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Auch an Weihnachten soll es gruseln! Deswegen wurden ausgesuchte Geistergeschichten in diesem Werk vereint. Es mögen Geschichten aus dem Leben sein, und doch sind sie vielleicht so unglaublich wie zauberhafte Märchen. Im alltäglichen Leben bemerken wir oft nicht, das da etwas seltsam ist. Doch wenn wir dann das ganze Bild zu betrachten beginnen, darüber nachdenken vielleicht, dann erscheinen uns Dinge und Begebenheiten sonderbar und merkwürdig. Hinterfragen Sie nichts, denn es gibt keine Erklärung – oder etwa doch?
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Seitenzahl: 411
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Der Schwarze Tod
Schokoladenweihnachtsmann
Krimi
Blitzschlag
Baupfusch
Dienstschluss
Die Hellseherin
Bestattung
Dienstschluss
Waldspaziergang
Fleischvergiftung
Hostie
Postdienst
Das Wunder von Mäckenbach
Kur
Rauch
Bericht aus Herne
Friedhof
Gestorben
Mord auf Burg Wolfsegg
Chatroom
Pflanzenliebe
Die Pflanze
Verkauf
Gewitter
Leuchter
Bist du noch da
Lawine
Todesflug AF447
Schiffsreise
Jock
Herr und Frau Schmidt
Tankstopp
Lila Wolken
Albträume
Bills Traum
Nina
Der Schatz
Der Ring
Ninas Engel
Waldpilzsuppe
Lederjacke
Die Kutsche
Giftmord
Nachtspaziergang
Das Haus hinter den Bäumen
Unfall
Gesangsunterricht
Nur ein kleines Lied
Irrlichter
Flaschenpost aus dem Jenseits
Ein Märchen
Kopfhörer
Steinschlag
Bubis Tipp
Tödliche Auszeichnung
Schwester Annemarie
Die Elfe am See
Karussell
Eine Geistergeschichte
Die Geisterstadt
Das Geheimnis von Schloss Greensville
Letzte Taxifahrt
Das Haus auf der Insel
Die Tarnkappe
Suche
Hellys Motel
Das Engelsbuch
Die alte Pendeluhr
Poltergeist
Die schwarze Lady
Das Schloss im Säuresee
Donnys Comeback
Die Grenze im Feld
Spätsommer
Der Angriff
Der Blutvertrag
Stromschlag
Ausgebremst
Feiertag
Fahrrad ohne Fahrer
Sieh, nun hat er dich geholt
Der Allmächtige ist hier
Doch du bleibst nicht lange dort
Kommst zurück zu diesem Ort
Weil es Gott für dich gewollt
Es war um 1356 in der Nähe von Frankfurt am Main. Die Pest wütete fürchterlich und eine schreckliche Rattenplage hatte das kleine Dorf, welches mitten im Wald lag und welches eigentlich gar keiner kannte, gerade erst heimgesucht. Claudius lebte mit seiner kleinen Familie, seiner Frau Mathilda und seinem Sohn Karl in einer kleinen windschiefen Hütte zwischen den Bäumen. Es war ein wirklich hartes Leben und die Angst, der Schwarze Tod könnte sich nach der Rattenplage auch hier breitmachen, schwebte wie ein unheilvolles Omen über der Siedlung. Als dann auch noch die Kunde von unzähligen Toten in den umliegenden Siedlungen durch das Dorf waberte, schien die Angst komplett. Es war die alte Agatha, die seit Jahren als Kräuterfrau am Rand des Dorfes lebte, die unkte, dass schon bald etwas Schreckliches geschehen würde. Es war verständlich, dass auch Claudius große Angst um seine Familie hatte. So ging er eines Abends heimlich zu Agathe, die eigentlich gar nicht so beliebt unter den Leuten war, weil man von ihr sagte, das sie eine böse Hexe sei, um Kräuter von ihr zu holen. Er glaubte, dass vielleicht diese Kräuter etwas gegen die wütende Pest ausrichten konnte. Doch als Tage später eben diese Agathe von der Pest getötet wurde, ließ er seine Frau uns seinen Sohn nicht mehr aus dem Haus. Nur er ging mutterseelenallein in den Wald, um Holz für den Ofen zu besorgen.
Auch an jenem regnerischen Sonntag lief er schon früh zeitig los, um beizeiten wieder zurück zu sein. Der Regen peitschte ihm ins Gesicht und er war sich auf einmal gar nicht mehr so sicher, ob er an diesem Tag die schwere Arbeit bewältigen könnte. Auch fühlte er sich schwach und so kam es, wie es kommen musste: Kraftlos und außer Atem fiel er auf das feuchte Moos zwischen den Bäumen. Auf seiner Haut zeichneten sich die verhängnisvollen Umrisse schwarzer Pestbeulen ab und es schien, als wenn auch er vom Schwarzen Tod ins Jenseits befördert worden sei.
Plötzlich erschien ein alter Mann, den bisher noch niemand je zu Gesicht bekommen hatte. Es musste wohl ein Fremder aus der Stadt sein, der sich in diesen Wäldern verirrt zu haben schien. Als er Claudius am Boden liegend erblickte, beugte er sich zu ihm herab und sprach ganz leise zu ihm:
Sieh, nun hat er dich geholt
Der Allmächtige ist hier
Doch du bleibst nicht lange dort
Kommst zurück zu diesem Ort
So, wies Gott für dich gewollt
Kaum hatte er das gesprochen, holte er aus seinem grauen Jutesack einen Leib Brot hervor und brach ein Stückchen davon ab. Das kleine Stück Brot gab er Claudius, der es nahm und aß. Es dauerte gar nicht lange, da spürte Claudius, wie die Kraft in ihn zurückkehrte. Eine ganz neue, überwältigende Stärke begann in seinem Leib zu pulsieren und das Leben kehrte in ihn zurück. Als er endlich aus eigener Kraft aufstehen konnte, war der Fremde verschwunden. Claudius suchte ihn im Wald, doch die Bäume standen so dicht, dass er ihn nirgends entdecken konnte. Dafür fand er das Brot, von welchem er ein Stückchen gegessen hatte und er nahm es an sich. Noch einmal schaute er sich um, sah zum Himmel hinauf und flüsterte ein: Dankeschön. Mit Tränen in den Augen lief er nach Hause, denn er wollte an diesem Tag kein Holz mehr schlagen, wollte nach seinen Lieben schauen, weil er sich sehr um sie sorgte. Auch wollte er seine Geschichte den anderen erzählen, doch als er Zuhause eintraf, musste er mit Schrecken feststellen, dass auch seine Familie vom Schwarzen Tod befallen war. Wie tot lagen sie in ihren Betten und röchelten nur noch. In ihren Gesichtern hatten sich schwarze Pestbeulen ausgebreitet und Claudius wusste im ersten Moment nicht, was er tun sollte. Aber dann holte er den Leib Brot hervor und brach für jeden ein kleines Stückchen davon ab. Und kaum hatten seine Frau und sein Sohn das Brot gegessen, wurden sie wieder gesund. Schon bald war alles wie vorher und alle fühlten sich gut. Es war auch noch genug Brot für die Bewohner des Dorfes da, die allesamt von der Pest bedroht wurden. Und es war einfach unfassbar, aber das kleine Dorf war das Einzige, in welchem sich die Pest nicht weiter auszubreiten vermochte.
