Chrisidokia - Christian Miles - E-Book

Chrisidokia E-Book

Christian Miles

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Beschreibung

+++ Vollkommen - von Janita Papendorf als Co-Autorin - überarbeitete Neuausgabe unseres 2022 veröffentlichten Buches. +++ Können Araic, der Zweischwanz- und Aidualc, der Knotenworm, die ewige Fehde zwischen den beiden Stammesteilen endlich beenden? Obwohl sie gerade erst erwachsen geworden sind, begeben sich die mutigen Freunde auf eine abenteuerliche und gefährliche Reise, die sie über den halben Planeten Chrisidokia führt und sie Vieles lernen läßt. Diese spannende Geschichte erzählt von Freundschaft, Liebe und dem Willen und der Fähigkeit, Gegensätze und Unterschiede zum Wohle Aller zu überwinden.

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Seitenzahl: 320

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

01. Die Vorgeschichte

02. Der Streit

03. Die Freunde

04. Das Uti

05. Unterwegs im Wald

06. Die Rettung

07. Das Land des Vergessens

08. Der Eisleor

09. Im Ostpol-Land

10. Sturm und Schreie

11. Die Begegnung

12. Die letzte Etappe

13. Die Ankunft

14. Der Spiegelkreis 

15. Die Entscheidung

16. Der Weg zum Ziel

17. Der Wartende

19. Wie von Zauberhand

Epilog

Über uns

Danksagungen

Impressum

2. Überarbeitete Ausgabe

erschienen im flamal publishing Selbstverlag (www.flamal.de)

Text: ©2022 - 2024 by Christian R. Miles & Janita Papendorf

Figuren: ©1998 - 2024 by Christian R. Miles (www.christianrmiles.com)

Illustrationen: ©2022 - 2024 by Cornelie Flauder (www.cornelieflauder.com)

Verantwortlich für den Inhalt:

Christian R. Miles

Zum Breitling 9

23974 Boiensdorf OT Stove, MV

eMail [email protected]

Internet:www.chrisidokia.com

Social Media:

Instagram / facebook / TikTok / YouTube: chrisidokia

Christian MilesJanita Papendorf

Chrisidokia

oder

Die unglaubliche Reise

der Wörmer

aus Wormland

2. Überarbeitete Ausgabe

Eine sehr spannende Geschichte

zum Lesen und Vorlesen

für Menschen

von 10 - 1000

(Chrisidokianische Wormjahre)

mit Illustrationen von

Cornelie Flauder

Widmung

Für unsere Kinder und Kindeskinder, die in einer friedlichen und lebenswerten Welt leben möchten.

Sie werden dafür sorgen.

WIR können es anscheinend nicht.

Anmerkungen

Dieses Buch ist ein lebendiges Wesen, das sich laufend weiterentwickelt. Es kommen uns ständig neue Ideen zu weiteren Abenteuern, zu neuen Figuren und zur Ausarbeitung der Charaktere. So sind Text und Illustrationen nie wirklich fertig, sondern liegen jetzt in der von Janita Papendorf überarbeiteten Version 2.0 vor.

Als Selbstverleger besteht die Möglichkeit, sein Buch zu aktualisieren, weil es ja erst gedruckt wird, wenn es bestellt wird. Um nun an diesen Neuerungen teilzuhaben, ermöglichen wir Käufern des Buches den exklusiven und geschützten Zugang zu einem Bereich auf unseren Internetseiten, der weitere Hintergrundinformationen, neue Entwicklungen und auch die Vorbereitungen für einen zweiten Teil beinhalten.

Anmelden hierfür kannst Du Dich und alle Infos rund um Chrisidokia gibt es im Internet unter: www.chrisidokia.com. Du erhältst dann ein Passwort als Eintrittskarte für diesen Bereich. Hier würden wir uns auch sehr über Lob, Kritik und Anregungen freuen.

Dieses Buch ist gedruckt auch als Taschenbuch und gebundene Hardcover-Ausgabe erhältlich. Eine EP mit der Musik und das Hörbuch sind in Vorbereitung.

Viel Spaß beim Schmökern und Surfen wünschen herzlichst

Christian Miles, Janita Papendorf

&Cornelie Flauder

Prolog

Langsam ging der zehnte Tag des Monats Bram zu Ende. ‹Sola›, so nannten die Bewohner von Chrisidokia ihre Sonne, verlor ihre wärmende Kraft und hing, wie eine reife Blutorange, am Horizont über Wormlands Westen.

‹Die Luftschweber›, die ähnliche Wesen sind, wie bei uns auf der Erde die Vögel, begaben sich zurück in ihre Nester, um ihre Jungen zu füttern. ‹Die Weisen Stillsteher›, sehen aus, wie Bäume, die Du und Ich von der Erde kennen. Sie hörten auf zu rascheln, rollten Ihre Blätter ein und machten sich wie alle anderen Lebewesen für die kommende Nacht bereit. Die Monde putzten sich heraus, um in wenigen Minuten ihre Reise über den Himmel anzutreten. Und es senkte sich Stille über Land und Wasser.

