Damn Devil - Nils Noir - E-Book

Damn Devil E-Book

Nils Noir

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Beschreibung

Tonnenweise Kokain werden radioaktiv verseucht. Die Droge verwandelt ihre Konsumenten in mordende Monster. Norde und Röhler sehen Oldebeck untergehen. Doch noch haben sie Kugeln im Magazin.

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Seitenzahl: 202

Veröffentlichungsjahr: 2025

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IN DIESER REIHE BISHER ERSCHIENEN

7001  Stefan Melneczuk Marterpfahl7002  Frank W. Haubold Die Kinder der Schattenstadt7003  Jens Lossau Dunkle Nordsee7004  Alfred Wallon Endstation7005  Angelika Schröder Böses Karma7006  Guido Billig Der Plan Gottes7007  Olaf Kemmler Die Stimme einer Toten7008  Martin Barkawitz Kehrwieder7009  Stefan Melneczuk Rabenstadt7010  Wayne Allen Sallee Der Erlöser von Chicago7011  Uwe Schwartzer Das Konzept7012  Stefan Melneczuk Wallenstein7013  Alex Mann Sicilia Nuova7014  Julia A. Jorges Glutsommer7015  Nils Noir Dead Dolls7016  Ralph G. Kretschmann Tod aus der Vergangenheit7017  Ralph G. Kretschmann Aus der Zeit gerissen7018  Ralph G. Kretschmann Vergiftetes Blut7019  Markus Müller-Hahnefeld Lovetube7020  Nils Noir Dark Dudes7021  Andreas Zwengel Nützliche Idioten7022  Astrid Pfister Bücherleben7021 Andreas Zwengel Nützliche Idioten7022 Astrid Pfister Bücherleben7023 Alfred Wallon Der Sohn des Piratenkapitäns7024 Mort Castle Fremde7025 Manuela Schneider Die Waffe des Teufels7026 Rudolph Kremer Die Turmkammer der schreienden Alraune7027 Alfred Wallon Heimtückische Intriegen7028 Marco Theiss Ein Texaner gegen Chicago7029 Uwe Niemann Das unreine Herz7030 Nils Noir Damn Devil7031 Rudolph Kremer Die Höhle des blauen Drachen7032 Wolfgang Rauh Ignael

DAMN DEVIL

NILS NOIR

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

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Copyright © 2025 Blitz Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier

Redaktion: Danny Winter

Titelbild: Nils Noir

Vignette: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten.

www.blitz-verlag.de

19.02.2025

ISBN: 978-3-68984-312-0

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Über den Autor

KAPITELEINS

Sechs Behälter voller Atommüll hatte das Transportschiff aus England geladen. Es war vor etwa einer Woche aus einem Hafen in der Nähe der Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield ausgelaufen. Dorthin wurden die bestrahlten Brennelemente aus dem Atomkraftwerk in Oldebeck-Springfeld gebracht, um sie zu neuem Kernbrennstoff zu verarbeiten. Die Wiederaufarbeitung deutscher Abfälle im Ausland war seit einigen Jahren zwar verboten, aber es gab noch einen Vertrag mit der englischen Wiederaufbereitungsfirma, an die das Oldebecker Energieunternehmen EONEK bis zum Ende dieses Jahres gebunden war. Solange wurde der Atommüll weiter nach Sellafield und nach Aufbereitung retour nach Oldebeck zurückgeschickt, wo die Abfälle geheim gelagert wurden, bis es ein Endlager gab. Das Ganze war natürlich eine riesige Schweinerei. Aber wen kümmerte es? Die Verantwortlichen zumindest nicht und all die Mächtigen, die davon wussten, auch nicht. Sie hielten die Hände auf und schwiegen. Was sollten sie auch sonst tun? Einen Aufstand riskieren? Das wäre das Dümmste, was sie tun könnten. Nicht auszudenken, was wäre, wenn irgendwelche Atomkraftgegner davon Wind bekämen. Demonstrieren würden diese Birkenstock-entzündeten Deppen, ohne auch nur einen Tag Ruhe zu geben. Oldebeck war voll von diesen arbeitslosen Lehrern mit Brille, weshalb man das Ganze nicht nur mit äußerster Vorsicht abwickelte, sondern auch absolut Top Secret. Paul Petersen, der den Kahn aus England in dieser Nacht mit seinem Kran entlud, war ebenso wie die Bosse von EONEK der Meinung, dass man entschieden zu viel Wirbel machte wegen der bisschen Strahlung, die aus den Castoren trat. Meine Güte, hatten diese neunmalklugen Ökos denn nichts Besseres zu tun als herumzukrakeelen? Die sollten lieber mal arbeiten gehen, wie jeder andere anständige Bürger auch, dachte Petersen und spürte auf einmal einen heftigen Ruck. Noch bevor er gucken konnte, was los war, wurde seine Kabine kräftig durchgerüttelt. Beängstigend schaukelte sie umher und ließ die Lichter der Stadt an Pauls Augen vorbeizischen, wie Laserstrahlen eines imperialen Sternenzerstörers. Verfluchte Scheiße. Was war da los? Paul Petersen setzte den Motor still und blickte von seinem achtzig Meter hoch gelegenen Führerhaus runter auf den Kai. Die Kollegen von der Werft, die dort unten ihre Arbeit verrichteten, fuchtelten wild mit den Armen. Scheiße, verdammte! Jetzt sah Paul das Unglück. Der Castor war aus der Verankerung gerissen und auf den Beton der Anlage gekracht. Das war gar nicht gut.