Niemals wurde das je erwähnt, denn als die Bewohner Jahre später fortzogen, gab es das Dorf nicht mehr. Doch in den alten Sagen, die man sich in Frankfurt und der Umgebung manchmal erzählt, spricht man noch heute von dem sagenhaften Fremden, der ein Brot hatte, welches die Bürger vor der Pest rettete.
Ja, und manchmal glaubt man, aus der Ferne sogar eine seltsame Stimme zu hören, die ein leises Liedchen singt:
Sieh, er hat euch nicht geholt
Der Allmächtige ist fort
Alles ist, wies immer war
Sonne scheint so hell und klar
So, wies Gott für euch gewollt
Es war kurz nach Weihnachten. Mich hatte eine ziemlich heftige Grippe erwischt und ich lag fiebernd im Bett.
Schon, wenn ich aufstand, um etwas zu trinken, fühlte ich mich derart geschwächt, dass ich mich kaum aufrecht halten konnte. Neben meinem Bett hatte ich einen kleinen Nachttisch, worauf ich einige süße Leckereien gelegt hatte. Auf diese Weise erhoffte ich mir, etwas Appetit zu bekommen. Doch es half nichts. Ich fühlte mich schlecht und hatte keinen Appetit. Auch ein großer Schokoladenweihnachtsmann stand auf dem Schränkchen. Immer, wenn die Sonne durch die Jalousien hereinblinzelte, schillerte die Goldfolie, in dem der Weihnachtsmann eingehüllt war, in allen Farben. Lange schaute ich ihn an und eines Abends versuchte ich mein Glück – ich aß ihn auf.
Obwohl er sehr gut schmeckte, fühlte ich mich doch noch schlechter als sonst. Jetzt kam auch noch die Übelkeit hinzu, welche die Schokolade erzeugte. In der darauf folgenden Nacht bemerkte ich ein seltsames Geräusch. Es rasselte und klapperte und dann hörte es sich an, als ob jemand durch meine Wohnung schlich. Mir war noch immer furchtbar übel von der Schokolade und ich fühlte mich alles andere als stark. Dennoch stand ich auf und schlich durch die Zimmer. Und tatsächlich… erschrocken entdeckte ich, dass die Wohnungstür aufgehebelt war. Der Einbrecher hatte sie angelehnt, wohl, damit ich es nicht sofort bemerkte. Am Ende des langen Korridors war das klappernde Geräusch am lautesten. Dort vermutete ich den Einbrecher. Leise schlich ich dorthin. Eigentlich konnte ich mich kaum noch auf den Beinen halten. Im Hals krabbelte es und ich fühlte mich fiebrig und schwach. Der Gauner wühlte in einer Kommode herum, erhoffte sich dort vermutlich Geld oder Wertgegenstände.
Es war ein großer stattlicher Mann, der mir kräftemäßig ganz sicher haushoch überlegen sein musste.
Was dann geschah, erscheint mir noch heute wie ein furchtbarer Albtraum. Ich riss die Tür auf und stellte mich dem Einbrecher in den Weg. Der wollte sich auf mich stürzen und zog ein Messer aus der Jackentasche. In diesem Augenblick fühlte ich etwas Hartes in meiner Hand. Es sah aus wie eine goldene Kugel. Ich holte aus und schlug damit auf den Einbrecher ein. Der verlor das Gleichgewicht und fiel um. Schnell lief ich zum Telefon und rief die Polizei. Da sich gerade ein Streifenwagen in der Nähe meines Hauses befand, kamen sie sehr schnell. Sie nahmen den Einbrecher fest und einer der Beamten sagte dann mit besorgtem Gesicht: „Da haben Sie aber großes Glück gehabt. Der Mann ist heute Morgen aus der Justizvollzugsanstalt ausgebrochen. Er ist ein mehrfach vorbestrafter Serientäter. Früher war er wohl mal Boxer und niemand konnte ihn bisher festhalten. Im letzten Jahr hatte er sogar einen Juwelier erschlagen.“ Ich konnte mein Glück kaum fassen. Ich erinnerte mich, dass ich wohl etwas in der Hand gehalten haben musste, als ich zuschlug. Ich suchte das gesamte Zimmer ab. Und unter einem Schrank entdeckte ich schließlich eine große goldfarbene Kugel. Verblüfft hob ich sie auf und betrachtete sie neugierig. Sie musste aus Metall bestehen, so schwer, wie sie war. Auf dem goldfarbenen Überzug war eine Schrift eingemeißelt: „A MARRY CHRISTMAS, PETER“
Ich konnte mich nicht daran erinnern, so etwas je besessen zu haben. Sollte der Einbrecher vielleicht… unmöglich! Als ich zu meinem Bett zurückkehrte, wollte ich das Goldpapier meines Schokoladenweihnachtsmannes wegräumen. Ich nahm die Folie und stutzte: In der Hand des Weihnachtsmannes lag eine große goldene Kugel. Doch das war nicht das Verrückteste an der Sache. Vielmehr war es die Aufschrift, die auf der Kugel glänzte:
Sabine las für ihr Leben gern Krimis. In jeder freien Minute zog sie sich zurück und las. Nachts konnte sie nicht eher einschlafen, bis sie den angefangenen Krimi zu Ende gelesen hatte. An einem wunderschönen Maitag saß sie mal wieder im kleinen Park hinter dem Haus und hatte sich einen neuen Krimi mitgenommen. Gern saß sie hier draußen. Im Sommer konnte man hier in aller Ruhe lesen oder den zwitschernden Vögeln lauschen. Als sie einige Zeilen gelesen hatte, fiel ihr auf, dass die Hauptperson des Krimis ebenfalls in einem Park saß. Sogar das Zwitschern der Vögel und die lindgrün angestrichenen Bänke wurden genau so geschildert, wie sie wirklich waren. Sabine musste schmunzeln. Was für eine Ähnlichkeit. Als die Hauptperson jedoch ebenso geschildert wurde, wie sie selbst war, wurde sie nachdenklich. Sogar die Namen glichen sich. Wie konnte das sein? Sie schaute sich das Buch von allen Seiten an, doch der Autor war nirgends vermerkt. „Sei es drum!“, sagte sie leise und las weiter. Es wurde geschildert, wie aus einem Busch ein dunkel gekleideter Mann sprang und beinahe eine vorbeilaufende Person anfiel… Sabine konnte nicht mehr weiter lesen.
Zu aufgeregt war sie in diesem Moment. Ein wenig ängstlich schaute sie sich um. Das Zwitschern der Vögel schien verstummt. Nur aus der Ferne vernahm sie leises Donnergrollen.
