe.“

Pünktlichkeit war nicht gerade seine stärkste Eigenschaft, stellte Grace am nächsten Morgen fest, als ihr Chef schließlich mit dreißig Minuten Verspätung vor ihrer Wohnung auftauchte. Er fuhr einen großen, solide aussehenden Pick-up.

Als Mitch die Fahrertür öffnete, ausstieg und ihr dabei jungenhaft zulächelte, war Grace überrascht, wie ihre eigene Laune sich schlagartig besserte. Sie fühlte sich nicht so recht in Form, nachdem sie sich die ganze Nacht ruhelos im Bett hin und her gewälzt und darüber nachgedacht hatte, dass sie nun fünf Tage lang Seite an Seite mit ihrem Arbeitgeber durch North Queensland rattern musste.

Heute Morgen trug Mitch Jeans und ein olivgrünes Buschhemd. Er sah aufgeregt aus, wie ein Junge, dem man sein erstes Huckleberry-Finn-Abenteuer erlaubt hatte. Seine Begeisterung war beinahe ansteckend. Nicht, dass Grace bereit gewesen wäre, ihm einen Riss in ihrer Deckung zu zeigen. Sie nickte einen Gruß, ohne zu lächeln.

Mitch war nicht aus der Ruhe zu bringen. „Ich habe dafür gesorgt, dass unser Auto mit allem ausgestattet ist, was wir eventuell brauchen. Zusätzliche Wasserkanister, Zugseile und Winden, falls wir stecken bleiben. Zeltplanen und Kochgeschirr, wenn wir beschließen, ganz spartanisch zu leben. Deswegen bin ich ein wenig zu spät, denn ich wollte sicher sein, dass wir alle diese Extras haben.“

„Haben Sie ein GPS?“

„Dieses Ortungssystem?“ Mitch runzelte die Stirn. „Was wissen Sie darüber?“

„Ich habe davon gelesen. Es soll ein brillantes System sein, um sicherzustellen, dass man sich nicht verirrt. Die Armee benutzt es häufig.“

„Ich bezweifele, dass wir ein so ausgeklügeltes Gerät brauchen, um uns zurechtzufinden. Wir haben Karten und ein Handy und ein gutes, solides Auto – und keiner von uns ist dumm. Wir werden uns nicht verirren.“

„Vermutlich nicht“, stimmte sie zu, aber sie schnitt ein Gesicht, das den Schatten eines Zweifels verriet, als sie nun ihre sorgsam gepackte Tasche nahm und auf die Schulter hievte.

„Lassen Sie mich das tragen“, bot er an.

Grace fand es ziemlich schwierig, angesichts seiner Hilfsbereitschaft so ungnädig zu bleiben, und erlaubte ihm, ihre Tasche zu nehmen. Er beugte den Kopf zu ihr herab. „Aha! Ich glaube, ich entdecke ein schwaches Lächeln“, neckte er sie.

„Ein Versehen“, sagte Grace.

Mitch seufzte, als er ihre Tasche hinten auf den Pick-up packte. „So wird es also sein, Miss Robbins?“ Sein Blick glitt zu ihren Jeans. „Fünf Tage Gift in Denim.“

Seine Worte trafen sie, und ihre Wangen glühten. Vielleicht verhielt sie sich unprofessionell.

„Tut mir leid“, sagte sie und rang sich ein Lächeln ab. „Ich bin ein wenig müde.“

„Dann lehnen Sie sich doch einfach zurück, entspannen Sie sich, und lassen Sie mich fahren. Möchten Sie noch welche von Ihren Lieblings-CDs mitnehmen, damit uns die Fahrt nicht so lang wird?“

Sie sah ihn überrascht an. „Das ist eine tolle Idee! Ich bin gleich wieder da.“ Sie wollte schon in die Wohnung zurücklaufen, da hielt sie inne. „Haben Sie irgendwelche speziellen Wünsche?“

