Cthulhus Ruf - H.P. Lovecraft - E-Book

Cthulhus Ruf E-Book

H. P. Lovecraft

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Beschreibung

Der Sprachwissenschaftler George Gammell Angell hinterlässt nach seinem Tode die geheimnisvolle Skulptur eines geschuppten Wesens. Wie sein Großneffe Francis Wayland Thurston bald herausfindet, handelt es sich dabei um eine uralte Gottheit – eine Gottheit, die nicht nur in der Phantasie ihrer Anhänger existiert ... H. P. Lovecrafts berühmteste Geschichte in ungekürzter Neuübersetzung, der es erstmals gelingt, Lovecrafts speziellen Stil und die besondere Atmosphäre seiner Erzählung in deutscher Sprache schillern zu lassen. »H. P. Lovecraft ist der bedeutendste Horror-Autor des 20. Jahrhunderts.« Stephen King Unter dem Titel »The Call of Cthulhu« erstmals veröffentlicht 1928 in der Zeitschrift »Weird Tales« Erstdruck der Übersetzung in »H. P. Lovecraft – Das Werk« (FISCHER Tor, 2017)

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Seitenzahl: 67

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H. P. Lovecraft

Cthulhus Ruf

Erzählung

Aus dem Amerikanischen von Andreas Fliedner

FISCHER digiBook

Inhalt

PrologI. Das tönerne GrauenII. Der Bericht von Inspektor LegrasseIII. Der Wahnsinn aus dem Meer

Die folgenden Aufzeichnungen wurden im Nachlass von Francis Wayland Thurston aus Boston gefunden.

 

Dass derart große Kräfte oder Wesen die Zeit überdauern, ist durchaus vorstellbar … Überbleibsel aus einer längst vergangenen Epoche, in der sich Bewusstsein vielleicht in Gestalten und Formen manifestierte, die seitdem längst vor der Flut der voranschreitenden Menschheit zurückgewichen sind … Formen, an die allein Dichtung und Legende eine flüchtige Erinnerung bewahren und die sie als Götter, Ungeheuer, mythische Wesen und mit mannigfaltigen anderen Namen bezeichnet haben …

Algernon Blackwood. Das tönerne Grauen

I.Das tönerne Grauen

Die größte Gnade, die uns die Natur hat zuteilwerden lassen, ist wohl das Unvermögen des menschlichen Geistes, alle seine Inhalte miteinander in Beziehung zu setzen. Wir leben auf einer beschaulichen Insel der Unwissenheit inmitten schwarzer Ozeane der Unendlichkeit, und es ist nicht unsere Bestimmung, weit hinauszusegeln. Die Wissenschaften, von denen jede in ihre eigene Richtung strebt, haben uns bislang wenig geschadet. Eines Tages jedoch wird man die verstreuten Wissensfragmente zusammenfügen, und es werden sich so erschreckende Ausblicke auf die Wirklichkeit und unsere heillose Stellung in dieser Wirklichkeit eröffnen, dass wir angesichts der Offenbarung entweder den Verstand verlieren oder aus dem tödlichen Licht in die Ruhe und Sicherheit eines neuen dunklen Zeitalters fliehen werden.

Die Theosophen haben die ehrfurchtgebietende Großartigkeit jenes kosmischen Zyklus erahnt, in dem unsere Welt und die menschliche Rasse nur flüchtige Ereignisse sind. Sie haben Andeutungen über merkwürdige Überbleibsel gemacht, Andeutungen, die einem das Blut gefrieren lassen würden, hätten sie sie nicht hinter einem faden Optimismus verborgen. Doch es war nicht die Theosophie, die mir jenen einen kurzen Blick auf verbotene Äonen gewährte, der mich erschaudern lässt, wenn ich an ihn zurückdenke, und mich um den Verstand bringt, wenn ich von ihm träume. Wie alle Momente entsetzlicher Erkenntnis, so eröffnete sich auch dieser kurze Blick, als ich zufällig zwei Dinge zusammenfügte, die eigentlich nichts miteinander zu tun hatten: in diesem Fall einen alten Zeitungsartikel und die Aufzeichnungen eines toten Professors. Ich hoffe, dass niemand anders diese Dinge zusammenfügen wird. Solange ich lebe, werde ich ganz gewiss niemals wissentlich etwas unternehmen, um die Glieder dieser entsetzlichen Kette zusammenzusetzen. Ich glaube, dass auch der Professor Stillschweigen über jenen Teil bewahren wollte, von dem er wusste, und dass nur sein plötzlicher Tod ihn daran gehindert hat, seine Aufzeichnungen zu vernichten.