Ja ... Monde. Chrisidokia hat zwei davon. Einen gelblichen, Großen, Nadòd, genannt und einen Kleineren, bräunlichen: Dráan. Sie ziehen ihre Bahnen entgegengesetzt über den Himmel und umkreisen sich manchmal sogar gegenseitig. Eigentlich hat der Planet sogar drei Monde, aber der kleinste: ‹Scib› - ‹Der-glücklich-aber-Einsame› - genannte Mond, zieht fast immer im Schatten der anderen seine Bahn, sodass man ihn fast nie zu sehen bekommt. Und wenn: Ja, wenn er doch einmal von einem Worm am Himmel erblickt wird, dann gibt es ein großes Fest, was gefeiert werden will! Das Scib-Fest eben. Da werden die großen Früchte der Ballongi-Pflanze ausgehöhlt und Lichter hineingestellt, es werden die verschiedensten Süßigkeiten aus getrockneten Beeren und Früchten hergestellt und am eigentlichen Festtag sind die Kinder die Hauptpersonen:

Sie dürfen sich verkleiden und verstecken und wenn die kleinen Wörmer nach einer bestimmten Zeit nicht von den Erwachsenen gefunden werden, bekommen sie etwas von diesen Süßigkeiten. Am Abend wird ein großes Feuer auf dem Uti-Platz gemacht und es werden viele schöne Lieder zu Ehren des Scib-Mondes gesungen.

Jedenfalls liegt Wormland auf der nordwestlichen Fläche des Planeten Chrisidokia. Chrisidokia ist soooo weit weg von der Erde, dass Du ihn am Himmel zwischen all den anderen Sternen gar nicht sehen kannst. Es sei denn, Du fährst nach Afrika bis auf den Berg Kilimandscharo. Auf seinem Gipfel siehst Du bei Neumond in einer klaren Nacht ganz, ganz weit im Süden einen Stern funkeln. Er schimmert grünlich-blau und glitzert ein wenig. Das ist Chrisidokia.

Eigentlich leuchtet diese Welt ja nicht von allein, aber seine Sonne Sola strahlt ihn an, sodass sein Licht weit im Weltall zu sehen ist.

Vielleicht fahren Deine Eltern ja einmal mit Dir nach Afrika, wenn Du ihnen von Chrisidokia erzählst. Und wenn sie das nicht tun, dann fährst Du eben allein dorthin, wenn Du einmal groß bist. Auf alle Fälle weißt Du jetzt, wo Chrisidokia liegt.

Du denkst bestimmt, dass dort Menschen leben, wie bei uns auf der Erde. - Völlig falsch und weit gefehlt! Kein einziges menschliches Wesen hat jemals diesen Planeten betreten.

Aber nun wieder zurück zu der Geschichte, die wir Dir gern erzählen wollen:

Auf Chrisidokia lebte ein Stamm von ‹Wörmern› in einer Gegend, die Wormland genannt wurde. Doch anstatt in Freundschaft und Eintracht oder wenigstens als gute Nachbarn miteinander zu leben, hatten die Wörmer irgendwann einmal vor langer Zeit beschlossen, sich in zwei Stammesteile aufzuspalten und sich gegenseitig nicht zu mögen. Sie gingen sich aus dem Weg, wo sie nur konnten, verzogen sich in den jeweils ihrigen Teil des Stammesgebiets und wenn sie einander einmal unglücklicherweise begegneten, gab es alles andere als ein freundliches ‹Guten Tag, Herr Nachbar, wie geht es Ihnen heute?›.

Es war eine sehr schlimme Situation, die nur daher rührte, dass sich die Wörmer in einer winzigen Kleinigkeit voneinander unterschieden. Es war kein so gravierender Unterschied, wie bei uns Menschen, wo einige eine völlig andere Hautfarbe haben.

Nein, es ging nur um das letzte kleine Ende Ihres ringeligen Körpers: Es ging um das Schwanzende.

Niemand in Wormland vermochte etwas an dieser Situation zu ändern. Und wie es eigentlich dazu gekommen war, wussten nur noch die Stammesältesten zu sagen. Sie waren in der Lage, die Uti-Rollen zu lesen. Auf diesen Rollen aus geflochtenem und getrocknetem Seetang stand die gesamte Geschichte des Wormlandes geschrieben. Hier war zu lesen, dass es einmal eine andere Zeit gegeben hatte - eine Zeit, in der die Wörmer in Frieden und Eintracht lebten und wo es noch keine Unterschiede zwischen ihnen gegeben hatte. Aber heutzutage war es nun mal anders und dass es so war, wurde regelmäßig am Sie-Tag deutlich, dem letzten Tag der achttägigen Woche in Wormland, an dem sich - als letzte Gemeinsamkeit zwischen den Stammesgruppen - alle Erwachsenen Wörmer zum Uti trafen. Aber ich sehe schon...

Bevor Du nicht ein wenig mehr über die Vorgeschichte und Anfänge der Zeit in Wormland weißt, sind all diese Dinge schwer verständlich und sicherlich ein wenig verwirrend. Fangen wir also besser ganz von vorne an.

Oder besser erst morgen, denn es gibt viele wundersame neue Dinge, die auf dich zukommen werden und Du musst sehr gut aufpassen, um sie zu verstehen und zu behalten. Ich werde am besten in der Zwischenzeit noch ein wenig in den Uti-Rollen nachlesen, damit ich auch nichts Falsches erzähle.

01. Die Vorgeschichte

Hallo! Gut geschlafen? Und bereit, weiter zu machen? Das ist schön! Dann können wir ja starten:

Wie man so schön sagt: Vor langer, langer Zeit, als Sola noch blau war ...