Dunkle Wolken zogen auf und leichter Regen setzte ein. Zwar hatte sie immer einen Schirm dabei, doch hatte sie keine Lust, noch länger hier zu sitzen. Schnell stand sie auf und wollte zum Haus zurücklaufen. Da entdeckte sie einen dunklen Schatten hinter einem mannshohen Busch. Als sie näher kam, sah sie einen fremden Mann in einem schwarzen Mantel. Sofort dachte sie an ihren Krimi. War da nicht jemand hinterm Busch hervor gesprungen? Hätte sie nur weiter gelesen, dann wüsste sie, was zu tun wäre… Der Fremde schien nur auf sie gewartet zu haben. Wie der Blitz sprang er hervor und baute sich vor Sabine auf. „Was wollen Sie von mir?“, fragte sie mit zittriger Stimme. Der Fremde reagiert nicht, starrte sie regungslos in einem Fort an. Langsam näherte er sich und schien etwas aus der Tasche zu ziehen. Sabine erschrak… es war ein Messer! Nun schien ihr alles egal. „Da vorn, da ist was passiert!“, schrie sie laut. Der Fremde fuhr herum! Auf diese Chance hatte Sabine nur gewartet. Sie nahm ihren Krimi, holte aus und schlug dem vermeintlichen Gauner mit aller Kraft das Buch auf den Kopf. Benommen sank der zu Boden. Wie von Hunden gehetzt, rannte Sabine davon. Glücklicherweise war es nicht so weit bis zum Haus. Mit flatternden Händen schloss sie die Haustür auf und rannte die drei Stufen hoch bis zu ihrer kleinen Wohnung in der dritten Etage. Dort verbarrikadierte sie sich und blieb minutenlang regungslos hinter der Tür stehen. Atemlos lehnte sie an der Wand. Ihr war übel und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus. Vorsichtig tapste sie zum Fenster. Von hier aus konnte sie den Park sehen. Doch von dem rätselhaften Fremden fehlte jede Spur. Auch das Treppenhaus schien menschenleer. Total erschöpft setzte sie sich auf ihr Sofa. Sie musste erst einmal tief durchatmen, bevor sie überhaupt wieder denken konnte. Dann bereitete sie sich einen heißen Tee und nahm sich noch einmal den seltsamen Krimi zur Hand. Sie wollte unbedingt wissen, wie es für die Hauptperson weiter ging. Starr vor Schreck las sie noch einmal all die Erlebnisse, welche sie soeben selbst durchlebt hatte. So etwas konnte doch nicht möglich sein. Was ging hier nur vor? Glücklicherweise stieß der Romanfigur nichts zu. Sie hätte ja nie wieder ihre Wohnung verlassen können. Auf der letzten Seite fand sie endlich den Namen des Autors und mit Schaudern las sie, was dort stand: Sabine Schulz! Es war ihr Name!
Tom und Nancy lebten seit Jahren in einem alten Haus weit draußen auf dem Lande. Nancy war schwer krank, und als sie starb, sah er es zum ersten Mal. Gerade als der Sarg in der Tiefe verschwand, bemerkte er eine seltsame Nebelwolke, die aus der Grube stieg. Sie erhob sich bis in den weiten Himmel hinein. Tom schaute ihr lange hinterher und glaubte plötzlich die Worte: „Ich werde Dich ewig lieben“ darin zu erkennen. Die Trauer um Nancy war so groß, dass er glaubte, niemals über diesen Verlust hinwegzukommen. Die schlimmsten Ahnungen und Albträume plagten ihn in so mancher Nacht. Mitternächtliche Geräusche und Schatten, die von einem Zimmer ins andere flogen, versetzten ihn in Angst und Schrecken. Schließlich glaubte er, verrückt zu werden. Eines Tages hatte er den Spuk endgültig satt. Er wollte das Haus verkaufen und in die Stadt ziehen. Irgendwie musste er über Nancys Tod hinwegkommen. So beauftragte er einen Makler, der mit dem Verkauf des Hauses beauftragt wurde.
Die ersten Interessenten kamen und das Unheil nahm seinen Lauf. Mal klapperte es in den Zimmerwinkeln, mal verschoben sich Möbelstücke wie von Geisterhand von einer Ecke in die andere… Irgendwann kam niemand mehr und Tom musste wohl oder übel in dem alten Haus wohnen bleiben. In einer schwülen Gewitternacht geschah schließlich das Unglaubliche. Tom konnte mal wieder nicht schlafen. Immerzu hatte er Nancys Gesicht vor Augen und dicke Tränen rannen ihm übers Gesicht. Plötzlich brach eine heftige Windböe die Fenster des Schlafzimmers auf und eine weiße Nebelwolke breitete sich im Raum aus. Tom bekam es mit der Angst zu tun und verkroch sich unter seinem Bett. Die Nebelwolke formte sich zu einem Wort, schließlich zu einem Satz: „Geh in den Keller! Sofort!“, las Tom und spürte, wie die eisige Kälte des Nebels durch seinen dünnen Schlafanzug drang. Draußen wütete das Gewitter und drohte, alles zu zerstören. Solch ein heftiges Gewitter hatte Tom noch nie erlebt.
War es seine Angst vor dem Gewitter oder die vor der vermeintlichen Nebelwolke. Jedenfalls kroch er aus seinem Versteck, suchte sich eine Decke aus dem Schrank und verschwand in den Keller. Gerade hatte er die Kellertür hinter sich abgeschlossen, da vernahm er einen lauten Knall von draußen. Es knisterte und knackte eine Weile, dann wurde es mucksmäuschenstill. Tom hatte sich in seine Decke eingewickelt und traute sich nicht, die Tür zu öffnen. Glücklicherweise hatte er seine Armbanduhr dabei. So wusste er wenigstens, wie spät es gerade war. Todmüde legte er sich auf ein altes Sofa und schlief ein. Und welch Wunder… das erste Mal seit Jahren konnte er wieder schlafen. Und er hatte gut geschlafen, sehr gut sogar. Irgendwann erwachte er und schaute auf die Uhr… es musste früh am Morgen sein. Die Uhr zeigte 8 Uhr. Vorsichtig schlich er an die Tür und horchte. Draußen schien es ruhig zu sein. Er schloss auf, doch was er dann sah, schockierte ihn so sehr, dass er die Tür beinahe wieder geschlossen hätte. Das ganze Haus war bis auf die Grundmauern abgebrannt.
