Cottoncrest - Michael H. Rubin - E-Book
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Michael H. Rubin

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Beschreibung

Cottoncrest, ein prächtiger Herrensitz in Louisiana, scheint mit einem Fluch beladen, seit sich der Gründer, Colonel Judge Augustine Chastaine, nach dem Bürgerkrieg umgebracht hat. Als Jahre später auch sein Sohn und dessen Frau ermordet aufgefunden werden, gerät der fahrende Händler Jake Gold ins Visier der Ermittlungen. Der ist vor den antisemitischen Pogromen des zaristischen Russlands geflohen, ein Überlebensspezialist. Um der Hatz des Sheriffs und einer rassistischen Bürgerwehr zu entkommen, muss er sich mit der anderen unterdrückten und geächteten Gruppe von Menschen zusammentun, mit den Schwarzen der Gegend. Jake Gold muss den Mörder entlarven, aber hat die Wahrheit überhaupt eine Chance?
»Ein fesselnder Thriller, der universale Themen behandelt.« The New York Times Review of Books

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Cottoncrest, ein prächtiger Herrensitz in Louisiana, scheint mit einem Fluch beladen, seit sich der Gründer nach dem Bürgerkrieg umgebracht hat. Als Jahre später auch sein Sohn, Colonel Judge Augustine Chastaine, und dessen Frau ermordet aufgefunden werden, gerät der fahrende Händler Jake Gold ins Visier der Ermittlungen. Der ist vor den antisemitischen Pogromen des zaristischen Russlands geflohen, ein Überlebensspezialist. Um der Hatz des Sheriffs und einer rassistischen Bürgerwehr zu entkommen, muss er sich mit der anderen unterdrückten und geächteten Gruppe von Menschen zusammentun, mit den Schwarzen der Gegend. Jake Gold muss den Mörder entlarven, aber hat die Wahrheit überhaupt eine Chance?

»Ein spannender Thriller mit einer ungewöhnlichen Tiefenschärfe der historischen Details und einem intensiven Gefühl für die Schauplätze.« Berkshire Voices

Michael H. Rubin war Jazzpianist in New Orleans und arbeitete in verschiedenen Funktionen für das Fernsehen. Heute ist er als Anwalt, Jura-Professor und Sachbuchautor tätig. Er ist ein gefragter internationaler Vortragsredner. Cottoncrest ist sein erster Roman; 2014 wurde er ausgezeichnet mit dem »IndieFab Gold Award« der American Library Association für den besten Kriminalroman aus einem Independent / University Press Verlag.

Michael H. Rubin

COTTONCREST

Kriminalroman

Aus dem Amerikanischen von Karen Witthuhn

Herausgegeben von Thomas Wörtche

Suhrkamp

Die Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel The Cottoncrest Curse in der Louisiana State University Press.

Die Übersetzung des vorliegenden Bandes wurde durch ein Arbeitsstipendium des Deutschen Übersetzerfonds gefördert.

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2016

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des suhrkamp taschenbuchs 4678.

© der deutschen Ausgabe Suhrkamp Verlag Berlin 2016

Copyright © 2014 by Michael H. Rubin

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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Umschlagabbildungen: age fotostock/Alamy Stock Foto; George Oze/Alamy Stock Foto

Umschlaggestaltung: cornelia niere, münchen

eISBN 978-3-518-74504-5

www.suhrkamp.de

Für Ayan,

deren Liebe, Kreativität und Unterstützung

dieses Buch (und alles andere) erst möglich gemacht haben

PROLOG

Heute

Niemand wurde blass, als sie das grauenhafte Ereignis beschrieb. Gebannt hörten alle zu.

»Genau hier oben ist es passiert«, sagte die Führerin, eine plumpe Frau in einem Vorkriegskostüm mit Spitzenkragen, Reifrock und doppeltem Petticoat. Die Touristengruppe, die draußen vor der Tür von Cottoncrest gewartet hatte und in der Hitze und Feuchtigkeit von Louisiana fast vergangen war, drängte sich dankbar in die geräumige Eingangshalle des großen, alten Wohnhauses der einstigen Plantagenbesitzer.

Der Führerin forderte die Gruppe mit einem Winken auf, ihr die gewundene Innentreppe hinauf zu folgen. »Das Haupthaus ist wieder in den Zustand – bitte gehen Sie die Treppe der Reihe nach hoch –, ist wieder in den Zustand von 1890 versetzt worden, als Colonel Judge Augustine Chastaine, Sohn des ursprünglichen Erbauers, hier wohnte.«

Sie hielt inne und schob sich mit dem Rücken zur Wand an einigen Stufen vorbei. »Und wegen dieser Treppe sind Sie hergekommen. An den Ort, an dem der berüchtigtste Mord und Selbstmord in ganz Louisiana passiert ist. Dies ist er, nur eine Stufe unter mir. Achten Sie auf die Plexiglasscheiben, wenn Sie hinter mir die Treppe heraufkommen, aber bitte nicht betreten. Genau hier hat der Colonel Judge seiner schönen jungen Gattin Rebecca brutal die Kehle aufgeschlitzt und sich dann selber das Leben genommen. Das Blut der beiden vermischte sich, sickerte ins Holz ein und hat es für alle Zeiten verfärbt. Stellen Sie sich vor, wie ungeheuer viel Blut damals geflossen sein muss!

