Chimeira - Daniel Scheuerer - E-Book

Chimeira E-Book

Daniel Scheuerer

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Beschreibung

Frank Walter war ein ganz normaler Londoner Detective, bis ein grausamer Mord sein Leben verändern sollte. Getrieben durch den Ehrgeiz ein Monster zu finden, endeckt er Gefühle, die er lange verloren geglaubt hatte. Doch schon bald muss er feststellen, das er vor der Gefahr steht alles wieder zu verlieren.

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Seitenzahl: 266

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Chimeira

Kapitel 1

Blut. 

Ich war sowieso schon am Ende meiner Kräfte, doch der rostige Geschmack führte auch noch dazu, dass sich mein Hals zusammenzog. Die Erschöpfung übermannte mich nahezu, und die Verletzungen aus dem Kampf taten ihr übriges, doch ich ergriff meine Pistole voller Entschlossenheit noch stärker und rannte ihm weiter hinterher. Der Regen peitschte mir ins Gesicht als ich ihm durch den nebeligen Park folgte. Meine Schuhe blieben in dem schlammigen Boden fast stecken, aber ich rannte weiter. 

‚Du darfst ihn nicht entwischen lassen‘, redete ich auf mich ein, und versuchte damit die Schmerzen die sich mittlerweile in meinen Beinen ausbreiteten, mit Entschlossenheit zu übertönen. Immer wieder stolperte ich über Wurzeln, kleine Sträucher, oder einfach nur Steine die herumlagen. Mit der Leichtigkeit einer Gazelle sprang er über eine kleine Mauer und sein wehender schwarzer Mantel flog hinter ihm her. Nur mit Mühe konnte ich mich über das Mäuerchen hinüber hieven. Doch die Verfolgung ging weiter. Ich konnte ihn durch den dichten Regen kaum mehr sehen, als er plötzlich vor einer Reihe Steine stehen blieb. 

Im ersten Moment hatte mein Gehirn ignoriert wo wir angekommen waren, doch ich wusste es genau. Es war der Friedhof. 

„Dreh dich um und wirf die Waffe weg“, rief ich ihm zu, und richtete meinerseits meine Waffe auf ihn. Ich wusste nicht ob er mich hören konnte. Der Sturm war relativ laut, und ich stand nicht gerade neben ihm. Er warf die Waffe weg, machte aber keine Anstalten sich umzudrehen. 

„Umdrehen habe ich gesagt, aber langsam!“, wiederholte ich meine Aufforderung, die Waffe immer noch auf seinen Rücken gerichtet. Ganz langsam drehte er sich um. Ich spürte, dass er mir in die Augen sah, aber ich konnte sein Gesicht unter seiner Kapuze fast nicht erkennen. Er grinste mich an. Irritiert ging ich langsam auf ihn zu. Doch als ich sah vor welchem Grab er stand, spürte ich wie die Wut in mir zu kochen begann.

„Du mieses Schwein!“, schrie ich, und drückte ab.

Kapitel 2

Dann wachte ich auf.

Schweißgebadet und mit rasendem Puls lag ich in meinem Bett und sah mich erschrocken um. Ich war in letzter Zeit schon das ein oder andere Mal Schweißgebadet aufgewacht, aber meist konnte ich mich nicht oder nur schwammig daran erinnern was ich geträumt hatte.

Dieser Traum allerdings was sehr real gewesen. Mehr als real. Doch außer mir war das Zimmer leer. Ein kahles, fast steriles Hotelzimmer am Rande Londons, wie ich sie bereits zu hunderten gesehen und bewohnt hatte. Ich hasste Hotelzimmer, aber mein Job brachte mich ans entgegengesetzte Ende der Stadt, und ich hatte keine Lust mehr, nachts durch die ganze Stadt nach Hause zu fahren. Deshalb quartierte ich mich spontan über Nacht in diesem kleinen Hotel ein. Da ich den Hotelier kannte, machte er mir einen Sonderpreis und ich musste kein Vermögen für die Übernachtung ausgeben.

Mein Körper beruhigte sich nur mäßig, aber dennoch beschloss ich aufzustehen und mich zu kultivieren. Ich zog meinen Schlafanzug aus und stieg unter die Dusche. Das kalte Wasser tat meinem aufgewühlten Körper gut, und ich glaubte jeden einzelnen Wassertropfen an meinem Torso und meinen Beinen hinab rinnen zu spüren. Mit jedem Tropfen kehrte ein wenig mehr Ruhe in meinen Körper zurück. Nach der kalten Dusche trat ich aus der Duschkabine heraus und lies für kurze Zeit die kühle Luft meinen Körper umströmen. Ich atmete tief durch und ging zum Waschbecken um mich zu rasieren. Meine Hände zitterten immer noch ein wenig, sodass ich mich während der Rasur ein zwei Mal in den Hals schnitt. Ich sah zu, wie ein winziger Topfen Blut aus dem Schnitt heraus quoll und langsam anfing meinen Hals hinab zu wandern. Wie gebannt sah ich auf den Tropfen, bis ich von einer lauten Hupe auf der Straße wieder aus meiner Trance gerissen wurde.