Erschüttert lief er durch die verkohlten Trümmer seiner ehemaligen Bleibe. Über dem Trümmerhaufen schwebte eine weiße Nebelwolke. Tom erschrak… sie formte sich und es erschienen Worte in der Luft: „Melde den Schaden. Dann wirst Du Glück haben.“ War das ein Zeichen? Vielleicht von Nancy? Tom schien schon alles egal zu sein. Im Keller hatte er noch einige alte Kleider. Die zog er sich über und fuhr in die Stadt. Dort meldete er den furchtbaren Schaden bei der Versicherung. Er erhielt eine beachtliche Summe, denn Nancy hatte vor ihrem Tode eine hohe Versicherung auf das Haus abgeschlossen. Sämtliches Mobiliar war darin eingeschlossen. Tom musste nur noch die Versicherungspolice finden. Doch wie sollte das möglich sein, es war ja alles verbrannt. Gutachter fanden heraus, dass das Haus von einem Blitz getroffen wurde. Und seltsamerweise hatte Nancy das Haus einzig und allein vor Blitzschlag versichern lassen. Merkwürdig war, dass eine Kassette, die sich im Haus befand, von dem Brand verschont wurde. Es war die Kassette, in welcher sich der gesamte Schmuck und die gesuchte Versicherungspolice von Nancy befanden. Und das aller Seltsamste daran war, dass sie aus Holz bestand…
Jim und Sandra Miller lebten seit einem Jahr in ihrem neuen Haus am Rande der Stadt. Es war ein wahrhaft wundervolles Holzhaus, wofür sich die beiden entschieden hatten. Sogar das Rauschen des Meeres konnte man von hier aus hören. Doch das Glück und die Freude über das neue Haus währten nicht lange. Jim verlor seine Arbeit und Sandra wurde krank. Lange rätselte man über Sandras Krankheit. Als Jim schließlich die alten Stilmöbel verkaufen musste, sah er es: Hinter den Schränken wucherte der Schwamm. Und das Unglück schien sich im Haus festzubeißen. Überall entstanden Risse und Spalten im Haus. Schließlich mussten sie ausziehen. Zu groß wurden die Schäden und zu gefährlich war es, noch länger in dem Haus zu bleiben. Vom letzten Geld beauftragten sie einen Gutachter. Der stellte fest, dass die Baufirma gepfuscht hatte. Man hatte beim Bau billiges und minderwertiges Material verwendet. Abgerechnet jedoch wurde das teure, hochwertige Material. Die Millers waren total bankrott. Der Fall kam vor Gericht und der Bauunternehmer, ein gewisser Kevin Lockermann, drehte und wendete sich vor dem Richter, wie es kaum vorstellbar schien. Er log buchstäblich das Blaue vom Himmel herunter. Er behauptete sogar, dass es nicht seine Firma gewesen sei, die die Arbeiten erledigt hätte. Und schon gar nicht handelte es sich um sein Baumaterial. Der Richter konnte ihm am Ende die Schuld nicht beweisen und das Verfahren wurde eingestellt. Damit blieben die Millers nicht nur auf den Bauschulden sitzen, sie mussten nun auch noch die nicht unerheblichen Gerichtskosten tragen. Die beiden wussten nicht mehr, wie es weiter gehen sollte. In der Nacht nach der Verhandlung hatte Jim einen seltsamen Traum. Er sah, wie das ganze Haus in sich zusammenstürzte. Und er sah eine fremde Frau, die sich aus den Trümmern erhob… sie war von den schweren Verletzungen grässlich entstellt. Dann zeigte sie auf einen dicken Mann, der plötzlich auftauchte, es war Kevin Lockermann! Schweißgebadet erwachte Jim. Er spürte, wie sein Herz bis zum Halse schlug. Wer war diese Frau? Dieses Gesicht… von irgendwoher kannte er es! Am nächsten Tag begannen die beiden, die restlichen Dinge im Haus zusammenzupacken. Dabei fiel Jim eine alte Illustrierte in die Hände. Gerade wollte er sie auf den Altpapierstapel legen, da stutzte er! Auf der Titelseite entdeckte er eine Frau… sie kam ihm sehr bekannt vor! Plötzlich erinnerte er sich an seinen Traum… die Frau auf dem Titelblatt war die Frau aus seinem Traum. Neugierig las er den darunter stehenden Artikel. Die Unbekannte hieß Sarah Klugman, eine Schmuckhändlerin aus Oklahoma. Seit einiger Zeit wurde sie vermisst. Unter dem Artikel hatte man ihre persönlichen Gegenstände abgebildet. Jim wollte die Illustrierte weglegen, da fiel sein Blick auf ein Foto von Lockermann. Der wurde in einem kleinen Artikel darunter als erfolgreicher Baulöwe gefeiert. Am Handgelenk hatte er ein dickes goldenes Armband. Jim hätte sich nicht über den protzenden Auftritt des Betrügers gewundert, wenn ihm nicht zufällig ein bestimmtes Detail aufgefallen wäre. An dem goldenen Armband hing etwas. Es sah aus wie ein vergoldeter kleiner Kopf. Jim schaute genauer hin. Er hatte einen Verdacht. Und tatsächlich! Das Armband ähnelte verblüffend dem, welches der Schmuckhändlerin gehörte. Auch am gesuchten Armband der Schmuckhändlerin hing ein goldener Kopf. Wie konnte das sein? Ein Irrtum? Sollte er mit seiner Erkenntnis zur Polizei gehen? Was, wenn er sich irrte? Würde sich der Betrüger an ihm und seiner Familie rächen? Er beschloss, Sandra nichts von seinem Verdacht zu erzählen und die Sache noch einmal zu überschlafen. In der folgenden Nacht wurden die beiden durch lautes Sirenengeheul geweckt. Ganz in der Nähe musste etwas passiert sein. Sandra stand auf und schaute aus dem Fenster ihrer Notunterkunft. Nicht weit entfernt, am Ende der Straße befand sich ihr Haus. Sollte dort etwa…? Die beiden zogen sich etwas über und rannten hinaus. Jim sah es als Erster: Ihr Haus war eingestürzt, genau so wie in seinem Traum.
Ein Kälteschauer lief ihm über den Rücken. Die beiden eilten zur Unglücksstelle. Dort bot sich ein furchtbares Bild der Verwüstung. Ihr Holzhaus brannte lichterloh und überall lagen Balken und Splitter herum.
Jim bückte sich, wollte einen Balken wegziehen. Da entdeckte er ein Siegel im Holz. Es war das Siegel von Lockermanns Baufirma. Der Fall wurde neu aufgerollt. Bei der späteren Verhandlung stellte sich heraus, dass es sich ausschließlich um Lockermanns Baumaterial handelte, welches man an der Unglücksstelle fand. Alle Bruchstücke, die man sicherstellen konnte, trugen das Siegel seiner Firma. Es wurde herausgefunden, dass das Haus wegen erheblicher Baumängel eingestürzt war. Die Millers erhielten ihr gesamtes Geld zurück und obendrein noch eine hohe Entschädigung, welche der Richter festlegte. Und noch etwas ganz entdeckte man im Zuge der Ermittlungen: Unter den Trümmern des Hauses fand man die Leiche der Schmuckhändlerin! Sie war in die Bodenplatte des Hauses einbetoniert. Wer sie umgebracht hatte, konnte schnell herausgefunden werden: Es war Lockermann! Er trug das Goldarmband der Toten, ein Goldarmband mit einem vergoldeten Kopf. Lockermann war ihr Geliebter und sie hatte das Abbild seines Kopfes in verkleinerter Form in Gold gießen lassen, welchen sie immer an ihrem Armband trug…
Toni besaß eine kleine Bar. Immer erst sehr spät in der Nacht beendete er seinen Dienst und fuhr dann mit der U-Bahn nach Hause. Auch an seinem 40sten Geburtstag musste Toni arbeiten. Doch es war so wie immer. Gegen drei Uhr in der Nacht schloss er die Bar und fuhr mit der Rolltreppe hinunter zur U-Bahn-Station. Und wie immer begegnete er dort nicht sehr vielen Leuten. Nur zwei junge Frauen warteten auf ihren Zug. Toni wartete eine ganze Weile, doch der Zug kam einfach nicht. Unterdessen erschienen zwei betrunkene Männer und pöbelten laut auf dem Bahnsteig herum. Sie warfen Bierdosen umher und schlugen mit ihren Fäusten auf einen Zeitungskiosk ein. Toni wusste, wie gefährlich es werden konnte, wenn man sich einmischte. Dennoch war er ein couragierter junger Mann. Als sich die beiden schließlich die Frauen aufs Korn nahmen, lief er zu ihnen und forderte sie mit energischer Stimme auf, die Frauen in Ruhe zu lassen. Das jedoch ließen sich die Männer nicht gefallen.
