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Wie ich mich im Wald versteckte und die Welt rettete Cleo ist Papas Liebling. Von ihm bekommt sie alles: neues Handy, Klamotten, Ausstattung für ihr Labor. Denn Cleo produziert Kosmetik. Ihr größtes Ziel ist es, aus bisher unentdeckten Regenwald-Pflanzen die perfekte Anti-Faltencreme herzustellen. Doch laut Klassenkamerad Hugo wird der Plan nicht aufgehen, weil Firmen wie die ihres Vaters fleißig den Regenwald zerstören. Cleo konfrontiert ihren Vater, doch zum ersten Mal erfüllt er ihren Wunsch nicht. Da bleibt nur eins: Erpressung. Mit Hugos Hilfe haut Cleo ab und schwört erst wiederzukommen, wenn Papa tut, was sie sagt. Soll er mal sehen, was ihm wichtiger ist: seine Firma oder seine Tochter?
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Seitenzahl: 254
Veröffentlichungsjahr: 2025
Allein im Wald - da kann doch nichts schiefgehen!
Cleo ist Papas Liebling. Von ihm bekommt sie alles, was sie will. Ein neues Handy? Kein Problem! Ein eigenes Labor? Noch weniger ein Problem. Papas Firma soll den Regenwald in Ruhe lassen? – Leider doch ein Problem! WHAT? Dabei braucht Cleo den doch, damit sie dort unentdeckte Heilpflanzen für die Entwicklung ihrer Kosmetikprodukte finden kann. Da hilft nur eins: Erpressung! Mithilfe ihres Klassenkameraden Hugo haut Cleo ab und schwört, erst wiederzukommen, wenn Papa tut, was sie sagt. Nur leider hat sie nicht eingeplant, was bei so einer Aktion alles schiefgehen kann …
Von Anne Gröger ist bei dtv außerdem lieferbar:
Hey, ich bin der kleine Tod … aber du kannst auch Frida zu mir sagen
Anne Gröger
Wie ich aus Versehen die Welt rettete
Roman
Für meine Tochter.
Und alle, denen die Zukunft gehört.
Fünfzehn Augenpaare starren mich an. Sechzehn, wenn ich die Augen meiner Lehrerin mitzähle. Alle warten, warten darauf, dass ich anfange zu reden: »Wie stellst du dir deine Zukunft vor?« Hinter mir leuchtet schon die PowerPoint-Präsentation. Aber niemanden interessiert, was hinter mir ist. Sie starren mich an. Das tun sie schon, seit ich heute zur Tür rein bin. Mittlerweile sollten sie sich an den Anblick gewöhnt haben. Natürlich hat niemand gewagt zu lachen. Aber ein paar verzogene Mundwinkel habe ich schon gesehen. Selbst Maya hat bei der Begrüßung deutlich mehr Abstand gehalten als sonst. – Die sollen sich alle mal nicht so anstellen!
Seit ich geboren wurde, leuchtet mir meine Zukunft jeden Tag rosarot entgegen. Heute strahle ich eben in einem frischen Rot zurück. Wobei, zugegeben, meine Haut nicht nur rot ist. Sie blättert ab. Ich sehe aus wie jemand, der ein Schuppenproblem hat. Allerdings nicht auf dem Kopf, sondern mitten im Gesicht. Meine Hautärztin und ich sind uns noch nicht ganz einig, was genau passiert ist. Vermutlich ein bisschen zu viel BHA. Oder ich habe die Maske schlicht und einfach zu lange draufgelassen. »In zwei bis drei Tagen sollte das Schlimmste vorbei sein«, meint meine Ärztin. Bis dahin sehe ich eben aus wie eine Blutwurst mit Fusseln. Was soll’s! Ich fang jetzt mal mit meinem Vortrag an.
Das erste Bild zeigt mich als kleines Kind. Von oben bis unten mit Creme bedeckt. »Habt ihr euch schon mal gefragt, wie Creme in die Haut einzieht und was sie da macht?« Ich gucke in die Runde. Natürlich meldet sich niemand. Ist auch ’ne rhetorische Frage. »Ich habe mich das schon als Dreijährige gefragt und viel Zeit damit verbracht, Creme beim Einziehen zuzugucken und dann sofort nachzuschmieren.« Dass die Creme irgendwann vor mir versteckt werden musste und ich von der vielen Cremerei ein Ekzem bekam, erzähle ich nicht. Der Punkt ist: »Mein Weg war von Anfang an vorgezeichnet.«
Das beweist auch das nächste Bild. Es zeigt mich mit fünf Jahren beim Anrühren einer Quarkmaske.
»Ich habe früh damit begonnen, meine eigenen Pflegeprodukte herzustellen. Anfangs noch nach bestehenden Rezepten und mit Hilfe.«
Auf dem Bild steht Mama neben mir. Sie hat einen Arm um mich gelegt und lächelt. Genau wie ich. Kurz darauf hatte ich leider keinen Grund mehr zum Lachen.