“Wie schlimm ist es, Jungs?”, wollte Paul per Funk von der Bodentruppe wissen.

“Sieht schlimmer aus, als es ist, glaube ich”, antwortete ihm einer der Gelbhelme. “Wir hängen den Behälter wieder dran. Zieh an, damit wir ihn aufrichten können.”

“Verstanden”, sagte Paul. “Gebt mir ein Signal, wenn ihr so weit seid.”

Paul brachte den Castor zusammen mit den Arbeitern in die vorgesehene Position und atmete einmal tief durch, da das Ganze noch einmal gut gegangen war. Es war der letzte Behälter vom Schiff. Paul war fertig für heute. Schichtende. Sechs Castoren hatte er in dieser Nacht von Bord des Schiffes gehievt. Sie alle standen jetzt aufgereiht am Kai des Verladehafens und warteten darauf, mit dem Lkw nach Oldebeck-Springfeld gefahren zu werden. Aber damit hatte Paul nichts mehr zu tun. Er stellte die Maschine ab und pinkelte noch einmal in die leere Orangensaftflasche zu seinen Füßen, bevor er mit dem Abstieg begann. Es war eine milde, sternenklare Nacht. Die Aussicht von hier oben, atemberaubend. Paul gönnte sich noch einen kurzen Rundumblick und machte sich danach auf, um von hier oben herunterzukommen. Der leichte Regen von vorhin, hatte die Leiter rutschig werden lassen. Darum war Paul besonders vorsichtig. Sprosse für Sprosse stieg er hinab und blickte dabei die ganze Zeit über auf seine Füße, wodurch er Zeuge einer äußerst merkwürdigen Situation wurde, die sich unter ihm am Kai abspielte. Wie er sehen konnte, bildeten vier Kollegen von der Werft einen Halbkreis um einen Mann in Kapitänsuniform und einen Matrosen. Es sah beinahe so aus, als würden sie sich mit den beiden Seemännern schlagen wollen. Was war in sie gefahren? Hatten sich wohl einen rein gezwitschert, oder wie? Damit wollte Paul nichts zu tun haben. Er wollte einfach nur noch nach Hause und sich dort ganz gemütlich einen genehmigen oder auch zwei. Er sah sich schon in seinen Boxershorts in der Küche sitzen, da wurde er auf einmal aus seinen Gedanken gerissen. Ein grauenvoller Schrei ertönte und ließ Paul zusammenfahren. Er klammerte sich an die Leiter, um nicht herunterzufallen. Wie er sehen konnte, hatte sich der Matrose dort unter ihm einen der Geldhelme geschnappt. Blut spritzte aus der Kehle des Kollegen, wie aus einem angestochenen Pils-Fass. Anscheinend hatte ihm der Seemann in den Hals gebissen. Zumindest hatte Paul den Eindruck, schließlich war das Gesicht des Matrosen Blut verschmiert. Verflucht. Paul bibberte am ganzen Körper. Er verfolgte, wie die anderen Werftarbeiter die Flucht ergriffen, ohne auch nur den Versuch zu starten, ihrem Kollegen zu helfen. Was waren das für Schweine? Wie ein Haufen aufgescheuchter Hühner rannten sie davon. Dann fielen Schüsse und Paul zuckte ein weiteres Mal zusammen. Ein, zwei, dreimal knallte es durch die Luft und die Gelbhelme fielen einer nach dem anderen zu Boden. Pauls Beine zitterten, dann schlotterte sein ganzer Körper. Er musste sich jetzt zusammenreißen, ansonsten