Weißt du, auf Chrisidokia werden Sonnen blau geboren, und erst in der langen Zeit ihres Lebens ändert sich ihre Farbe. Erst wenn sie älter werden, leuchten sie grell weiß, so wie unsere Sonne, wenn es Mittag ist. Noch viel später werden sie dann rot und irgendwann vergehen sie wieder ... Aber ich schweife ab…

Also, vor langer, langer Zeit, lebte in Wormland nur ein Stamm von Wörmern. Die normalen Ringelwörmer. Sie waren friedliche Gesellen, die keiner Fliege etwas zu leide taten. Sie sahen etwas anders aus als die Würmer bei uns auf der Erde, denn sie waren ein bisschen größer, hatten zwei kleine, aber starke Arme und waren wunderschön rotblau gefärbt. Sie hatten keine Beine, sonst wären sie ja keine Wörmer gewesen, dafür zierte ein schönes ringeliges Schwanzende ihre schlanken Körper. Aus aufmerksamen und klugen Augen blickten sie fröhlich in die Welt. Diese friedlichen Gesellen lebten von dem, was das Land hervorbrachte, und führten ein angenehmes und geregeltes Leben ohne große Sorgen.

Ihre Woche hatte acht Tage und begann mit dem Ich-Tag. An diesem Tag beschäftigten sich alle Wörmer mit sich selbst. Sie putzten ihre Nasen, nahmen ein gründliches Bad und machten alle möglichen Dinge, die man eben so für sich allein tut. Es wurde den ganzen Tag nicht geredet, weil ja eben jeder Worm ausschließlich mit sich selbst zu tun hatte.

Der Du-Tag - der zweite Tag der Woche - war für den besten Freund und die beste Freundin bestimmt.

Wenn man verheiratet war und Kinder hatte, war dieser Tag für die Familie gedacht. Es wurden kleine Geschenke gemacht, dem einen wurde geholfen, dem anderen ein schönes Essen gekocht.

Die nächsten Tage waren der Sie-Tag, der Er-Tag und der Es-Tag. An diesen Tagen durften zuerst die Frauen, dann die Männer und am Es-Tag die Kinder tun und lassen, was sie wollten, während die jeweils Anderen ihre Pflichten erledigen mussten. Klar, dass der Es-Tag der fröhlichste Tag in der ganzen Woche war, denn wenn alle Kinder auf einmal tun und lassen konnten, was sie wollten, kannst Du Dir ja vorstellen ...

Der Wir-Tag - der sechste Tag der wörmianischen Woche - war das, was wir Menschen als siebten Tag, den Sonntag kennen. Alle hatten frei und brauchten nicht zu arbeiten. Man traf sich zu Spiel und Spaß und freute sich über die viele freie Zeit.

Der Ihr-Tag war der Tag, an dem man sich um die anderen freundlichen Bewohner des Wormlands kümmerte: Die weisen Stillsteher, die Blumen, die Seen und Flüsse, die Felder und den Wald. Besonders beliebt waren die Wollmaden und die ‹Klettinge› - putzige Kerlchen, mit denen es sich herrlich spielen ließ, weil sie so schön kuschelig und über und über mit kleinen Härchen bedeckt waren, die immer so schön kitzelten, wenn sie einem Worm über die Haut krabbelten. Die Klettinge konnten sich sogar untereinander verhaken und so ein kribbeliges, lebendiges Kissen bilden.

Eine besondere Art von freundlichen und gern gesehenen Gästen waren die ‹Rummelangis›. Diese waren ganz besondere Bewohner der Küste des Großen Wassers, einem großen Meer in der Nähe des Wormlands. Ab und zu kamen sie zu Besuch ins Wormland, indem sie durch die Wasserläufe vom Großen zum Kleinen Wasser schwammen. Das war wiederum ein See, der direkt an das Stammesgebiet der Wörmer grenzte. Die Rummelangis sahen aus wie Steine, lagen am liebsten völlig bewegungslos am Strand und sagten den lieben langen Tag fast überhaupt nichts - außer, wenn sie gute Laune hatten. Dann gaben sie ein ganz leises ‹Mooooh!› von sich. Lachten sie, so hörte man ungefähr alle drei Stunden ein leises ‹Tss!› oder so ähnlich. Die Rummelangis waren deshalb so beliebt, weil sie so schön warm waren. Wenn die Wörmer im Kleinen Wasser gebadet hatten, legten sie sich mit Vorliebe auf die Rummelangis, um sich wieder aufzuwärmen, vor allen Dingen, wenn Sola nicht schien.

Der unangenehmste Tag der Woche war der Sie-Tag. Es war der Tag der Pflichten und Probleme. Am Abend trafen sich alle erwachsenen Wörmer zum ‹Uti› am Lagerfeuer und beratschlagten sich. ‹Uti› ist wörmianisch und heißt übersetzt in die Menschensprache etwa: ‹Ort-und-Zeit-zu-der-sich-etwas-ändert!›. Es war die Versammlung, bei der alle wichtigen Vorkommnisse besprochen wurden. Den Vorsitz des Uti hatte immer der Häuptling des Stammes. Und der hieß seit Wormgedenken immer schon Winuwuk. Angefangen von Winuwuk dem Ersten bis hin zum Zweihundertsechsundfünfzigsten, dem heutigen Oberhaupt der Wörmer, gab es eine ununterbrochene Linie von Häuptlingen mit dem gleichen Namen.