Zum ersten Mal stieß ich auf die Angelegenheit im Winter 1926/27, als mein Großonkel George Gammell Angell, emeritierter Professor für semitische Sprachen an der Brown University, Providence, Rhode Island, starb. Professor Angell war eine weithin bekannte Autorität für antike Inschriften und wurde regelmäßig von den Leitern renommierter Museen zu Rate gezogen, so dass sich viele an seinen Tod im Alter von zweiundneunzig Jahren erinnern werden. In Providence wurde das Interesse an seinem Ableben noch durch die Rätselhaftigkeit der Todesursache verstärkt. Der Professor war, als er von der Fähre nach Newport nach Hause ging, vom Schlag getroffen worden. Zeugen berichteten, dass er plötzlich gestürzt sei, nachdem ihn ein seemännisch aussehender Neger angerempelt hatte, der aus einem der merkwürdigen dunklen Höfe am Hang des jäh abfallenden Hügels getreten war, über den eine Abkürzung vom Hafen zum Haus des Verstorbenen in der Willams Street führte. Die Ärzte konnten keine sichtbare Erkrankung feststellen und kamen nach einer fruchtlosen Debatte zu dem Schluss, dass das rasche Ersteigen einer so steilen Anhöhe bei dem betagten Mann eine nicht sichtbare Läsion des Herzens hervorgerufen hatte, die für das Ende verantwortlich war. Damals sah ich keinen Grund, an dieser Diagnose zu zweifeln, doch in letzter Zeit beginne ich mir Fragen zu stellen – und mehr als das.

Als Erbe und Nachlassverwalter meines Großonkels, der als kinderloser Witwer gestorben war, gehörte es zu meinen Aufgaben, seine Unterlagen einigermaßen gründlich durchzusehen, und zu diesem Zweck ließ ich seine gesamten Akten und Kisten in meine Wohnung nach Boston bringen. Ein Großteil des Materials, das ich zusammengestellt habe, wird zu einem späteren Zeitpunkt von der American Archaeological Society veröffentlicht werden, aber es gab eine Kiste, die ich außerordentlich rätselhaft fand und niemand anderem zeigen mochte. Die Kiste war verschlossen, und es gelang mir zunächst nicht, einen Schlüssel zu finden, bis ich auf den Gedanken kam, mir einen bestimmten Ring, den der Professor stets in seiner Tasche trug, genauer anzusehen. Es gelang mir tatsächlich, mit Hilfe des Rings die Kiste zu öffnen, doch damit schien ich nur auf ein größeres und noch schwerer zu überwindendes Hindernis gestoßen zu sein. Denn was hatte es mit jenem merkwürdigen Basrelief aus Ton und den unzusammenhängenden Notizen, Aufzeichnungen und Zeitungsausschnitten auf sich, die ich darin fand? War mein Onkel in seinen letzten Lebensjahren den alleroberflächlichsten Hochstapeleien aufgesessen? Ich entschloss mich, den exzentrischen Bildhauer zu finden, der so offensichtlich die Seelenruhe eines alten Mannes gestört hatte.