fiel er noch herunter oder die beiden Irren da unten würden auf ihn aufmerksam werden, was wahrscheinlich noch viel schlimmer war. Paul blieb stumm auf der Leiter stehen und blickte hinab. Der Kapitän war direkt unter ihm, er hielt die Pistole noch in der Hand. Er war der Schütze. Regungslos beobachtete Paul, wie die beiden Seeleute sich in Richtung Container aufmachten und kurz darauf hinter einem der Behälter verschwanden. Das war seine Gelegenheit. Schnell, wie er nur konnte, rutschte er die nassen Sprossen in die Tiefe. Seine Gummisohlen quietschten wie verrückt. Doch die Gefahr von den Wahnsinnigen erwischt zu werden, trieb ihn weiter an. Als er schließlich unten ankam, blickte er sich panisch um. Der Kapitän und sein Matrose waren nirgends zu sehen. Also nahm Paul die Beine in die Hand und hastete über den Kai, um schnellstmöglich von dem Gelände herunter zu kommen. Allerdings wurde er auf halber Strecke ausgebremst, da er von einem entgegenkommenden Fahrzeug geblendet wurde, das mit sehr hoher Geschwindigkeit auf ihn zuraste. Paul hastete auf die Seite, um nicht überfahren zu werden und warf sich hinter einen Poller. Als der Wagen nur Sekunden später mit quietschenden Reifen neben ihm zum Stehen kam, hielt er den Atem an. Es war ein rot lackierter Audi C1 GL, Baujahr 1974, wie Paul erkannte, als er vorsichtig zur Seite blickte. Von Autos verstand Paul was. Allerdings half ihm das in dieser Situation recht wenig, oder um genau zu sein, überhaupt nicht. Sein Herz pochte wie wild unter seinem Blaumann und drohte jeden Moment aus seiner Brust zu springen, als die Autotüren sich öffneten und drei schwer bewaffnete Männer mit Pferdeschwänzen aus dem Oldtimer stiegen. Einer von ihnen hielt sein Maschinengewehr auf Paul gerichtet. Petersen rechnete damit, jeden Augenblick erschossen zu werden und verabschiedete sich innerlich vom Leben. Doch da horchten die Pferdeschwanzträger plötzlich auf und blickten den Kai hinauf. Das metallene Geräusch, das ihre Aufmerksamkeit erregte, kam irgendwo von den Containern. Es hatte geklungen, als ob jemand einen der Frachtbehälter aufgebrochen hatte. Ohne zu zögern, liefen die bewaffneten Männer los und ließen Paul zurück. Petersen hechelte sich vor lauter Aufregung beinahe die Lunge aus dem Hals. Langsam richtete er sich auf und blickte flüchtig ins Wageninnere. Dort saß ein schwergewichtiger Kerl mit emotionslosem Blick hinter dem Lenkrad. Wie Paul registrierte, beachtete ihn der Fahrer nicht. Also rannte er so schnell er nur konnte drauflos, ohne sich noch einmal umzublicken. Selbst als hinter ihm ein Mordskrawall losbrach, drehte Paul sich nicht um, sondern lief einfach weiter und runter von dem Gelände. Er sprang auf sein Fahrrad, das er am Brückenübergang an einen Laternenpfahl gekettet hatte, und radelte davon. An den Vorfall mit dem Castor dachte er längst nicht mehr. Er war einfach nur heilfroh, lebend von hier weggekommen zu sein.