Mitch lehnte sich gegen die Tür des Pick-ups und lächelte sie langsam und verschwörerisch an. „Die Chancen stehen ganz gut, dass wir einen ähnlichen Geschmack haben, Grace. Ich bin bereit, mir anzuhören, was Sie auswählen.“

Grace wusste nicht, wer überraschter war, Mitch oder sie, als sie sechs Stunden auf der engen Straße nach Undara ohne irgendein Wortgefecht oder angespanntes Schweigen hinter sich brachten. Sie hörten Musik, redeten über New Tomorrow, über Leute aus der Filmbranche oder saßen einfach schweigend da, während die Landschaft an ihnen vorbeizog. Es gab sogar Momente, in denen sie laut auflachte, wenn Mitch kuriose Geschichten von Hollywoodstars erzählte.

Aber wann immer sie sich zu entspannen begann, ermahnte Grace sich schnell, sich vor ihrem Chef in Acht zu nehmen. Er konnte seinen Charme verbreiten, wann es ihm richtig schien, doch sie wusste aus bitterer Erfahrung, dass sie ihren Schutz nicht aufgeben durfte.

Es war schon spät am Tag, als sie schließlich das letzte Stück der Straße nach Undara entlangfuhren.

„Sie haben sich um unsere Unterkunft gekümmert, oder?“, fragte Grace besorgt.

„Klar. Ich habe uns auch fürs Abendessen angemeldet und für die Besichtigung der Lavatunnel morgen früh. Ich sehe nur kurz im Büro vorbei und hole unsere Schlüssel.“

Als Mitch zum Wagen zurückkam, runzelte er die Stirn. Er öffnete die Tür und kletterte auf den Fahrersitz. „Kleines Problem“, sagte er.

Grace’ Herz schlug heftig. „Was für eines?“

„Ich weiß nicht, wie es passiert ist, aber es gab wohl ein Missverständnis bezüglich unserer Unterkunft.“

„Ein Missverständnis? Wussten Sie nicht, dass man hier in umgebauten Eisenbahnwaggons wohnt?“

„Doch. Das ist nicht das Problem.“ Der Blick seiner dunklen Augen ruhte auf ihr, Mitch lächelte bedauernd. „Eigentlich gibt es gar kein Problem. Zumindest dann nicht, wenn Sie keinen Koller kriegen.“

„Koller?“ Sie versuchte, gefasst zu bleiben. „Ich habe seit meinem zweiten Lebensjahr keinen Koller mehr gekriegt. Warum sagen Sie nicht endlich, was los ist?“

Er drehte den Zündschlüssel herum, und als der Motor ansprang, erzählte er es ihr. „Eine Busladung von Touristen ist angekommen, die alle Zimmer mit Beschlag belegt haben. Es bleibt nur eines für uns übrig. Ehrlich, ich weiß nicht, wie sie auf die Idee gekommen sind, wir wären ein Paar.“

Grace warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. „Sie … Sie meinen, wir müssen uns ein Zimmer …“

„… teilen“, ergänzte Mitch.

„Mit zwei Betten?“

„Leider nein. Mit einem.“

„Das geht nicht!“, rief Grace. Nervös fuhr sie sich durchs Haar. Der Schutzwall, hinter dem sie sich den ganzen Tag verschanzt hatte, hatte plötzlich dicke Risse bekommen. „Das ist lachhaft!“

„Wir sind hier nicht in der Stadt, Grace. Im Busch nimmt man, was einem geboten wird.“ Mitch lenkte den Pick-up zu einer weiter entfernten Reihe von Eisenbahnwaggons, die im Schatten von Eukalyptusbäumen standen. „Nur für den Fall, dass Sie es noch nicht wissen: Betten sind auch zum Schlafen da, nicht nur für Sex. Wir können eine Mauer aus Kissen zwischen uns aufbauen.“

Grace biss die Zähne zusammen, um nicht loszuschreien.