Das Uti war in der Hauptsache dazu da, sich mit der Verteidigung vor den Feinden der Wörmer zu beschäftigen, und davon gab es in und um Wormland so einige! Angefangen von ‹Krán-Tòr›, dem riesigen grauschwarzen Raubluftschweber, der über den Wäldern seine Kreise zog, bis hin zum Blasenfisch, einem an sich friedlichen Gesellen und Bewohner des Kleinen Wassers. Wenn dieser einmal nichts Gescheites zu Fressen fand, fing er sich auch schon mal einen Worm, der sich beim Baden zu weit hinausgewagt hatte.

Auf dem Uti wurden allwöchentlich die Wachen für das Dorf festgelegt. Sie hatten bis zum nächsten Sie-Tag dafür zu sorgen, dass der Stamm in Sicherheit leben konnte und mussten notfalls schnelle Alarmsignale aussenden. Dies war bitter nötig, wenn man weiß, dass die Wörmer zwar blitzschnell in ihren Höhlen verschwinden, sich tot stellen oder einfach in die Erde wühlen konnten, aber keine Waffen hatten, um sich zu wehren. Und wenn sich Krán-Tòrs Schatten am Himmel zeigte, dann waren alle Wörmer - bis auf die Wachen – blitzschnell wie vom Erdboden verschluckt. Der Wachjob war sehr unbeliebt unter den Wörmern, denn er war anstrengend und sehr gefährlich - was wohl zu verstehen ist.

Weit in der Vergangenheit, an einem dieser Utis - es war zur Herrschaftszeit von Winuwuk dem Einhundertvierten - gab es ein ganz besonderes Problem zu besprechen. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass es einmal so weitreichende Folgen haben würde. Damals war es eigentlich keine schwerwiegende Sache, wenn nicht ...

Jedenfalls: Es ging um Parla, eine alte Wörmin des Stammes, die zum vierunddreißigsten Mal Kinder bekommen hatte. Dies war an sich nichts Besonderes, denn Ringelwörmer konnten bis zu zweihundertmal Kinder bekommen. Normalerweise wurde immer nur ein Worm geboren, aber Parla hatte nun schon zum sechzehnten Mal Zwillinge bekommen. Dies war an sich immer noch nichts Schlimmes. Zum Problem wurde es erst, wenn die kleinen Wörmer in die Pubertät kamen, also erwachsen wurden. Mit den jeweiligen Zwillingsgeschwistern geschah etwas sehr Merkwürdiges. Eines der beiden Kinder entwickelte sich normal. Größe, Aussehen und alles andere stimmte und war so, wie es unter Wörmern sein sollte. Sein Zwilling jedoch entwickelte - mit einem Mal - ein zweites Schwanzende. Wie die gespaltene Zunge einer Schlange vorne am Körper, so hatte dieser Worm zwei Schwänze am Ende seines Körpers. Man wollte nun Parla während dieses Uti das Kinderkriegen verbieten oder zumindest sollte sie nicht mehr zwei Kinder gleichzeitig bekommen. Du kannst Dir vorstellen, dass es um diesen Punkt zwar eine Menge Streit, aber keine Lösung geben konnte.

Also lief das Leben weiter seinen Lauf, ohne dass etwas unternommen wurde. Die Wörmer mit den zwei Schwänzen wurden immer zahlreicher, denn dieser kleine Unterschied vererbte sich weiter. Und dazu benahmen sich die Zweischwanzwörmer sonderbar. Sie zogen sich zurück, wollten unter sich sein und waren nicht besonders gesellig. So bildete sich mit der Zeit ein kleiner Stamm im Stamm. Die normalen Einschwanzwörmer hatten immer mehr das Gefühl, dass sie nur etwas Gewöhnliches waren, die Zweischwanzwörmer hingegen etwas Besonderes. Sie suchten nun auch nach Möglichkeiten, etwas Außergewöhnliches zu haben, und hatten es auch bald gefunden: Erst wurde es langsam Mode, anschließend Gewohnheit und schließlich ein Muss: Jeder Einschwanzworm verzierte sein Schwanzende mit einem Knoten. So gab es bald keine erwachsenen ‹normalen› Ringelwörmer mehr, sondern nur die Zweischwanz- und die Knotenwörmer. Der Stamm war gespalten.

Die ersten Jahre ging alles noch gut. Es gab zwar kleine Streitereien und Gezänk zwischen den beiden Stammesteilen, aber ansonsten war das Wurmleben weiterhin friedlich. Doch nach und nach wurden die beiden Arten von Wörmern immer feindseliger gegenüber den jeweils anderen. Als nun Winuwuk, der Zweihundertsechsundfünfzigste, herrschte, kam es zu einer Entscheidung, die uns in dieser Geschichte noch viel beschäftigen wird.

Aber bevor ich weitererzähle, schaue ich noch einmal in der entsprechenden Uti-Rolle nach, was bei dieser denkwürdigen Zusammenkunft, die einmal als das ‹Uti des Großen Aufbruchs› in die Geschichte Wormlands eingehen sollte, geschah.

02. Der Streit

Sola war gerade untergegangen und die älteren Wörmer trafen sich wie bei jedem Sie-Tag unter dem großen Fliegenpilz. Es dauerte gar nicht lange, da waren Sie auch schon bei Ihrem Lieblingsthema:

‹Was gibt es auf der anderen Seite der Welt?›

Diese Frage faszinierte die Wörmer schon seit Urzeiten. Dadurch, dass sie sich in die Erde bohren konnten und eine sehr gute Beobachtungsgabe besaßen, kamen sie zu der Ansicht, dass es eine andere Seite der Welt geben musste. Vielleicht müsse man sich nur lang genug in die Erde wühlen oder aber bis an den Rand der Welt, um dort seinen Kopf herauszustrecken und die Gegend zu erkunden.