Sieben Zutaten! Sieben!!! standen auf der Liste für das Rezept. Meine Mutter behauptete trotzdem, es seien nur drei. Ich konnte mit fünf zwar noch nicht lesen, aber zählen. Und für dumm verkaufen ließ ich mich schon gar nicht. Ich rief nach Hilda, die schon damals unsere Haushälterin war, und bat sie, mir die Zutatenliste vorzulesen. Dabei sah ich genau, dass Mama noch durch ein Kopfschütteln versuchte, sie davon abzuhalten. Hilda kapierte zum Glück nichts und las. Ab Zutat Nummer vier schrie ich: »Betrügerin!«
Die Ausrede meiner Mutter war, dass sie gerade eine Nachricht bekommen hätte und zu einem Notfall ins Krankenhaus müsste. Deswegen musste sie etwas abkürzen. Na toll! Und dafür ließ sie mich im Stich? Ich habe sofort Papa angerufen und mich beschwert. Er hatte glücklicherweise die hervorragende Idee, dass eine Assistenz die beste Lösung für mich sei. Die muss nicht einfach kurzfristig weg und außerdem könne so mein Talent besonders gefördert werden. Kurz darauf stellte Papa Bo ein. Auf dem nächsten Bild sieht man mich mit ihr in meinem neuen Labor. Ein Geschenk von Papa. Denn wer eine Laborassistenz hat, braucht auch ein Labor. Ist doch klar! Mama war dagegen. War aber egal. Den Chemiebaukasten, den sie mir andrehen wollte, habe ich ihr gleich zurückgegeben.
»Bo war meine erste und einzige Assistentin«, erkläre ich meinen gebannt lauschenden Mitschülern. »Sie war Chemiestudentin und brachte mir erste Grundlagen der Chemie und Laborarbeit bei, zum Beispiel wie man Wirkstoffe aus Pflanzen extrahiert und die daraus gemixten Pflegeprodukte stabilisiert.«
Gemein war nur, dass sie alles auf Mandarin erklärte. Papa wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und hat eine Chinesin eingestellt. Der zusätzliche Spracherwerb verlangsamte meinen Fortschritt im Bereich der Hautpflegeherstellung zunächst etwas. Doch Papa spornte mich an: »Wenn es jemand schafft, dann du!« – Natürlich habe ich es geschafft und bin deswegen sprachlich für den globalen Markt bereits bestens gerüstet. Papa hat schon immer langfristig gedacht.
»Bo und ich hatten vier lehrreiche Jahre zusammen. Sie war und ist die einzige Person, mit der ich mich stundenlang über Dinge wie Hydrolate, Emulgatoren oder Emollientien unterhalten kann. Doch mit dem Ende von Bos Studium endete auch unsere gemeinsame Zeit. Eine neue Assistenz kam für mich nie infrage. Irgendwann gehen sie ja doch wieder. Außerdem entwickle ich inzwischen meine eigenen Rezepturen und da haben fremde Menschen in meinem Labor nichts zu suchen. Die Grundlage für meine Rezepte sind die Pflanzen aus meinem Gewächshaus. Auch ein Geschenk von Papa, das er vor drei Jahren bauen ließ, als Mama auf Fortbildung war. »Unser Gärtner Paul baut alles an, was ich brauche: Aloe vera, Lavendel, Granatapfel … Sogar einen Kakaobaum hat Paul zum Blühen gebracht.«
Das nächste Bild zeigt Paul und mich bei der feierlichen Ernte der Kakaobohnen.
»Mittelfristig plane ich die Markteinführung meiner eigenen Hautpflegemarke.« Ich blende mein selbst designtes Logo ein, das auch schon meinen Insta-Kanal schmückt. Seit meinem 13. Geburtstag arbeite ich damit an meiner Fanbase. Ich hätte schon früher damit angefangen. Aber wieder einmal stand mir Mama im Weg. Und der Jugendschutz. Jetzt bin ich 13 und sie kann mich nicht mehr aufhalten. Meine Mitschüler kennen den Kanal natürlich schon, doch für meine Lehrerin, Frau Wegmann, erkläre ich es noch mal: »Auf meinem Kanal bespreche ich Wirkstoffe, empfehle Produkte und biete Videosprechstunden an, in denen ich meine Follower bei ihren Hautproblemen berate. Die meisten haben Pickel.« Und einige so schlimm, dass ihnen dringend jemand helfen muss. Deswegen sehe ich auch so aus, wie ich aussehe. Ich habe eine neu entwickelte Anti-Pickel-Maske getestet. Das Problem ist allerdings, ich habe zu wenig Pickel. Dafür habe ich jetzt ausgetrocknete und hochgradig irritierte Haut mit Schuppenbildung.