Mitch warf ihr einen Blick von der Seite zu. „Ich habe nicht vermutet, dass Sie diese Nachricht gefasst aufnehmen. Aber sehen Sie, wir müssten weit zurückfahren, um etwas anderes zu finden, und morgen früh müssten wir hierher zurückkommen. In diesen entlegenen Gegenden kann einem alles Mögliche widerfahren. Aber ich bin mit von der Partie, wenn Sie es auch sind.“

„Natürlich sind Sie das!“, schrie sie.

Mitch hielt den Wagen auf dem ihnen zugewiesenen Parkplatz an und stellte den Motor ab. Dann wandte er sich ihr zu. „Was soll das heißen?“

„Es juckt Sie natürlich nicht, eine weitere Nacht mit einer Frau das Bett zu teilen, die Sie kaum kennen. Das ist … Das ist ja Ihr Hobby!“ Sie warf die Hände hoch, um ihre Worte zu unterstreichen.

Mitch fing eine Hand auf und hielt sie fest wie ein Schraubstock. „Wenn wir hier schon von Hobbys reden, Miss Robbins, dann sollte ich Sie vielleicht daran erinnern, dass ich Augenzeuge eines Ihrer Hobbys war. Nicht jede Frau begrüßt gern Männer in Unterwäsche an der Haustür.“

Oh nein! Grace sah Mitch erschrocken und sprachlos vor Entsetzen an. Er hat es die ganze Zeit gewusst!

Sekundenlang sah Mitch sie streng an, und der Griff um ihre Hand verstärkte sich. „Können Sie jetzt vielleicht aufhören, so moralisch zu tun und sich einfach wie ein erwachsener Mensch verhalten? Ich habe schon gesehen, was Sie zu bieten haben. Und ich habe auch schon versprochen, dass ich Sie nicht anrühre.“ Er ließ ihre Hand los und öffnete die Wagentür. „Wenn Sie als Erste duschen gehen möchten: Das Bad ist am Ende des Waggons.“

Mit steifen, mechanischen Bewegungen kletterte Grace aus dem Pick-up. Sie war sich nicht sicher, was sie mehr kränkte – Mitchs Enthüllungen über den peinlichen Vorfall in Henrys Wohnung, die Behauptung, dass sie sich benehme wie ein dummes kleines Mädchen, oder die Andeutung, dass er nicht im Entferntesten an ihr als Frau interessiert sei.

Komm mal wieder zu Verstand, Mädchen! schalt sie sich, als sie ihm in den Waggon folgte. In der einen Minute bist du verschreckt, weil dieser Mann dich anfassen könnte, und in der nächsten regst du dich auf, weil er verspricht, es nicht zu tun.

Doch sie musste einfach immer wieder an seinen Kuss denken, an die wunderbare Berührung und an die Art, wie er sie festgehalten hatte, als wäre sie etwas ganz Besonderes. Deshalb war es ganz wichtig, sich ins Gedächtnis zurückzurufen, dass Mitch Wentworth sie im Moment als nichts anderes betrachtete als eine effiziente Angestellte. Und das war es ja auch, was sie wollte.

Sie würde seinen Kuss vergessen müssen. Mitch hatte ihn vielleicht schon vergessen, bevor er ihre Wohnung verlassen hatte. Er war mehr an ihrem Curry als an dem Kuss interessiert gewesen.

Dennoch war die lockere, kameradschaftliche Atmosphäre, die den Tag über geherrscht hatte, zum Abendessen einer angespannten gewichen. Der Schrecken der Nacht, die vor ihr lag, schwebte über Grace, und als sie Mitch gegenübersaß, war sie lächerlich nervös.

Der Speiseraum der Undara Lodge war ein großes Holzdeck, das von riesigen Segeltuchplanen vor den Elementen geschützt wurde, und rings um sie saßen entspannte, glückliche Touristen und lachten und redeten in verschiedenen Sprachen. Ihre Stimmung stand in krassem Gegensatz zu Grace’ Laune. Diese Leute waren in Urlaub, sie hatten Lust auf ein Abenteuer im Busch und wollten eine schöne Zeit verbringen.

