Damaskus auf Rügen - Dr. Kurt-Uwe Baldzuhn - E-Book

Damaskus auf Rügen E-Book

Dr. Kurt-Uwe Baldzuhn

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Beschreibung

"Damaskus auf Rügen" Deutschland im Jahr 2021. Im März überfallen Rechtsextremisten einen Copy-Shop. Ein Mensch stirbt und mehrere Personen werden verletzt. Gerd Cords schlägt die Täter in die Flucht. Die Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen gegen die Extremisten ein. Gemeinsam mit dem ehemaligen Privatdetektiv Bruno Wiallas, sucht Gerd Cords nach den, inzwischen untergetauchten, Tätern. Die Suche dauert länger, denn nach den Bundes- und Landtagswahlen bricht der Bürgerkrieg aus. Russische Schiffe dümpeln in der Kieler Bucht und vor Saßnitz. Gerd Cords hat lange in Damaskus gelebt und kann gewisse Gewohnheiten nicht ablegen. Bruno Wiallas stehen besondere Ressourcen zur Verfügung. Katrin Hellmann, alias Cindy Schmotz, ist eine der Extremisten. Sie wird erst ver- und dann geführt. Als Führende erlebt sie auf Rügen ihr persönliches "Damaskus".

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Seitenzahl: 491

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Die Personen und die Handlung sind frei erfunden.

Es ist ein Roman.

Die Familie und der Freundeskreis von Bruno Wiallas werden in seinem ersten Fall: „Nicht jeder Tote ist friedlich gestorben“ ISBN 978-3-945833-90-2 vorgestellt.

Warum „unsere Tatjana“ zur Familie Wiallas gehört, erfährt der Leser in: „Maria und Siegfried“, ISBN 978-3-7103-4122-9.

Ein besonderer Dank gilt Eva-Maria für die streitbaren Gespräche vor dem Monitor.

Über den Autor:

Der Autor wurde 1955 in Sondershausen/Thür. geboren. Kindheit und Jugend in Berlin und Weimar. Studium der Wasserwirtschaft in Magdeburg und der Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin. Antiquar, Projektmanager in der IT-Branche und seit 2002 Forschungen und Publikationen zur Kulturpolitik in der Preußischen Provinz Sachsen, dem ersten Land Sachsen-Anhalt, und im Bezirk Halle.

Teilzeittätigkeiten als Kurierfahrer und Wachmann.

2013 Promotion zum Doktor der Philosophie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Kurt-Uwe Baldzuhn

Damaskus auf Rügen

Kurt-Uwe Baldzuhn

Damaskus auf Rügen

Roman

© 2019 Kurt-Uwe Baldzuhn

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg ISBN

Paperback 978-3-7497-9141-5

Hardcover 978-3-7497-9142-2

e-Book 978-3-7497-9143-9

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Prolog

Freitag, 26. März

Für die Neutralisierung braucht Gerd Cords 135 Sekunden.

Der kleine Blonde, der direkt vor ihm mit einem Messer herumfuchtelt, beansprucht ein Viertel der Zeit. Nach dem Stockschlag lässt er das Messer fallen und kann sich gegen den Tritt in seine Hoden nicht wehren. Schreiend und humpelnd verlässt er den Laden.

Das irritiert den Schwarzhaarigen, der in der nordwestlichen Ecke der oberen Ladenhälfte steht. In der rechten Hand hält er ein Messer vor das Gesicht des dort sitzenden älteren Mannes, mit der anderen Hand hat er gerade der links daneben sitzenden Frau den Hijab vom Kopf gerissen.

Nun dreht er sich zu Gerd um.

Er muss zwei Stufen zur unteren Ladenhälfte herunter, um das Messer einsetzen zu können. Er wird aufgehalten. Gerd schleudert ihm einen großen Locher entgegen. Das Geschoß bricht dem Schwarzhaarigen das Nasenbein und extrahiert unqualifiziert den zweiten Zahn im ersten Quadranten. Ob des plötzlichen Schmerzes muss der Mann das Messer fallen lassen und hält sich die Hände vors Gesicht. Weil er deshalb nichts mehr sieht, verpasst er die letzte Stufe und fällt in die untere Ladenhälfte. Stöhnend und blutend rappelt er sich auf und rennt an Gerd vorbei aus dem Laden.

Als Gerd den Laden betrat, stand eine junge Frau in der oberen rechten Ecke des Ladens und hielt ein Smartphone zum filmen hoch. Der Ausfall ihrer Komplizen hat ihr offensichtlich die Sprache verschlagen, macht sie aber nicht bewegungsunfähig.

Als Gerd die beiden Stufen überwindet, quasi im Flug, da er mit seinen Stock Schwung holt, nestelt sie in ihrer Ledertasche und holt eine Pistole heraus. Allerdings mit links, denn in der rechten Hand hält sie noch immer ihr Handy hoch.

In den Sekunden, die sie braucht, um zu entscheiden, welches Gerät in welcher Hand besser aufgehoben ist, drückt Gerd ihr den Gummipfropfen des Stockes an die Kehle.

Ihre Augen weiten sich, sie verströmt den Geruch der Angst.

„Gib mir die Pistole“, sagt Gerd sehr ruhig.

Nichts.

Gerd verstärkt den Druck auf den Hals.

Jetzt bewegt sie sich. Sie legt das Smartphone auf den Tisch und dreht die linke Hand leicht nach außen. Gerd wechselt den Stock in die andere Hand und nimmt mit der rechten die Pistole entgegen. Er geht einen Schritt zur Seite und bedeutet der Frau in Richtung der unteren Ladenhälfte zu gehen. Als sie an ihm vorbei geht, hebt er den Stock, kann ihn aber nicht einsetzen, denn plötzlich kippt der alte Mann von seinem Stuhl. Dadurch wird Gerd kurz abgelenkt und die junge Frau nutzt die Chance, um aus dem Laden zu flüchten.

Drinnen herrscht helle Aufregung.

Im Durchgang zu den hinteren Räumen steht die Angestellte. Sie ist kreideweiß, stöhnt und lehnt sich an den Türrahmen. Ihre Hände halten zitternd ein Telefon.

Über den liegenden Mann beugen sich zwei, laut „Baba“ schreiende, arabische Frauen. Sie haben ihre ursprünglichen Plätze verlassen und geben so Gerd den Blick auf einen kleinen Jungen frei, der ohne einen Laut von sich zu geben, in der Lücke zwischen zwei Kopierern steht. Er verdeckt mit seinem Körper ein kleines Mädchen, das ebenfalls in der Lücke hockt.

Gerd kann nur ihre Schuhe und die Pfütze sehen, die sich langsam zwischen den Füßen bildet.

Die Frau im Durchgang stöhnt und sackt zusammen. Ihr Smartphone poltert auf den Boden, die arabischen Frauen schreien vor Schreck noch lauter.

„Wie ist dein Name, Junge?“

Schlagartig ist es still.

Die beiden arabischen Frauen, die am leblosen Körper des alten Mannes nesteln, heben ihre Köpfe und sehen Gerd erstaunt an.

Er hat Arabisch gesprochen und macht auch gleich weiter.

„Dein Name, Junge, schnell!“

„Mustafa. Onkel, du sprichst unsere Sprache. Warum?“

„Das erkläre ich dir später.“

Gerd zeigt auf das Telefon am Boden.

„Du hast gesehen, dass ich mich nicht bücken kann. Heb es auf und gib es mir bitte. Schnell.“

Mustafa gehorcht.

Gerd legt seinen Stock auf den Tisch und wählt den Notruf. Dann greift er in das Regal mit den Büroartikeln, entnimmt ihm drei Einsteckfolien und einen Filzstift. Aus seiner Jacke holt er ein Papiertaschentuch, das er Mustafa gibt.

„Heb damit vorsichtig die Messer auf und steck sie getrennt in eine Folie.“

Mustafa gehorcht ohne Worte, Gerd beschriftet die Behelfstüten mit, „Blond, männlich“ und „Schwarzhaarig, männlich.“

Die Stadt ist groß, es ist Freitagnachmittag und es gibt viele Baustellen. Der erste Rettungstransportwagen braucht 18 Minuten, der Notarzt 19, der zweite RTW, 20 Minuten und der erste Streifenwagen fast eine halbe Stunde.

Bevor das Blaulicht von Polizei und Notarzt sich im Schaufenster spiegelt, hat Gerd Cords ein Gerät aus seinem Rucksack genommen und es mit einem der Computer verbunden. Dasselbe hat er mit dem Smartphone der geflüchteten jungen Frau gemacht. Dann steckt er es in die Plastikhülle „Frau mit braunen Haaren“ und legt ihre Pistole dazu.

Als die Polizisten den Laden betreten, sehen sie einen älteren, grauhaarigen Deutschen, der auf einem Stuhl sitzt, seinen Stock zwischen den Knien hält und sie freundlich begrüßt.

Sie sehen einen kleinen Jungen, der neben dem grauhaarigen Deutschen steht und sie interessiert beobachtet. Und sie sehen ein kleines Mädchen, das in einer Lücke zwischen den Kopierern hockt und sich die Hände vor das Gesicht hält. Mit gespreizten Fingern, damit sie etwas sehen kann.

Sie sehen zwei arabische Frauen, die sich, auf Stühlen sitzend, aneinander klammern.

Sie sehen den Notarzt, der sich um einen liegenden Mann bemüht. Und sie sehen zwei Rettungssanitäter, die sich um eine stöhnende deutsche Frau kümmern. Der Arzt und die Rettungssanitäter lösen ihre Aufgabe routiniert, die Polizisten brauchen eine Weile, bis sie die Lage überblicken.