Das alles wäre nicht passiert, wenn ich die richtigen Tester gehabt hätte. In meiner Klasse sitzen einige passende Kandidaten. Aber die Direktorin hat mir schon in der fünften Klasse verboten, in der Schule zu rekrutieren. Kindeswohlgefährdung und so. Ich hatte es daraufhin auf einem öffentlichen Spielplatz versucht. Manche Kinder tun für ein paar Süßigkeiten fast alles. Das Anstrengende an frei laufenden Kindern ist jedoch ihre Unzuverlässigkeit. Sie rennen einfach weg. Langzeitstudien sind so völlig ausgeschlossen. Und dann kommt ein noch größeres Problem hinzu: ihre Eltern. Aus irgendwelchen Gründen mögen die es nicht, wenn jemand ihrem Nachwuchs eine unbekannte Substanz ins Gesicht schmiert, um sie auf Verträglichkeit zu testen. Selbst das Argument, dass ihre Kinder am wissenschaftlichen Fortschritt teilnehmen, lassen sie nicht gelten. Ich musste die Testreihe abbrechen, obwohl bisher keine einzige allergische Reaktion auftreten war. Aber Scheitern ist nur der erste Schritt Richtung Erfolg, wie Papa immer sagt. Denn es zwingt dich dazu, eine bessere Lösung zu finden. Und die bessere Lösung lag eindeutig darin, Tester ohne Eltern zu finden, am besten noch solche, die nicht weglaufen konnten. Mama hat sich zuerst total gefreut, dass ich mich für ihre Arbeit im Krankenhaus interessiere – bis ich einen entscheidenden Fehler beging. Ich fragte sie direkt nach den Langzeit-Koma-Patienten. Das kam ihr komisch vor und sie lenkte mich mit einem fingierten Laborbesuch ab, um in meinen Rucksack zu gucken. Die zwölf mitgebrachten Cremetiegel konnte ich ihr nicht plausibel erklären – ihrer Meinung nach. Ohne einen einzigen Koma-Patienten gesehen zu haben, schickte sie mich wieder nach Hause. Glücklicherweise fiel mir noch eine bessere Lösung ein. Ich habe mich sofort mit meiner Hautärztin in Verbindung gesetzt. Sicher hat sie mehr als genug Patienten, die sich darum reißen würden, meine Tester zu sein. Leider war meine Ärztin nicht sehr kooperativ und wollte ihre Patienten nicht mit mir teilen. Zuerst war ich darüber ziemlich sauer und kurz davor, die Hautarztpraxis zu wechseln. Doch dann hat sie mir gezeigt, mit was sie sich den ganzen Tag so rumschlägt: Gürtelrosen, Schuppenflechten, Warzen, Furunkel … Nein, danke! Sie konnte ihre Patienten behalten.
Ich gebe zu, danach war ich einen Moment lang so verzweifelt, dass ich über Tierversuche nachdachte. Ich hatte mein Kaninchen schon rasiert. Aber als das nackte zitternde Ding so hilflos vor mir lag, habe ich es doch lieber in eine Decke eingewickelt, anstatt es mit Creme zu beschmieren. Das Fell wuchs zum Glück schnell nach.
Ich stand schon kurz davor, meine Testersuche aufzugeben, doch dann kam mir der Zufall zu Hilfe oder besser gesagt, die schlafende Hilda auf unserem Sofa. Hildas täglicher Mittagsschlaf machte sie für einige Zeit zu meiner engagiertesten Testerin, bis sie sich wunderte, warum sie immer häufiger mit Hautproblemen zu kämpfen hatte. (Ich gebe zu, ich habe es in meiner Euphorie, endlich eine Testperson gefunden zu haben, mit den Tests wahrscheinlich etwas übertrieben.) Eines Mittags hat sie mich erwischt. Sich einfach schlafend gestellt. Voll hinterhältig. Nach dem Vorfall hätte sie fast gekündigt und ich musste Mama hoch und heilig versprechen, an niemandem mehr ungefragt zu testen. Und Hilda musste versprechen, während ihrer Arbeitszeit nicht mehr zu schlafen.
Nachdem Hilda ausfiel, blieben eigentlich nur noch drei Personen, die als Tester infrage kamen. Mama, Papa und ich. Papa sagte natürlich sofort Ja. Nur habe er wenig Zeit und als Gesicht seiner Firma könne er dieses keinem Risiko aussetzen – auch wenn das bei meinen Rezepturen natürlich gering war. Aber gut, das ließ ich gelten! Ohnehin war es an der Zeit, dass Mama mal ihren Anteil leistete.
Irgendwann werden meine Follower nämlich keine Pickel mehr bekommen, sondern Falten. Und da ich schon heute an morgen denke, arbeite ich bereits jetzt an der Lösung dieses Problems. Zuerst wollte Mama meine Anti-Aging-Creme nicht testen. »Wahre Schönheit kommt von innen«, war ihre Ausrede. Ich bin sicher, dieser Satz wurde nur für Menschen erfunden, die mit ihren Genen kein Glück hatten. Oder faltig werden. Also habe ich Mama einen Spiegel vorgehalten und ihr ihre Augenringe, Tränensäcke und Fältchen gezeigt.