Aber der Tod von Augustine und Rebecca Chastaine war nicht der Anfang des berühmten Fluchs von Cottoncrest. Und auch nicht sein Ende.«

1893

Er hatte ihr soeben die Kehle durchgeschnitten. So schnell, dass sie keinen Laut mehr von sich geben konnte. Mit Befriedigung hatte er gespürt, wie die lange Klinge Halsmuskeln und Kehle durchtrennte, auf die Wirbelsäule traf und in den Knochen eindrang. Er hielt sie von hinten fest, als ihr Kopf rückwärts auf seine Schulter kippte und ihr Blut sein Hemd durchtränkte.

Langsam ließ er ihren Körper auf die Stufen gleiten, das Blut spritzte nur so aus ihrem zarten Hals. Ihr Kopf, der nur noch an einem Stückchen Wirbelsäule und ein paar Fleischfetzen hing, fiel zur Seite und stieß mit einem dumpfen Geräusch gegen eine der geriffelten weißen Streben des Geländers. Ihr dunkles Haar tränkte sich mit Blut wie ein Schwamm. Das blaue Kleid verfärbte sich purpurn. Auf den Stufen bildeten sich Blutlachen.

Im bläulichen Schimmer des durch ein Fenster im oberen Stock hereinfallenden Mondlichts bewunderte er sein Werk. Er zündete ein Streichholz an und untersuchte seine Schuhe auf Blutspritzer. Sein Hemd war von Rebeccas Blut durchtränkt, doch die Schuhe waren sauber.

Er ließ das Messer aus der Hand gleiten. Klirrend fiel es neben der Leiche auf die Treppenstufe. Dann griff er zu seiner Pistole.

* * *

Jenny wagte nicht, die Zimmertür zur Eingangshalle zu öffnen. Es war stockfinster, doch sie zündete keine Kerze an. Noch nicht. Das Licht könnte durch den Spalt zwischen Tür und Holzboden zu sehen sein.

Ihr Herz schlug heftig. Sie hatte das Geräusch deutlich gehört. Den Schuss.

Jenny hatte am Bett von Little Miss gestanden. Little Miss schlief fest und ahnte nichts von den Ereignissen, wie es nur die sehr Jungen oder sehr Alten vermögen, die in ihrer eigenen Welt leben. Der Schuss hatte sie nicht geweckt.

Jenny drückte das Ohr gegen die Tür. Sie meinte nach dem Schuss gedämpfte Geräusche gehört zu haben, war aber nicht sicher. Jetzt war alles ruhig, nur das Zirpen der Grillen störte die nächtliche Ruhe. Es war fast so still wie bei den schweigsamen Mahlzeiten, die der Colonel Judge und Rebecca zusammen einnahmen und bei denen nur das Klirren des Silberbestecks auf den Porzellantellern zu hören war. In den letzten Monaten hatten der Colonel Judge und seine Frau nur die absolut notwendigen Worte gewechselt. Sie glichen zwei misstrauischen Kreaturen, die gezwungen waren, im selben Käfig zu leben.

Aus der Halle war kein Laut zu hören. Weder das Rascheln von Rebeccas weißen Leinenpetticoats, noch das leise Trippeln ihrer zierlichen Schuhe auf den Bodendielen. Auch nicht das Klacken des Gehstocks des hinkenden Colonel Judge.

Jenny wartete lange, bevor sie es riskierte, die Tür einen Spalt zu öffnen und hinauszuspähen. Nichts regte sich in der Halle.

Vorsichtig wagte sie sich zum Fuß der Treppe vor. Spähte hoch zum Treppenabsatz im oberen Stock. Und sah ihre schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Schnell hielt sie sich die Hand vor den Mund. Auch wenn es schwerfiel, sie durfte jetzt nicht schreien.

Im schwachen Mondschein, der durch die großen Fenster in die Halle fiel, sah sie dunkle Flecken, die sich über die Treppe verteilten und die Stufen herabtropften.

Blut. Das Blut aus zwei Körpern.

Der Colonel Judge. Er musste sich erschossen haben. Wie sein Vater. Aber es war noch schlimmer. Das war nicht nur sein Blut. Sondern auch das von Rebecca. Beide waren tot.

Jenny blieb keine Wahl. Sie schloss die Zimmertür und eilte durch den kleinen Durchgang zur Hintertreppe. Sollte Little Miss in ihrem Zimmer im unteren Stock selig weiterschlafen. Jenny musste zu den beiden im oberen Stock. Sie würden bald aufwachen, und wenn sie sich nicht beeilte, war es zu spät.

1961

Hank Matthews saß im Schatten einer Eiche auf einem Gartenstuhl, ganz in der Nähe des riesigen Schilds, das er aufgestellt hatte. In mannshohen Buchstaben stand darauf die Parole EARL WARREN ABSETZEN, auch auf dem Highway, der eine dreiviertel Meile entfernt am Rande des ehemaligen zweiten Abschnitts der Zuckerrohrfelder entlangführte, noch gut zu sehen.

Was für ein Scheißwitz, dachte Hank Matthews, dass der Prozess vor dem Obersten Gerichtshof, der Schwarze in die Schulen schicken will, ausgerechnet Brown heißt.

Brown gegen die Schulbehörde. Braun und Schwarz und die ganzen anderen Farben, die nicht weiß sind. Scheiß auf sie alle.

Petit Rouge Parish würde auch in Zukunft alles genau so halten wie in den letzten fünfzig Jahren, und kein schwachsinniges Gericht der Welt würde daran etwas ändern.