Einhundert Kilometer vom Copy-Shop entfernt, aber zur selben Zeit, liegt Bruno Wiallas auf dem Sofa seines Arbeitszimmers und liest. Das darf er.

Er muss nicht mehr arbeiten. Zumindest nicht fremdbestimmt. Ihm gehören sechzig Prozent der „Wiallas-Ermittlungen“, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die floriert. Das operative Geschäft hat er vor vier Jahren abgegeben. Ein bis dreimal im Jahr übernimmt er einen Fall komplett oder wird in einen besonderen Fall involviert. Deshalb hat er Zeit zum Lesen.

Niemand stört.

Seine Frau Ulrike und die schul- oder kindergartenpflichtigen Kinder sind außer Haus. Nur Kater Moses leistet seinem Herrn Gesellschaft. Er hat es sich auf Brunos Bauch bequem gemacht.

Bruno liest einen Roman. Das ist Unterhaltung und andererseits Arbeit. Denn Bruno schreibt selbst. Vor sieben Jahren hat er gemeinsam mit seiner damaligen Frau einen Spionagethriller veröffentlicht, der sich in Deutschland, Polen und der Ukraine gut verkaufte. Vor sechs Jahren starb Danuta plötzlich. Als spezielle Form der Trauerarbeit vollendete Bruno den noch gemeinsam begonnen zweiten Roman. Nun sitzt er an einem neuen Manuskript.

Das Buch, das er jetzt in den Händen hält, ist ein Zufallskauf. Beim Stromern durch die Buchhandlung fiel ihm der Name des Verfassers auf. Der klingt altertümlich und vertraut. Wer heißt heute schon „Fritz Grossansky“? Bruno kaufte das Buch und spannte die Firma ein. Trotz aller Bemühungen ist das Ergebnis mager. Der Verlag weiß nicht mehr, als das „Fritz Grossansky“ ein Pseudonym ist. Auf dem Buchcover sind ein Phantombild zu sehen und der Hinweis, dass der Autor ein Deutscher ist.

Bruno ist erst auf Seite Vierzig, aber mitten im Geschehen. In „Mond über Dimachq“ rettet der Held arrogante, ignorante oder auch nur naive Westeuropäer vor den Gefahren, die sie in einer sunnitischen, schiitischen, drusischen, alawitischen und christlichen Gesellschaft erwarten, die zu dem noch in rivalisierende Familienstämme gespalten ist.

Jetzt aber muss Bruno das Buch weglegen.

Der Autor beschreibt, wie der Held eine Frau kennen- und lieben lernt. Das erinnert Bruno an seine Begegnung mit Danuta. Die polnische Historikerin brachte ihre Tochter Ewa mit in die Ehe und wurde die Mutter der Zwillinge Woijtek und Babara.

Bruno braucht frische Luft, sonst erdrückt ihn die Erinnerung.

Er fährt mit dem Aufzug nach unten und stromert eine Stunde über die Schlossinsel.

Während des Spaziergangs entwirft er einen Brief an den Autor, einen sehr persönlichen Brief und hofft, dass der Verlag ihn wirklich weiterleitet.

Es ist immer noch Freitag, der 26. März.

Baysan zieht ihre Kapuze über den Kopf und öffnet die Tür zum Schulhof. Es ist frisch und es nieselt.

Ihr war schon im Klassenraum kalt. Die Heizung des altehrwürdigen Gebäudes wurde zwar 1991 von Siebkohle auf Gas umgestellt, aber das ist nun auch schon dreißig Jahre her. In den Sommerferien soll sie erneuert werden.

Für Baysan ist die Schulwoche zu Ende. Die letzte Stunde ist Sport, davon ist sie befreit. Sie geht über den Schulhof und blickt sich noch mal um. Rechts oben sitzt die 12B und hat Mathematik bei Herrn Doktor Helmut Teutschler, Direktor und größtes Arschloch der Schule. Direktor ist er von Amtswegen und die Charakteristik findet sich in einem geschützten Chat, der von aktiven und ehemaligen Schülern betrieben wird. Baysan ist das aber inzwischen egal. Ihr Blick geht nach oben, weil dort Johannes Wetzburg sitzt. Er ist der Hauptgrund, warum sie noch an dieser Schule ist.

Sie denkt zurück.

Als sie im letzten August die Schule betritt, ist alles neu. Das Land, ihre Mitschüler und die Lehrer. Ihre Klassen- und Deutschlehrerin stellt sie der Klasse vor und wird gleich unterbrochen.

„Noch so ein Kopftuchmädchen, ich fasse es nicht. Ich mag kein Döner!“, ruft ein blonder Junge von der letzten Bankreihe.

Die Schüler kichern, senken den Kopf oder zischen.

„Harald, sei still. Ich….“

Weiter kommt die Lehrerin nicht. Baysan tippt ihr an den Oberarm. „Lassen Sie. Ich mach das selbst.“

Sie geht auf die hintere Bankreihe zu und nestelt dabei an ihrem Kopftuch. Dann stellt sie sich so vor die beiden Jungs, das ihre linke Kopfseite zu ihnen zeigt und lüftet das Tuch etwas.

„Das ist kein Hijab, den ich aus religiösen Gründen trage, sondern ein Kopftuch, das ich aus ästhetischen Gründen benutze. Oder wollt ihr die Spuren eines Projektils, das mir das Ohr abgerissen hat, jeden Tag sehen? Ich hoffe, ihr habt gut gefrühstückt. Ihr werdet ja so blass, kotzt mir hier bloß nicht auf die Schuhe.“

Baysan bindet ihr Tuch wieder zu und lehnt sich an die Wand. Alle Schüler haben sich umgedreht.

Der Blonde steht auf und rennt aus der Klasse. Er hält sich den Mund zu. Sein Banknachbar ist immer noch kreidebleich, bleibt aber sitzen.

Die Lehrerin schließt die Tür hinter ihrem Schüler und macht Baysan ein Zeichen. Die nickt und sieht ihre Mitschüler an.

„Ich heiße Baysan Christin Cords, werde im November achtzehn und komme aus Genf.“

In der Klasse wird gemurmelt.

„Da habe ich aber nur zwei Jahre gelebt. Geboren und getauft wurde ich in Dimachq, auf Deutsch: Damaskus. Mein Vater ist Deutscher, mein Mutter war Syrerin.“ Sie holt tief Luft und senkt den Kopf. „An dem Tag, an dem ich mein Ohr verlor, starben auch meine Mutter und mein Bruder. Mein Vater wurde schwer verwundet. Wir leben seit drei Monaten hier in der Stadt.“

In der Klasse ist es ganz still.

Baysan wartet einige Sekunden, hebt wieder den Kopf und macht weiter.

„In Dimachq bin ich acht Jahre zur Schule gegangen, dann habe ich nur Privatunterricht gehabt, immer zwischen den Operationen. Das letzte Jahr war ich auf einer Genfer Privatschule.“

Baysan geht wieder nach vorne und setzt sich auf einen freien Platz, ganz links am Fenster. Als sie sitzt, streckt ihre Banknachbarin die Hand aus.

„Ich bin Barbara Wetzburg, Willkommen.“

Nachdem die beiden Mädchen sich begrüßt haben übernimmt die Lehrerin wieder das Zepter. „Die Schulkonferenz war sich bei Baysan nicht einig, der Direktor hat dann festgelegt, dass sie zu uns in die Zehn A kommt.“ Dann lächelt sie. „Es ist vielleicht gut, dass eine erwachsene und welterfahrene junge Dame in euren Hühnerhaufen kommt.“

In der Klasse wird gelacht und das lockert die Stimmung deutlich auf. Das erlaubt dem Blonden mit der Dönerallergie unauffällig auf seinen Platz zu kommen. Den Rest der Stunde braucht die Klassenlehrerin für Organisatorisches.

Die folgende Pause ist nur fünf Minuten lang.

Noch vor dem Klingelton betritt eine Frau, so um die Fünfzig, die Klasse. Sie hat ein grellbuntes Kleid an, das ihrem beachtlichen Körper genügend Raum bietet. Es klingelt und die Lehrerin redet sofort los. Auf Englisch.

Nach fünf Minuten stöhnt die Klasse. Ein Drittel beherrscht die fremde Sprache insoweit, das sie den Sinn der Rede begreifen. Die anderen stöhnen, weil sie nichts kapieren.

Einzig Baysan lächelt.

Das irritiert die Lehrerin.

Sie unterbricht ihren Redeschwall, schaut auf das Blatt, das auf dem Tisch liegt, wendet sich nach rechts und spricht zum ersten Mal deutsch.

„Du musst Baysan aus Syrien sein. Verstehst Du überhaupt, was ich sage?“

„Of course, why not?“

Die Angesprochene lächelt noch immer und übersetzt für die die anderen gleich selbst.

„Warum sollte ich nicht?“

Die Lehrerin nimmt sich das Blatt, setzt ihre Brille auf und liest den Text noch einmal. Dann redet sie auf Englisch weiter.

„Nun. Hier steht, das du erst vor drei Monaten aus Syrien gekommen bist. Wieso kannst du Deutsch und wohl auch Englisch?“

Baysan sieht der Lehrerin direkt in die Augen, nimmt keine Rücksicht auf ihre Mitschüler und erklärt auf Arabisch:

„Seit meinem zweiten Lebensjahr rede ich mit meinem Vater Deutsch und mit meiner Mutter syrisches Arabisch. Mit sechs kam ich in die Schule und dort gehörte ab der ersten Klasse Englisch und Hocharabisch zum Stundenplan. An dieser Schule war meine Mutter Lehrerin für Französisch und Biologie, also lernte ich Französisch quasi am Küchentisch. Da mein Vater beruflich mit Russen zu tun hatte, war diese Sprache auch präsent und Kinder lernen schnell. Meine Heimat habe ich vor zwei Jahren verlassen und wir sind gerade aus Genf gekommen. Das Zeugnis der ‚ecole priveé Florant Geneve‘ muss im Sekretariat liegen. Es ist aber leider nur in Englisch und Französisch, das können wohl nicht alle lesen.“

Es ist mucksmäuschenstill in der Klasse. Alle beobachten Baysan und der Lehrerin. Die steht völlig starr.