Mama lächelte und ihr Gesicht faltete sich noch mehr. »Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters«, sagte sie. Noch so ein dummer Spruch. Ich musste Mama die Konsequenzen ihrer Falten klarmachen. »Bei Papa hat noch keine Sekretärin ihren 40. Geburtstag erlebt«, sagte ich. »Die waren auch nicht mit ihm verheiratet«, sagte Mama. Hat sie auch wieder recht. Ehevertrag ist besser als Arbeitsvertrag.
Ich weiß nicht, was letztlich der Grund war, warum Mama schließlich doch einwilligte, meine Testerin zu werden. Vielleicht weil ich ihr versprochen habe, alle Inhaltsstoffe vorher mit meiner Hautärztin zu besprechen – natürlich unter dem Deckmantel der Schweigepflicht –, oder doch der heimliche Wunsch, ein paar Falten weniger zu haben. Jedenfalls ist sie seit einem Jahr, drei Monaten, anderthalb Wochen und zwei Tagen meine Langzeittesterin. Ich überwache bei ihr die regelmäßige Anwendung meiner Anti-Aging-Produkte. Umso enttäuschender ist, dass ich noch nicht von einem durchschlagenden Erfolg berichten kann. Trotz etlicher Modifizierungen. Das macht mich echt fertig. Ich habe das Problem mit meiner Hautärztin besprochen. Sie denkt, eine Creme, die wirklich gegen Falten hilft, wird es nie geben. Ich denke, ich werde diese Creme entwickeln. Es kommt nur auf die richtigen Wirkstoffe an. Und die werde ich finden. Ich weiß auch schon, wo.
»Wusstet ihr, dass erst zwei Prozent der Pflanzen im Regenwald medizinisch untersucht wurden? Doch diese zwei Prozent haben schon zu Tausenden Medikamenten und unzähligen Kosmetika geführt. Was passiert dann erst, wenn die restlichen 98 Prozent untersucht werden?« Ich gucke in die Klasse. Ganz einfach: »Ich werde die erste Anti-Falten-Creme entwickeln, die wirklich wirkt.« Ich gebe allen einen Moment, um die Tragweite dieser Ankündigung zu begreifen. »Bereits in den Sommerferien absolviere ich mein erstes Forschungspraktikum.« Hat Papa organisiert. »Meine Zukunft hat längst begonnen«, beschließe ich meinen Vortrag. Das letzte Bild erscheint: Ich, heute, 13 Jahre alt, in meinem Labor.
»Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!« Ich lächle in die Runde, damit mein Publikum weiß: Es kann klatschen. Die Ersten beginnen auch schon. Doch plötzlich ruft eine Stimme dazwischen: »Dann solltest du dich besser beeilen!«
Ich suche mit den Augen den Raum ab. Woher kam das? Da, von ganz hinten. Letzte Bank, letzter Stuhl. Hugo. Er hat seine Stirn in Falten gelegt und wie immer hängen die Mundwinkel tief. Natürlich! Er kann es kaum erwarten, dass meine Anti-Falten-Creme auf den Markt kommt. In ein paar Jahren hat er ein Streifenmuster auf der Stirn und Hängebacken.
Ich lächele ihn an. »Mach dir keine Sorgen, das werde ich! In spätestens 17 Jahren soll die Creme fertig sein.« Dann werde ich 30 und ab 30 geht es mit der Haut bergab. Also, mit meiner wahrscheinlich noch nicht. Ich habe zum Glück die dunkle Haut von Mamas marokkanischen Großeltern geerbt. Dunkle Haut ist besser vor Sonne geschützt und knittert langsamer.
Hugo schüttelt den Kopf. »Wen interessieren denn deine Falten? Der Regenwald wird nicht mehr da sein.«
Also, erstens interessiert sich natürlich niemand für meine Falten, weil ich keine haben werde, und zweitens ist das absoluter Quatsch! Doch bevor ich das sagen kann, redet Hugo ungefragt weiter: »Jedes Jahr verschwinden Waldflächen, so groß wie ganze Länder. Wenn der Wald zu klein wird, bricht der Wasserkreislauf des Regenwaldes zusammen und Versteppung setzt ein.« Er sieht mich an, als ob ich persönlich dafür verantwortlich wäre.
Was soll das? Will der meinen Vortrag ruinieren? Niemals zeigen, dass dich jemand verunsichert, sagt Papa. Das offenbart Schwäche und schwach sind nur die Schwachen.
»Keine Sorge!«, sage ich. »Mein Vater und ich unterstützen viele Schutzprojekte für den Regenwald.« Ich strahle Hugo an. Normalerweise strahlen die Leute dann zurück. Ich habe einfach ein mitreißendes Lächeln, sagt Papa immer. Aber bei Hugo zucken nicht mal die Mundwinkel. Doch dann schnaubt er: »Will dein Vater damit sein schlechtes Gewissen beruhigen?«
Wie bitte? »Was soll denn das heißen?«
»Der Konzern deines Vaters ist mitverantwortlich, dass der Regenwald zerstört wird.«
»Sag mal, spinnst du?«
Frau Wegmann mischt sich ein. »Hugo, bitte! Das ist nicht unser Thema. Und Cleo, du kannst dich setzen! Vielen Dank für deinen Vortrag! Das klingt nach einem tollen Plan!«
Ich sehe Frau Wegmann an. Das kann nicht ihr Ernst sein!