Washington, D. C., war weit weg. Was hier passierte, bekam dort keiner mit.

Doch das Schild nahe der weißen Villa sollte man mitbekommen. Es sollte wahrgenommen werden. Über die mit dürren Disteln und hässlicher Wilder Mohrenhirse überwucherten Felder hinweg war es nicht zu übersehen.

Hank Matthews liebte Cottoncrest, dieses alte, geräumige Herrenhaus, auch wenn es dringend einen frischen Anstrich benötigte. Auch wenn mindestens elf der vierzig Säulen auf der Veranda geborsten und kaputt waren. Auch wenn die Treppe sich bog und die einst elegante Tapete mit dunklem Schimmel überzogen war. Auch wenn die Gärten längst von Unkraut überwuchert waren und sich Giftefeu über die Zäune bis in die Äste der Eiche rankte.

Er hatte das Haus gekauft, um etwas zu beweisen. Sich selbst. Und den anderen. Um allen unter die Nase zu reiben, was aus ihm geworden war.

Er hatte hier mit seiner Familie wohnen wollen. Aber Sylvia war vor zehn Jahren gestorben, und die Zwillinge, Brett und Beau, waren schon lange weggezogen. Sie sprachen nicht mit ihm. Gaben ihm die Schuld am Tod ihrer Mutter.

Aber das hatte nichts mit dem Fluch zu tun. Es war einfach Pech. Jeder war seines eigenen Glückes Schmied. Man musste sich nur anstrengen. Und er hatte es geschafft, war Präsident des Citizens’ Council und dreimal in den Schulausschuss gewählt worden. Zur Hölle, wenn er wollte, konnte er sich mit einem Fingerschnippen auch in die Police Jury von Petit Rouge Parish wählen lassen.

Stolz betrachtete er die große Konföderiertenflagge an der fast vier Meter langen Fahnenstange, die er an den Fries über dem oberen Stockwerk genagelt hatte. Diese Fahne zeigte den verdammten Nordstaatlern, die sich immerzu einmischen wollten, dass sich hier niemand einzumischen hatte. Nicht auf Hanks Grund und Boden. Nicht in seiner Gemeinde.

Er hätte diesen jungen Burschen mit der großen Nase und den krausen Haaren gar nicht erst auf sein Grundstück lassen sollen. Er hatte es ja geahnt. Dem Burschen sah man den Juden zehn Meilen gegen den Wind an, von der Hornbrille über die Angeberwörter bis hin zu der Akte unter seinem Arm. Und nicht nur Jude, auch noch Nordstaatenjude, schlimmer ging es nicht. Er hatte es gewusst, schon als der Bursche den Mund aufgemacht hatte.

Verdammt. Hätte ihn nicht aufs Grundstück lassen sollen. Hätte ihm nicht zuhören sollen. Hätte ihn nicht die Akte öffnen und ihren Inhalt ausbreiten lassen sollen.

Na, jetzt würden die anderen sich ja das Maul zerreißen können, wie? Sie würden sagen, das hinge alles mit dem Fluch von Cottoncrest zusammen. Sie würden die Wahrheit nie erfahren.

Hank betrachtete noch einmal sein Haus, lehnte sich im Gartenstuhl zurück und steckte sich den Doppellauf seiner Flinte in den Mund. Dann streckte er die rechte Hand aus und drückte ab.

Heute

Der alte Mann und das halbwüchsige Mädchen saßen auf einer Bank im Kräutergarten. Sie waren den anderen nicht in das schöne Herrenhaus aus der Vorkriegszeit am Mississippi River gefolgt, das die Gruppe nach einer über einstündigen Busfahrt von New Orleans hierher besichtigen wollte.

»Setz dich zu mir in den Schatten. Wir können uns das Haus später ansehen. Dafür ist heute Nachmittag auch noch Zeit, bevor der Bus wieder aus Cottoncrest abfährt.

Wie ich schon gesagt habe, die Frage ist nicht, warum dein Ururgroßvater Jake Gold den Beinamen Cajun-Jude erhielt. Das ist einfach. Die Frage ist auch nicht, wie es einen in Russland aufgewachsenen Jungen, der zunächst kein Englisch sprach, nach Louisiana verschlagen hat, um später dann die New Yorkerin Roz Levinson zu heiraten, eine polnische Immigrantin.

Ich weiß, du glaubst die Antworten zu kennen, aber das sind die simplen Antworten, die dir deine Eltern erzählt haben – als du noch jünger warst, haben sie gereicht. Aber die simple Antwort ist so trocken wie ein wochenaltes Baguette.

Die eigentliche Frage ist, wie wurde Uropa Jake in den Cottoncrest-Fluch hineingezogen? Du bist jetzt älter als Jake, als er Russland verlassen musste, und sollst die ganze Geschichte erfahren.«

TEIL I

1893

KAPITEL 1

Die Sonne warf ihr Licht durch die zerzauste Kiefer, deren grüne Nadeln ziellos in alle Richtungen strebten. Kaum Schatten hier bei den kleinen Hütten am Rande der Cottoncrest-Plantage. Vielleicht würde eine dicke Wolke vorbeiziehen. Egal. Nicht ablenken lassen.