Dafür bewegt sich Baysan.

Sie steht auf, dreht sich zur Klasse und redet auf Deutsch.

„Ich denke, dass der Geburtsort oder die Dauer meines Hierseins keine Aussage über meine Sprachkompetenz zulassen. Ich habe unserer neuen Englischlehrerin eben gesagt, das ich Englisch, Französisch, Russisch und natürlich Arabisch spreche.“

Baysan strafft sich und legt die Hand an das Kopftuch.

„So, da nun mein Kopftuch und meine Herkunft geklärt sind, noch zwei Sachen. Auch für die billigen Plätze dahinten: Ich bin seit meiner Geburt deutsche Staatsbürgerin, verstanden?“

Sie hebt ihren linken Arm. Unter dem Pullover ist in Höhe des Unterarms eine Schiene zu erkennen.

„Das ist ein Schutzmantel. Darunter wächst mein neues Ohr. Ich muss es schützen, also achtet auch ihr bitte darauf. In den Winterferien werde ich noch mal operiert. Hoffentlich das letzte Mal. Nun bitte ich darum, das wir endlich mit dem Unterricht anfangen.“

Sie spricht nun Englisch.

„Das Einzige vor dem ich Angst habe, ist Mathematik.“

Sie setzt sich und aus der Klasse kommt es vereinzelt: „Wir auch.“

Die Lehrerin kann sich wieder bewegen.

Sie geht auf Baysan zu, streckt die Hand aus und spricht Deutsch.

„Ich muss Dich um Entschuldigung bitten. Ich bin neu hier und habe nur diese Information da.“ Sie zeigt auf das Blatt Papier.

„Nimmst Du an?“

Baysan steht auf und gibt der Lehrerin die Hand. Die lächelt nun und wendet sich der Klasse zu.

Montags ist Englisch eine Doppelstunde und dann ist große Pause. Natürlich wird Baysan von allen Mädchen und ein paar Jungs umringt. Da sie drei Jahre älter und demzufolge auch größer ist, sieht das wie ein Hofstaat aus.

Auch im Lehrerzimmer muss es wohl klärende Worte gegeben haben, denn die folgenden Stunden in Geographie und Physik verlaufen ohne Anspielung.

Schlimmer war der zweite Schultag.

Dr. phil. Helmut Teutschler teilt seine Schüler und damit seine Welt, in vier Gruppen ein.

Ganz oben stehen Deutsche, die die Trigonometrie beherrschen. Dann kommen Deutsche, die zumindest das große Einmaleins können. Die dritte Gruppe ignoriert er völlig. Das sind Deutsche, die mit dem Handy multiplizieren. Die vierte Gruppe hasst er. Das sind Ausländer und die können seiner Meinung nach, nur im Sommer, das heißt mit Sandalen, bis Zwanzig rechnen.

Erschwerend kommt hinzu, dass Herr Teutschler seit seinem Studium Deutschland nicht mehr verlassen hat und seine Fremdsprachenkenntnisse völlig verkümmert sind. Als Baysan angemeldet wurde, ließ er sich das letzte Zeugnis übersetzen und fand sein Vorurteil bestätigt. Bei Mathematik stand ein „Genügend“.

So vorbereitet ging er in die Zehn A und ließ seinem Frust freien Lauf.

Baysan heulte zehn Minuten auf dem Klo.

Nach drei Wochen erklärte sie ihrem Vater, dass sie doch lieber auf eine Internatsschule gehen wolle. Der verstand sie und horchte sich um. Ein Termin für die Besichtigung der Internationalen Schule in Freyburg stand schon fest, da erklärte seine Tochter: „Ich bleibe doch und ich möchte dir Johannes vorstellen.“

Der junge Mann kam und die Sache klärt sich auf.

Seine Schwester sitzt neben Baysan und erzählte zu Hause begeisternd von ihr. Das fiel auf fruchtbaren Boden, denn die Wetzburgs sind seit sechs Generationen mit dem Orient verbunden. Der erste mit dem Vornamen Johannes war bis 1861 preußischer Konsul in Syrien. Sein Sohn begrüßte am 3. November 1898 Kaiser Wilhelm II. in Damaskus. Dann folgten Universitätsprofessoren und Diplomaten, die ihren jeweiligen Landesherren dienten.

So wie der Vater von Johannes. Der war der letzte Botschafter der DDR in Kairo.

Der jüngste Wetzburg sprach Baysan am nächsten Tag auf dem Schulhof an.

„Ich bin Johannes Wetzburg. Meine Schwester hat mir von Dir erzählt. Ich möchte dir einen Handel vorschlagen. Du bringst mir Arabisch bei und ich helfe Dir in Mathe.“

Baysan konnte nur „Ja“ sagen.

Erstens hatten achthundert Schüler gesehen, wie der große, blonde, gutaussehende und immer exzellent angezogene Johannes Wetzburg quer über den Schulhof zu den „Kleinen“ ging und zweitens hatte sie sich genauso den Mann ihrer Träume vorgestellt.

Ihr Handelsabkommen hielt bis zu den Herbstferien. Dann küsste sie ihn und Weihnachten saß sie gemeinsam mit ihrem Vater bei den Wetzburgs beim Gänsebraten. Die beiden Väter verstanden sich blendend. Die Teenies sowieso.

Baysan schüttelt sich und kehrt in die Gegenwart zurück.

Am Schultor steht zwar der Van, aber nicht ihr Vater sondern Hassan steht am Tor. Der hat in Wirklichkeit einen kurdischen Vornamen, den aber nur wenige Deutsche unfallfrei aussprechen können. Er ist Fahrer, Hausmeister und der „Gute Geist“ im Haus der Familie Cords. Als er Baysan erblickt, hebt er sein Handy hoch, winkt mit der rechten Hand und ruft: „Schnell, komm. Mach dein Gerät an. Dein Vater.“

Baysan schießt das Blut in den Kopf, sie hält ihre Hand an die linke Kopfseite, die Schmerzen kommen wieder.

„Was ist mit Baba? Was ist passiert?“

Bis zum Van hat sie ihr Smartphone aktiviert und findet zwei Nachrichten ihres Vaters. Die liest sie erst, als sie im Wagen sitzt. Hassan fährt los und schweigt. Er hat dieselben Nachrichten bekommen.

Baysan sieht sich den viereinhalb Minuten langen Film an, den ihr Vater nicht nur ihr, sondern auch an fünfzig andere Leute gesendet hat. Die zweite Nachricht ist eine Folge von Befehlen.

Sie liest und beugt dann den Kopf zu Hassan.

„Hast Du das auch bekommen? Weiß deine Frau Bescheid?“

„Ja.“

„Gut. Ich schreibe jetzt Johannes. Wir haben noch eine halbe Stunde Zeit.“

Baysan tippt auf ihrem Smartphone herum und schließt dann die Augen. Diese Kopfschmerzen. Und der linke Unterarm juckt auch wieder. Die Operation wurde auf den Sommer verschoben, das erste Ohr war ein Fehlschlag. In der Wohnung packt sie die Sachen zusammen, die ihr Vater braucht.

Zwei Kopftücher, drei Regenschirme und ein Exemplar seines Buches. Dann fährt sie mit dem kleinen Aufzug eine Etage nach unten. Hier ist die Rezeption der Pflegestation, die die zweite Etage des Hauses einnimmt. Hassans Frau erwartet sie schon. Sie arbeitet hier als Pflegekraft und wohnt gleich im Nachbarhaus. Die beiden haben drei Kinder, das Jüngste ist Acht und ein Mädchen. Von ihr hat sie einen Schlüpfer, ein Unterhemd und eine Strumpfhose in eine Plastiktüte gesteckt. Die nimmt Baysan nun und fährt ins Erdgeschoss.

Das Haus wurde 2004 auf einem Eckgrundstück in einer innerstädtischen 30er Zone gebaut. Im Erdgeschoss der beiden Flügel sind Arztpraxen untergebracht. Eine Gynäkologin, ein Zahnarzt und eine Allgemeinmedizinerin. Alle sind deutsche Staatsbürger. Die Frauenärztin stammt aus Ägypten und lebt seit vierzig Jahren in Deutschland. Sie ist mit einem niedergelassenen deutschen Orthopäden verheiratet, ihre Kinder studieren schon.

Der Zahnarzt wurde vor vierzig Jahren in Tartus geboren und ist mit der neben ihm praktizierenden Allgemeinärztin verheiratet, die vor fünfunddreißig Jahren in Palästina geboren wurde. Sie haben zwei Kinder.

Die Praxen nutzen ein gemeinsames Foyer, das auch am Freitagmittag noch gut besetzt ist.

Baysan wartet hier auf Hassan, der ihren Freund von der Schule abholen sollte. Sie sind pünktlich. Johannes stellt seinen Schulrucksack hinter den Tresen, die Sprechstundenhilfen kennen ihn.

Die beiden jungen Leute gehen los. Bis zum Copy-Shop sind es fünf Minuten.

Als sie um die Ecke biegen muss Baysan schmunzeln.