»Oder wolltest du noch etwas sagen?«
Ich sehe auf meine Notizen und muss den Kopf schütteln. Es ist alles gesagt. Aber das kann doch nicht das Ende meines Vortrags sein! Unter Beifallsstürmen wollte ich abgehen.
»Dann setz dich bitte!«, sagt Frau Wegmann.
Ich stehe vor der Entscheidung, auf mein Recht zu pochen und die Sache mit Hugo auszudiskutieren oder zurück an meinen Platz zu gehen und es auf sich beruhen zu lassen. Was würde Papa tun? Er würde cool bleiben. Er würde lächeln. Er würde gehen. Ich gehe. Was interessiert mich, was Hugo denkt? Was glaubt der eigentlich, wer er ist?
Ich weiß schon, Hugo ist eines von den Stipendiatenkindern, die sich die Schule nicht leisten können, aber die so klug sind, dass sie besser nicht auf eine normale Schule gehen. Seit den Winterferien ist er in unserer Klasse. Ich habe sogar dabei geholfen, das Willkommensplakat für ihn zu malen. Die Lehrer wollten, dass wir eins aufhängen, aus pädagogischen Gründen und so, damit Hugo sich gleich wohlfühlt und gut integriert. Ich würde mal sagen, die Pädagogik hat bei Hugo voll versagt. Von Integration hält der nicht viel. Mit den Lehrern kriegt Hugo das mit der Kommunikation noch hin. Mit uns redet er eigentlich nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt. So was wie eben hätte ja wohl voll vermieden werden können.
»Vergiss ihn!«, höre ich Maya neben mir flüstern. Sie hat meinen Blick zu Hugo bemerkt. »Der ist ein Radikaler.«
»Wie meinst du das?«
Maya erzählt, dass ihre Mutter, die im Elternbeirat der Schule sitzt, erfahren hat, dass Hugo mit sechs Jahren aus dem Zoo geschmissen wurde, weil er versucht hat, die Schafe und Ziegen aus dem Streichelgehege zu befreien. Und als er sieben war, hat ihn die Polizei verhaftet, weil er in einem Pelzgeschäft mit Farbbeuteln um sich geworfen hat.
»Klingt wirklich radikal.«
»Ja. Und kriminell. Die Entscheidung, ob er auf unsere Schule gehen durfte, war knapp. Meine Mutter war dagegen.« Maya sieht mich so komisch an.
»Was ist?«
»Deine war dafür.«
Wundert mich nicht. Mama und ihr Helfersyndrom. Plötzlich meldet sich mein Handy.
Hugo hat mir einen Link geschickt. »Lies, wenn du dich traust!«
Ob ich mich traue? Die Frage ist mit einem Klick beantwortet. In dem Artikel geht es darum, dass Papas Firma mit einer anderen Firma zusammenarbeitet, die den Regenwald abholzt. Angeblich legal. Aber eigentlich doch illegal. Auf jeden Fall wird der Wald weniger und Papa soll die Zusammenarbeit mit der Holzfällerfirma sofort beenden, fordern Umweltschützer. Das würde ich natürlich auch fordern, wenn der Artikel wahr wäre. Aber eines ist ja wohl klar: Das sind Fake News. Papa würde niemals mit Holzfällern zusammenarbeiten. Er weiß doch, dass ich den Regenwald noch brauche.
Ich schreibe es Hugo sofort: »Der Artikel ist Fake.«
»Es ist die Wahrheit«, schreibt er.
»Ist es nicht.« Ich schicke Papa den Link zum Artikel, damit er dagegen vorgehen kann. Ist schließlich Verleumdung.
Da kommt wieder eine Nachricht von Hugo mit: eins … zwei … drei … vier weiteren Links zu Webseiten, die alle das Gleiche berichten. »Lügen die etwa alle?«, schreibt er darunter.
Ja, die schreiben nämlich alle voneinander ab. »Mein Papa wird juristisch dagegen vorgehen. Das ist VERLEUMDUNG!« In diesem Moment klingelt es zur Pause. Am besten, ich ruf Papa gleich mal an.
»Dies ist die Mailbox von …«
Ich schreibe: »Notfall!!!«
»Sitz in einem Meeting«, schreibt Papa zurück.
»NOTFALL!!!«, schreibe ich noch einmal.
»Ruf Sanne an!«, ist Papas Antwort. Sanne ist seine Sekretärin. Sanne geht sofort ran. Ich erzähle ihr von den Artikeln und dass sie sofort die Rechtsabteilung in Kenntnis setzen muss. Doch Sanne sagt nur: »Zu Interna darf ich nichts sagen.«
Ich lege auf.