'Du musst was essen’, sagte ich zu mir selbst, zog mich an und machte mich auf den Weg nach unten.

Als ich in den Speisesaal kam um zu frühstücken, kam ich mir beobachtet vor. Es waren nur zwei andere Tische besetzt. Im Winter kamen nahezu keine Touristen nach London, was man ihnen bei dem hiesigen Wetter eigentlich auch nicht verdenken kann. Ich lebte nun bereits fünfzehn Jahre hier, und hatte mich noch nicht daran gewöhnt, obwohl mein Job als Detective mich oft dazu zwang mich eher draußen im kalten Regen aufzuhalten, als drinnen in einer warmen Stube.

Als ich am Buffet angekommen war, war ich mäßig begeistert über die Auswahl an Wurst und Käse, aber ich stellte mir ein relativ reichhaltiges Frühstück mit gebratenen Würstchen, etwas Käse und einer großen Tasse Kaffee zusammen und suchte mir einen möglichst vor Blicken geschützten Tisch. Ich nahm einen großen Schluck Kaffee und wollte gerade anfangen zu essen, als mein Handy klingelte.

„Ja?“, raunte ich eher missmutig als freundlich in den Hörer. 

„Detective Walter?“ 

„Ja, der bin ich.“, antwortete ich. 

„Hier spricht Constable Crane. Lieutenant McKinsey hat mir ihre Telefonnummer gegeben. Sind sie bereits auf dem Weg hoffe ich?“ 

„Ich frühstücke noch fertig, dann mache ich mich sofort auf den Weg. In zehn Minuten ungefähr.“ 

„Ok. Beeilen sie sich.“ Dann legte er auf. 

Seine Stimme hatte einen leichten angsterfüllten Unterton. Völlig verwirrt klappte ich mein Handy zu und grübelte darüber nach. Die Stimme des Constables klang nicht nach einem zwanzigjährigen Rookie, der gerade erst aus der Polizeischule gekommen war. Er war wahrscheinlich schon länger Polizist, also was konnte so grausam sein, einen ausgewachsenen Polizisten so zu verunsichern. 

Ich war gespannt was mich an diesem Tatort erwarten würde. Man hatte mir gesagt, dass es sich um einen eher ungewöhnlichen Tatort handeln sollte, aber ich erfuhr noch nicht warum. Ich meinte mich zu erinnern, dass auch der Ausdruck „starker Magen“ gefallen sein könnte. Mit den wildesten Hirngespinsten im Kopf aß ich mein Frühstück fertig und machte mich auf den Weg.

Ich stieg in meinen alten Saab - nicht mehr das schönste Auto, aber es hatte mir lange Jahre gute Dienste geleistet. Nach anfänglichem stottern sprang der Motor unter Ausstoß einer riesigen blauen Rauchwolke an, und ich fuhr los Richtung Tatort. Aufgrund der günstigen Lage des Hotels hielt sich die Dauer der Fahrt trotz des dichten Verkehrs in Grenzen. Auch auf der Fahrt ließ mich der Unterton in der Stimme des Constables nicht los, und ich merkte wie es mich auch ein wenig verunsicherte. So sehr, dass ich vollkommen abgelenkt fast noch einen Auffahrunfall an einer Ampel fabriziert hätte. Ich schüttelte kurz meinen Kopf und riss mich wieder zusammen. Kurze Zeit später konnte ich auch schon von weitem einen Menschenauflauf sehen.

Am Tatort angekommen erwartete mich das übliche Szenario. Zahlreiche Polizisten die vergeblich versuchten schaulustige Passanten davon abzuhalten den Tatort zu betreten und andere, die versuchten die Presse davon abzuhalten ein Bild für die morgige Zeitung zu ergattern. Irgendwo zwischendrin die Männer der Spurensicherung in weißen Overalls die jeden einzelnen Millimeter nach Fingerabdrücken durchforsteten und mittendrin ein verzweifelter Lieutenant, der Mühe hatte irgendwie Ordnung in das ganze Chaos zu bringen. 

Der Tatort befand sich in einem kleinen Hotel in Soho im ersten Stockwerk. Der Lieutenant war so beschäftigt, dass er nicht einmal bemerkte wie ich das Hotel betrat. Als ich allerdings die Treppe zum ersten Stock hinaufgehen wollte, bat mich ein engagierter junger Polizist, ihm meinen Ausweis zu zeigen, da niemand den Tatort betreten dürfe, der nicht mit dem Fall zu tun hätte. 

„Sie verstehen schon, Geheimhaltung und so…“ 

hatte er mit einem leichten Zittern in der Stimme gesagt. 

„Kein Problem“, antwortete ich und kramte meinen Ausweis aus der Innentasche meines Trenchcoats hervor. 

„Bin gleich wieder da“, meinte er und lief mit meinem Ausweis in Richtung Lieutenant. 

Er zeigt ihm meinen Ausweis und dieser Nickte eifrig und schickte den jungen Kollegen mit einer hastigen Handbewegung zurück zu mir. Erst jetzt viel mir auf, wie verängstigt der junge Polizist aussah, und als ich mich umsah bemerkte ich, dass alle hier anwesenden Polizisten diesen Gesichtsausdruck zu haben schienen.