Sie sieht ihren Vater in einem Polizeibus sitzen, die Schiebetür ist geöffnet. Neben ihm sitzt eine Frau, die sie kennt und draußen vor dem Wagen steht eine Mittdreißigerin, deren Pferdeschwanz hin und her pendelt, denn sie lacht lauthals. Genauso wie die anderen.

„Typisch Baba“, flüstert sie Johannes zu. Dann gehen sie auf den Bus zu.

In einem respektvollen Abstand stehen uniformierte Polizisten um den Wagen herum, von denen einige auf ihre Smartphone starren. Sie öffnen den Kreis auf Befehl der älteren Frau.

Gerd begrüßt seine Tochter und deren Freund.

„Da seid ihr ja. Danke, Baysan. Frau Ehrlich kennst du ja und das ist Kriminalkommissarin Wendland.“

Baysan gibt den beiden Frauen die Hand. Johannes schließt sich an und wird von Gerd gleich vorgestellt.

„Das ist Johannes Wetzburg. Ein aufsteigender Stern am Himmel der Orientwissenschaften. Wenn er das Abitur schafft und nicht vorher meine Tochter entführt und sie sieben Kinder kriegen. Aber die beiden passen zusammen. Meine Tochter kann zwar nicht besser rechnen, hat aber keine Angst mehr vor den Zahlen. Und für ihn gilt die alte Weisheit: Ein Europäer braucht zehn Jahre um Arabisch zu lernen. Mit einer arabischen Frau im Bett geht es schneller.“

Johannes lächelt tapfer, die Frauen lachen sehr laut. Die Kommissarin am hellsten.

„Baysan, geh bitte in den nächsten Bus, da sitzen sie. Das Buch kannst du mir gleich geben. Johannes, warte bitte hier.“

Das macht er gern, denn erstens kann er die Männer beobachten, die jetzt in ihren hellen Ganzkörperkondomen aus dem Laden kommen und zweitens sieht er auf dem Monitor, der im Bus hängt, einen spannenden Film.

Er kennt den Hauptdarsteller.

Ein älterer, schlanker und hochgewachsener Mann mit Stock und kurzen grauen Haaren, das ist Gerd Cords, betritt den Copy-Shop. Vor ihm steht ein kleiner Blonder, der in seiner rechten Hand ein Messer hält und damit den Mann bedroht.

„Hau ab Opa, hier ist geschlossen.“

In der nächsten Sekunde sieht Johannes zwei schnelle Bewegungen des alten Mannes und der Blonde fällt um. Man hört eine Frauenstimme rufen: „Reiner, was ist?“

Die Kamera schwenkt und erfasst zwei arabisch aussehende Frauen, alle mit offenen Haaren, und einen älteren arabischen Mann, der mit verzerrtem Gesicht am Tisch sitzt. Am Durchgang zu den hinteren Räumen steht die deutsche Angestellte des Copy-Shops, die völlig geschockt scheint. Vor ihr steht ein großer schwarzhaariger Mann, der sich jetzt zu Gerd umdreht. Er will auf ihn zugehen und kommt nicht weit. Etwas großes Schweres trifft ihn mitten ins Gesicht. Er kippt aus dem Bild. Sein Schreien ist laut zu hören. In der nächsten Sequenz kommt Gerd auf die Kamera zu, sein Stock ist zu sehen, dann wird das Bild dunkel. Aber der Film geht weiter. Nun ist das Ganze aus Gerds Perspektive zu sehen. Johannes macht den Mund auf, da erklärt die ältere Polizistin: „Der erste Teil stammt von der Frau, die geflohen ist. Den zweiten Teil hat Herr Cords mit seiner Kragenkamera aufgenommen. Er kann es nicht lassen….“

Johannes nickt und dreht sich um, denn Baysan hat gerufen.

Er soll in den anderen Polizeibus kommen. Dort sitzen die arabischen Frauen, nun wieder mit Hijab, und zwei Kinder. Ein Junge und ein Mädchen.

Baysan spricht arabisch mit ihnen, Johannes versteht, dass er gerade vorgestellt wird. Er legt die rechte Hand auf sein Herz und verbeugt sich leicht. Den Kindern gibt er die Hand. Seine Freundin erklärt ihm, dass sie jetzt alle in die Wohnung ihres Vaters gehen. Er spannt er einen Schirm auf, gibt Baysan den anderen und tritt einen Schritt zurück, damit alle aus dem Bus austeigen können. Eine der Frauen nimmt den Schirm von Baysan, die Kinder sollen rechts und links neben Johannes laufen. Sie führen die Karawane an.

Hinter den beiden Frauen gehen Vater und Tochter Cords.

Gerd hat sich bei seiner Tochter untergehakt, sie trägt dafür seinen Stock und er hält mit rechts den Regenschirm über sie.

„Baba, was war das denn wieder für eine Nummer? Und was ist mit dem Buch?“

Gerd grinst.

„Ich wollte die Korrekturexemplare vom zweiten Band abholen und komme mitten in einen Raubüberfall. Dachte ich zumindest am Anfang. Das das rassistisch war, habe ich erst mitbekommen, als die Anführerin was von ‚Deutschland‘ schrie. Naja. Ich habe das gemacht, was ich am besten kann. Ordnung.“

„Nein. Am besten kannst du schreiben. Hör auf ‚Wild-Ost‘ zu spielen, du wirst im November Achtundfünfzig.“

Baysan hebt den Stock hoch und zeigt nach vorne.

„Wer sind die vier eigentlich?“

Gerd neigt den Kopf zu ihr.

„Das da vorne sind Adeeba Halabi mit ihrem Sohn Mustafa und ihre Schwester Nadira mit ihrer Tochter Samira. Sie waren mit ihrem Vater im Laden, weil sie mit Frau Aouam verabredet waren. Sie hatten aber die falsche Tür erwischt. Die Kanzlei der Rechtsanwältin ist ja eine Etage darüber. Die Angestellte des Copy-Shops hatte mit ihr telefoniert und Frau Aouam wollte ihre Klienten gerade abholen.“

Baysan nickt und stutzt.

„Was ist mit dem Vater, wo ist der eigentlich?“

Gerd dreht den Kopf.

„Tot, Herzinfarkt. Der Notarzt hat noch die Reanimation versucht.“

Baysan nickt und hat noch mehr Fragen.

„Warum bringen wir sie zu uns? Du kennst sie ja gar nicht. Wo sind ihre Männer? Und für wen sollte ich das Buch mitbringen?“

„Als die Kommissarin den Einsatz übernahm, hat sie den beiden angeboten, dass ein Polizeiwagen sie nach Hause fährt. Sie waren entsetzt. Erstens ein Polizeiauto, zweitens nicht ohne Hijab. Samira hat sich eingepullert und war untröstlich. Ihre Mutter musste vom Arzt stabilisiert werden. Auch die deutsche Angestellte war kurz vor dem Kollaps. Ich habe den beiden angeboten, bei uns zu verschnaufen, einen Tee zu trinken und dann sehen wir weiter. Ihre Männer sind tot. Ich habe Kastor schon die Namen geschickt. Er überprüft das gerade.“

Baysan lächelt. Das mit Kastor und seinem Bruder Pollux wird noch aufregend. Sie sind da und gehen durch das Foyer der Arztpraxen. Die Frauen und Kinder staunen, Baysan erklärt ihnen, wo sie jetzt sind. Johannes holt seinen Rucksack hinter dem Tresen hervor und alle zusammen nehmen den großen Aufzug. Hier passen ein Pflegebett, vier Rollstühle oder zwölf Personen rein.

Im Aufzug fragt Baysan ihren Vater leise auf Russisch, in der Hoffnung, das niemand der Anwesenden diese Sprache versteht.

„Das Buch, für wen war das?“

„Na, für die Kommissarin. Sie hat die Korrekturexemplare vom Teil zwei gesehen, mich im Januar unter meinem richtigen Namen bei einem Vortrag im Präsidium erlebt und hat dann richtig kombiniert.“

„Was hast du reingeschrieben?“

„Für die entzückendste Polizistin der Stadt.“

Baysan schüttelt den Kopf und denkt: ‚Seit Mamas Tod sind drei Jahre vergangen. Baba braucht dringend eine Frau, er sollte es nur nicht so raushängen lassen‘.

Der Aufzug hält und Gerd erklärt auf Arabisch, das sie alle, sobald sich die Türen öffnen, für wenige Sekunden stehen bleiben sollen. Dann geht die Tür auf und Kastor steht vor ihnen.

Er sieht aus wie ein Ei auf Rädern. In anderthalb Meter Höhe ist eine 360-Grad-Kamera angebracht, es gibt noch zwei weitere. Er hat zwei Arme, mit denen er greifen kann. Im Ernstfall sind das Waffen, die Strom schleudern. Es gibt noch einen baugleichen Bruder. Zur Unterscheidung trägt er eine rote Strickmütze auf dem Kopf, sein Pendant einen blauen Schal. Ihre Hauptaufgabe ist die Bewachung der Wohnung. Der Roboter fixiert die Aufzuginsassen. Er vergleicht die Gesichter mit einer Datenbank und kommt zu dem Ergebnis, das keine Bedrohung vorliegt.

Nach zehn Sekunden begrüßt er die Anwesenden auf Arabisch. Mit einer weiblichen Stimme, die ihm Baysan geliehen hat und rollt einen Meter zurück.

Das nutzt Bonny, eine schwarze Katze, die seit zwei Monaten bei Gerd und Baysan lebt, um sich vor die Aufzugstür zu stellen.

Nun steht sie da und mauzt. Es ist Freitag und eigentlich ist jetzt Schmusestunde mit Baysan. Die war aber nur kurz da und verschwand wieder. Sie will etwas näher ran, da stürzt ein kleines Mädchen aus dem Aufzug auf sie zu und ruft: „Bisse!“

Bonny dreht um und läuft weg, Samira hinterher.