Sie brüllten in an, dass er sich verziehen sollte, sonst bekäme er eine ordentliche Tracht Prügel. Toni ließ sich nicht beirren, stellte sich einfach dazwischen. Plötzlich geriet die Situation außer Kontrolle. Einer der Männer verpasste Toni einen solchen Schlag, dass er taumelnd auf die Gleise fiel. Im selben Moment kam der Zug. Wie aus dem Nichts tauchte urplötzlich eine Person auf, stellte sich vor den Zug und stemmte sich gegen ihn. Blitze zuckten, dann kreischten die Bremsen, schließlich erloschen die Scheinwerfer. Kurz vor Toni kam der Zug zum Stehen. Der Fremde drehte sich um. Es musste einer der herumlungernden Obdachlosen sein, die in zerlumpter Kleidung auf den Bahnsteigen herumirrten. „Geht es Ihnen gut?“, fragte der Fremde mit leiser Stimme. Toni, der noch immer nicht begriffen hatte, was da ablief, erhob sich stöhnend und betrachtete sich von oben bis unten. Es schien alles in Ordnung zu sein. Nicht einmal seine Kleidung schien beschmutzt zu sein. Der Fremde half ihm auf den Bahnsteig zurück. Dort standen noch immer die beiden Frauen und hielten sich entsetzt ihre Hände vors Gesicht. Jetzt kam auch der Zugführer aus seiner Kanzel gestürmt. Wie ein Wasserfall und noch unter Schock stehend redete er auf Toni ein. Sogar die beiden geflohenen Männer konnte er genau beschreiben. Doch das musste er nicht mehr tun. Von der Rolltreppe näherten sich zwei Polizeibeamte und führten die beiden betrunkenen Männer an Handschellen mit sich. „Da haben Sie aber Glück gehabt“, meinte einer der Beamten, „Die beiden suchen wir schon lange. Sie haben heute einen Nachtklub überfallen und sind geflüchtet. Nur gut, dass der Obdachlose rechtzeitig zur Stelle war.“ Toni schaute sich um… welcher Obdachlose? Erst jetzt bemerkte er, dass der Fremde nicht mehr auf den Schienen stand. Auch auf dem Bahnsteig konnte er seinen Retter nicht entdecken. Aufgeregt befragte er den Zugführer nach dem Fremden. Doch der verneinte. Vielmehr meinte er, dass da außer Toni gar niemand gewesen sei. Er habe einen heftigen Stoß gespürt, als sei die Bahn gegen einen Prellbock gerast. Dann funktionierte gar nichts mehr und der Zug blieb sofort stehen. Toni starrte den Zugführer mit offenem Mund an. Was ging hier vor? Auch die beiden jungen Frauen hatten keine andere Person außer Toni auf den Gleisen bemerkt. Als sie sahen, wie einer der betrunkenen Männer auf Toni einschlug, wollten sie ihn festhalten. Doch es war bereits zu spät. Als der Zug erschien, rechneten sie schon mit dem Schlimmsten.
Die Beamten führten die beiden Männer ab. Toni erholte sich langsam wieder und fuhr nach Hause. Als er seinen Briefkasten öffnete, fiel ihm schon die zahlreiche Post entgegen. In seiner Wohnung öffnete er die Post und freute sich über die vielen Glückwünsche. Eine Geburtstagskarte jedoch weckte sein besonderes Interesse: Seine Mutter hatte ihm eine wunderschöne Karte geschrieben. Doch es waren nicht allein ihre Worte, welche Toni die Tränen in die Augen stiegen ließen. Vielmehr war es das Bild, welches auf der Karte abgedruckt war. Es zeigte einen lächelnden Engel, Toni erkannte ihn sofort: Es war der Fremde aus der U-Bahn-Station!