Erst in ein paar Tagen würde er erfahren, dass einer der Behälter durch den Sturz leckgeschlagen war. Ein kleiner, dünner Riss war entstanden, aus dem radioaktives Plutonium zischte. Das Wölkchen wehte über das Gelände des Oldebecker-Verladehafens und in den kurz zuvor aufgebrochenen Container aus Lateinamerika. In dem Container lagerten Säcke mit Mais, in denen zehn Tonnen Kokain versteckt waren. Der Stoff war der Grund für die Schießerei in dieser Nacht, die in einer wilden Verfolgungsjagd mit etlichen Explosionen endete. Die Letzte davon sprengte eine Diskothek am Ende der Sturmhauber Straße in die Luft und mit ihr, die mexikanischen Auftragskiller, den Kapitän und seinen Matrosen. Das war das Ende dieser grauenvollen Geschichte, auf die eine noch grauenvollere folgen sollte.

KAPITELZWEI

Beide waren voll drauf. Pelle, die spindeldürre Gestalt mit dem eingefallenen Gesicht, hatte sich einen ganzen Elefantenfuß eingeworfen. Dabei hatte ihn Slavio noch gewarnt, dass die Teile aus 300 Milligramm reinstem MDMA bestanden. Sie seien der reinste Sprengstoff, hatte er ihm gesagt, aber Pelle war das egal. Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte er eine ganze E geschluckt, noch bevor er zurück zu seinem Kollegen Malte in den Rettungswagen gestiegen war. Jetzt, gerade mal zwanzig Minuten nach seinem Besuch bei dem kroatischen Dealer, schlug die Pille granatenmäßig ein. Pelles Pupillen glichen zwei riesigen Untertassen, die aus dem Weltall geflogen kamen. Sein Partner neben ihm war aber nicht weniger heftig unterwegs. Er hatte sich mittlerweile anderthalb Gramm Speed reingezogen. Seine Unterkiefer klackerten, wie die eines Maulesels, während das lärmende Signalhorn über ihm blau blinkend auf dem Dach rotierte. Eigentlich wollten die beiden Sanis gerade Feierabend machen, bei Malte zu Hause auf dem Sofa chillen, runter rauchen und abdaddeln. Doch kam gerade noch ein Einsatz über Funk rein, den sie nun am Arsch hatten. Wie die Zentrale ihnen durchgegeben hatte, gab es eine Explosion im Industriegebiet. Das Black Hole – der Schwulenclub gegenüber dem Didl Discount – soll in die Luft geflogen sein. Ob es Verletzte gab, war bisher unklar, da die Lage nach Polizeiangaben noch zu unübersichtlich war. Warum nur, fragte Pelle sich, kamen die krassen Dinger immer vor Feierabend rein. Gerade jetzt, wo er total flauschig abging und voll zart auf Sendung war. Fuck! Vor zwei Tagen erst, hatten sie eine ähnliche Nummer gehabt. Gerade eine Pappe geklinkt, wurden sie in die Rheinberger Allee gerufen, um dort eine Leiche abzuholen, die sie in die forensische Abteilung der Rechtsmedizin eskortieren sollten. Es war der Leichnam dieses Serienkillers, der einige Frauen umgebracht hatte in den vergangenen Wochen. Mega ätzend und echt Horror, die Aktion. Pelle tat jetzt noch der Schädel weh. Nicht wegen des Bart-Simpson-Trips, den sie sich zuvor eingeworfen hatten, sondern wegen dieses sonderbaren Vorfalls in der Nacht. Was genau da abgegangen war, wusste Pelle nicht. Es ging alles fürchterlich schnell. Das einzige, was er noch wusste, war, dass er beim Ausladen der Leiche eines über die Rübe bekommen hatte. Danach wurde es dunkel. Als er später mit Schädelweh erwacht war, lag er in einem Gebüsch, nahe des Rettungswagens und trug keine Klamotten mehr am Leib. Aber nicht nur die Uniform wurde ihm gestohlen, sondern auch der Serienkiller. Als Pelle zurück zu Malte in den Wagen stieg, war sein Kollege noch unterwegs auf Magic-Mystery-Tour in den Strawberrys-Fields. Es war also überflüssig, ihn zu fragen, ob er etwas mitbekommen hatte. Der checkte noch nicht mal, dass Pelle nur noch in Unterwäsche neben ihm saß, als sie in der Nacht zurück in die Zentrale fuhren. Das absolut Unglaublichste allerdings war die Bestätigung des Pförtners der Pathologie, dass der Körper geliefert wurde. Das zumindest hatte ihr Vorgesetzter ihnen zum Feierabend noch mitgeteilt, als sie sich in der Umkleidekabine der Rettungsstation umzogen. Pelle hatte das einfach hingenommen und nichts gesagt, nicht mal Malte. Warum die Sache unnötig verkomplizieren? Der Tote wurde geliefert und fertig. Alles andere behielt er für sich.