Nadira will ihrer Tochter folgen, Baysan hält sie zurück.

„Lassen Sie sie. Gehen wir in die Küche. Ich mache uns Tee. Vorher zeige ich ihnen das Gästebad. Kommen sie.“

Nach fünfzehn Minuten sitzen alle am Küchentisch und reden. Auf Arabisch. Johannes hat sich mit Kastor verkabelt, der für ihn übersetzt. Fragen und Antworten werden immer wieder unterbrochen, weil alle auf Samira sehen. Die sitzt nicht allein auf ihrem Stuhl. Bonny hat es sich auf ihrem Schoß bequem gemacht und genießt die Streicheleinheiten.

Ein Frühstück auf Schloss Burgdorf.

Die Schlossbewohner und ihre Sorgen.

An den Wochenenden frühstücken die Bewohner von Schloss Burgdorf gemeinsam, so auch am Samstag, den 28. August.

Thomas Wiallas, der Bruder von Bruno, mit seiner Frau Angelika und ihre beiden Töchter. Friderike ist achtzehn, Charlotte sechzehn. Thomas ist geschäftsführender Vorstand der nicht börsennotierten „Wiallas-AG“. Das ist ein Konglomerat von Software- und Hardwarefirmen mit Standorten in fünf Ländern. Die Auftragsbücher sind voll und die Umsatzkurve zeigt nach oben.

Die neuste Innovation sprengt alle Vorhersagen. Die Wach- und Schutzroboter verkaufen sich wie geschnitten Brot. Hauptabnehmer ist seine Frau. Angelika ist Geschäftsführerin der „wiallassicherheitsgesellschaft“. Egal ob Popstars oder Diven aus dem klassischen Fach, Politiker oder Menschen mit einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis, alle lassen sich gern von der „wsg“ beschützen. Dazu kommt noch der Objektschutz. Und hier sind die „rollenden Eier“ unschlagbar. Die werden nicht krank, nehmen keinen Urlaub und sind mit einer Steckdose zufrieden. Das senkt die Lohnkosten und das wiederum gibt der Chefin den Spielraum, ihr menschliches Personal klug auszuwählen, gut aus- und ständig weiterzubilden.

Bei Bruno ist die Familie größer. Die Älteste ist Ewa. Sie wurde vor achtzehn Jahren in Danzig geboren und kam mit ihrer Mutter Danuta vor fünfzehn Jahren nach Deutschland. Biologisch ist Bruno mit ihr nicht verwandt, de jure ist er ihr Vater. Die Zwillinge Woijtek und Babara stammen aus der Ehe von Bruno und Danuta und sind im gleichen Alter wie Charlotte.

Das Nesthäkchen ist Marlene. Sie ist Sieben und das gemeinsame Kind von Ulrike und Bruno. Ulrike Wiallas ist Brunos dritte Frau, also die direkte Nachfolgerin von Danuta. Die Frau davor spielt in dieser Geschichte keine Rolle.

Die Teenies haben nur ein Thema – der nahende Schulbeginn.

Marlene versucht mit ihren Geschwistern und Kusinen mitzuhalten, denn heute ist ihr großer Tag. In zwei Stunden wird sie ihre Zuckertüte in Empfang nehmen und ein Schulkind sein. Die Party zur Schuleinführung steigt aber erst in einer Woche, da kommen alle Verwandten und Bekannten.

Die Erwachsenen reden auch über die Schule, über die Kinder, dass Wetter und über die hinter ihnen liegenden Wochen, die sehr heiß waren. Nicht nur im meteorologischen Sinne.

Es brodelt im Land.

In vier Wochen sind Bundestags- und Landtagswahlen. Die Wahlforscher springen im Dreieck, weil die Umfragen eine Pattsituation vorhersagen. In der CDU herrscht Panik und die Sozialdemokraten wissen nicht, ob es ein Leben nach dem Wahltag gibt. Die Kandidaten der „Neuen Deutschen Partei“, abgekürzt „NDP“, stehen mit breiter Brust auf den Marktplätzen und versprechen den Bürgern das Blaue vom Himmel. Aber nur dann, wenn alle Ausländer das Land verlassen haben und Deutschland die EU.

Einzig die GRÜNEN bleiben ruhig und erklären, auch in einfacher Sprache, ihr Wahlprogramm. Sie wollen das Steuersystem ändern, damit ein Grundeinkommen finanzieren und das Klima schützen. Sie wollen die „Vereinigten Staaten von Europa“ und eine bessere Integration der Ausländer. Ihre Kandidaten sind alle unter Fünfzig und zur Hälfte weiblich. Das Wahlvolk schwankt und bei einigen schlägt die Angst in Aggressivität um.

Bruno schiebt sein Tablet zu Thomas.

„Sieh mal hier, diese Meldung aus Halle. Da gab es einen Polizeieinsatz, der aus dem Ruder gelaufen ist.“

Sein Bruder scrollt sich durch die digitale Ausgabe der Regionalzeitung. Die berichtet über einen Vorfall am letzten Donnerstag.

Es waren vierunddreißig Grad im Schatten und in den Freibädern drängelten sich die, die sich ein Bad am Meeresstrand nicht leisten können. Im Nordbad war es so voll, dass man das Schwimmerbecken trockenen Fußes hätte überqueren können. Irgendwann gerieten zwei Gruppen aneinander. Erst mit Worten, dann mit Fäusten.

Die Bademeister hatten keine Chance und riefen die Polizei.

Der Diensthabende hatte einen schlechten Tag, die Hitze stieg ihm zu Kopf oder er litt an Profilierungssucht. Auf jeden Fall machte er zwei Fehler. Er beorderte zwei Hundertschaften in das Bad und ließ es gewaltsam räumen. Er vergaß, oder hatte nicht die Macht dazu, die Funkzellen abzuschalten. So filmten tausende Badegäste den Einsatz der Polizei. Der dauerte zwei Stunden und forderte hundert Verletzte, auf beiden Seiten. Drei Polizisten gingen in voller Montur, aber unfreiwillig, baden und mussten von ihren Kollegen mühsam aus dem großen Becken gefischt werden.

Zwanzig Personen wurden vorläufig festgenommen, peinlicherweise alles Jugendliche, die, wie die Zeitung es beschreibt, „vermutlich Ausländer waren“.

Noch währen des Einsatzes kursierten die ersten Filme im Netz und quollen die Blogs und Foren über. Zwei Sequenzen erreichten schnell die Millionengrenze. Beide zeigen das Planschbecken. Einmal ist zu sehen, wie ein Dutzend Polizisten mit Helm und Schild sich dem Becken nähern, die Kinder schreiend zu ihren Müttern laufen und die sich mit den Polizisten anlegen.

Der zweite Film zeigt fünf Polizisten dieser Gruppe, zwei Männer und drei Frauen, die ihre Helme abnehmen, die Schilder ablegen, sich zu den Müttern stellen und ihrem Vorgesetzten die spontane Dienstquittierung mitteilen.

Dafür gibt es Beifall. Im Bad und im Netz. Dort finden sich aber auch hämische Kommentare.

Das war noch nicht alles.

Die Festgenommenen werden in die Arrestzelle des nächsten Reviers gesperrt und einzeln zur Identitätsprüfung geholt. Anstatt sie dann zu ihren Eltern zu bringen, werden die Teenager wieder in den Keller gebracht. Das wurde schnell publik und zwei Stunden später standen hunderte Bürger vor dem Revier.

Der Revierleiter reagierte panisch statt professionell, ließ die Türen verrammeln und die Einsatzstufe erhöhen. Eine Stunde später standen Tausende davor und blockierten die Straße. Autos und Straßenbahnen standen still. Die Zeitung schreibt von einer „aggressiven Stimmung“, die sich aber nicht nur gegen die Polizei richtete. Drei Viertel der Belagerer waren Angehörige der Inhaftierten. Sie riefen: „Lasst unsere Kinder frei!“

Ein paar hundert Personen standen etwas abseits und brüllten: „Schafft sie weg. Deutschland den Deutschen!“

Angeführt wurden sie von einer Stadträtin der „NDP“.

Und wieder rückte die Polizei an.

Entweder hatte der Diensthabende gewechselt oder der alte hatte eindeutige Befehle erhalten. Diesmal hatten die Einsatzkräfte ihre Helme an die Koppel festgebunden und stellten sich ohne Schild zwischen die beiden Gruppen. Die „Deutschen“ waren deutlich in der Minderheit, sie beschränkten sich auf verbale Attacken.

Es dämmerte bereits, als die Jugendlichen das Revier verlassen durften. Die große Gruppe zerstreute sich sehr schnell, die „Deutschen“ krakeelten noch eine Weile.

Wie die Zeitung berichtet, haben der Innenminister und die Chefin der Polizeidirektion ihre Urlaube abgebrochen und wollen sich am Montag öffentlich dazu äußern.

Thomas Wiallas schiebt das Gerät wieder über den Tisch.

„So etwas nennt man ‚Bürgerkrieg‘. Bin gespannt, was Herr Eisengesell dazu sagt. Du kennst ihn doch Bruno, was meinst du?“

„Was heißt kennen? Wir reden, mailen und schicken uns ab und an eine Nachricht. Das ist alles. Ich…“

Thomas unterbricht ihn lachend.