Auf diese Weise könnte man herausfinden, was sich dort befand.

Es gab eine ganz besonders legendäre Annahme bei den Wörmern und zwar, dass es auf der anderen Seite der Planetenscheibe von Chrisidokia eine fremdartige ‹Schenagenart› geben müsse, was bei uns so eine Art Schnecke ist. Und diese Schenagenart verfüge über eine ganz besondere Art von Schenagenschleim, so nahm man jedenfalls an. Die Knotenwörmer waren felsenfest davon überzeugt, dass aus diesem besonderen Schleim ‹Scheinstein› wurde: Dieses wundersame Material, das so unendlich glatt, so hart wie Stein, aber so klar wie Wasser war, sodass man hindurchschauen konnte. Man könnte es herrlich für die Lichtöffnungen der Höhlen benutzen - wenn man nur darüber verfügte - um das Tageslicht hereinzulassen und es trotzdem warm und sicher zu haben. Die Knotenwürmer glaubten außerdem, dass die Schenagen Scheinstein zwar erzeugten, ihn aber nur achtlos liegen ließen, weil Ihnen gar nicht bewusst war, was sie da kostbares hatten. Die Schenagen benutzten es angeblich nur als glatte Unterlage, um ab und zu zum Spaß darauf herum zu rutschen.

Die Zweischwanzwörmer hingegen, waren der Überzeugung, dass die Wege der Schenagen aus Eis seien mussten, welches das Schenagenvolk am Ostpol von den ‹Eisleoren› einkaufte. Bezahlt wurde das Eis, so nahmen die Zweischwanzwörmer jedenfalls an, mit den Edelsteinen, die sich aus den Schleimspuren der Schenagen bildeten, sobald Sola nur lange genug darauf schien. Diese Edelsteine müssten wunderschön und sehr wertvoll sein!

Die Zweischwanz- und die Knotenwörmer diskutierten lautstark. Die Diskussion wurde immer hitziger, als Winuwuk versuchte den allgemeinen Tumult etwas zur Ruhe zu bringen. Mit seiner dunklen, rauen Stimme rief er:

«Beim Hirb nochmal, ist es nicht völlig egal, was dort drüben passiert? Wir werden die Wahrheit sowieso nie herausbekommen, weil wir nicht so weit graben und schon gar nicht so weit kriechen können. Wir könnten höchstens Krán-Tòr fragen. Aber das sollten wir ja wohl besser bleiben lassen, oder hat irgendjemand von euch Lust, gefressen zu werden?»

Der Häuptling war eine mächtige Erscheinung, die vor allem dadurch auffiel, dass sich sein Körperende in einer Unmenge von Schleifen, Verknotungen und Ringelungen verlor, die zu zählen niemand in der Lage gewesen wäre. Er saß auf diesem Knäuel wie auf einem Thron und ließ nur sein weises, von einem langen wallenden Bart umgebenen Haupt herausschauen.

Seine klaren Augen hatten den Glanz des Wissens und der Weisheit, wenn sie auch in letzter Zeit von der Sorge um seinen Stamm ein wenig getrübt worden waren und müde aussahen.

Moment mal! Was hatte der weise Häuptling da gerade eben gesagt? ‹Beim Hirb nochmal!?› Genau! Ich glaube, wir müssen ‹Hirb› ein wenig erklären, sonst weißt Du ja nicht, was das ist. So, wie es bei uns auf der Erde viele verschiedene Dinge gibt, an die Menschen glauben, wie z.B. an Gott, so ist das bei den Wörmern auch so. Allerdings nicht ganz so, wie bei uns. Die Wörmer sind Erdwesen, die unter der Erde in Höhlen wohnen und die eine besondere Verbundenheit mit dem Boden, den Felsen, Steinen und all den Lebewesen haben, die in der Erde wohnen. Daher auch die Versessenheit, das Geheimnis der Schenagen zu lösen, die ja wohl auch auf der Unterseite von Chrisidokia leben.

Wir beten z.B. in Richtung Himmel, sind von den Sternen da oben fasziniert und erhoffen uns Liebe und Hilfe von oben. Die Wörmer eben von unten und Hirb ist für sie das große, überall und immer da seiende Erdwesen, dass auf alle aufpasst und alle beschützt. Ist es jetzt ein bisschen klarer? Schön. Also weiter in der Geschichte...

Naitsirc, der unbeherrschte Anführer der Zweischwanzwörmer blickte Winuwuk mit unverhohlener Missgunst an, strich sich durch seinen schwarzen, langen Bart und ließ mit schneidender Stimme vernehmen:

«Hört, hört! Es ist unserem ehrenwerten Häuptling also egal, was in uns vorgeht! Es ist ihm egal, was in der Welt um uns herum passiert und es ist ihm egal, ob wir so armselig und rückständig wie bisher hier weiterleben oder ob wir an dem Reichtum der Schenagen teilhaben können. Das ist simpel und einfach wieder einmal typisch. Sobald es darum geht, etwas Neues auf der Restwelt zu entdecken, zieht das Knotenvolk seinen Schwanz ein!» 