Als ich das Zimmer betrat, blieb ich völlig schockiert stehen und konnte nahezu spüren, wie jegliche Farbe aus meinem Gesicht entwichen sein musste. Nun verstand ich warum niemand wollte, dass der Tatort gesehen wurde, geschweige denn, dass die Presse ein Bild bekam. 

In der Mitte des Zimmers lag eine, mit dem Gesicht nach unten platzierte, übel zugerichtete Leiche. Ein Mann, den ich auf ungefähr Mitte vierzig schätze, und der aufgrund der Klamotten und Anzüge die auf dem Bett und im Hotelzimmer verteilt waren anscheinend ein Geschäftsmann oder Bankier gewesen sein musste. Sein Körper war nahezu unmenschlich zugerichtet worden. Der Mörder hatte unzählige Zeichen, Zahlen und Buchstaben in den Rücken, die Beine und die Arme geritzt. Ich brauchte den Körper nicht einmal herumzudrehen um zu sehen, dass auch das Gesicht und der Brustkorb ähnlich zugerichtet waren. Die Kehle des Opfers war durchtrennt worden, und der Mörder musste das austretende Blut gesammelt haben, denn auch die gesamten vier Wände des Zimmers waren über und über mit roten Zahlen beschmiert. 

Ich versuchte irgendwie eine Ordnung innerhalb des Zahlenmusters zu erkennen, aber mir fiel auf den ersten Blick nichts auf, was irgendwie auch nur den geringsten Sinn zu ergeben schien. Ich spürte, wie das Frühstück eindringlich versuchte, sich wieder den Weg nach draussen zu bahnen. Bleich wie ein Geist stolperte ich rückwärts wieder aus dem Zimmer und versuchte mich erst einmal von dem Schreck zu erholen. 

Nachdem ich ein paar Mal tief durchgeatmet hatte, ging ich wieder nach unten um den Lieutenant zu finden. Ich sah ihn im Untergeschoss beim Eingang, wild fuchtelnd und bereits ziemlich erschöpft. „Lieutenant McKinsey?“ 

Er sah mich entgeistert und ein wenig ungläubig an. „Ja?“ 

Ich schüttelte ihm die Hand. 

„Mein Name ist Detective Frank Walter. Ich bin hier wegen Ihrer Leiche im Obergeschoss.“ 

Er überging meinen leicht erzwungenen Witz und erwiderte etwas gestresst. 

„Gott sei dank sind Sie da. Fühlen sie sich wie zu Hause, aber bitte fangen sie an. HEY, SIE DA! DRAUSSEN BLEIBEN!“ 

Er rannte einem Reporter hinterher, der es geschafft hatte zwischen den Polizisten durch die Sperre am Eingang durchzukommen und sich hastig auf den Weg ins Obergeschoss machte. Der Lieutenant war offensichtlich zu beschäftigt um die zahlreichen Fragen, die ich noch hatte zu beantworten, deshalb beschloss ich wieder nach oben zu gehen. Vor dem Zimmer holte ich noch einmal tief Luft, und ging langsam Stufe für Stufe wieder nach oben. Es war regelrecht spürbar, wie die Anspannung in der Luft mit jeder Stufe immer größer wurde.

Die Spurensicherung war größtenteils fertig mit ihrer Arbeit, also ging ich zu demjenigen, der aussah, als hätte er die meisten Informationen.

“Guten Tag. Ich bin Detective Walter, schon irgend-etwas Interessantes gefunden?“ 

„Nicht wirklich, diverse Haare waren im Zimmer verstreut, aber wir wissen noch nicht ob sie vom Täter oder vom Opfer stammen. Der Zustand der Leiche gibt auch noch keinen Aufschluss darüber ob ein Kampf stattgefunden hat. Wir müssen es wohl dem Gerichtsmediziner überlassen das herauszufinden. Armer Kerl.“ 

Obwohl ich es ein wenig unhöflich fand, dass er sich nicht einmal die Mühe machte sich vorzustellen, entschied ich mich ihn nicht zurechtzuweisen, da er wahrscheinlich auch nur unter Schock stand, wie die meisten hier. 

„Gibt es schon irgendwelche Zeugen?“ 

„Nein, leider auch noch nicht, aber wir sind dabei alle Angestellten des Hotels und alle Ladenbesitzer in der Umgebung zu befragen ob ihnen irgendetwas Merkwürdiges aufgefallen ist.“, antwortete er leicht entmutigt. 

„Weis man wenigstens schon wer der arme Kerl ist?“, fragte ich als letztes noch mit einem Funken Hoffnung, dass der Täter vielleicht den Ausweis oder Führerschein des Opfers hatte liegen lassen. 

„Nein leider auch nicht“, war die ernüchternde Antwort. „Ok, vielen Dank“, quittierte ich seine etwas spartanischen Informationen und verabschiedete mich wieder. 

Nach dem ich noch einmal tief durchgeatmet hatte, ging ich zurück in das Zimmer, zu der Leiche. Ich sah mich in dem Zimmer nach irgendwelchen Hinweisen um, die vielleicht jemand ignoriert hatte, aber ich fand nichts. 