„Ihr benutzt beide unsere Verschlüsselungssoftware. Da müsst ihr schon sehr dicke miteinander sein.“

„Naja, dicke. Er hört mir gelegentlich zu oder stellt Fragen. Seit dem ‚Hörsaal-Mord‘ kennt er unsere Extremismus-Datei und weiß, dass die gründlicher geführt wird, als die in seinem eigenen Haus. Er ist ein kluger, und wie Ewa mal sagte, ‚Ein guter Mensch‘.“

Bei der Erwähnung ihres Namens unterbricht Ewa ihr Gespräch mit Friderike, sieht ihren Vater an und schiebt ihm ihr Smartphone zu.

„Er ist ein Kluger und hat sich schon geäußert. Hier, lies. Das ist eine Twittermeldung von ihm, eine Stunde alt.“

Bruno liest die Entschuldigung, die der Innenminister gegenüber den Jugendlichen und ihren Eltern ausspricht. Er lädt sie zu einem Gespräch ein.

Brunos Gerät signalisiert den Eingang einer Textnachricht. Er öffnet sie, lacht laut los und schiebt das Tablet Ewa zu.

„Wenn man vom Teufel spricht. Hier, von Stefan. Ich geh hoch, mir das ausdrucken. Gib es dann Ulrike, wegen morgen.“

Er steht auf. Ewa und Ulrike lesen, das der Innenminister Bruno um ein außergewöhnliches Treffen bittet. Morgen, das heißt am Sonntag, um fünfzehn Uhr im „Café Bebel“.

Das Kaffehaus steht am August-Bebel-Platz der Universitätsstadt und zeichnet sich durch selbstgemachten Kuchen und verwinkelte Räume aus. Ein guter Platz für vertrauliche Gespräche und es liegt in der Mitte der Fahrstrecken. Der Minister fährt eine Stunde von Nord nach Süd und Bruno ebensolange von Süd nach Nord. Das heißt aber auch, dass Bruno einen Teil des Sonntags opfert und das sollte seine Frau Ulrike wissen. Als er mit einer Handvoll Papier wieder am Tisch Platz nimmt, sagt Ulrike lachend: „Genehmigt. Fahr und hilf ihm. Andererseits wäre es mal wieder Zeit, dass er sich hier blicken lässt.“

„Ich frag ihn. Aber lest euch das mal durch. Ich geh mal eine Runde mit der Zigarre.“, sagt Bruno und geht in den Schlosspark.

Als Bruno wieder da ist, sind die drei Erwachsenen und die beiden Abiturientinnen fertig mit lesen.

Stefan Eisengesell ist nicht nur der Landesinnenminister, sondern auch der Landesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Union. Als dieser hat er eine vierseitige Presseerklärung geschrieben, aber noch nicht freigegeben. Er will wohl noch die Ereignisse vom Donnerstag einarbeiten und braucht dazu Brunos Hilfe.

Der Parteivorsitzende reagiert mit der Erklärung auf das Papier, das zweihundert CDU-Funktionäre vorige Woche veröffentlicht haben. Die Unterzeichner sitzen im Bundestag, in zehn Landtagen oder sind Kreisvorsitzende ihrer Partei. Zwei sind auch Mitglieder des Bundesparteivorstandes.

Unter der Überschrift: „Das Nationale mit dem Sozialen versöhnen“ empfehlen die Männer, es ist keine Frau dabei, ihrer Partei eine Koalition mit der „Deutschen Partei“.

Sie begründen das mit dem gemeinsamen Feindbild:

„Ferner bedarf es über alle Politikbereiche einer offensiven Strategie gegen Grüne, SPD und Linke, die durch Verbote, Gängelung und Verstaatlichung die Freiheit und den Wohlstand Deutschlands gefährden.“

Ihr Positionspapier strotzt vor Behauptungen, für die sie keine Beweise liefern und ist Ausdruck ihrer panischen Angst vor der Zukunft.

Was den Innenminister besonders ärgert, sind solche Sätze: „Die ungesteuerte Migration, die Zunahme an Kriminalität und ein völlig unvorbereiteter Rechtsstaat drohen die Sympathie für das Demokratiemodell zu überdehnen.“

Als zuständiger Minister kennt er die Zahlen. Knapp 20.00 Schutzsuchende wurden im letzten Jahr hier registriert.

Der Ausländeranteil in diesem Bundesland liegt unter fünf Prozent und davon kommt die Hälfte aus der EU oder westlichen Staaten.

Der Volljurist und Oberst der Reserve wird grantig, sobald die Dummheit in seiner Umgebung ein gewisses Maß übersteigt. Das kann man lesen. Er empfiehlt seinen Parteifreunden die Lektüre amtlicher Statistiken und den Gebrauch des eigenen Verstandes, lässt aber durchblicken, dass er an dessen Quantität zweifelt.

Aber Stefan Eisengesell ist ein gründlicher Mensch. Bevor er seine Haltung zum „Positionspapier“ öffentlich macht, will er wissen, ob die Unterzeichner aus seinem Landesverband nicht schon längst mit der „Deutschen Partei“ zusammenarbeiten. So im Kleinen, bei scheinbaren Nebensächlichkeiten, im Kleingarten- oder Sportverein oder im Stadtrat.

„Ich werde die Namen durch die Datenbanken der Detektei laufen lassen und dem Minister das Ergebnis mitbringen.“, sagt Bruno und greift nach dem Toastbrot.

Er kommt nicht dazu, denn seine Schwägerin schiebt ihm einen Mailausdruck zu.

„Sieh dir das bitte mal an. Das ist ein Kunde von mir, der hat jetzt ein spezielles Problem. Ihr hattet schon mal Kontakt, schreibt er.“

Bruno liest die drei Blätter und schüttelt den Kopf.

„Der Name sagt mir im Moment nichts, ich sehe aber nachher in der Datenbank nach. Sein Problem ist interessant. Ich telefoniere heute Abend mit ihm und wenn wir uns einig werden, rede ich morgen mit Frau Hermann.“

Angelika Wiallas grinst. „Du hältst dich strikt an die Abmachung, oder?“

„Es ist keine Abmachung, es ist ein Vertrag, sogar notariell beglaubigt. Sabine ist die Geschäftsführerin der Detektei und hat das Kommando.“ Bruno tippt auf den Ordner. „Da muss ich auf Ressourcen der Firma zugreifen, das muss Sabine absegnen. Ich sage dir Bescheid.“

Die Runde löst sich auf, Bruno geht in sein Arbeitszimmer und setzt sich an den Rechner.

Kein Wunder, das er sich nicht an den Namen erinnert. Der Eintrag zu Gerd Cords ist zwölf Jahre alt. Bruno scrollt sich durch die Dokumente.

Henriette Ehrlich war damals einundzwanzig und Studentin der klassischen Archäologie. Gemeinsam mit zehn Kommilitonen aus vier deutschen Universitäten war sie im syrischen Tell Bi’a an Grabungen beteiligt. Eines Morgens war sie verschwunden.

Der deutsche Grabungsleiter war wohl ein Spezialist für mesopotamische Siedlungen, aber auch ein Chaot ersten Ranges und ein arroganter Kolonialherr. Sein syrischer Kollege ging den Amtsweg, der Deutsche mit seinen Leuten in die Wüste.

Beide Wege brachten keine Ergebnisse.

Die Mutter der Studentin, Helga Ehrlich, war in Deutschland Polizistin und zog an den Strippen, die ihr zur Verfügung standen. Nach sieben Tagen ging sie den kleinen Dienstweg. Sie rief einen Bekannten an, der im benachbarten Bundesland Chef des Kriminalamtes war. Der wiederum rief Bruno an. Klaus Breitlauch und er sind Duzfreunde.

In der Detektei wurde recherchiert und das Genfer Büro meldete einen Treffer. Dort arbeitet man gelegentlich mit einer syrischen Firma zusammen. Die hat drei Geschäftsfelder. Sie berät ausländische Firmen bei ihrem Engagement im Nahen Osten und hilft syrischen, libanesischen und kurdischen Kunden bei der Geldanlage in Europa. Inoffiziell hilft sie auch bei der Lösung spezieller Probleme. Etwa beim Verschwinden von Ausländern.

Ansprechpartner der Firma war ein Gerd Cords, deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in Damaskus. Der kam nach Genf, um sich dort im Büro der Detektei mit Bruno und Helga Ehrlich zu treffen. Dann flog er nach Hause und fünf Tage später saß Henriette Ehrlich in der deutschen Botschaft zu Damaskus und verweigerte jede Aussage. Erst in Deutschland redete sie. Zuerst mit ihrer Mutter und dann mit einer Anwältin. Die redete mit einem Herrn vom Außenministerium und dann mit dem Rektor einer deutschen Universität. Beim Lesen des letzten Dokumentes muss Bruno grinsen. Er hat es damals selbst mit der Hand geschrieben und nun ist sein Zettel als Foto archiviert.

„Professor verwarnt. Darf nie wieder nach Syrien und nie wieder mit weiblichen Studenten irgendwohin fahren. In Botschaft Personalwechsel“, liest Bruno.

Dann sucht er im Internet nach einem Video „Raubüberfall mit Opa“, sieht sich die vier Minuten aufmerksam an und greift zum Telefon.

Bruno Wiallas und Gerd Cords sehen sich wieder

Es ist Montag, der 30. August und Brunos Van fährt langsam auf den Hof. Bei ihrem Telefonat hatte Gerd exakte Anweisungen gegeben. „Fahren Sie auf dem Hof nach rechts, da ist der Außenaufzug zu sehen. Davor ist ein freier Parkplatz. Klingeln Sie, ich komme dann runter.“

Oben angekommen, sieht Bruno einen elektronischen Hausgeist, den er kennt. Nicht diesen, aber einen baugleichen. Er wartet also, bis Pollux seine Aufgabe erfüllt hat. „Wir haben in Burgdorf auch welche. Zwei für draußen und vier für innen. Die Kinder haben denen Buchstaben auf das Gehäuse geklebt. Von ‚Anton‘ bis ‚Dora‘“.