Jake drehte das Rad seines Schleifsteins, bediente mit den Füßen die Hebel und griff nach dem nächsten Messer. »Mrs. Brady«, sagte er, »Ich kann Ihnen die hier schön scharf schleifen, aber Sie sollten wirklich mal eine Qualitätsklinge ausprobieren, die nicht rostet und nicht jedes Mal nachgeschliffen werden muss, wenn ich vorbeikomme.«

Er spuckte auf den Schleifstein und trieb ihn schneller an, Funken flogen, während er sorgfältig sogar die kaum sichtbaren Zacken und Unebenheiten ausglich und das stumpfe Metall so scharf schliff, dass es eine Haarsträhne durchtrennen konnte. Das war sein Verkaufstrick. Klappte immer. Höflich bat er die Damen um eine Haarsträhne, und wenn sie sie in der Hand hielten und sie im Wind wehte, dann nahm er das geschliffene Messer und schnitt die Locke ab.

Natürlich waren die Messer der meisten seiner Kunden von solch miserabler Qualität, dass sie nach wenigen Wochen wieder stumpf wurden. Aber immer mehr kauften ihm seine Freimer-Klingen ab. Ein deutsches Produkt von ausgezeichneter Präzision, und sie blieben viel länger scharf als die normalen Messer, die alle hier besaßen.

Und auch wenn seine Kunden ein Freimer gekauft hatten, benutzten sie ihre alten Messer weiter. Aber wenn sie merkten, wie scharf die Freimer-Klinge im Vergleich zu den anderen blieb, dann warteten sie noch ungeduldiger auf seinen nächsten Besuch. Damit er die alten Klingen nachschliff.

Beim Schleifen war viel Zeit zum Reden. Und wenn viel Zeit zum Reden war, ließ sich auch viel verkaufen. Pfannen. Töpfe. Nadel und Faden. Grobe Webstoffe und feine Spitze. Ein Stück französischer Seidentaft. Bedruckte Baumwollseide, die wie Brokat aussah. Weniger teure Stoffe mit Sträußen aus Blauglöckchen, Rosen und Tulpen zwischen hellen Streifen in der Farbe von Frühlingsblättern. Mit kirschroten Kränzen und Girlanden zart gemusterter Perkal. Sogar ein paar Stücke Samt oder Gobelin, ideal für Ärmelaufschläge und Krägen. Aber man musste die Kunden kommen lassen. Sie fragen lassen. Nicht drängen. Wenn man alles richtig machte, kauften die Kunden von selbst und bedankten sich auch noch dafür.

Mona Brady stampfte mit ruhigen, gleichmäßigen Bewegungen die Butter im Fass. Ihr dünnes Nesselkleid war von der Anstrengung durchgeschwitzt. Es war Anfang Oktober, aber die Herbstkälte hatte sich noch nicht eingestellt, wenn sich das Wetter zu dieser Jahreszeit auch schnell ändern konnte.

Mona grübelte über ihre Probleme nach. Tee Ray und die Kinder waren draußen auf den Feldern, aber die Ernte würde mager ausfallen. Sie würden ihre Schulden im Laden von Cottoncrest niemals abbezahlen können. Tee Ray und die Kinder würden erst spät zurückkommen und dann hungrig sein. Erst die Butter machen, dann die Erbsen pulen und Maisbrot backen. Und im Garten musste noch Unkraut gejätet werden.

»Ach, Mr. Gold, wir können uns Ihre edlen Messer niemals leisten.«

Ohne von der Arbeit aufzublicken, erwiderte Jack: »Ich will Ihnen doch gar kein Messer verkaufen, Mrs. Brady. Ganz und gar nicht. Sie sollen nur mal eins ausprobieren. Es in die Hand nehmen. Etwas damit schneiden. Natürlich müssen Sie Ihr Geld zusammenhalten. Die Zeiten sind hart.«

Mona Brady ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. Er hatte recht. Sie musste ihr Geld zusammenhalten. Aber es war ja nichts dabei, mal eins von den Messern auszuprobieren. Nur um zu sehen, wie es schnitt.

Heute

KAPITEL 2

»Auf dem Totenschein deines Ururgroßvaters stand zwar ›Jake Gold‹, aber das war nicht sein Geburtsname. Der lautete Yaakov Gurevich. Was für ein Name! Jake passte ihn an, wie er sich selbst anpasste. Yaakov Gurevich. Jakob Goldenes. Jacques Giraudoux. Jake erfand sich immer wieder neu.

Jake sagte immer, es war das viele Blut, das ihn aus Russland vertrieben hat. Rinderblut. Hühnerblut. Schafsblut. Judenblut.

Jake – oder Yaakov, wie er damals genannt wurde – wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe von Białystok auf. Sein Vater war ein schochet, ein Schlachter. In jener Zeit war die Arbeit des Schlachters für eine jüdische Gemeinschaft lebenswichtig. Um koscher zu leben, mussten die Vorschriften der kaschrut strikt eingehalten werden, und natürlich lebten alle koscher.

Deine Eltern haben nie koscher gelebt. Ich weiß, dass sie bei Feiern Krabben servieren und in diesen schicken Restaurants Hummercremesuppe bestellen, du bist also nie bei einem koscheren Schlachter gewesen. Kaschrut verlangt, dass ein Tier nicht nur so schnell und schmerzlos wie möglich getötet werden muss, sondern auch, dass das Blut abfließen muss.