Diese Äußerung machte Winuwuk natürlich über die Maßen wütend, aber dennoch hielt er seine Stimme würdevoll in Zaum und entgegnete äußerlich völlig ruhig:

«Nun gut! Es scheint, als gäbe es zwei unüberbrückbare Meinungen zu diesem Thema und auch darüber, wie wir damit umzugehen haben. Da sich hieran nichts zu ändern scheint und wir immer häufiger darüber in Streit geraten, schlage ich vor, dass wir versuchen, das Geheimnis zu lüften.»

Irgendwann musste doch endlich einmal Schluss sein mit diesem Gerede. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, wie sie es bewerkstelligen sollten, dem Geheimnis der Schenagen auf den Grund zu gehen, aber sein Vorschlag endlich einmal etwas zu tun, statt immer nur wild darüber zu diskutieren, wie es wohl sein könnte, erschien ihm logisch. Er würde zumindest dafür sorgen, dass für eine Weile Ruhe einkehrte.

«Die Frage ist nur, wie wir das erreichen sollen. Hat irgendjemand Vorschläge hierzu?», fragte Winuwuk in die Menge.

Lautes Gemurmel setzte ein und die Wörmer steckten die Köpfe zusammen. So lange hatten sie sich mit den Legenden abgegeben und immer wieder darüber gestritten, wie es denn wohl sei, am anderen Ende der Welt. Aber jetzt griff eine große Ratlosigkeit um sich.

‹Was sollte man tun, um dem Geheimnis auf die Schleimspur zu kommen?›

Schließlich meldete sich Naitsirc zu Wort:

«Wir stimmen Dir ausnahmsweise zu, Winuwuk. Es muss etwas geschehen. Aber es erscheint uns verfrüht, jetzt eine schnelle Entscheidung zu treffen. Wir brauchen Bedenkzeit. Ich schlage vor, wir überlegen uns Vorschläge bis zum nächsten Uti.» 

Das konnte doch nicht wahr sein, dachte Winuwuk. Was war denn mit dem sonst so aufbrausenden Naitsirc los? Sonst war immer er es, der sofort schnell bei der Sache war und alles in die Hand nehmen wollte. Jetzt wollte er nachdenken! Das konnte nur heißen, dass er auch gemerkt hatte, dass es einen großen Unterschied zwischen Worten und Taten gab.

Mit anderen Worten: Auch dieser neunmalkluge Zweischwanzworm traute sich nicht, einfach los zu graben oder loszugehen, um die Schenagen zu finden. Wie gut. Vielleicht würde sich niemand finden oder bereit erklären. So würde sich die Sache von selbst erledigen und der Streit hörte ganz von alleine auf.

 «Also gut, ich denke, wir sollten darüber abstimmen, ob und wie wir weiter verfahren.», ließ Winuwuk verlauten.

Abstimmungen waren immer so eine Sache. Offiziell wurden mit erhobenem Schwanzende Stimmen abgegeben und der Häuptling hatte alle Stimmen zu zählen, um eine richtige Wahl durchzuführen. Aber es hatte sich eingewormelt, dass man darauf verzichtete, weil es sehr schwer war, alle nach oben ragenden Schwänze zu zählen. Vor allen Dingen, wenn die Zweischwanzwörmer anfingen zu mogeln und ihre Enden so weit auseinander hielten, dass man meinen könnte, es handelte sich um zwei Schwänze. Außerdem waren die Abstimmungen sowieso immer einigermaßen klar. Es gab ungefähr gleich viele Zweischwanz- und Knotenwörmer, also gab es entweder ein Unentschieden, weil die Stammesteile verschiedener Meinung waren oder es wurde klar für oder gegen eine Sache gestimmt, weil der gesamte Stamm der gleichen Ansicht war.Winuwuk rief also zur ersten Abstimmung auf. Vielleicht löste sich das ganze Problem hier schon in Luft auf.

«Wer dafür ist, dass wir mehr über die Schenagen in Erfahrung bringen sollten, der hebe jetzt den Schwanz!» forderte Winuwuk mit lauter Stimme seine Untertanen auf.

Alle Schwänze - auf beiden Seiten - reckten sich in die Höhe. ‹Naja, dann sollten wohl jetzt Taten folgen›, dachte Winuwuk. Er glaubte zwar nicht daran, dass irgendein praktikabler Vorschlag zu erwarten war oder dass irgendetwas Gutes bei welchem Vorhaben auch immer herauskommen würde, aber er hatte keine andere Wahl.

«Wer ist dafür, dass bis zum nächsten Uti Vorschläge für eine Expedition zur Lösung des Geheimnisses der Schenagen erarbeitet werden, die dann zur Abstimmung kommen?» 

Das gleiche Bild. Sie wollten es also tatsächlich wissen - ALLE! Vielleicht war das die große Chance für seinen Stamm. Wenn es gelang, hinter das Schenagengeheimnis zu kommen, konnte vielleicht wieder Frieden einkehren. Aber wie sollte man das anstellen?

Winuwuk wusste keine Antwort darauf.

03. Die Freunde

Durch die Versammlung waren alle Wörmer innerlich sehr aufgewühlt. Gleichzeitig waren sie aber auch sehr müde von dem aufregenden Tag. Jeder einzelne Worm war froh darüber, nun endlich nach Hause gehen zu können und sich gemütlich in das warme Erdbett zu ringeln.