Das erste Mal, als ich sie in einem „Mystik-TVSender“ sah, fand ich sie toll. Eine blonde sehr gut aussehende junge Frau. Eine geheimnisvolle Hellseherin! Sie war ein Typ, zu dem wohl jeder Mann sofort Vertrauen haben würde. Damals hatte ich große Schwierigkeiten. Ich kam mit meinem Leben nicht mehr zurecht. Astrologie und Wahrsagerei suggerierten mir ein, das Leben leichter werden zu lassen. Ja, ich klammerte mich sogar an diese Dinge. Dabei merkte ich gar nicht, wie abhängig ich von all diesem mysteriösen Zauber wurde. Und eines Tages wollte ich die Hellseherin aus dem Fernsehen besuchen. Ich wollte mir persönlich von ihr die Zukunft voraussagen lassen. Sie lebte in Berlin und nannte sich Carina. Per Vorauskasse hatte ich die Gebühren bereits entrichtet und einen Termin vereinbart. Am vereinbarten Tag fuhr ich schon sehr zeitig los. Es war ein schöner Sommertag. Die Autobahn war nicht so stark befahren, wie ich es anfangs dachte. Und die ersten Kilometer ging auch alles glatt. Als ich jedoch dem Ziel schon sehr nahe war, streikte plötzlich der Motor. Ich schaute auf die Benzinanzeige… doch Sprit war noch genügend im Tank. Mir schwante nichts Gutes. Ich schaffte es gerade noch auf einen einsam gelegenen Parkplatz. Er lag in einem kleinen Wäldchen und lud zum Verweilen ein. Doch ich konnte diese Ruhe nicht so recht genießen. Zu schwer lagen mir der Termin, mein bereits gezahltes Geld und mein stotterndes Auto im Magen. Ich stieg aus und schaute erst einmal nach den Zündkerzen. Allerdings wurde mir immer bewusster, dass ich als Laie wohl wenig tun konnte. Aufgeregt und hektisch suchte ich nach meinem Handy. Doch in der Eile musste ich es wohl zu Hause vergessen haben. „Schöne Bescherung!“, rief ich laut, „So ein Mist!“ Ich setzte mich auf eine Bank und überlegte. Nicht einmal den Termin konnte ich absagen. Und das Geld schien für immer verloren. Als ich mich immer mehr in mein vermeintliches Unglück hinein steigerte, klopfte mir jemand auf die Schulter. Erschrocken fuhr ich herum. Hinter mir stand eine junge blonde Frau. Sie sah beinahe so aus wie die Hellseherin aus dem Fernsehen. Geheimnisvoll lächelte sie mich an und setzte sich zu mir. „Was für ein Zufall“, sagte sie dann. „Du wolltest doch heute zu mir kommen.“ Jetzt wusste ich es genau - es war die Hellseherin aus dem Fernsehen! Völlig verdutzt starrte ich sie an. Wie konnte das nur sein? Hatte sie etwa gewusst, dass ich hier festsaß? Aber woher? Meine wirren Gedanken wurden jäh unterbrochen. Mit sanfter Stimme sprach sie: „Ich habe geahnt, dass Du zu mir unterwegs bist. Schließlich bin ich ja Hellseherin.“ Als sie plötzlich einige Geldscheine auf die Bank legte, wunderte ich mich noch viel mehr. „Hier gebe ich Dir erst einmal Deine Beratungsgebühr zurück“, sagte sie dann. „Du konntest ja nicht zu mir kommen. Bewahre das Geld so lange in Deiner Börse, bis Du wieder zu Hause bist. Und glaube mir, Du darfst Dich nicht fürchten. Es wird alles so sein, wie es für Dich am besten ist. Du musst nur Geduld haben. Doch jetzt muss ich fort. Wir werden uns nicht mehr sehen, adieu.“ Ich verwahrte das Geld in meiner Geldbörse. Als ich wieder aufschaute, war sie verschwunden. So sehr ich auch nach ihr suchte, nirgends konnte ich sie entdecken. Irritiert stieg ich in meinen Wagen und welch Wunder, er sprang sofort an. Wie sie es mir riet, fuhr ich wieder nach Hause. Als ich wenig später das Geld aus meiner Brieftasche holen wollte, staunte ich nicht schlecht. Aus den hundert Euro waren in der Zwischenzeit 100.000 Euro geworden. Hatte sich die Hellseherin verzählt? Oder war es Falschgeld? Das Geld war echt! Ich zahlte es auf mein Bankkonto ein und bezahlte davon die Erstauflage meines Romans. Das Buch wurde ein unglaublicher Erfolg. Ein halbes Jahr später rief ich bei dem „Mystik-TVSender“ an, um mich bei der Hellseherin zu bedanken.
Doch als ich ihren Namen sagte, wurde die Stimme am anderen Ende sehr ernst. Die besagte Helleseherin arbeitete schon seit fünf Jahren nicht mehr bei diesem Sender. Sie war damals bei einem schweren Autounfall ums Leben gekommen. Ein geistig verwirrter Mann hatte sie auf einem einsamen Rastplatz an der Autobahn heimtückisch erstochen. Es war genau der Rastplatz, an dem ich die rätselhafte junge Frau getroffen hatte…
Seit Jahrzehnten besaß ich mein kleines Bestattungsinstitut. Eigentlich wollte ich schon längst in Pension gehen. Doch ich fand keinen richtigen Nachfolger. So blieb ich eben noch und es sah so aus, als ob ich bis zu meinem eigenen Tode dort arbeiten müsste. Viel, sehr viel hatte ich schon erlebt in meinen dreißig Dienstjahren. Doch das, was sich an jenem Freitagabend ereignete, werde ich wohl niemals vergessen. Wie vor jedem Wochenende schloss ich auch an diesem Freitagabend das Institut ab. Und wie jeden Abend trottete ich noch einmal in die kleine Kneipe gegenüber des Instituts. Plötzlich klingelte mein Handy. Es meldete sich ein Herr, der meinte, ich müsste noch einmal ins Institut kommen. Man würde noch einen Toten vorbeibringen. Was sollte ich tun, ich zog mich an und ging zurück zum Institut. Es hatte zu regnen begonnen und zunächst konnte ich es nicht richtig erkennen. Vor der Tür stand eine schwarze Kutsche. Auf dem Kutschbock erkannte ich einen Mann. Regungslos saß er da und schwieg. Doch es wurde noch viel mysteriöser. Als ich vor der Kutsche stand, stieg er schließlich stöhnend zu mir herunter. Er war seltsam gekleidet, trug eine lange schwarze Kutte und hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Als er aufblickte, starrten mich zwei rot unterlaufene Augen an. Erschrocken wich ich einen Schritt zurück. Urplötzlich lief mir eine Gänsehaut über den Rücken. Auch spürte ich eine rätselhafte Kälte, die von dem Alten ausging. Wortlos lief er nach hinten und zog einen Sarg hervor. Ich half ihm, den Sarg ins Institut zu tragen. Der Alte wollte, dass ich alle Kerzen anzündete. Ich öffnete den Sarg, um den Toten für die Bestattung vorzubereiten. Bei all meinen Arbeiten half mir der Alte, wo er nur konnte. Er sprach nicht sehr viel. Doch was er sagte, hörte sich monoton und einsilbig an. Ehrlich gesagt hatte ich nur einen Gedanken: Nur schnell fertig werden, damit ich diesen merkwürdigen Alten endlich los würde. Dieser jedoch ließ sich Zeit, wollte den Sarg mit dem Toten gleich wieder mit nehmen. Ich wollte die Papiere sehen. Der Alte legte etwas, das so aussah wie ein Formular, auf den Tisch. Dann trugen wir den Sarg gemeinsam hinaus zur Kutsche. Schweigend stieg der Alte auf den Kutschbock und die Kutsche verschwand im Nebel so plötzlich, wie sie aufgetaucht war. Am nächsten Tag wollte ich die Unterlagen zum Friedhof bringen.
Dort jedoch zeigte man sich ahnungslos. Ein Toter mit diesem Namen sei nicht für eine Beerdigung vorgesehen. Ich verstand nicht, was das zu bedeuten hatte. Ich hatte den Toten leibhaftig vor mir gesehen. Tage später löste sich das Rätsel auf. In einer Tageszeitung entdeckte ich einen seltsamen Artikel. Darin wurde nach einem verschwundenen Mann gesucht. Man schrieb, dass er in seiner Wohnung einen Abschiedsbrief hinterlassen hatte. Darin stand, dass er seine Seele dem Teufel verschrieben habe. Darunter erkannte man einen blutigen Fingerabdruck. Über dem Artikel war ein Foto des Mannes abgebildet: Es war der Tote aus der Kutsche. Doch wer war der mysteriöse Alte in der schwarzen Kutte…?