»Sanne ist nutzlos«, schreibe ich Papa.
»Dann frag Mama!«, schreibt er.
Aber Mama ist in dieser Sache noch nutzloser. »Ich brauche dich!«, schreibe ich zurück, doch statt einer Antwort von Papa kriege ich wieder Nachrichten von Hugo.
»Dies ist erwiesenermaßen keine Verleumdung.« Dazu schickt er mir eine Liste mit Artikeln, die sich im Grunde alle darum drehen, dass Papas Firma in der Vergangenheit schon einige Male schuldig gesprochen wurde, an Regenwaldabholzung beteiligt gewesen zu sein. Das kann ich kaum glauben. Hat Papa wirklich Regenwald abholzen lassen?
Auf diese Frage brauche ich eine Antwort, bevor die Pause zu Ende ist. Ich lasse es bei Papa klingeln. Wieder und wieder. Irgendwann geht er ran. Er klingt gestresst. Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. »Lässt du wirklich den Regenwald abholzen?«
Papa kapiert erst gar nichts, doch als ich von den Artikeln erzähle, sagt er: »Wir haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.«
Gut. Das hoffe ich. »Ich brauch den Regenwald noch.«
»Mach dir keine Sorgen, mein Herz!«
»Dann ist an den neuesten Artikel nichts dran?«
Papa sagt erst nichts. Dann sagt er: »Es gab da ein Missverständnis.«
»Was denn für ein Missverständnis?«
»Wie gesagt, kein Grund, sich Gedanken zu machen, mein Schatz! Ich kümmere mich darum.«
»Mein Papa kümmert sich darum«, teile ich Hugo auch gleich mit. Vielleicht zieht diese Nachricht seine Hängebacken mal ein bisschen nach oben. Nope! Die Denkerfalten gesellen sich nur dazu.
»Aha, und was genau will er tun?«, fragt Hugo.
Die Details habe ich mit Papa natürlich nicht besprochen. Aber im Grunde kann er ja nur eines tun: »Die Zusammenarbeit mit der Abholzerfirma beenden«, sage ich.
»Wirklich? Und wann?«
»Sofort natürlich«, denke ich.
»Bisher hat er aber nichts getan«, nervt Hugo weiter.
»Er ist gerade dabei. Ich habe mit ihm gesprochen.«
Hugo sieht mich skeptisch an, dann zuckt er mit den Schultern. »Wir werden sehen.«
Der Junge hat echt ein Vertrauensproblem. »Wenn mein Papa sagt, er kümmert sich, dann macht er das auch.«
Hugo sieht noch immer nicht überzeugt aus. Aber er sagt: »Gut. Dann warte ich auf die Presseerklärung.«
»Tu das!«, sage ich und mache mich auf den Weg zu meinem Platz. Da ruft Hugo mir hinterher: »Aber ich wundere mich auch nicht, wenn nichts passiert und dein Vater dich anlügt!«
Wenn es nicht ein Zeichen von Schwäche wäre, würde ich jetzt »Arschloch!« durch den Raum schreien.
Am nächsten Tag wird mir klar, dass Hugo kein Arschloch, sondern eine richtig arme Sau ist. Er ist dran mit dem Zukunftsvortrag. Aber anstatt zu reden, steht er einfach nur da und starrt aus dem Fenster. Frau Wegmann lächelt ihm aufmunternd zu: »Fang ruhig an, Hugo! Wir sind gespannt, wie du dir deine Zukunft vorstellst!«
Hugos Blick wandert zu seinen Notizzetteln, die er in der Hand hält. Entweder gefällt ihm nicht, was darauf steht, oder sie sind leer. Auf jeden Fall scheinen sie ihm nicht weiterzuhelfen.
»Hugo?«, sagt Frau Wegmann noch einmal.
Nun sieht Hugo zu ihr und zerreißt die Zettel. »Es gibt keine Zukunft«, sagt er. Irgendwer kichert.
Hugo macht sich auf den Weg zurück zu seinem Platz, doch Frau Wegmann stellt sich ihm in den Weg. »Warum sagst du so was, Hugo?«
Hugo atmet hörbar aus und sieht Frau Wegmann an, als hätte sie die dämlichste Frage der Welt gestellt. »Haben Sie in letzter Zeit mal die Nachrichten gesehen?«, fragt er.
Sie nickt. »Jeden Tag.«
»Dann wissen sie ja, wie beschissen alles ist.«
Ein paar meiner Mitschüler kichern wieder. Frau Wegmann macht ein besorgtes Gesicht. »Du weißt schon, dass in den Nachrichten nur über die Dinge berichtet wird, die nicht so gut laufen«, sagt sie. »Aber jeden Tag passieren auch gute Sachen, über die keiner spricht.« Sie lächelt Hugo wieder an. Aber bei Hugo hängen die Mundwinkel unverändert. »Weil die schlechten Dinge die guten nun mal überwiegen«, sagt er.