Das Basrelief war in etwa rechteckig, weniger als einen Zoll dick, etwa fünf mal sechs Zoll hoch und offenbar modernen Ursprungs. Die Darstellung war jedoch, von ihrer Atmosphäre und dem, was sich in ihr andeutete, alles andere als modern. Denn die Launen des Kubismus und des Futurismus sind zwar mannigfaltig und unberechenbar, doch ahmen sie nur selten jene geheimnisvolle Regelmäßigkeit nach, die sich in prähistorischen Schriftzeichen verbirgt. Und um Schriftzeichen schien es sich bei einem Großteil des Dargestellten mit ziemlicher Sicherheit zu handeln, auch wenn es mir – obwohl ich mit den Unterlagen und der Sammlung meines Onkels bestens vertraut war – nicht gelang, diese spezifische Art von Zeichen zu identifizieren oder sie auch nur im Entferntesten mit irgendetwas Bekanntem in Zusammenhang zu bringen.

Über den vermeintlichen Hieroglyphen befand sich eine Figur, die offensichtlich eine Abbildung von irgendetwas darstellte, obwohl ihre impressionistische Ausführung es nicht zuließ, sich eine genauere Vorstellung vom Charakter des Dargestellten zu machen. Es schien eine Art Ungeheuer oder die symbolische Darstellung eines Ungeheuers zu sein, dessen Gestalt nur einer kranken Vorstellungskraft entsprungen sein konnte. Wenn ich sage, dass meine einigermaßen lebhafte Phantasie mich gleichzeitig an einen Kraken, einen Drachen und an die Karikatur eines menschlichen Wesens denken ließ, so gibt das vielleicht eine ungefähre Vorstellung von dem Ding. Ein fleischiger, tentakelbewehrter Kopf saß auf einem grotesken schuppigen Körper mit rudimentären Schwingen. Was das Ganze auf bestürzende Art furchterregend machte, war jedoch der Umriss der Gestalt, in deren Hintergrund vage eine zyklopische Architektur angedeutet war.

Die Schriftstücke, die ich zusammen mit diesem merkwürdigen Gegenstand in der Kiste fand, waren, abgesehen von einem Stapel Zeitungsausschnitte, Notizen in Professor Angells Handschrift, die aus jüngster Zeit stammten und in einem nüchternen, kunstlosen Stil verfasst waren. Der Text, bei dem es sich anscheinend um das zentrale Dokument handelte, trug die Überschrift »CTHULHU-KULT«. Die Buchstaben waren mit äußerster Sorgfalt geschrieben, um einer falschen Lesart des völlig unbekannten Wortes vorzubeugen. Das Manuskript war in zwei Abschnitte unterteilt, von denen der erste »1925 – Traum und Traumarbeit von H. A. Wilcox, Thomas Street 7, Providence, Rhode Island« überschrieben war und der zweite die Überschrift »Bericht von Inspektor John R. Legrasse, Bienville Street 121, New Orleans, Louisiana, bei der Vollversammlung der American Archaeological Society 1908 – Notizen des Vorstehenden & Prof. Webbs Schilderung« trug. Bei den übrigen Schriftstücken handelte es sich um kurze Notizen, einige davon Aufzeichnungen über merkwürdige Träume verschiedener Personen und einige Auszüge aus theosophischen Büchern und Zeitschriften (insbesondere W. Scott-Elliots Atlantis and the New Lemuria). Der Rest waren Anmerkungen zu seit langem bestehenden Geheimgesellschaften und verborgenen Kulten mit Verweisen auf mythologische und anthropologische Quellensammlungen wie Frazers Goldener Zweig und Miss Murrays Hexenkult in Westeuropa. Die Zeitungsausschnitte bezogen sich zum größten Teil auf aufsehenerregende Fälle von Geisteskrankheit und Ausbrüche kollektiven Wahns oder kollektiver Manien im Frühjahr 1925.

Die erste Hälfte des zentralen Manuskripts berichtete von einer äußerst befremdlichen Geschichte. Es scheint, dass am 1. März 1925