Pelle fühlte mit der flachen Hand unter seiner Mütze. Die Beule war immer noch Tennisball groß. Derjenige, der ihn vor der Pathologie eins über den Schädel gezogen hatte, war nicht zimperlich gewesen.

“Ey Malte, Digga. Du musstest da gerade abfahren”, rief Pelle seinem Kollegen hinter dem Steuer zu.

“Ja, voll abgefahren!”, erwiderte der und fuhr ungerührt weiter.

“Digga, ey!” Pelle griff Malte ins Lenkrad, worauf der Rettungswagen ins Schlingern geriet. Die Reifen quietschen auf dem Asphalt. Malte konnte den Wagen gerade noch unter Kontrolle bringen.

“Hey, bist du bescheuert, Alter?” Erzürnt sah er zu Pelle auf dem Beifahrersitz. “Was machst du denn für einen Scheiß?”

“Digga, du bist zu weit gefahren”, erklärte Pelle seinem Kumpel und zeigte mit dem Daumen über seine Schulter. “Zur Sturmhauber geht es da lang.”

Malte blickte in den Rückspiegel. “Echt, Alter?”

“Klar, Digga.”

“Na gut.” Malte stieg in die Eisen und riss das Steuer herum. “Aber greif mir nie wieder ins Lenkrad, verstanden?”

“Habs gecheckt, Digga.” Pelle holte die Papers aus dem Handschuhfach und kurbelte einen, damit sie sich schnell noch einen durchziehen konnten, bevor sie am Einsatzort eintrafen. Geschickt und flink bastelte er den Joint zusammen und reichte ihn Malte.

“Hier, Digga. Entspann dich mal.”

Den Krautstängel bis zum Filter durchgebraten und im Ascher versenkt, trafen sie am Unfallort ein. Es war nicht zu glauben. Nicht annähernd hätten sie geahnt, was sie dort erwartete. Die vielen blinkenden Einsatzfahrzeuge sowie die Hubschrauber am Himmel und die halb nackten Typen in Lack- und Leder-Korsetts, die überall herumstanden, sorgten für staunende Gesichter bei den Sanis.

“Was für eine hammermäßig geile Scheiße ist denn hier bitte schön passiert?”, grölte Malte.

“Der definitiv fetteste Einsatz, Digga, den wir je hatten”, johlte Pelle.

“Auf jeden, Alter”, bestätigte Malte. “Der totale Overkill!”

Sie parkten den Rettungswagen vor dem ausgebrannten Club und stiegen aus. Das heißt, Pelle stieg nicht, sondern floss wie glühende Lava aus dem Wagen.

“Ich liebe den Geruch von süßem Eau de Toilette und Arsch am Morgen”, sagte Malte und hielt seinen verätzten Riechkolben demonstrativ in den Wind. Das Trio vor ihm auf dem Bordstein, mit den ausgelassenen Gesäßtaschen an der Hose, drehte sich empört nach ihm um.

“Nichts für ungut, Mädels”, beruhigte Malte die drei. “Ich steh’ drauf, ehrlich. Kommt voll gut.”

“Ey, Digga”, murmelte Pelle von der Seite. Er hatte es mittlerweile aus dem Wagen geschafft und stand nun neben Malte. “Was is Phase?”