»Oder es ist eine Frage der Perspektive«, sagt Frau Wegmann. »Wenn man sich nur auf das Negative konzentriert, bemerkt man das Positive überhaupt nicht mehr.«
»Wollen Sie damit sagen, ich bilde mir das alles nur ein?«
»Ich will damit sagen, dass du vielleicht in einem Denkmuster gefangen bist.«
Zu den hängenden Mundwinkeln gesellen sich wieder die Stirnfalten hinzu. Hugo scheint ernsthaft über seine Gefangenschaft nachzudenken. Frau Wegmann spricht weiter. »Ich bin mir sicher, in deinem Leben gibt es eine Menge Dinge, über die du dich freuen kannst.«
Sie schaut ihn erwartungsvoll an. Hugos Miene bleibt finster.
»Als du hier angefangen hast, hast du erzählt, dass du gerne zu den Pfadfindern gehst«, sagt Frau Wegmann.
»Jetzt nicht mehr«, sagt Hugo.
»Oh! Und wieso?«
Hugo zuckt mit den Schultern.
Für einen Moment sieht Frau Wegmann etwas ratlos aus. »Hugo, ich würde in der Pause gerne mal unter vier Augen mit dir reden!«, sagt sie schließlich.
»Falls Sie mich zum Schulpsychologen schicken wollen, können Sie sich die Mühe sparen. Da war ich schon. Das Problem liegt nicht in meiner Psyche, sondern am Zustand der Welt. Da kann der Psychologe auch nicht helfen.«
Frau Wegmann geht auf Hugo zu und bleibt vor ihm stehen. Fast sieht es so aus, als wolle sie ihm tröstend eine Hand auf die Schulter legen, doch Hugo macht einen Schritt zurück.
»Die Welt ist nicht so düster, wie du sie gerade siehst, Hugo.«
»Ich sehe sie realistisch und verschließe meine Augen nicht vor der Wirklichkeit.«
Frau Wegmann seufzt. »Natürlich gibt es Probleme. Aber viele Menschen strengen sich täglich an, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.« Sie schaut in die Klasse und sagt ganz feierlich. »Ihr alle werdet hoffentlich einmal dazu beitragen.«
Aus irgendeinem Grund trifft Hugos Blick mich: »Wenn man auf die Menschen hofft, kann man die Hoffnung gleich begraben«, sagt er.
»Hugo!« Frau Wegmann klingt mittlerweile richtig geschafft. Aber Hugo kommt jetzt erst richtig in Fahrt. Er wendet sich Frau Wegmann zu: »Haben Sie sich eigentlich überlegt, in was für eine Welt Sie Ihr Baby bringen?« Er weist auf ihren sich leicht wölbenden Bauch. »Vielleicht muss es später um sein Wasser kämpfen. Und ums Essen. Oder es kann nicht mehr nach draußen, weil es zu heiß geworden ist. Haben Sie sich das mal überlegt?«
Frau Wegmann starrt Hugo an, genau wie wir alle. »Für Ihr Baby wäre es sicher besser, wenn es nie geboren werden würde.«
Im Klassenzimmer herrscht absolute Stille – bis ich eine leise, fast erstickte Stimme höre: »Ich muss mal an die frische Luft.« Frau Wegmann rennt aus der Tür. Ich glaube, ich habe Tränen in ihren Augen gesehen.
»Was hat der denn für ein Problem?«, flüstert Maya mir zu.
Ich würde sagen, das ist eindeutig. Hugo ist hochgradig depressiv. Der würde das Licht am Ende des Tunnels nicht mal erkennen, wenn es ihm mitten ins Gesicht leuchtet. Arme Sau! In der nächsten Pause rufe ich Papa an, um zu fragen, wie weit er mit der Presseerklärung ist. Seit gestern habe ich nichts mehr von ihm gehört.
Papa geht nicht ran. Probiere ich es eben bei Sanne. Heute sollte sie mir weiterhelfen können. Aber Sanne sagt, sie weiß nichts von einer Presseerklärung und ich soll das direkt mit Papa klären. Heute Abend kommt er wieder nach Hause.
Doch heute Abend ist zu spät. Am besten, ich probiere es direkt in der PR-Abteilung. Ich muss denen ohnehin noch einen Vorschlag machen: Papa soll nicht nur den Holzfällern kündigen, sondern auch den Wald gleich wieder aufforsten. Am besten noch zum Schutzgebiet erklären. Und vielleicht sogar nach mir benennen!
Der Assistent, mit dem ich telefoniere, weiß von nichts. Was hat Papa nur für inkompetente Mitarbeiter! Ich verlange die Vorgesetzte. Doch selbst die Leitung der Presseabteilung hat keine Ahnung. Das kann doch nicht wahr sein! Ich erzähle ihr trotzdem von meiner Idee mit dem Aufforsten und dem Schutzgebiet, damit sie das auch gleich in die Pressemitteilung schreibt, sobald die Anweisung kommt. Das kann ja nun nicht mehr lange dauern.