Nachdem das Tier mit einem einzigen Messerschnitt durch Luft- und Speiseröhre und die großen Blutgefäße getötet wurde, schechita, wird es kopfüber aufgehängt, damit so viel Blut wie möglich aus seinem Körper abfließen kann. Der Schnitt muss so schnell und schmerzlos wie möglich ausgeführt werden, und die kaschrut-Gesetze verlangen, dass das Messer nach jeder Benutzung nachgeschliffen wird.

Der schochet führt dann eine bedikah – eine Untersuchung – aus, um sicherzustellen, dass das Tier keinen Makel hat, dass beispielweise keine Organe fehlen oder beschädigt sind und dass keine Knochen gebrochen sind, denn nur dann gilt es als koscher.

Weißt du, warum das Blut abfließen muss? Das steht in der Tora, im Buch Levitikus. Du kennst doch den Satz: Der irgendein Blut isst, ›dessen Seele soll ausgerottet werden von ihrem Volk‹? Kennst du nicht? Nun, so steht es da. Schau nach. Das Blut muss nicht nur abfließen, auch noch die letzten Tropfen müssen ausgetrocknet werden, entweder durch Salzen oder Rösten über offenem Feuer.

Der kleine Yakoov hat das Schlachten unmittelbar miterlebt. Er hat geholfen, die Tiere anzubinden. Er hat sie gehalten, damit sein Vater sie töten konnte. Jeden Morgen und Abend hat er seinem Vater geholfen, das Schlachtblut vom Tage wegzuwaschen.

Schon als kleiner Junge hat Yakoov die kaschrut-Gesetze und die Werkzeuge und Arbeitsweisen eines schochet kennengelernt. Wie auch nicht? Aber er tötete die Tiere nur ungern, und er mochte kein Blut. Viel lieber kümmerte er sich um die Kunden seines Vaters, um die, die ihre Kühe oder Schafe oder Hühner zum Schlachten brachten, und um die, die Fleisch für ein Familienessen oder Huhn für den Sabbat kauften.

Und Yakoov hatte ein Händchen für das Verhandeln mit Kunden. Er war clever. Mit zehn oder elf kannte er jeden Kniff. Er wusste instinktiv, wann er den Preis höhertreiben konnte, wann er nachgeben musste und was er im Tausch für das Schlachten verlangen konnte. Irgendwann war er so gut, dass er manchmal bei seinem Onkel Avram in der Schneiderei aushalf. Und während bei seinem Vater nur andere Juden kauften, zählte Avram auch Kosaken zu seiner Kundschaft.

Yakoov hatte einen schnellen Verstand und ein schnelles Ohr. Wenn er Russisch sprach, klang er nicht jüdisch. Er redete mit Bauern wie ein Bauer und mit einem Kosakenoffizier wie jemand, der unter Kosaken groß geworden war. Für seine Schulkameraden ahmte er die Sprechweise des Rebbe auf Hebräisch nach. Das brachte ihn regelmäßig in Schwierigkeiten, wenn der Rebbe hereinkam und die Jungs über Yakoovs Späße lachten, anstatt zu lernen. Sogar zu Hause war Yakoov ein Chamäleon. Seine Schwestern meinten oft ihre Mutter mahnen zu hören, sich nicht draußen im Garten herumzutreiben, sondern sofort ins Haus zu kommen und ihre Pflichten zu erledigen. Um dann zu merken, dass es Yakoov gewesen war, der sie mit einer perfekten Nachahmung ihrer Mutter an der Nase herumgeführt hatte.

Aber all seine Fähigkeiten halfen ihm in Russland nicht. Nach der Ermordung von Zar Alexander II. im Jahr 1881 wurde Russland zunehmend von politischen und ökonomischen Problemen geplagt. Zar Alexander III. dachte sich eine einfache Lösung aus – er schob alles den Juden in die Schuhe. Damit begannen die Pogrome, die sich immer weiter ausbreiteten. Über einhundertfünfzig jüdische Siedlungen wurden in Brand gesteckt. Yakoovs Familie machte sich zu Recht Sorgen. Ein Nachbardorf war schon angegriffen worden, die Frauen vergewaltigt, Häuser und Läden zerstört. Nirgends waren die Juden noch sicher.

Und nicht nur einzelne Juden, die ganze jüdische Kultur war gefährdet. Der Zar hatte für jüdische Jungen die Wehrpflicht wiedereingeführt. Mit zehn oder elf Jahren wurden die Jungen ihren Eltern mit Gewalt weggenommen und in die Armee gesteckt. Kantonisten wurden sie genannt. Kantonisten gingen ihrer Familie für lange Zeit verloren – mindestens zwanzig Jahre. Und sie gingen ihrer Religion verloren. Die Vorgesetzten ›empfahlen‹ ihnen die Bekehrung zum russisch-orthodoxen Glauben, und das Wort der Vorgesetzten war Gesetz.

Von Mosche hast du gehört, ja? Yakoovs älterem Bruder? Nein? Macht nichts. Weil er keine eigenen Kinder hatte, lebt Mosche Goldfarb nur noch in der Erinnerung. In meiner und jetzt in deiner. Mosche war Jahre vorher geflohen, um dem Leben als Kantonist zu entgehen.