„Kinder, Mehrzahl?“, fragt Gerd.

„Vier und nochmal zwei. Meine Ewa und die Große von meinem Bruder sind achtzehn, bei ihm ist Charlotte sechzehn, bei mir sind es die Zwillinge Babara und Woijtek. Und ich habe noch einen hübschen Nachschlag. Marlene ist sieben.“

Gerd Cords lächelt.

„Willkommen im Club. Meine Große wird neunzehn, Mustafa ist zwölf und Samira acht. Wobei die beiden nicht von mir sind. Sie haben Sie im Video gesehen. Mit ihren Müttern.“

Bruno sieht Gerd direkt in die Augen. „Die wohnen jetzt bei Ihnen?“

Gerd antwortet nicht gleich, sondern bittet erstmal ins Arbeitszimmer. „Bevor wir zur Sache kommen, sage ich noch etwas dazu, damit Sie verstehen, warum ich mich nicht selbst um die Angelegenheit kümmern kann. Zuerst möchte ich Ihnen aber das hier zeigen.“

Gerd lächelt und befiehlt dem Roboter, sich umzudrehen.

Es surrt, das Ei auf Rädern macht eine Kehrtwendung und Bruno lacht laut los. „Was ist das denn?“

„Der arabischer Buchstabe B. Es gibt dort kein P wie ‚Pollux‘. Mustafa ist auf den Gedanken gekommen und Samira hat die Klebefolie ausgeschnitten. Ist etwas schief und sie sprechen es wie die Sachsen: ‚Bollux‘“

„Kann ich nicht beurteilen. Bei uns geht es zwar zu wie in Babel, aber Arabisch fehlt noch.“

„Und sonst?“, fragt Gerd und bietet Bruno einen Sessel an.

„Die Mutter von Ewa, Babs und Woijtischek war Polin. Ich…“

Gerd unterbricht ihn. „War?“

„Ja. Sie ist vor neun Jahren gestorben.“

„Entschuldigen Sie. Tut mir leid.“

Bruno nickt und holt ein Lederetui aus dem Rucksack.

„Darf ich? Das brauche ich jetzt.“

Gerd sieht die Zigarre in Brunos Händen, seufzt und geht zum Fenster. Er öffnet es und dreht sich wieder zu Bruno um.

„Baysan wird es durch die geschlossene Tür riechen und mich verdächtigen. Mach ich aber gar nicht. Was ist es denn für eine?“

„Kuba. Aus der Familie. Ach ja, die Sprachen. Also mit den drei spreche ich Polnisch, wenn Ulrike nicht dabei ist. Wir haben auch ein polnisches Kindermädchen. Bei meinem Bruder sind es traditionell Französinnen, dafür vermitteln wir unseren dortigen Verwandten deutsche Au-Pairs. Meine Frau kann Französisch, Ewa und ich können es ebenfalls. Russisch geht auch und auf Englisch kann ich ein Bier bestellen, mehr nicht.“

„Sie haben noch mal geheiratet?“

„Ja. Vor acht Jahren. Ein Glückstreffer, für alle.“

Bruno senkt die Stimme.

„Und Sie? Was ist mit Ihnen?“

Gerd holt einen großen Aschenbecher aus Marmor aus dem Bücherregal und stellt ihn vor Bruno auf den Tisch.

„Vor drei Jahren wollten wir Dimachq verlassen. Für immer. Die Container waren schon unterwegs. Wir haben uns gerade von Freunden verabschiedet, als wir überfallen wurden. Mein Sohn war sofort tot, meine Frau starb später im russischen Lazarett. Baysan erlitt eine Kopfwunde. Im Juli war die hoffentlich letzte Operation, sie hat jetzt wieder ein linkes Ohr. Sie bleibt aber Hör- und Sehgeschädigt. Naja, und ich? Sie haben es ja gesehen. Ich brauche jetzt einen Stock.“

Bruno nimmt einen langen Zug. „Wer waren die Angreifer?“

„Sie trugen Zivil, waren aber militärisch ausgebildet. Zwei habe ich getötet, einen verwundet. Dann wurden sie auch von rechts beschossen. Wer das war, konnte ich nicht sehen. Auf jeden Fall haben Regierungssoldaten unsere Erstversorgung übernommen und den Transport nach Tartus veranlasst. Dort sind die Russen stationiert. Meine Tochter und mich konnten die Ärzte zusammenflicken, für meine Frau war es zu spät. Ein halbes Jahr später sind wir beide in eine Spezialklinik nach Genf geflogen. Mein Kompagnon lebt dort und hat alles organisiert.“

Bruno schweigt immer noch.

„Adeeba, Nadira und die Kinder sind seit Januar in Deutschland. Ihr Antrag läuft noch. Wir warten jeden Tag auf Post vom BAMF. Nach dem Überfall und dem Tod ihres Vaters waren sie völlig von der Rolle und hier allein. Meine Tochter hat dann entschieden, dass sie bei uns bleiben. Ich war unsicher.“

Bruno legt die Zigarre ab.

„Sie meinen, Sie wussten nicht, für welche Frau Sie sich entscheiden sollen? Was machen Sie, wenn der Antrag auf Asyl abgelehnt wird?“

„Adeeba ist dreiunddreißig, Lehrerin für Französisch und Latein, ihre Schwester ist vier Jahre jünger und Physiotherapeutin. Die ältere erinnert mich an meine Frau, auch sie war Lehrerin und Nadira hat goldene Hände. Adeeba hat sich entschieden. Sie wird ausziehen, aber nur um die Ecke, denn die Kinder kleben seit der Flucht zusammen. Sie hat eine pfiffige Idee. Ich werde sie dabei unterstützen, mehr nicht.“

Gerd lehnt sich zurück und lächelt.

„Ich werde Nadira heiraten, auch wenn uns fast dreißig Jahre trennen. Kommen wir zur Sache.“

Auf dem großen Monitor an der Wand erscheint ein Dokument.

Es ist ein Schreiben der Staatsanwaltschaft an Adeeba Halabi.

Sie hat Anzeige gegen die drei Angreifer erstattet. Die Staatsanwaltschaft teilt mit, dass die Ermittlungen eingestellt wurden. Der Tod ihres Vaters sei laut des gerichtsmedizinischen Gutachtens nicht mit dem Überfall im Laden in Zusammenhang zu bringen. Und das bloße herunterreißen eines Kopftuches rechtfertige keine Strafverfolgung.

Bruno atmet hörbar aus und bekommt gleich noch einen Grund mehr dazu.

Das nächste Dokument ist ein Schreiben der zuständigen Staatsanwältin an Gerd Cords. Er soll sich wegen Körperverletzung verantworten. Im Schreiben werden allerdings die Namen der Geschädigten nicht genannt.

Gerd winkt ab.

„Meine Anwältin hat geantwortet. Das die Namen der drei Ganoven nicht erwähnt werden und die Tatsache, dass die Pistole der jungen Frau und der Videofilm überhaupt keine Beachtung fanden, hat sie der der Staatsanwältin unter die Nase gerieben. Dazu kommt der Notwehrparagraph. Seitdem habe ich nichts mehr von der Sache gehört. Aber sie läuft noch. Darum geht es jedoch nicht.“ Er wirft ein neues Dokument an die Wand, mit Bildern.

„Das sind die drei Angreifer. Eine Cindy Schmotz, ein Reiner Haselmann und ein Axel Berg. Die Bilder und Namen stammen aus dem Handy der Anführerin, bevor es aus der Asservatenkammer verschwand.“

„Das Ding ist weg?“, fragt Bruno entgeistert.

„Ja. Die Pistole übrigens auch.“, antwortet Gerd.

Bruno schüttelt den Kopf.

„Und was wollen Sie von mir, das heißt von der Detektei?“

Gerd zeigt auf die Bildwand.

„Bevor die Staatsanwältin die Ermittlungen einstellen ließ, haben die Beamten noch Vorladungen verschickt. Die drei sind nicht erschienen, also wurde ein Streifenwagen hingeschickt. Alle drei waren nicht in ihren Wohnungen oder Arbeitsstellen. Mehr konnten die Jungs von Frau Ehrlich nicht machen. Sie hat mir den Tipp gegeben, es selbst zu versuchen und da kommen sie ins Spiel, Herr Wiallas. Finden Sie die drei und bringen Sie sie zum reden.“

„Geben Sie mir den Ordner. Ich gehe auf die Terrasse, rauche und denke dabei. Einverstanden?“

„Gut. Ich koche uns einen Kaffee, einen arabischen.“

Bruno nimmt den Ordner und den Aschenbecher mit und setzt sich in einen der Korbstühle. Als er das Streichholz weglegt, surrt es hinter ihm. Einer der Roboter kommt näher.

Auf seinen ausgestreckten Armen liegt ein Tablett. Zwei Tassen Kaffee, eine Zuckerdose, ein Milchkännchen und eine kleine Schale mit Gebäck.

„Danke Anton.“, sagt er und nimmt das Tablett.

Da kommt es aus dem Bauch des elektronischen Dieners: „Mein Name ist Pollux.“

Das Gerät dreht sich um und rollt wieder in die Wohnung.

Bruno grinst, raucht und liest. Gerd hat sich neben ihn gesetzt und schweigt. Nach zehn Minuten legt Bruno den Ordner auf den Tisch. Pollux rollt auf die Terrasse. Er redet mit seinem Herrn arabisch, Gerd antwortet, der Roboter trollt sich.