Trotzdem lies mich das dumpfe Gefühl nicht los, dass ich irgendetwas übersehen hatte. Aber auch die Zahlen an den Wänden wollten mir ihr Geheimnis nicht verraten. Also holte ich meine Digitalkamera heraus, und machte Fotos vom ganzen Tatort und jedem Zentimeter der Wände, damit ich sie mir später noch einmal genau ansehen konnte. Vielleicht würde ich ja in einer ruhigeren Minute und ohne den ganzen Trubel um mich herum herausfinden was die Zahlen zu bedeuten hatten. Auch von der Leiche machte ich so viele Hochauflösende Bilder wie möglich, um später jede Kleinigkeit auf den Fotos erkennen zu können. 

Als ich damit fertig war den Rücken und die Rückseite der Beine und Arme zu Fotografieren, bat ich zwei Helfer der Spurensicherung mir beim Umdrehen der Leiche zu helfen, damit ich auch von der Vorderseite Bilder machen konnte. 

Als wir die Leiche herumgedreht hatten, blieb uns allen der Atem kurz im Hals stecken. Das Gesicht des Opfers war, wie ich bereits vermutet hatte, bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Ich schluckte die bittere Galle, die mir im Hals steckte herunter, und machte auch von der Vorderseite so viele Bilder wie möglich um jedes Detail festhalten zu können. Auch wenn ich mir nicht sicher war ob ich jedes Detail davon festhalten wollte. 

Als ich fertig war legten wir die Leiche wieder zurück, und ich machte mich auf den Weg aus dem Zimmer. Beim hinausgehen sah ich noch einmal zu der Leiche hinüber und ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich versuchte mir vorzustellen was für ein Mensch zu so etwas fähig war.

Kopfschüttelnd ging ich aus dem Zimmer.

Wieder unten angekommen musste ich grinsen als ich sah wie Lieutenant McKinsey immer noch verzweifelt versuchte die Horden wilder Journalisten und Schaulustiger abzuhalten. Die Szenerie erinnerte mich ein wenig an den Zerberus, den Hund der laut der griechischen Mythologie den Eingang zur Hölle bewachte. Bei dem Anblick der sich mir dort oben im ersten Stock geboten hatte, schien mir dieser Vergleich gar nicht so weit hergeholt. 

Ich schlängelte mich an den Uniformierten vorbei nach draußen und ging zu meinem Auto. Wenn ich nicht so in Gedanken versunken gewesen wäre, dann hätte ich auf dem Weg vielleicht den Mann unter der tiefen schwarzen Kapuze gesehen, der gegenüber im Schatten versteckt, in einer Hinterhofeinfahrt stand und das ganze selbstgefällig beobachtete. So allerdings ging ich weiter unbeirrt zu meinem Auto, startete den Motor und fuhr los. 

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass dieser Fall mein Leben wahrscheinlich für immer verändern sollte.

Kapitel 3

Henry duckte sich tief in den dunklen Schatten der Hinterhofeinfahrt als er das Schauspiel gegenüber beobachtete. Er grinste in sich hinein als er den Detective mit fragendem Gesicht aus dem Haus kommen und zu seinem Auto laufen sah. 

Niemand würde irgendeine Spur finden. Niemand würde ihn finden. Niemand würde erfahren, dass er den Mord in dem Hotelzimmer begangen hatte. Alles war nach Plan verlaufen. 

Er hatte sorgfältigst alle Spuren gelegt, genau so wie er es vorher beabsichtigt hatte, und er hatte peinlichst darauf geachtet keine einzige falsche Spur zu hinterlassen. Man würde ihn nicht daran hindern können seine düsteren Absichten bis zum bitteren Ende hin durchzuziehen. Sein Plan war perfekt.

Er musste immer noch grinsen, als er zurück nach hinten in den Hinterhof lief, in sein Auto einstieg und in die düstere Nacht davonfuhr.

Kapitel 4

Immer noch vollkommen von dem Tatort verwirrt, fuhr ich nach Hause in einen kleinen Ort namens Tadley, etwa 50 km außerhalb von London. 

Ich fühlte mich dort wohler als in der großen, hektischen Atmosphäre einer Großstadt wie London. Außerdem konnte ich in der gewohnten Umgebung meines Wohnzimmers besser denken, als dort in irgendeinem kahlen Hotelzimmer. An die Fahrt konnte ich mich danach nicht mehr wirklich erinnern. Zu sehr war ich in meine Gedanken und die schauerlichen Erinnerungen an den Tatort versunken. So sehr, dass ich beinahe meine Ausfahrt verpasst hätte, doch im letzten Moment konnte ich noch einlenken und weiter dem richtigen Weg folgen.

Zu Hause angekommen ging ich in meine Wohnung und setzte mich auf mein Sofa. Ich schenkte mir als erstes ein Glas 16 Jahre alten Single Malt ein, und nahm einen Schluck um mich zu beruhigen. Verwirrt und schockiert gleichzeitig versuchte ich meine Gedanken zu ordnen.