Am nächsten Morgen beim Frühstück besprach man natürlich in allen Familien das gleiche Thema. Die Kinder hörten neugierig zu, aber hatten schon bald keine Lust mehr, dies ganzen Streitereien weiter mit anzuhören. 

Der nächste Tag war der Du-Tag, an dem sich immer die besten Freunde trafen, sahen sich auch Araic und Aidualc, zwei Wormjungen, die bald erwachsen werden sollten. Das Besondere an ihrer Freundschaft war, dass Aidualc aus einer Knotenworm- und Araic aus einer Zweischwanzwormfamilie stammte. Die Eltern der beiden sahen diese Freundschaft nicht gern und machten den beiden jungen Wörmern das Leben schwer. Sie versuchten ständig, die beiden voneinander fern zu halten. Und trotzdem fanden Aidualc und Araic immer wieder Wege, sich zu treffen, sodass ihre Eltern schließlich das Vorhaben aufgaben, sie trennen zu wollen.

Außerdem stand bei Aidualc und Araic ja auch noch gar nicht fest, welcher Stammesgruppe sie angehören würden. Das kam daher, weil alle Wörmer in ihrer Kindheit völlig gleich aussahen. Sie hatten weder einen Knoten im Schwanz, noch hatten sie zwei Schwanzenden. Erst an dem Tag, an dem sie erwachsen wurden, zeigte sich die Antwort auf diese Frage .

Der Tag des Erwachsenwerdens, war seitdem es zwei Arten von Wörmern gab, ein ganz besonderes Ereignis im Leben eines Wormes. Es war der Tag, an dem sie die unbeschwerte Welt der Kinder verlassen mussten, und der Tag der Entscheidung, welcher Gruppe sie angehören würden. Bei Menschen kann man nie so genau wissen, wann ein Kind beginnt erwachsen zu werden, bei den Wörmern hingegen kann man den Tag des Erwachsenwerdens ganz genau berechnen. Bei allen Jungwörmern geschieht es am gleichen Tag und innerhalb weniger Augenblicke ist es geschehen.

Falls Du einmal das Datum für einen jungen Knotenschwanzworm berechnen sollst: Das Erwachsenwerden vollzieht sich immer im fünfzehnten Lebensjahr, im sechzehnten Monat, am siebzehnten Tag und zwischen der achtzehnten und neunzehnten Stunde dieses Tages! In dieser einen Stunde entscheidet sich das Schicksal eines jeden Wormes und welchen Weg er für den Rest seines Lebens einschlagen wird.

Bei Araic und Aidualc würde es auch nicht mehr lange dauern. Beide waren am gleichen Tag geboren und hatten das fünfzehnte Wormjahr schon lange erreicht. Sie waren jetzt also genau fünfzehn Jahre, sechzehn Monate und vierzehn Tage alt - bis zur Entscheidung waren es nur noch drei Tage!

Die zwei jungen Wörmer redeten sehr oft über dieses Thema: Dieser eine Tag, wenn es so weit sein würde. Endlich erwachsen und kein Grünschwanz mehr! Aidualc war gerade dabei, Araic zu erzählen, was er letzte Nacht geträumt hatte, als dieser ihn unterbrach:

«Weißt du ...», sagte Araic, «... es wäre unheimlich schön, wenn wir beide der gleichen Seite angehören würden. Etwas anderes kann ich mir auch überhaupt nicht vorstellen. Außerdem würden die anderen dann endlich mit ihrem Gerede über uns aufhören... Aber nur mal angenommen, du wärst ein Zweischwanz- und ich ein Knotenworm. Was wäre dann?» 

«Das weiß ich auch nicht», entgegnete Aidualc ratlos. «Dann müssen wir uns wohl ein Leben lang aus dem Weg gehen.» 

«Naja», meinte Araic, «. Lange ist es ja nicht mehr hin, bis wir es endlich wissen ....» 

Die beiden Wörmer seufzten leise und verloren sich tief in ihren Gedanken.

Innerlich spürten die beiden Wörmer genau, dass sie auf keinen Fall ihre Freundschaft aufgeben würden. Dies war und blieb unvorstellbar für sie! Jedoch war es in der Welt in der sie lebten, genauso unvorstellbar, dass zwei erwachsene Wörmer des jeweils anderen Stammes auch nur das geringste miteinander zu tun haben wollten.

So trennten sich die beiden Freunde an diesem Abend - wieder einmal - mit einem wormeligen Gefühl im Bauch Eine Mischung aus steigender Spannung und Ratlosigkeit begleitete die jungen Wörmer, während sie sich nach Hause schlängelten. Keiner von beiden schlief in dieser Nacht besonders gut.

Der Morgen des Es-Tag war so, wie es sich für einen fröhlichen Tag gehört: Schon früh war das Schwebergezwitscher zu hören, in der Nacht war nichts von Krán-Tòr zu sehen gewesen, und Sola erschien am Horizont, als hätte sie besonders gut geschlafen. Ihre wärmenden Strahlen lockten schon die ersten Kinder aus ihren Erdhöhlen, um herumzutollen, zum Kleinen Wasser zu schlängeln und sich mit den Wollmaden und Klettingen zu amüsieren. Alle waren bester Laune, wie es schien.