“Das finden wir raus, Commander. Folgen Sie mir.” Malte, dicht gefolgt von Pelle, steuerte auf das Kälbchen vor der Bullenschaukel zu. Der Polyp stand nur ein paar Schritte von den Blankärschen entfernt und schlürfte lässig seinen Kaffee, als wäre er ein superharter Cop aus South Central. Dabei hatte das Milchbübchen wahrscheinlich noch nicht mal Haare am Sack, geschweige denn einen umgepustet. Der Opa hingegen, der gerade hinter dem Bubi über die Straße lief, war ein ganz anderes Kaliber. Malte und Pelle kannten den Kommissar. Der Bulle war ein echtes Schwergewicht, ein Nick Nolte-Typ, der den Ballermann in seiner Hose auch benutzte und nicht nur damit herumspazierte wie ein aufgeblasenes Landei. Malte und Pelle wussten vom Hörensagen, dass der Sheriff schon einige auf dem Gewissen hatte. Anlegen sollte man sich also besser nicht mit dem.

“Hey, Kollege?”, fragte Malte den Jungbullen an der Polizeischleuder. “Was ist denn hier passiert?”

“Genaues weiß ich auch nicht”, antwortet das Bübchen. “Soweit ich weiß, gab es eine Schießerei auf dem Dach des Gebäudes. Danach wurde es in die Luft gesprengt. Vermutlich mit einer Panzerfaust vom gegenüberliegenden Parkplatz.” Der Polizeibeamte wies mit dem Finger in Richtung Didl-Discounter.

“Um Himmels willen.” Malte tat erschüttert. In Wirklichkeit amüsierte er sich prächtig über den ganzen Scheiß hier, ebenso wie Pelle, der sich mit kullernden Augen hinter seinem Rücken versteckt hielt.

“Und wer hat hier das Sagen?”, wollte Malte wissen.

“Der Katastrophenschutz und die Feuerwehr befinden sich gerade im Keller des zerstörten Gebäudes”, erklärte der Beamte und nippte an seinem Pappbecher. “Am besten fragen Sie Kommissar Norde, wo sie gebraucht werden, oder seinen Kollegen Kriminalhauptmeister Röhler, der steht da vorn.” Der Beamte nickte in Richtung Ruine. Dort stand ein Mann mit Doppelknopfblazer, der einen kleinen südländischen Enrique-Iglesias-Typen in den Armen hielt. Die beiden sahen aus, als wären sie einem Visconti-Streifen entsprungen.

“Moin, die Rettung ist da”, sagte Malte zu dem Kriminalhauptmeister, als er ihn erreichte.

“Sehr gut”, erwiderte der. “Kümmern Sie sich bitte um diesen Herrn hier.”

“Geht klar”, sagte Malte zu Röhler. “Und sonst niemand verletzt?”

“Die Feuerwehr sagt, ein paar der Club-Besucher haben leichte Verletzungen, all die anderen haben überhaupt nichts abbekommen.”

Das erleichterte die Sache für Pelle und Malte ungemein. Die Nummer hätten sie schnell hinter sich gebracht.

“Ein Wunder”, bemerkte Malte, blickte auf die Ruine und setzte eine betroffene Miene auf.

“Ja, das ist es”, erwiderte der Kriminalhauptmeister. “Doch es gibt auch Tote. Die Opfer befanden sich auf dem Dach, als es passierte und die Rakete im Black Hole einschlug.”

Malte reichte den Enrique-Iglesias-Typen an seinen Kollegen weiter. “Hier nimm du ihn mal und setz ihn dort drüben hin”, wies er Pelle an. “Ich hol’ schnell unsere Sachen.” Pelle übernahm den Südländer mit dem Kajal verschmierten Gesicht und führte ihn zu einem Mauerstück, auf dem ein Mann mit Ledergeschirr und gepiercten Brustwarzen saß. Wie sich herausstellte, kannten sich die beiden. Der Monchhichi mit dem Werkzeug an den Nippeln war der Clubbesitzer, wie Pelle erfuhr, und der Südländer in der Decke, war einer seiner Stammgäste. Als Malte und Pelle die beiden versorgten, fiel ihnen auf, dass der Südländer nichts drunter anhatte. Er war völlig nackt unter der Decke und nicht nur das, wie Pelle und Malte sehen konnten, als sie ihm die Oberschenkel verbanden, prangte ein roter Testarossa mit Flügeltüren auf seinem beachtlichen Gemächt.