Nach der Wende in Ostdeutschland wurden Dutzende Häuser saniert. Viele Menschen erhielten auf diese Weise neue und schöne Wohnungen. Auch meine Mutter erlebte auf diese Weise einen regelrechten Aufschwung. Zusammen mit der befreundeten Mieterin der darüber befindlichen Wohnung, Frau Roth, feierte sie das schier unfassbare Glück. Doch die Freude über die wunderbar hergerichtete Wohnung hielt nicht lange an. Frau Roth erkrankte urplötzlich an Krebs und starb. Nach einiger Zeit zog eine böse Frau, namens Angela ein.
Auch in die Nachbarwohnung zog eine böse Frau – sie nannte sich „Die fette Christin“ Deren Ehemänner tranken und machten so manche Nacht zum Tage. Die beiden bösen Frauen verbrüderten sich und hatten fortan nur noch ein einziges Ziel – sie wollten so schnell wie möglich meine Mutter aus ihrer Wohnung ekeln. Völlig grundlos hatten sie sich meine Mutter als Feind auserkoren und schmiedeten einen perfiden Plan nach dem anderen. Die gemeinsten Dinge dachten sie sich aus. Die betrunkenen Ehemänner bedrohten meine Mutter auf offener Straße und es schien, als ob sich die schöne Wohnung in einen Albtraum verwandelte. Immer mehr eskalierte der Hass auf meine Mutter. Schließlich musste sie Anzeigen bei der Polizei erstatten. Doch Christin und Angela lachten nur hämisch und steigerten sogar noch ihre Gemeinheiten. Kein Kraut schien gegen die beiden Hexen gewachsen zu sein. Bis zu jenem Abend, an welchem sich die beiden wünschten, niemals dort eingezogen zu sein. Wie jeden Abend hockten Angela und Christin zusammen und sannen sich neue Boshaftigkeiten gegen meine Mutter aus. Dabei leerten sie mehrere Flaschen Sekt.
Als ihre beiden Männer bereits volltrunken in den Betten lagen, verabschiedete sich Angela von Christin mit einem Kuss auf die Stirn. Als sie daraufhin in ihre Wohnung zurück torkelte, fiel plötzlich das Licht im Treppenhaus aus. Ein dumpfes Grollen, welches aus dem Keller kommen musste, erfüllte das Haus. Und eine Stimme raunte: „Der Mond zieht über dieses Haus und wirft die bösen Menschen raus…“ Es war die Stimme der verstorbenen Mieterin.
Angela hatte sich zwar tüchtig erschrocken. Doch ihre Eiseskälte siegte schließlich über den vermeintlichen Spuk. Sie tastete sich in ihre Wohnung und wollte nur noch ins Bett. In der Dunkelheit übersah sie, dass sich die Deckenleuchte gelöst hatte und herunter gefallen war. Angela kam nicht mehr dazu, den Lichtschalter in der Wohnung zu betätigen. Sie stolperte über die herumliegende Lampe und fiel. Instinktiv wollte sie sich am herunterhängenden Kabel festhalten. Aber das stand unter Strom… Zur gleichen Zeit wollte nun auch „Die fette Christin“ in ihr Bett. Doch der viele Sekt hatte sich auf ihren Magen gelegt. Total k.o. betrat sie das Badezimmer. Weil ihr Kreislauf stark schwankte, hielt sie sich an der Wanne fest.
Allerdings hatte ihr Ehemann, bevor er zu Bett ging, im Vollrausch noch ein Bad genommen. Danach hatte er vergessen, das Wasser herauszulassen. Kopfüber fiel Christin in die randvoll mit Wasser gefüllte Wanne. Weil es ihr übel war und sie obendrein an extremem Übergewicht litt, konnte sie sich nicht mehr befreien und ertrank. Am nächsten Morgen wurde sie von ihrem Ehemann tot im Wasser aufgefunden. Das musste wohl zu viel für ihn gewesen sein. Er bekam einen Herzinfarkt und verstarb. Angelas Ehemann konnte sich die Miete für die Wohnung allein nicht mehr leisten und zog Tage später aus. Als meine Mutter eines Abends in ihrem Bettchen lag, vernahm sie eine ihr sehr bekannte Stimme. Sie sang: „Ewig sollt ihr Frieden haben. Lebt jetzt froh in Ruh und Glück. Und ich denk an manchen Tagen an die schöne Zeit zurück.“ Es war die Stimme von Frau Roth, die vor Jahren verstorben war…
Es war eine schwere Zeit. Seit dem Tode meines Mannes war nichts mehr wie sonst. Die ganze Situation erschien mir schwierig und ich glaubte, sie nicht mehr meistern zu können.
Darum ging ich sehr oft spazieren. Nahezu jeden Tag trieb es mich hinaus. Es fiel mir sehr schwer, über das Vergangene und die wunderschöne Zeit mit John nachzudenken. Ich konnte einfach nicht akzeptieren, warum er mir so früh genommen wurde. Diese unbeschreibliche Leere in meinem Kopf war kaum auszuhalten und ich spürte, wie meine Kräfte von Tag zu Tag nachließen. Auch an jenem Samstag trieb es mich wieder hinaus. Es war ein regnerischer Herbsttag. Ich zog meine dicke Lederjacke über und machte mich auf den Weg. Wie immer ging ich in den nahe gelegenen kleinen Wald. Der Weg war vom Regen aufgeweicht. Und ich hatte große Mühe weiter zu laufen. Doch zum Umkehren hatte ich auch keine Lust. Ich hatte Angst vor der Einsamkeit und vor dem alltäglichen Einerlei, welches zu Hause auf mich wartete. Obwohl mich der kalte Regen bis auf die Haut durchnässte, lief ich immer weiter. An einer Schonung blieb ich schließlich stehen. Ich setzte mich auf einen morschen Baumstumpf und wischte mir das Regenwasser aus dem Gesicht. Wie aus dem Nichts stand plötzlich ein alter Mann vor mir. Natürlich erschrak ich mich fürchterlich. Doch der Alte sprach mit einer bemerkenswert ruhigen Stimme zu mir: „Keine Angst junge Frau, wenn Sie wollen, reden wir ein bisschen.“ Mir war zwar das plötzliche Erscheinen des alten Mannes unangenehm.
Aber da ich noch nicht heimgehen wollte, kam mir dieser Gesprächspartner gerade recht. Ich schaute ihn lange an und entschloss mich schließlich, ihm alles zu erzählen, was mich in den letzten Tagen und Wochen so schwer auf der Seele lag. Der Alte hörte mir geduldig zu. Irgendwie fühlte ich mich in seiner Gegenwart sicher und geborgen. Ich kann es gar nicht erklären. Aber dieser Mann strahlte eine unglaubliche Ruhe aus. Er saß auf einem Stein und schaute mich an. Sein Blick war besorgt und doch wieder sehr verständnisvoll. Auch hatte der Regen aufgehört und die Sonne blinzelte zwischen den Zweigen der Tannen hindurch. Irgendwann konnte ich nicht mehr weiter erzählen. Tränen rannen mir über das Gesicht. Der Alte nahm behutsam meine Hand und sagte dann: „Fürchte Dich nicht. Du bist nicht allein. John ist immer bei Dir. Ihm geht gut, wo er jetzt ist. Du musst nur ganz fest daran glauben. Dann wirst Du Dich auch nicht mehr so allein fühlen. Aber Du kannst mir glauben. Ich bin alt und habe sehr viel schon erlebt.“ Dabei drückte er meine Hand ganz fest und durch mich floss eine nie gekannte Kraft. In diesem Moment hätte ich wohl Bäume ausreißen können.