Doch bei unseren beiden Freunden Aidualc und Araic wollte sich einfach keine Es-Tags-Laune einstellen. Dabei war es doch ihr Tag! Es waren noch genau sieben Stunden bis zur achtzehnten Stunde des Tages, aber im Gegensatz zu den anderen Kindern, die diesen Tag als ihren absoluten Freudentag genossen, waren sie missmutig und verschlossen. Das traditionelle letzte Kinderfrühstück, das an diesem Tage mit der gesamten Familie eingenommen wird, war ihnen fast im Halse steckengeblieben. Nicht einmal die leckeren Humusbeerchen mit Lausbrei erzeugten bei ihnen ein wenig Freude.

Zum Glück war es an diesem Tag des Hinüberwechselns in die Erwachsenenwelt üblich, dass sich die Heranwachsenden zurückzogen und völlig allein auf den großen Moment warteten, der ja schließlich eine sehr private und persönliche Sache war, die nur einen selbst etwas anging. Man dachte über die Zukunft und die Vergangenheit nach, zog eine Bilanz der sorglosen Kindertage und versuchte, mit sich auszumachen, was man als Erwachsener erreichen wollte und wo sein zukünftiger Platz im Leben sein würde.

Araic und Aidualc jedoch hatten sich schon früh unter ihrem Schirmpilz im Wald getroffen. Keiner von beiden sprach ein Wort, still starrten sie vor sich hin und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Am Lauf Solas erkannten sie, wie viel Zeit ihnen noch bis zur Entscheidung blieb. Immer, wenn eine weitere Stunde verstrichen war, ließen beide einen lauten Seufzer vernehmen. Als Sola langsam hinter dem Horizont versank und es immer näher auf die entscheidende Stunde zuging, rückten sie immer dichter aneinander, bis sie schließlich ganz eng miteinander verschlungen waren. Instinktiv versuchten beide Wörmer, ihre Schwanzspitzen zu verstecken.

Und dann hörten sie aus dem Dorf das Signal! Der langgezogene tiefe Ton des Tubu-Stillsteher-Horns durchschnitt die Stille und verkündete die achtzehnte Stunde des Tages. Beide Wörmer blickten ängstlich und mit großen Augen auf ihre Körperenden. 

«Gleich passiert was! Gleich passiert was!», meinte Araic «Ich spüre in meiner Schwanzspitze ein ganz unangenehmes Kribbeln!»

Aidualc sah Araic verständnislos an und meinte:

«Ich merke überhaupt nichts!». 

Und dann geschah es! Araics Schwanzspitze fing erst ganz leicht an zu zittern, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Das Zittern wurde immer heftiger, die Schwanzspitze richtete sich auf, und nach einiger Zeit ertönte ein Geräusch wie bei einer Klapperschlange. Beide starrten wie gebannt auf das hin- und her zuckende Ende. Plötzlich stieß Araic einen erstickten Schrei aus und Aidualc fuhr vor Schreck in die Höhe. Mit einem Mal begann die Haut an Araics Schwanzspitze aufzureißen und sich von Körper zu schälen. Ganz langsam bildete sich ein Riss, der sich immer weiter nach oben hin fortsetzte. Darunter gab es heftige Bewegungen, so als ob ein Küken aus seinem Ei schlüpfen wollte. Und tatsächlich sprang plötzlich eine neue, frische Schwanzspitze unter der alten Hülle hervor! Doch das war noch nicht alles: Eine Weitere folgte wenige Augenblicke später und die jetzt nutzlos gewordene alte Haut fiel zu Boden. Der Schwanz war gespalten! Es hätte eindeutiger nicht sein können: Aus Araic war ein erwachsener Zweischwanzworm geworden.

Bei Aidualc hingegen rührte sich überhaupt nichts. Kein Kribbeln, kein Zittern, kein Häuten und kein Gerassel. Sein Körperende lag völlig unbeeindruckt auf der Erde und schlängelte sich nur ab und zu wie üblich ein wenig hin und her.

Nichts geschah - und die entscheidende Zeit wurde immer knapper! Admirals Augen füllten sich mit Tränen, und als die Zeit abgelaufen war, konnte er sich nicht mehr zurückhalten und fing bitterlich an zu weinen. Nun war genau das geschehen, wovor beide die ganze Zeit Angst gehabt hatten. Araic sollte eigentlich stolz auf seine wunderschöne Zweischwanzspitze sein und beide sollten freudestrahlend ins Dorf zurück schlängeln, um sich darauf vorzubereiten, einen Platz für eine eigene Erdhöhle zu suchen, aber sie blieben wie gelähmt liegen.

Schließlich flüsterte Aidualc:

«Ich will kein Knotenworm sein, wenn du keiner bist. Ich will dir nicht aus dem Weg gehen müssen. Ich will weiter Dein Freund sein. Ich will, ich will, ich will, hörst du?» 

Araic murmelte nur: «Was sollen wir denn jetzt bloß tun, was sollen wir jetzt bloß tun?», ohne darauf eine Antwort zu erhalten.

Er erholte sich langsam von der Verwandlung und wurde sich nach und nach der Tatsache bewusst, dass er jetzt erwachsen war – und außerdem ein Zweischwanzworm! Dann machte er ein ernstes Gesicht, eben so eines, wie es die Erwachsenen machten, wenn sie etwas sehr Wichtiges zu sagen hatten.

«Du weißt», sagte er, «dass wir beide jetzt zu unseren Familien zurückkehren müssen. Sie haben schließlich auch ein Recht darauf, zu erfahren, ob die Familie weiterhin zusammengehö