“Hammer”, sagte Malte bewundernd. “Tut das nicht weh?”

“Die Schmerzen beim Stechen waren unerträglich”, erklärte Enrique, der eigentlich Enrico hieß und Italiener war. “Aber ich habe es für meine Liebe getan. Nur für sie habe ich das Leid ertragen”, wimmerte er. “Doch nun, ist sie tot.” Der Monchhichi nahm den Jungen in seine Arme und drückte ihn fest an seine behaarte Brust.

“Lass abzischen, Digga”, sagte Pelle. “Wir sind hier durch.”

“Nicht so schnell”, hielt Malte seinen Kollegen zurück. “Will mich kurz noch einmal umsehen. Vielleicht finden wir noch etwas Interessantes.”

“Was willst du denn hier Interessantes finden?”

“Wer weiß”, sagte Malte. “Vielleicht eine Discokugel, oder so.”

“Okay. Aber nicht, dass uns die Floriansjünger noch verdonnern, mit aufzuräumen.”

“Nein, das werden die nicht”, beruhigte Malte seinen Kumpel. “Tue einfach, als wärst du beschäftigt. Das kannst du doch so gut.”

Im Umfeld des Unglücksorts lag nichts weiter als Schutt. Er verteilte sich um das Einschlagsgebiet herum, wie ein riesiger Kranz. Wie Malte von den KatS erfahren hatte, als er den Verbandskoffer aus dem Rettungswagen geholt hatte, waren etwa zehn Menschen bei der Explosion ums Leben gekommen. Also mussten irgendwo Körperteile herumliegen. Nicht, dass Malte irgendwie pervers, nekrophil, oder so war. Er sah es als eine Art Fortbildung, wenn man so wollte. Schließlich war eine solche Explosion nicht alltäglich. Da sollte man sich als guter Sani auf jeden Fall einen Eindruck machen, damit man später einmal wusste, falls es noch einmal zu solch einem Vorfall kommen sollte, worauf man sich einstellen musste. Sie liefen entlang der Ruine und ließen ihre Augen über die Trümmer schweifen. Überall lag Inventar des Clubs herum. Tische, Stühle, Scheinwerfer und Pissbecken. Leichteile allerdings, fanden die beiden nicht. Oder etwa doch?

“Pssst, Pelle”, rief Malte auf einmal ganz aufgeregt. Wie es schien, hatte er etwas höchst Interessantes entdeckt. “Komm mal rüber.”

“Was ist denn, Digga.”

“Komm schon und sieh mal, was ich hier gefunden habe.”

Pelle schlug sich durch das Gestrüpp, zu seinem Kumpel durch. Wie er über Maltes Schulter hinwegsehen konnte, als er an ihn herantrat, lag dort zu seinen Füßen ein Kopf.

“Hammer, oder?”, sagte Malte zu Pelle.

“Naja”, sagte der unbeeindruckt. “Geht so.”

“Geht so?” Malte sah seinen Kumpel entgeistert an. “Bist du bescheuert? Der Schädel wird uns ein Vermögen einbringen.”

“Hä?” Pelle schien Malte nicht ganz folgen zu können. “Wieso, meinst du etwa, du könntest den bei eBay verticken, oder wie?”

“Klar, Alter. Für den kriegst du locker eine Million.”

“Bullshit”, sagte Pelle. “Wieso sollte jemand eine Million für einen wertlosen Kopf bezahlen?”

“Mensch, Alter. Check mal was”, fuhr Malte seinen Kumpel an. “Weißt du denn nicht, wessen Kopf das ist? Erkennst du ihn nicht?”

“Nee”, gestand Pelle trotzig. “Wem gehört die Kugel?”

Ein breites Grinsen zog sich über Maltes Gesicht. Er rieb sich die Hände und kicherte vergnügt vor sich hin, bevor er antwortete: “Ralf Brinkmann.”

KAPITELDREI