Durch die Tür kommen zwei Kinder. Ein Junge und Mädchen. Beide haben einen Schulrucksack auf dem Rücken und plappern aufgeregt. Bruno versteht kein Wort.

„Herr Wiallas, ich möchte Ihnen meine Familie vorstellen.“

Bruno steht auf.

Die Kinder verschwinden in der Wohnung.

Dann kommen ihre Mütter.

Die Ältere trägt ein Kopftuch, eine hochgeschlossene Bluse und Jeans. Das Kopftuch ist mit einer goldenen Stickerei verziert. Ihre Schwester hat pechschwarze Haare, die ihr bis auf die Schultern reichen. Auch sie trägt Bluse und Jeans.

Bruno geht auf die beiden zu und streckt die Hand aus.

Die Ältere weicht etwas zurück.

„Nein. Nicht so. Legen Sie ihre rechte Hand auf das Herz und verbeugen Sie sich leicht.“

Bruno blickt nach links. Die Worte kamen von einer jungen Frau. Groß, blondes, schulterlanges Haar und mit Brille. Sie lächelt ihn an.

„Entschuldigen Sie, aber mein Spezialgebiet ist Osteuropa, genauer Polen. Da ist der Handkuss die respektvolle Begrüßung einer Frau. Bitte verzeihen sie.“, entgegnet Bruno.

Er lächelt die beiden Mütter an, legt die Hand auf sein Herz, verbeugt sich leicht und stellt sich auf Französisch vor.

Die Frauen lächeln zurück und wenden sich an Gerd. Sie reden arabisch miteinander. Die Junge mit der Brille kommt auf Bruno zu, streckt ihre Hand aus und redet Deutsch.

„Ich bin Baysan Cords. Und das ist Johannes Wetzburg, mein Freund.“

„Angenehm. Wiallas, Bruno Wiallas. Und danke für die Hilfestellung.“

Er gibt den jungen Leuten die Hand und betrachtet sie etwas länger als es höflich ist. Er kann eine feine Narbe an Baysans linker Kopfseite erkennen. Sie blickt ihm direkt in die Augen. Offenbar wartet sie auf eine Bemerkung von ihm.

Die kommt, aber anders als erwartet.

Bruno dreht sich zu Gerd und den beiden Frauen um. Die reden noch immer, leise und auf Arabisch. Nadira blickt kurz zu Bruno. Der räuspert sich. „Herr Cords. Ich möchte einen Vorschlag machen. Wir haben am Samstag eine kleine Feier. Verwandte und Freunde. Das machen wir immer am ersten Schulwochenende. In Erinnerung an die Schuleinführungen. Es würde mich freuen, wenn sie alle, auch Sie, Herr Wetzburg, daran teilnehmen. Und ich bin sicher, dass meine Familie und Freunde sich ebenfalls über ihre Gesellschaft freuen. Bitte tun sie uns den Gefallen.“

Etwas leiser sagt er den beiden jungen Leuten an seiner Seite: „Meine große Tochter ist achtzehn. Johannes fragen Sie ihren Vater nach Schloss Burgdorf, er kennt es. Wenn Sie nichts dagegen haben, lade ich auch ihre Eltern und ihre Schwester ein.“

Baysan und Johannes sehen ihn erstaunt an.

Bruno will noch etwas anfügen, da kommt Samira mit einer Katze auf dem Arm auf die Terrasse. Das Tier windet sich, das Mädchen lässt sie los und die Katze geht zu Bruno.

Sie schnuppert an seinen Hosenbeinen, buckelt kurz und geht dann wieder zu ihrer Herrin.

„Sie hat wohl Flocki und Moses gerochen.“

„Was ist Flocke und Moses?“ Samira steht vor Bruno und sieht hoch.

„Es heißt ‚Flocki‘ und das ist eine Hündin und Moses ein Kater, sie leben bei mir.“

Gerd dreht sich zu Bruno um.

„Danke für die Einladung.“

Er lächelt und zeigt mit der linken Hand auf die beiden Frauen.

„Es gibt da nur ein kleines Problem. Adeeba und Nadira nehm-en die Speisevorschriften ernst. Sie essen nur Halal.“

Bruno sieht Johannes an.

„Im Schnellgang bitte, was ist Halal?“

„Fleisch nur von zugelassen Tieren und die dürfen nur auf besondere Weise geschlachtet werden.“

„Geschächtet?“

Johannes nickt.

„Ein Teil der Speisen ist koscher. Wir haben….“

Adeeba zuckt deutlich, Bruno unterbricht sich und sieht zu Gerd. Der hebt die Schultern und redet auf Arabisch mit Adeeba. Sie laut und aufgeregt und er ruhig und langsam.

Bruno versteht nichts, spürt aber die Spannung zwischen den beiden. Er greift nach seinem Rucksack. „Entschuldigen Sie, Herr Cords. Das ist wohl das zweite Fettnäpfchen heute.

Ich vergaß zu erwähnen, dass es auch einen kubanisch-jüdischen Familienzweig gibt. Meine Nichte Joana hat einen kubanischen Vater und Chaim einen deutschen, einen ostpreußischen. Sie kommen aus Israel und machen mit ihrer Tochter ein paar Tage Urlaub bei uns. Beide arbeiten in der Branche, wenn auch mehr auf staatlicher Seite. Sie verstehen? Lassen wir das also mit dem Fest. Ich melde mich am Freitag, dann reden wir über den Auftrag.“

runo streift sich den Rucksack über die Schulter und dreht sich zur Terrassentür.

Gerd löst sich von Adeeba, die noch immer auf ihn einredet.

Er kommt auf Bruno.

„Kommen Sie, Herr Wiallas, noch ein Wort in meinem Zimmer.

Was ist das mit Ostpreußen? Und wer ist Chaim?“, fragt Gerd und bittet Bruno sich zu setzen.

„Meine Eltern stammen von dort. Und mit Chaim Caspary habe ich mal zusammengearbeitet. Dabei fiel er meiner Nichte in die Hände oder auch andersherum. Ist auch egal. Die beiden sind glücklich und erfolgreich. Sie waren drei Jahre in Wien stationiert, letztes Jahr wieder in Israel und gehören ab ersten Oktober zur Botschaft in Berlin.“

Noch während Bruno redet, steht Gerd auf, geht an eines der Regale und holt einen Ordner heraus. Er blättert, findet, was er sucht und setzt sich wieder an den kleinen Tisch. Er reicht Bruno einen Brief. Der erkennt seinen eigenen, privaten Briefkopf.

„Sie sind Fritz Grossansky?“, fragt er.

„Ja und nein. Das ist der Geburtsname meiner Mutter. Sie kam mit ihrer Mutter im Herbst vierundvierzig aus Allenstein nach Rostock. Fritz war ihr Vater, er überlebte den Krieg nicht. Ich benutze den Namen als Pseudonym. Nur bei den Krimis, alles andere schreibe ich als Gerd Cords.“

Er nimmt Bruno den Brief wieder weg, schaut kurz drauf und redet weiter. „Der Verlag hat mir ihren Brief zugestellt. Ich wollte eigentlich auch antworten, aber wie sie ja bemerkt haben, ging es die letzten Monate hier drunter und drüber.“

Gerd zeigt in Richtung der Terrasse.

„Es ist wohl auch noch nicht vorbei.“

Er steht auf. Auch Bruno steht auf.

„Ich rufe Sie heute Abend an.“

Die beiden Männer gehen zum Aufzug. Bruno kann sich nicht von den anderen verabschieden, es ist niemand zu mehr sehen. Kurz vor der Tür kramt Bruno in seinem Rucksack, holt einen USB-Stick heraus und gibt ihn Gerd.

„Das Programm erklärt sich selbst. Bitte nur damit Mails schreiben. Heute Abend nur einen Test, dann sehen wir weiter.“

Gerd nickt und gibt Bruno die Hand.

Ein Wochenende auf Schloss Burgdorf

Wer ist Cindy Schmotz?

Samstag, 4. September.

Die Schlossbewohner und ihre Gäste nehmen den Kaffee auf der Terrasse. Bruno rutscht unruhig auf seinem Stuhl, seine Frau Ulrike lacht und sagt: „Hau schon ab. Ihr habt zwei Stunden. Seid pünktlich.“

Bruno küsst ihre Stirn und gibt Klaus Breitlauch ein Zeichen. Der Staatssekretär im Innenministerium des benachbarten Bundeslandes drückt seiner Frau die Hand, beide erheben sich. Das ist auch das Zeichen für Chaim, Angelika, das Ehepaar Wetzburg, Philipp Marquez, Stefan Eisengesell und Sabine Hermann, sich zu erheben.

Emma Breitlauch ist nicht nur die Frau des thüringischen Staatssekretärs, Mutter von Herbert und Friedrich, sondern auch Anwältin. Chaim und Angelika wurden schon vorgestellt und das Ehepaar Wetzburg war mal Kunde der Detektei. Es lernt das Schloss nun auch von seiner „privaten“ Seite kennen. Ihn kennt der Leser schon und Frau Wetzburg wird durch ihre Tätigkeit an der Universität für den Fortgang der Geschichte noch von Interesse sein.

Philipp Marquez ist Brunos Neffe und gehört als solcher zur Familie. Als Hauptmann der kubanischen Armee und Militärattaché seines Landes ist er natürlich prädestiniert für Sicherheitsfragen. Herr Eisengesell und Frau Hermann wurden schon vorgestellt.

Im Besprechungsraum der Detektei hält sich Bruno nicht lange auf. Er verteilt an die Anwesenden ein Dossier und bittet Frau Hermann um ihren Vortrag. Sie steht auf und hantiert am Rechner.

Ein Foto erscheint.