Nachdem ich ungefähr eine Viertelstunde auf meinem Sofa sitzend ins leere gestarrt hatte, beschloss ich mich an die Arbeit zu machen. Ich lies mein Notebook hochfahren und schenkte mir in der Wartezeit noch einen kleinen Whiskey nach. Ich kopierte die Bilder vom Tatort auf die Festplatte und machte mir von jedem einen Ausdruck. Anschließend setzte ich mich auf mein Bett und breitete die Bilder vor mir im Halbkreis aus. Ich versuchte zu rekonstruieren in welcher Reihenfolge ich die Bilder von den Wänden gemacht hatte. Nachdem ich alle Wände des Tatorts einzeln nachgebaut hatte ging ich einen Schritt zurück um sie noch einmal in Ihrer ganze betrachten zu können, aber ich konnte immer noch kein Muster innerhalb der Zahlen erkennen. 

Auch die Bilder die ich von Bett und Boden gemacht hatte, ließen keinen Spuren erkennen. Die Bilder von der Leiche erschienen mir seltsam bizarr, so als könnten sie nicht real sein, doch leider wusste ich, dass ich sie selbst geschossen hatte und wurde ein weiteres Mal von der Grausamkeit der Tat erschüttert. Ich hatte noch nie eine derart zugerichtete Leiche gesehen. Die Zeichen und Zahlen waren mit größter Sorgfalt in die Haut geritzt worden. Wahrscheinlich mit einem Skalpell, oder einem ähnlich scharfen Messer. Allerdings mussten die Wunden nach dem Tod zugefügt worden sein, da aus den Schnitten so gut wie kein Blut ausgetreten war und auch ansonsten kaum Verkrustungen zu sehen waren.

‚Immerhin wurde ihm diese Qual erspart‘, dachte ich mir, auch wenn das nur ein kleiner Trost zu sein schien.

Ich machte mich an die Arbeit und versuchte, wie in einem grausamen Puzzle, mit den vielen Bildern die ich gemacht hatte zu rekonstruieren, wie die Leiche gelegen hatte. Ich legte die Bilder aneinander, um mir noch einmal ein Bild von der Situation machen zu können. 

Nach etwa einer halben Stunde war ich fertig und das Ergebnis war, dass ich nun nichtmehr nur eine, sondern zwei grausam verstümmelte Leichen in meinem Wohnzimmer liegen hatte. Eine auf dem Bauch, die andere auf dem Rücken liegend. 

Ich versuchte mich zu konzentrieren, und begann damit, die Symbole, Zahlen und Buchstaben, die überall auf dem Körper verteilt waren zu entziffern und Aufzuschreiben. Einige davon sahen zwar aus wie Buchstaben, waren mir allerdings nicht bekannt.

Als ich damit fertig war, beschloss ich mich ein wenig abzulenken und ging in meine Stammkneipe um die Ecke, O’Neills Pub, um einen Happen zu essen. Schon als in die Kneipe betrat sah ich meinen guten Freund Grizzly an der Bar stehen. Jedes mal wenn ich ihn sah, viel mir wieder ein, dass ich eigentlich nie gefragt hatte, wie er wirklich heißt, aber jedes mal vergaß ich es auch wieder. Ich hatte ihn als Grizzly kennen gelernt, und auch jeder andere nannte ihn Grizzly, deshalb war es mir auch egal. Grizzly war sein Spitzname und entstand deshalb, weil er seit ewigen Zeiten der hiesige Förster hier in der Umgebung von Tadley war und mit seinem bärtigen Gesicht auch wie ein Grizzly aussah. Außerdem hatte er durch seinen Beruf ein recht breites Kreuz bekommen, was den Namen ebenfalls rechtfertigte. 

Ich hatte bereits im Vorfeld vermutet ihn hier zu treffen, da er mehr oder weniger den ganzen Tag in diesem Pub zubrachte. 

„Hey Grizzly“, rief ich um ging rüber zu ihm an die Bar. Dort angekommen klopfte er mir auf die Schulter und meinte, 

„Hey Walter altes Haus, alles im Lot?“ 

„Jou, alles klar“, versuchte ich so nonchalant wie möglich zu antworten. 

„Bin nur hier um einen bissen zu essen, und ein wenig zu plaudern. Du weist schon, den Kopf ein wenig frei kriegen.“ 

Doch anscheinend konnte ich meinen gestressten Gesichtsausdruck nicht verbergen. 

„Schwieriger Fall, hm?“, fragte er. 

„Nein nein“, winkte ich ab, „es ist alles in Ordnung“, und versuchte die Aufmerksamkeit mehr auf den Barkeeper zu lenken. 

Ich winkte ihm hektisch zu, doch er schien mich irgendwie zu ignorieren. 

„Komm schon Walter, wie lange kennen wir uns? Du kannst mir doch nichts vormachen.“ 

„Na gut.“ Ich resignierte und erzählte ihm von der Leiche in dem Hotelzimmer. 

Ob es ein schwieriger Fall wird, oder nicht, wusste ich noch nicht. Ich war jetzt bereits seit 20 Jahren bei der Polizei, aber es erschütterte mich jedes Mal, wenn Menschen solch grausame Taten begehen können. Insgeheim hatte ich mir wahrscheinlich bereits gedacht, dass Grizzly mit mir darüber reden wollen würde, und hatte auch ein paar Bilder eingesteckt. 