Grace spielte mit ihrem in Wein, Akazienkernen und Bergpfeffer marinierten Huhn, und Mitch ließ sich Georgetown-Würstchen schmecken, während er die wichtigen Punkte hervorhob, auf die sie am nächsten Morgen bei ihrer Tour in die Lavatunnel achten mussten.

Aber Grace wusste, dass er sich über ihre Befangenheit lustig machte. An der Oberfläche wirkte er cool und geschäftsmäßig. Er holte ein kleines Notizbuch aus seiner Hemdtasche und notierte einige wichtige Fragen, die sie stellen mussten, wenn sie diesen Ort als Drehort nutzen wollten. Aber sicher amüsierte er sich im Stillen. Das Glitzern in seinen Augen verriet ihn.

„Ich vermute, dass Sie bei all dem, was Sie gelesen haben, auch etwas über die geologische Entstehung der Lavatunnel gelernt haben“, sagte er.

Grace tupfte ihre Lippen mit der Serviette ab und antwortete ihm mit möglichst viel Würde: „Das habe ich tatsächlich.“

„Können Sie mich informieren, in einfachen Sätzen, die auch jemand aus dem Filmgeschäft versteht?“

Sie trank einen Schluck Wein und gönnte Mitch einen Blick, der, wie sie hoffte, eisig genug war, um sein Lächeln gefrieren zu lassen. „Vor hundertneunzigtausend Jahren sind in dieser Gegend Vulkane ausgebrochen. Breite Lavaströme ergossen sich überallhin. Hauptsächlich folgten sie alten Flussläufen. Die äußere Lavaschicht kühlte sich schneller ab und härtete aus, aber die heißere Lava im Innern floss weiter und formte so ganze Tunnel. Die Tunnel hier sind die am besten erhaltenen und beeindruckendsten in der ganzen Welt.“

„Danke, Grace.“ Ein kleiner Muskel neben seinem Mundwinkel zuckte, als er ihnen Wein nachschenkte.

Grace sah in stummer Wut auf ihren Teller. Wie, um alles in der Welt, war es so weit gekommen? Sie hatte nicht einmal ein Büro mit diesem arroganten Mann teilen wollen, der sich so rücksichtslos seinen Weg in die Filmgesellschaft gebahnt hatte, und nun teilte sie sogar – sein Bett!

Als Mitch mit dem ersten Gang fertig war, fühlte Grace sich wie ein zitterndes Häufchen Elend. „Ich bin nicht sehr hungrig.“ Sie legte Messer und Gabel sorgfältig neben den halb leer gegessenen Teller. „Ich möchte kein Dessert oder Kaffee. Aber bleiben Sie ruhig, und essen Sie weiter.“

Mitch erhob sich höflich, als sie den Tisch verließ. „Sehen Sie zu, dass Sie gut zugedeckt sind und fest schlafen, wenn ich zurückkomme“, sagte er sanft, und seine Augen blitzten belustigt.

Grace stürmte den kurzen Pfad zu ihrem Waggon entlang, lief hinein und schlug die Tür zu. Dann lehnte sie sich zitternd dagegen. Mitch war wirklich abscheulich. Wie konnte der arme George Hervey seinen erzwungenen Ruhestand genießen, wenn er wusste, dass dieser Grobian seine kleine Firma ruinierte? Mitch hatte vielleicht Geld und Ideen, aber seine persönlichen Eigenschaften ließen einiges zu wünschen übrig!

Noch immer wütend, zog sie ihren Pyjama an. Zum Glück hatte sie einen anständigen Baumwollschlafanzug dabei, mit langen Ärmeln und langen Beinen. Leider war er pink mit kleinen weißen Herzchen, aber zumindest ließ er keinen Teil von ihr unbedeckt. Sie steckte das Oberteil in die Hose, zog den Tunnelzug fest und sicherte ihn mit einem Doppelknoten.