Als Kind in Białystok kannte Yakoov Mosche nicht, denn der war fortgegangen, als Yakoov gerade ein halbes Jahr alt war. Yakoovs ältere Zwillingsschwestern, Beruriah und Leah, trauerten immer noch um den abwesenden Bruder und weinten mit ihrer Mutter ein- oder zweimal im Jahr Freudentränen, wenn es ein kurzer Brief in Mosches krakeliger Handschrift von New York bis zu ihnen schaffte. Es ginge ihm gut, schrieb Mosche dann, und im Umschlag fand sich sorgfältig zusammengefaltetes amerikanisches Geld, das sie aber nicht ausgeben konnten, weil es für Yakoov geschickt worden war.

Kannst du dir vorstellen, wie schwierig es für Yakoovs Eltern gewesen sein muss, einen Sohn in die Ferne geschickt zu haben und nie wiederzusehen und zu wissen, dass ihnen das Gleiche mit ihrem jüngsten Sohn bevorstand, ihrem Baby, dem Sohn, der das Geschäft hätte übernehmen können und der so gut mit den Kunden umgehen konnte, sogar mit den Kosaken, die bei Onkel Avram kauften?

Bald würden im Dorf Kantonisten eingezogen werden. Die Pogrome wurden immer schlimmer. Unlängst war auf den Feldern um das Dorf herum ein junger Rabbi angegriffen und ihm der Schädel mit einer Sense gespalten worden. Blutüberströmt war er zur Synagoge gewankt. Er hatte ein Ohr verloren. Yakoovs Vater und Onkel hatten ihm geholfen, seine Wunden verbunden und ihn über Nacht versteckt.

Die Gefahr stand vor der Tür. Yakoovs Eltern wussten, dass ihnen nicht mehr viel Zeit blieb.

Yakoov hat immer gesagt, Blut habe ihn aus Russland vertrieben. Es scheint schon seltsam, dass ihn Blut nach Louisiana gelockt hat.«

1893

KAPITEL 3

»Das is der Fluch, ne, Raifer? Der Fluch hat sie umgebracht.«

Deputy Bucky Starner, dem der Schweiß von der Stirn auf den feinen Teppich auf dem oberen Treppenabsatz tropfte und sich dort mit den angetrockneten Blutlachen mischte, begaffte die Leichen mit einer Mischung aus Angst und Aufregung. Angst, dass der Fluch wahr sein könnte. Aufregung, weil zu seinen Lebzeiten noch nie etwas so Spektakuläres in Petit Rouge Parish passiert war.

Bucky war überglücklich gewesen, als der Sheriff ihn letztes Jahr eingestellt hatte, auch wenn seine Freunde ihn dafür aufzogen, dass er stolz sein Abzeichen auf einem Hemd trug, das vor Schweiß und Dreck und Fett so starrte, dass es fast ein Eigenleben führte. Jetzt würden seine Freunde endlich erfahren, dass er jemand war, jemand Wichtiges. Zu dem die Leute kamen und mit dem sie reden wollten. Dem sie zuhörten. Alles, weil er die Leichen mit eigenen Augen gesehen hatte, das Blut des Fluches erblickt hatte.

Sheriff Raifer Jackson sagte nichts dazu. Der Junge war gutgläubig und grün hinter den Ohren. Aber er tat, was man ihm sagte. Wenn er bloß seine große Klappe halten könnte.

Raifer stand schweigend neben Bucky. Die Leichen lagen ausgestreckt vor ihnen auf der Treppe. Colonel Judge Chastaines Hand hielt die Pistole im Tod fest umklammert, ein Finger lag am Abzug. Der Colonel Judge hatte sich das Hirn rausgeblasen, nachdem er zuvor ihr hinterrücks die Kehle aufgeschlitzt hatte. Er hatte nicht gleichzeitig sie und das Messer und den Gehstock halten können, deswegen lag der Stock ein paar Meter weiter weg. Er hatte ihn auf dem Treppenabsatz liegen lassen, sie auf der Treppe umgebracht, das Messer weggeworfen, die Pistole gezogen und sich selbst erschossen.

Vielleicht hatte Bucky recht. Vielleicht lag es am Fluch.

Aber hatte sie den Tod erwartet? War es ein Selbstmordpakt oder etwas anderes? Lag Angst in ihrem Gesicht?

»Bucky, geh ein paar Stufen runter und dreh ihren Kopf so, dass ich ihn sehen kann. Ich will mir ihr Gesicht angucken.«

»Raifer, sie war wunderschön. Das weißt du. Alle wissen das. Wir haben sie alle gesehen. Willst du sie dir wirklich so tot und so ansehen? Und ich versau mir die Stiefel in dem ganzen Blut. Das is überall.«

»Bucky, das ist wirklich der richtige Moment, um sich Sorgen um deine Stiefel zu machen.« Zum ersten Mal heute lächelte Raifer. Buckys Stiefel waren zerlöchert, ein Absatz fehlte teilweise, und sie hatten keine Schuhwichse mehr gesehen, seit Buckys Vater sie vor Jahren gekauft, angezogen und abgetragen hatte, um sie irgendwann seinem Sohn als Ersatz für ein noch desolateres Stiefelpaar zu überlassen, das Bucky bis dahin getragen hatte.

»Runter da und schieb das Haar beiseite und dreh ihren Kopf so, dass ich ihr Gesicht sehen kann.«

Bucky gehorchte. Raifer war nicht nur sein Boss, sondern auch der härteste Kerl im Ort. Und der gerechteste.