Ich hatte schon oft mit ihm über meine Fälle geredet, und er hatte mir schon das eine ums andere mal eine gute Idee in den Kopf gesetzt. Deshalb zeigte ich ihm auch die Bilder von diesem Fall. Grizzly war ein harter Brocken, doch selbst er zuckte zusammen als er die verstümmelte Leiche auf den Bildern sah, und man sah ihm an wie auch er seinen Magen beherrschen musste. 

Inzwischen hatte ich es geschafft mir eine Kleinigkeit zu essen und ein Guinness zu bestellen, welches der Barkeeper mir soeben brachte. Ich steckte die Bilder wieder ein und Grizzly saß Kopfschüttelnd neben mir. „Weist du schon was über die Kritzeleien auf dem Kerl?“ 

„Nicht wirklich. Ich habe über eine Stunde lang alles notiert was ich auf meinen Bildern gefunden habe, aber ein Muster oder etwas Ähnliches habe ich noch nicht gefunden. Die Wände in dem Hotelzimmer in dem wir ihn gefunden haben sahen genauso schlimm aus. Ich weis noch nicht was er uns damit sagen will. Außerdem sind einige Zeichen noch nicht mal Buchstaben, jedenfalls keine die ich schon mal gesehen habe. Ein paar haben ein wenig wie kyrillische oder griechische Buchstaben ausgesehen. Vielleicht sagt uns das was darüber wo der Typ herkommt.“, erzählte ich und zuckte resignierend mit den Schultern. Genüsslich schlürfte ich an meinem Guinness. 

„Ich glaube nicht, dass dir das was bringt“, antwortete Grizzly trocken. 

„Wie kommst du darauf?“ 

„Naja der kann doch da draufschreiben was er will. Wenn er altägyptische Hieroglyphen drauf gemalt hätte, würdest du dann vermuten, dass es Tut-Ench-Amun war?“ 

Er lachte schallend los, und auch ich musste schmunzeln. Damit hatte er in der Tat recht, und es ärgerte mich ein wenig, dass mir das nicht sofort aufgefallen war. Ich tröstete mich damit, dass ich wahrscheinlich von dem grausamen Anblick immer noch ein wenig unter Schock gestanden hatte. 

Danach versuchte ich mich ein wenig abzulenken und wir unterhielten uns noch eine Zeit lang während ich mein Essen genoss. Anschließend verabschiedete ich mich, trank aus und ging zurück nach Hause. Dort angekommen, sah ich, dass das Licht an meinem Anrufbeantworter blinkte. Einer der Männer der Spurensicherung hatte angerufen während ich im Pub nebenan war, und er meinte ich solle ihn zurückrufen wenn ich wieder zu Hause wäre, was ich auch gleich tat. 

„Hi, Detective Walter hier. Sie hatten mich angerufen?“ 

„Ja“, antwortete er, „ich wollte ihnen nur sagen, dass wir unter dem Bett ein paar Haare gefunden haben, die der Mörder dort vergessen haben muss. Anhand der Haarfarbe konnten wir bereits ausschließen, dass die Haare zum Opfer gehören. Die Haare wurden bereits zur Gerichtsmedizin geschickt, um sie einer DNS Untersuchung zu unterziehen. Morgen werden wir also vielleicht wissen wem die Haare gehören.“ 

Meine Laune besserte sich wieder. Morgen um diese Zeit würden wir eventuell wissen wer der Mörder war, und womöglich würden wir ihn mit etwas Glück vielleicht bereits gefasst haben. 

„Vielen Dank, das sind doch mal gute Nachrichten. Ich werde morgen ins Präsidium kommen und mir die Ergebnisse ansehen. Auf Wiedersehen.“ 

„Bis Morgen. Auf Wiedersehen.“

Den Rest des Nachmittags verbrachte ich damit mir nochmal die Bilder, die ich von den Wänden gemacht hatte, anzusehen. Es musste einfach möglich sein ein Muster zu erkennen. Doch auch nach weiteren Stunden pausenlosen Starrens blieb mir das Rätsel der Zeichen verborgen. Missmutig und ein wenig enttäuscht ging ich schließlich ins Bett.

Kapitel 5

Als Eddie Meyers an diesem Morgen aufstand wusste er noch nicht, dass er als nächstes an der Reihe war. Er tat alles was er an jeden normalen Morgen auch getan hätte. 

Er stand auf, duschte sich und putzte sich die Zähne. Wenn er gewusst hätte, dass er heute Abend nicht zurückkommen würde, hätte er sich vielleicht ein wenig anders von seiner Frau verabschiedet, doch so rief er nur ein belangloses „bis heute Abend“ in Richtung Schlafzimmer und fuhr los in Richtung Arbeit. 

Er hatte gute Laune, und dachte auch nicht daran, dass irgendetwas an diesem Tag seine Laune trüben konnte. Auch während der Arbeit passierte nichts Unerwartetes. Er war nett zu seinen Kollegen, seine Kollegen waren nett zu ihm, und als er am Ende seines Arbeitstages aus seinem Büro zu seinem Auto lief, freute er sich bereits wie ein Kind auf ein schönes, hausgemachtes Abendessen, dass seine Frau wie jeden Abend für ihn gezaubert hatte.