Vorsichtig zog ich meine Hand aus seiner heraus und kramte nach einem Taschentuch. Umständlich wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht. Als ich die Augen wieder öffnete, war der Alte verschwunden. Ich schaute mich nach allen Seiten um. Doch der Alte war nirgends mehr zu sehen. Auch der Regen hatte wieder eingesetzt. Ich schlug den Kragen meiner Jacke hoch und ging nach Hause. Als ich den morastigen Waldweg verließ, um auf die angrenzende Landstraße zu gelangen, musste ich an dem kleinen Friedhof, auf dem mein verstorbener Mann lag vorbei. Obwohl ich es gar nicht wollte, ging ich trotzdem noch einmal an sein Grab. Hinter seinem Grabstein stand eine große Engelsskulptur. Als ich mich zum Grab herunterbeugte, um den Stein zu berühren, fiel mein Blick auf das Gesicht des Engels. Ein heftiger Schlag durchzuckte mich. Es war das Gesicht des alten Mannes aus dem Wald.
Es schien mir zu zuzwinkern. Völlig irritiert starrte ich zu dem Engel und konnte nicht glauben, was ich da sah. Aber ich spürte wieder diese Kraft, genau so wie im Wald, als der Alte meine Hand hielt. Und diesmal weinte ich nicht an Johns Grab. Ich stand vor dem Stein und sagte ganz leise: „John, ich werde es schaffen! Ich weiß, dass Du es so gewollt hättest. Ich werde stark sein, ich schwör´s Dir!“ Noch einmal schaute ich zu dem Engel hinüber. Der hatte seine Augen geschlossen und stand zufrieden auf seinem steinernen Sockel. Und in diesem Augenblick wusste ich, dass es richtig war, nicht aufzugeben. Seit diesem Tage verlief mein Leben immer positiver. Sicher gab es noch die ganz normalen Aufreger, die wohl jeder Mensch hat.
Aber sie trafen mich nicht mehr so heftig wie noch vor Tagen. Ich hatte wieder zurück zu meiner Kraft gefunden. Jahre später lernte ich Tim, einen Farmer aus New Jersey kennen. Wir verliebten uns sofort ineinander. Und es begannen die schönsten Jahre seit Johns Tod. Als wir mal wieder auf dem Highway unterwegs waren, entdeckte ich eine kleine Kirche am Straßenrand. Wir entschlossen uns, dort zu heiraten. Vor dem kleinen Altar stand eine steinerne Engelsskulptur. Ich schaute sie mir genauer an… und schaute in das Gesicht des alten Mannes aus dem Wald…
Ich hatte mir einen neuen Fernseher gekauft. Lange hatte ich mir den Alten behalten, doch eines Abends blieb das Bild schwarz. So zog ich also durch die einschlägigen Geschäfte und fand alles gar nicht mehr so lustig. Die gut ausgestatteten Geräte waren zu teuer und die anderen hatten ein schlechtes Bild. So stöberte ich in den Kleinanzeigen meiner Tageszeitung. Und ich wurde fündig. Aus dem Nachlass einer verstorbenen Hellseherin wurde ein Fernsehgerät angeboten. Ich vereinbarte einen Termin und hatte Glück. Das Fernsehgerät war noch zu haben. Ich stellte ihn an die gleiche Stelle wie schon den alten Fernseher. Er funktionierte einwandfrei, doch was an den folgenden Abenden geschah, kann ich bis heute nicht verstehen. Allabendlich schaute ich meine Lieblingsserien. Ich gebe zu, dass das bestimmt keine besondere Tugend sein mochte. Dennoch brauchte ich das.
Auf diese Weise fand ich nach einem stressigen Arbeitstag wieder zu mir selbst. Außerdem hatte es einen ganz besonderen Reiz, meine Lieblingsserien mit dem neuen Fernseher zu schauen. Ich machte es mir so richtig gemütlich und hatte mir sogar ein Glas Sekt auf den Tisch gestellt. Die Serie begann und ich war fasziniert – wie immer. Als der Film zu Ende war, wollte ich mit der Fernbedienung zu einem anderen Sender zappen. Doch zunächst geschah gar nichts. Ich drückte die Tasten, doch es rührte sich nichts. Ein flaues Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit – war ich am Ende mit dem Kauf des Gerätes doch betrogen worden? Ratlos lag ich auf meinem Sofa und starrte auf die dunkle Bildfläche, plötzlich erschien ein Bild, doch was war das? Es war kein Fernsehprogramm, welches vor meinen Augen ablief. Vielmehr erkannte ich das Haus meiner Nachbarin. Ich sah, wie sie am Tisch saß und aß. Plötzlich ließ sie das Besteck fallen und griff sich an den Hals. Irgendetwas schien sie zu würgen. Sie wollte aufstehen, doch es gelang ihr nicht. Sie stürzte und fiel. Auf dem Boden liegend rang sie nach Luft. Wie vom Donner gerührt starrte ich auf das Szenario. Als sie sich schließlich nicht mehr rührte, griff ich zum Telefon und rief den Notarzt. Dann rannte ich zu ihrem Haus, doch die Türen und Fenster waren verschlossen. Mir fiel ein, dass sie oft den Kellereingang nutzte, wenn sie mal die Wäsche in den Garten hängen wollte. In Windeseile rannte ich um das Haus und fand den Eingang – er war tatsächlich offen. Ich stürmte nach oben und suchte die Zimmer ab.
In der Küche fand ich sie. Sie hatte die Augen weit geöffnet und war kreidebleich. Aber sie lebte, das war wichtig. Ich versuchte, sie aufzurichten. Doch es gelang nicht. Auf dem Tisch entdeckte ich einen Teller mit ihrem Essen, welches sie vermutlich kurz zuvor zu sich genommen haben musste. Offenbar war es verdorben. In der Ecke stand ein großer leerer Blumentopf. Schnell holte ich ihn und brachte sie dazu, sich zu erbrechen. Es gelang und nach ungefähr zehn Minuten wurde ihr Gesicht langsam wieder rosiger. Als der Notarzt eintraf, ging es ihr schon wieder etwas besser. Später erfuhr ich, dass sich meine Nachbarin einen Braten zubereitet hatte. Doch das Fleisch war verdorben und sie erlitt eine Fleischvergiftung. Ich kam offenbar noch gerade rechtzeitig. Wenig später, so offerierte mir der Arzt, wäre sie vermutlich gestorben. Mein Fernseher funktionierte nach diesem Vorfall wieder völlig normal. Irgendwann war der Nachruf zum Tode der Helleseherin, aus deren Nachlass ich das Fernsehgerät hatte, in der Zeitung. Sie starb an einer Fleischvergiftung…
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