Vorsichtig stakste Bucky die Treppe hinunter, aber bei jedem Schritt blieb Blut an seinen Stiefeln kleben und hinterließ dunkelrote Flecken auch noch auf den wenigen Stellen des Teppichs, die nicht sowieso schon blutgetränkt waren. Es war keine einfache Aufgabe, so verdreht wie sie da lag, der Colonel Judge auf ihr und ihr Kopf ans Geländer gelehnt.

Bucky gab den Versuch auf, seine Stiefel nicht mit Blut zu besudeln. Er stellte sich breitbeinig über die Leiche, einen Fuß auf einer unteren Stufe, den anderen auf einer höheren, ihr Kleid berührte seine Hose. Der schreckliche Anblick war kaum zu ertragen, und die leeren Augen des Colonels starrten durch ihn hindurch. Bucky packte Rebeccas Kopf bei den Haaren und drehte ihn vorsichtig, damit Raifer vom oberen Treppenabsatz aus das Gesicht erkennen konnte.

Der Kopf war leicht zu bewegen.

Viel zu leicht.

Bucky schrie auf und fiel mit dem Kopf in der Hand rückwärts die Treppe hinunter. Indem er den Kopf berührt und angehoben hatte, hatte er ihn vollends vom Körper getrennt.

Vor Angst und Schrecken ließ Bucky das Haarbüschel nicht los, im Fallen prallte der an den Locken gehaltene Schädel immer wieder von der Wand ab.

KAPITEL 4

»Alles klar?«

»Jäh, Raifer. Hab mich nur ’n bisschen erschreckt, das is alles.« Bucky saß auf der Verandatreppe, das Herz immer noch in der Hose und das Wasserglas, das Jenny ihm gebracht hatte, halb ausgetrunken.

Jenny war wieder ins Haus gegangen, um sich um Little Miss zu kümmern, die man in ihr Zimmer gesperrt hatte und die immer noch nichts von den Geschehnissen der vergangenen Nacht wusste. Der Sheriff würde bestimmt nicht auf die Idee kommen, in Little Miss’ Schlafzimmer einzudringen und sie zu stören, aber sicherheitshalber schloss Jenny die Tür hinter sich.

Bucky tat zwar so, als hätte er sich beruhigt, aber Raifer sah, dass sein rechter Fuß im blutverkrusteten Stiefel unaufhörlich auf die Treppenstufe tappte und sein Gesicht immer noch kreideweiß war.

»Weißte was. Du bleibst hier und passt auf, dass keiner reinkommt, und ich erledige drinnen noch den Rest.«

»Gute Idee«, stimmte Bucky erleichtert zu.

Raifer ging ins Haus zurück und untersuchte den blutigen Kopf, der am Fuß der Treppe auf dem Boden lag. Der Schnitt, der ihn vom Körper getrennt hatte, war sauber ausgeführt worden. Es gab keine Reißspuren, abgesehen von der Stelle im Genick, an der Bucky gezogen hatte. Nichts deutete auf eine Sägebewegung hin. Der Colonel Judge hatte seine Tat mit einem einzigen Schnitt begangen.

Wie der alte Mann die fast vierzig Jahre jüngere Rebecca hatte festhalten können, während er ihr die Kehle durchschnitt, war ein Rätsel. Warum hatte sie sich nicht aus seinem Griff befreit? Hatte sie in das Geschehen eingewilligt? Was war ihr letzter Gedanke gewesen?

Mit einem Lappen, den Jenny ihm gebracht hatte, wischte Raifer das Blut aus Rebeccas Gesicht. Was sie gedacht haben mochte, war nicht zu erkennen. Die Nase war gebrochen und zur Seite gedrückt. Ein Auge hing teilweise aus der Höhle. Und der Schädel hatte bei Buckys Treppensturz mehrere Stöße abbekommen, wie die blutigen Abdrücke entlang der Wand bezeugten.

Raifer stieg die Treppe hoch, um sich den kopflosen Körper genauer anzusehen, auf dem die Leiche des Colonel Judge ruhte. Rebecca trug einen Reifrock und zwei Unterröcke unter einem Seidenbrokatkleid. Wo das Blut nicht völlig aufgesaugt war und alles dunkelrot gefärbt hatte, war hier und da noch die eigentliche Farbe zu erkennen. Weiße Unterröcke. Blaues Kleid. Um ihr linkes Handgelenk, das merkwürdig angewinkelt am Körper lag, hing ein Silberarmband. Die Schuhe waren immer noch zugebunden. Ihre Beine, unter dem verschobenen Reifrock und den verrutschten Unterröcken sichtbar, waren weiß wie Porzellan und perfekt wie von Künstlerhand geformt.

Kopfschüttelnd erklomm Raifer die letzten Stufen. Was für ein fürchterlicher Verlust. Nachdem der Colonel Judge Rebecca in Philadelphia geheiratet und mit nach Cottoncrest gebracht hatte, hatte er ihr zu Ehren einen prachtvollen Empfang und ein Fest gegeben – ein beeindruckendes Debüt, wie man es in diesem Winkel von Louisiana noch nicht gesehen hatte.

Der Colonel Judge hatte alles erreicht. Die Gäste waren von weit her angereist, sogar aus New Orleans. Manche kamen in edlen Kutschen, was sie zwang, entlang des Ostufers des Mississippi auf der River Road eine dreitägige Reise zu machen und dann mit der Fähre auf das Westufer überzusetzen, um nach Petit Rouge Parish zu gelangen. Andere entstiegen Luxuskabinen an Bord eines der beliebten Schaufelraddampfer, die immer noch den Mississippi befuhren, und wurden an der Anlegestelle vor Cottoncrest von Marcus und den anderen Boys in Empfang genommen. Diese Leute nahmen keine schäbigen Flussboote, sie reisten ausschließlich in größtem Luxus, wie es dem Anlass und dem Gastgeber angemessen war.