Auf den Weg durch die Tiefgarage dachte er einen Schatten gesehen zu haben, der ihn verfolgte. Erschrocken sah er sich um, doch er konnte nichts erkennen, also dachte er sich, dass ihm sein Gehirn wohl nach einem langen Arbeitstag einen Streich gespielt hatte. 

Doch als er sich nach vorne beugte um sein Auto aufzusperren, sah er zwischen seinen Beinen hindurch zwei dicke Boots und einen langen schwarzen Mantel. Er wollte sich umdrehen und nachsehen wer so dicht hinter ihm stand, doch da ergriffen ihn zwei hünenhafte Arme von hinten, und der Unbekannte hielt ihm ein Tuch vor Nase und Mund. Er kannte den beißenden Geruch. Es war Äther. Doch mit dieser Erkenntnis wurde ihm schwarz vor Augen und er verlor das Bewusstsein bereits bevor er zusammensackte und auf dem Boden auftraf. 

Kapitel 6

Am nächsten Morgen wachte ich zum Krähen eines Hahnes auf. Zugegeben, es war nicht das Krähen eines echten Hahnes, es war nur die Weckfunktion meines Handys, die ich eingestellt hatte, um nicht zu spät aufzuwachen. Ich war wieder am ganzen Körper schweißgebadet aufgewacht, konnte mich allerdings nicht an meinen Traum erinnern. Vielleicht war das auch besser so, sagte ich mir selbst, in Erinnerung an den Traum von letzter Nacht. Ich hatte allgemein auch nicht sonderlich gut geschlafen, denn ich war immer noch hundemüde. 

Dennoch raffte ich mich auf aufzustehen und begann ein weiteres Mal damit mir die Fotos vom Tatort anzusehen. Doch ohne Erfolg. Ich sagte mir, dass ein nettes Frühstück mir beim denken helfen würde und ging wieder hinunter zu O’Neills. Ich bestellte mir ein paar Rühreier mit Bacon und einen großen Kaffee. Während ich wartete bis mein Essen kam, sah ich aus dem Fenster und freute mich, dass sich das Wetter wieder gebessert hatte. Wenn ich schon längere Zeit zwischen London und Tadley hin und her pendeln musste, dann wenigstens nicht in sintflutartigen Regengüssen. Als mein Essen endlich den Weg auf meinen Tisch fand, machte ich mich sogleich darüber her. Der köstlich geröstete Bacon war knusprig gebräunt und auch das Rührei schmeckte himmlisch. Ich war beinahe ein wenig enttäuscht, als ich fertig war und überlegte ob ich mir noch eine Portion bestellen sollte, entschied mich aber dagegen. Schließlich hatte ich einen Fall zu lösen.

Ich machte mich also wieder auf den Weg in Richtung des Hotels, in dem der Mord stattgefunden hatte. Als ich gerade aus dem Pub und zu meinem Auto laufen wollte, klingelte mein Handy. Es war einer der Angestellten des Labors, in dem die Haarproben untersucht wurden. „Detective Walter?“ „Ja, der bin ich.“ „Wir haben die Haare, die am Tatort gefunden wurden, untersucht, aber ich fürchte das Ergebnis wird ihnen nicht gefallen.“ Ich wusste ich würde die Frage bereuen, aber ich fragte trotzdem. „Warum?“ „Naja die DNS-Analyse ergab, dass der Inhaber der Haare nur 36 Chromosomen hat.“ Er machte eine Pause, so als ob er erwarten würde, dass ich wüsste wer oder was 36 Chromosomen hat. Ich erinnerte mich wage, dass man uns im Biologieunterricht erzählt hatte, dass ein Mensch 46 Chromosomen hatte, aber an irgendein Lebewesen mit 36 Chromosomen konnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern. Nach etwa einer halben Minute erbarmte er sich dann und meinte es handele sich bei den Beweisstücken um Haare eines Hundes. „Eines Hundes?“, antwortete ich erstaunt. 

Ich hatte mit vielem Gerechnet, aber Hundehaare standen weit unten auf meiner Liste. „Hm. Vielen Dank.“, sagte ich resignierend und wollte auflegen. 

Doch dann hatte ich eine Idee. „Moment. Können sie vielleicht rausfinden von welcher Hunderasse die Haare stammen? Vielleicht haben wir Glück und können den Halter ermitteln.“ 

Der Laborangestellte klang nicht überzeugt. „Meinen sie wirklich, dass wir aufgrund von ein paar Haaren den Halter vom einem der 3 Millionen Yorkshire-Terrier überführen können, die es in England gibt?“ 

„Wie gesagt, vielleicht haben wir Glück“, sagte ich, verabschiedete mich und legte auf. 

Ich war ein wenig enttäuscht. Zu sehr hatte ich mich bereits darauf gefreut, den Täter heute mit einem freudigen Grinsen hinter schwedische Gardinen bringen zu können. Doch das würde wohl noch ein wenig warten müssen. Ein wenig missmutig ging ich zu meinem Auto und fuhr los.