»Cleo, was soll das?«
Mir fällt fast die Pipette aus der Hand, so sehr erschreckt mich Papas Stimme. Mama ist schon im Bett, Hilda ist nach Hause gegangen und ich genieße die Zeit im Labor. Normalerweise werde ich dabei nicht gerne gestört. Bei Papa ist das natürlich was anderes. Allerdings guckt er sonst nicht so grimmig, wenn er mich sieht. Oder hat er sich erschreckt? Mein Gesicht ist zwar nicht mehr so rot wie gestern, dafür ist der Schälprozess in vollem Gange.
»Du kannst doch nicht einfach anrufen und irgendwelche Märchen erzählen«, sagt er.
Ich kapiere überhaupt nichts: »Was denn für Märchen?«
»Dass ich unserem Geschäftspartner kündige und den Regenwald wieder aufforsten werde.«
Was hat denn das mit Märchen zu tun? »Du hast doch gesagt, du kümmerst dich.«
»Und das mache ich auch.«
»Wo ist dann das Problem?«
»Dass du dich in Angelegenheiten einmischst, die dich nichts angehen.«
»Ich kann doch fragen, wann die Presseerklärung erscheint.«
»Was denn für eine Presseerklärung?«
»Na, in der du berichtest, dass du den Holzfällern kündigst und das Gebiet wieder aufforstest … Und zum Schutzgebiet erklärst … Und nach mir benennst!«
Papa sieht mich an, als hätte ich ihm erzählt, ich würde ab jetzt als Elfe für den Weihnachtsmann arbeiten.
»Wie kommst du denn darauf?«, fragt er.
»Du wolltest dich doch darum kümmern.«
Papa rauft sich die Haare. »Könnten wir diese Diskussion bitte beenden?«
»Gerne.« Ich lächle ihm aufmunternd zu. »Wenn du mir verrätst, wann die Presseerklärung kommt?«
»CLEO!« Papa schreit fast. »Es wird keine Erklärung geben.«
»Was? Aber du hast doch gesagt, du kümmerst dich.«
»Und das tue ich auch.«
»Und wie?«
»Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig.«
Ich sehe Papa an und in dem Moment wird es mir klar: »Du wirst nichts gegen die Holzfäller unternehmen.«
Papas einziger Kommentar ist ein Schnaufen. Ich kann es nicht fassen! Er hat mich angelogen. Mich! Diese Erkenntnis trifft mich so hart, dass mir zum ersten Mal im Leben die Worte fehlen.
Papa dreht sich um. »Und jetzt will ich nichts mehr darüber hören!« Er geht hinaus und lässt mich stehen. Mit meiner Sprachlosigkeit und seiner Lüge.
Papa macht nicht, was ich will. Das hat er noch nie gemacht. Jetzt hab ich drei Möglichkeiten: Aufgeben. Kommt nicht infrage!
Betteln. Kommt erst recht nicht infrage.
Kein Wort mehr mit Papa reden, bis er tut, was ich sage. Läuft!
Denn mal ehrlich. So lass ich nicht mit mir umgehen!
Leider merkt Papa nicht, dass ich nicht mehr mit ihm spreche, denn als ich am nächsten Morgen aufstehe, ist er schon weg. Kein Problem! Ich bin mir sicher, Papa hat sich die ganze Nacht herumgewälzt und konnte nicht schlafen. Der Streit nimmt ihn sicher mehr mit als mich. Bestimmt geht es Papa richtig schlecht. Ich denke, bis Mittag hält er durch. Dann ruft er an, um sich zu entschuldigen.
»Erwartest du einen Anruf?«, fragt Maya beim Mittagessen. Erst da fällt mir auf, dass ich die ganze Zeit auf mein Handy starre. Ich schüttele den Kopf.
»Du siehst gestresst aus«, sagt sie. Auch das noch. Stress ist neben Sonne der Hautkiller Nummer eins.
»Ist es immer noch wegen Hugo?«, fragt sie.
Wegen Hugo? Quatsch! Was interessiert mich der denn noch? Seit dem Vorfall mit Frau Wegmann hat er kein Wort mehr gesagt, sitzt nur da und starrt die Wand an.
»Einfach nur schlecht geschlafen«, sage ich und setze ein Lächeln auf. Es gibt nun mal Dinge, über die spricht man nicht.
Nach der Mittagspause haben wir Yoga. Ich bin mir nicht sicher, ob das heute das Richtige für mich ist. Statt ruhig auf einer Matte zu sitzen und zu atmen, habe ich eher das Bedürfnis, gegen etwas zu treten.
»Du bist aber heute verspannt, Cleo!«
Joshua, unser Yogalehrer, ist hinter mich getreten und legt seine Hände auf meine Schultern. »Atmen, Cleo, atmen! Lass die störenden Gedanken einfach ziehen.« Wie soll das denn gehen, wenn sie mich verfolgen wie Entenküken ihre Mama. Warum hat Papa noch nicht angerufen?