Handgewebte Teppiche aus Europa, Rum aus Saint-Domingue, Wein aus Frankreich, neues Tafelsilber aus England. Boot um Boot hatten alles aus New Orleans hierhertransportiert. Für das Fest wurden Rinder und Schweine geschlachtet. Jäger wurden beauftragt, Enten, Rotwild und Truthähne zu liefern. Das Küchenpersonal kam mit der Arbeit nicht nach. Zur Unterstützung lieh man sich Hausdiener von den umliegenden Plantagen aus. Raffinierte Nachspeisen wurden kreiert, von reich verzierten Torten über Vanillepuddings und Küchlein bis hin zu einer Mousse, die in bunten, aus kandierten Zitronen- und Orangenschalen gewobenen Miniaturkörben serviert wurde. Der alte Marcus hatte über alles strenge Aufsicht geführt.

Raifer erinnerte sich gut an jenen Abend. Wie auch nicht? Es waren ja erst vier Jahre vergangen. Die Treppe war mit Rosen verziert gewesen. Der Duft von Blumen und Parfüm schwebte durch die Räume. Er erinnerte sich an Rebeccas Anblick, eine strahlende Erscheinung selbst noch inmitten von Frauen in elegantesten Kleidern und teuerstem Schmuck. Rebecca hatte alle in den Schatten gestellt.

Raifer, dessen bester Sonntagsanzug nicht annähernd an die feinen Maßanzüge der anderen Gäste heranreichte, hatte in einer Ecke neben der Haustür gestanden. Er wusste, dass er nur aufgrund seiner Stellung als Sheriff eingeladen worden war, sonst hätte der Colonel Judge ihn niemals hinzugebeten. Sein Stammbaum war nicht beeindruckend genug.

Während ein Streicherquartett Auszüge aus französischen Opern von Berlioz, Gounod, Bizet, Offenbach und Saint-Saëns spielte, mischte sich die Gästeschar, tranken und rauchten die jungen Männer, tratschten die verheirateten Frauen und flirteten die jungen Mädchen sittsam mit den jungen Burschen. Dann erstarben langsam die Gespräche, nur noch Flüstern war zu hören. Die große Eingangshalle reichte nicht aus, um allen Gästen Platz zu bieten, die von der Veranda und aus den anderen Räumen hereindrängten.

Raifer hatte sich noch tiefer in seine Ecke gedrückt, um anderen Platz zu machen, und alle reckten den Hals, um einen ersten Blick auf Rebecca zu werfen, die oben auf dem Treppenabsatz erschienen war.

Die schönste Frau, die er je gesehen hatte.

Dunkle Locken streichelten weiße Schultern. Die Haut war perfekt. Die Gäste bewunderten im Flüsterton Rebeccas elegante Haltung, ihre feinen Gesichtszüge und ihr gewinnendes Lächeln. Als sie die Treppe herunterschritt, fanden einige sich an eine Göttin erinnert, die vom Himmel auf die Erde hinabsteigt. Aber diese Bemerkungen beschrieben nur Details, und erst aus deren Summe erwuchs eine Schönheit, die sich nicht in Worte fassen ließ.

Schritt für Schritt war sie am Arm des Colonel Judge die Treppe herabgeschwebt. Seine leuchtenden Augen hatten seinen Stolz und seine Freude verraten, auch wenn unter dem dicken weißen Schnurrbart und Kinnbart kein Lächeln zu sehen gewesen war.

Rebecca und der Colonel Judge waren genau an der Stelle vorbeigekommen, an der nun ihre kopflose Leiche lag, und am Fuß der Treppe mit offenen Armen willkommen geheißen worden.

Jetzt stand Raifer oben auf dem Absatz und betrachtete die blutige Treppe. Wo einst Leben und Freude geherrscht hatten, war nur Tod geblieben. Der Cottoncrest-Fluch hatte wieder zugeschlagen, wie alle sagen würden. Fast schien es Raifer, als könnten sie recht haben.

Raifer ging ein paar Stufen hinunter und nahm den Leichnam des Colonel Judge in Augenschein. Danach würde er Marcus rufen und den Boys erlauben, den Tatort so gut sie konnten zu säubern.

Er bückte sich, um einen genaueren Blick auf die Pistole zu werfen. Und dabei fiel ihm etwas Merkwürdiges auf.

In Little Miss’ Zimmer spähte Jenny durch einen Türspalt und sah die beiden Leichen auf der Treppe, das überall verteilte Blut und den Sheriff, der über den Colonel Judge gebeugt stand. Sie weinte keine einzige Träne. Schon früh hatte sie gelernt, dass Freude das einzige Gefühl war, das man den Weißen zeigen durfte. Wenn ihre Trauer eine Träne zulassen würde, würde das eine Flut auslösen. Dafür war jetzt keine Zeit.

Die beiden mussten gerettet werden. Rebecca hätte es so gewollt.

KAPITEL 5

Zufrieden schob Jake den Karren die Straße zum Bayou entlang. Die letzten beiden Tage waren besser gewesen als erwartet.

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