Auf dem Weg zum Tatort schwirrten mir viele unnütze und teilweise sogar sinnlose Gedanken durch den Kopf. Hirngespinste über Tatmotive und Tathergänge, die sich auf diese Art und Weise nicht einmal in einem schlechten Film zugetragen hätten können. Von eifersüchtigen Ehemännern, über Rachsüchtige Ehefrauen war alles vertreten, doch nichts schien wirklich Sinn zu ergeben. Und schließlich fehlten mir auch die Beweise um solch eine Behauptung aufstellen zu können. Ich rekonstruierte in meinem Kopf noch einmal den Tatort und versuchte mich zu erinnern ob mir irgendetwas aufgefallen war, was ich vielleicht nicht im ersten Moment gemerkt hatte. Irgendetwas von dem ich vielleicht nur dachte es wäre fehl am Platz. Ich hatte nur nach Materiellen Beweisen gesucht, aber vielleicht hatte ich dabei einen offensichtlichen Hinweis übersehen. Vielleicht irgendetwas was fehlte und eigentlich hätte da sein müssen. Doch ich konnte mich an nichts erinnern. Ich fuhr weiter Richtung Hotel, als mir plötzlich wie aus heiterem Himmel ein Geistesblitz in den Kopf schoss. Das Gepäck des Opfers. Ich hatte dem Gepäck keine weitere Beachtung geschenkt, da ich nicht davon ausging, dass es Beweistechnisch von großer Bedeutung sein konnte, doch jetzt als ich darüber nachdachte viel mir etwas auf. Ich fuhr sofort auf den nächsten Parkplatz und rannte zum Kofferraum um meine Mappe mit den Bildern vom Tatort hervorzuholen. Ich durchwühlte die Mappe und suchte alle Bilder die ich vom Gepäck des Opfers gemacht hatte, und als ich alle gefunden hatte, sah ich sie mir nacheinander an. Ich hatte mich richtig erinnert. Das Opfer hatte keinen Kulturbeutel in seinem Koffer. Keinen Rasierapparat, kein Eau de Toilette, kein Aftershave. Es erschien mir reichlich zweifelhaft, dass ein Geschäftsmann mittleren Alters auf seiner Reise Gepäck für mehrere Tage dabeihatte, aber nicht einmal einen Rasierapparat mitgenommen haben sollte, und trotzdem frisch rasiert auf dem Boden lag. Ganz sicher konnte ich mir mit meiner Entdeckung allerdings noch nicht sein, da ich dem Gepäck keine sonderlich große Aufmerksamkeit geschenkt hatte, konnte es natürlich sein, dass ich einen Rasierer zwischen der Kleidung übersehen hatte. Die Bestätigung würde wohl noch warten müssen, bis ich am Tatort angekommen war. Voller Euphorie packte ich die restlichen Fotos zurück in meine Mappe, verstaute diese wieder im Kofferraum und fuhr so schnell wie möglich wieder los Richtung Hotel.

Dort angekommen erwartete mich das übliche Bild. Eine riesige Traube von Journalisten und Fotografen versuchte verzweifelt in den ersten Stock zu kommen, um auch nur das kleinste Stückchen vom Tatort auf Film festzuhalten. Auch vor dem Hintereingang prügelten sich die Fotografen bereits um der vorderste zu sein, der nicht hineingelassen wurde. Da dies die einzigen beiden Eingänge zum Hotel waren, musste ich mich wohl oder übel durch die Menge kämpfen. Ich entschloss mich allerdings, das am Haupteingang zu tun, weil der erstens die Eingangstür größer war, und ich somit größere Chancen hatte eine Tür zu erwischen, und zweitens stand dort Lieutenant McKinsey, welcher mich bereits kannte, und mich wahrscheinlich sofort rein lassen würde, und nicht erst wieder meinen Ausweis kontrollieren musste. Ich machte mich also wieder auf den Weg zum Haupteingang, als mein Handy klingelte. Ich kannte die Nummer, es war einer der Büroleute des Präsidiums. Ich hatte seinen Namen vergessen. Ich klappte mein Handy auf und meldete mich mit meinem Namen. Ich zuckte zusammen als ich merkte wie laut ich meinen Namen gesagt hatte, und hoffte das keiner der Journalisten mich gehört hatte, denn ich hatte keine Lust auf eine Belagerung mit Mikrofonen und Kameras, und 30 Menschen die mir alle die gleichen Fragen entgegen schmetterten. Doch ich hatte Glück. Anscheinend hatte mich niemand gehört. „Guten Tag, Detective.“, sagte der Anrufer. „Wir haben herausgefunden, um wen es sich bei dem Opfer handelt. Sein Name ist Andrew Smith. Er war Vorsitzender eines kleinen Pharma-Konzerns namens Zoraine-Pharmaceuticals hier in London.“ 

„War er verheiratet?“, fragte ich. 

„Ja. Es sind bereits Leute unterwegs um die Witwe zu befragen.“ 

„Sehr gut“, meinte ich „schicken sie auch Leute in die Chefetage des Konzerns und befragen sie dort jeden, der ihnen unter die Nase kommt. Vielleicht weiß jemand was von einer Affäre von der die Frau eventuell Wind bekommen haben könnte.“