Dangerzone – Gefährliche Wüste - Andreas Schlüter - E-Book

Dangerzone – Gefährliche Wüste E-Book

Andreas Schlüter

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Beschreibung

Überleben im Land der tausend Gefahren -  der Auftakt  zur neuen großen Abenteuer-Serie von Andreas Schlüter Die Geschwister Marcel und Julia begleiten ihren Vater, einen erfolgreichen Tierfilmer, zu einem Job nach Australien. Als sie mitten im Outback von Unbekannten überfallen und ihr Vater verschleppt wird, sind die beiden Kinder plötzlich völlig auf sich alleine gestellt - und kämpfen mit Buschfeuern, gefährlichen Verbrechern, giftigen Schlangen und Wassernot. Wird es ihnen gelingen, trotz der lebensfeindliche Hitze die Wüste zu durchqueren und für sich und ihren Vater Hilfe zu holen? Nach »Survival« kommt »Dangerzone«: Die neue Action- und Abenteuerserie von Andreas Schlüter um zwei Kinder, die in den gefährlichsten Zonen Australiens mit unzähligen Bedrohungen kämpfen. Dazu viele coole »Dangerous-Fun Facts«. Alle Bände der Serie: Band 1: Dangerzone – Gefährliche Wüste Band 2: Dangerzone – Bedrohung aus der Tiefe Band 3: Dangerzone – Flucht aus der Todeshöhle, erscheint im Herbst 2023 Serie bei Antolin gelistet

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Seitenzahl: 205

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Andreas Schlüter

Dangerzone

Gefährliche Wüste

Band 1

Mit Vignetten von Stefanie Kampmann

 

 

 

 

Über dieses Buch

 

 

Überleben im Land der tausend Gefahren - 

der Auftakt  zur neuen großen Abenteuer-Serie von Andreas Schlüter

Die Geschwister Marcel und Julia begleiten ihren Vater, einen erfolgreichen Tierfilmer, zu einem Job nach Australien. Als sie mitten im Outback von Unbekannten überfallen und ihr Vater verschleppt wird, sind die beiden Kinder plötzlich völlig auf sich alleine gestellt - und kämpfen mit Buschfeuern, gefährlichen Verbrechern, giftigen Schlangen und Wassernot. Wird es ihnen gelingen, trotz der lebensfeindliche Hitze die Wüste zu durchqueren und für sich und ihren Vater Hilfe zu holen?

Nach »Survival« kommt »Dangerzone«: Die neue Action- und Abenteuerserie von Andreas Schlüter um zwei Kinder, die in den gefährlichsten Zonen Australiens mit unzähligen Bedrohungen kämpfen. Dazu viele coole »Dangerous-Fun Facts«.

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

Andreas Schlüter, geboren 1958, lebt und arbeitet in Hamburg und auf Mallorca. Er ist Autor zahlreicher Kinder- und Jugendbücher, u.a. der Erfolgsserien »Level 4 – Die Stadt der Kinder«, »Young Agents« und »Survival«. Er verfasst zudem Drehbücher, unter anderem für den »Tatort«. 

 

Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendbuchprogramm der S. Fischer Verlage finden Sie unter www.fischerverlage.de

Julia hörte, wie ihr Vater den Reißverschluss am Zelt öffnete. Sehen konnte sie das in der Finsternis nicht.

»Da kommt ein Auto!«, wiederholte sie.

»Das kann nicht sein. Hier gibt es keine Autos. Es war für uns schon schwierig genug, eine Sondergenehmigung zu bekommen. Und dann noch mitten in der Nacht?«

»Aber hör doch, Papa. Das ist eindeutig ein Auto, das da auf uns zukommt. Ich erkenne schon den Lichtstrahl der Scheinwerfer. Siehst du?«

»Ja, ich sehe es. Das bedeutet nichts Gutes. Packt eure Sachen, Kinder, schnell!«

»Alles?«

»Nein, nur das Nötigste. Und vor allem: Wasser. Jeder von euch beiden nimmt sich einen Kanister und dann fort mit euch.«

»Wohin?«

»Versteckt euch. Ihr braucht nicht weit zu laufen. Nur außer Sichtweite. Das ist in dieser tiefdunklen Nacht nicht schwer. Verkriecht euch hinter einem Felsen oder so.«

»Und du, Papa?«

»Ich versuche, das hier zu regeln – was oder wer auch immer da kommt. Wenn alles gut geht, rufe ich euch. Nun lauft schon. Das Auto ist gleich hier. Schnell.«

Marcel und Julia rafften hastig ein paar Dinge zusammen, stopften sie in ihre kleinen Rucksäcke und griffen nach dem Wasser. Dann rannten sie im Schein ihrer Taschenlampen los.

»Passt auf euch auf«, rief ihr Vater ihnen noch nach.

 

Das war das Letzte, was die beiden Geschwister für lange Zeit von ihrem Vater hören sollten.

Sie wussten es nur in diesem Moment noch nicht. Aber von nun an waren sie auf sich allein gestellt, im Uluru-Kata-Tjuta-Nationalpark, 440 Kilometer südlich von ihrem Ausgangspunkt. Auf dem verbotenen Gebiet der Anangu-Aborigines.

Kapitel 1Nervige Fliegen

Marcels Hände zitterten. Seine Arme schmerzten. Und er hatte das Gefühl, eine Million Käfer und Insekten seien unter sein Shirt gekrochen, um nun an Bauch und Rücken hochzukrabbeln.

»Ich kann das nicht!«, jammerte er.

»Du musst Geduld haben, Marcel«, mahnte sein Vater. »Nimm dir ein Beispiel an deiner Schwester. Das machst du gut, Julia.«

Das reichte. Jetzt riss Marcels Geduldsfaden endgültig.

»Pah!«, kommentierte er verächtlich.

Er lag neben seiner Zwillingsschwester im feinen Sand auf dem Bauch, stützte sich auf beide Ellenbogen und hielt sich eine digitale Spiegelreflexkamera vors Auge, deren Zoom auf höchste Vergrößerung eingestellt war.

Um ihn herum surrten Tausende Fliegen. Wie Julia und sein Vater trug auch er einen Hut mit breiter Krempe, an dem ein Moskitonetz befestigt war. Obwohl das Netz beim Blick durch den Kamerasucher enorm störte, war zumindest sein Kopf vor den Fliegen geschützt, fast wie bei einem Imker unter seiner Schutzhaube. Trotz der unerträglichen Hitze von 35 Grad im Schatten trug Marcel eine dünne Jacke mit langen Ärmeln, ebenfalls zum Schutz vor den gefühlt Zigtausenden herumschwirrenden Insekten, die ihn völlig verrückt machten. Nicht nur, weil sie ihm ständig vor die Linse flogen, sondern auch, weil das Brummen und Summen um seine Ohren jedes Vertrauen in seine Schutzvorkehrungen schwinden ließ. Es war ihm unbegreiflich, wie seine Schwester seit zehn Minuten so regungslos daliegen und auf den besten Moment für ein Foto warten konnte.

»Sei mal still!«, fauchte Julia ihren Bruder an, ohne ihr rechtes Auge auch nur um einen Millimeter vom Sucher zurückzuziehen. »Du verscheuchst ja die Kängurus!«

»So ein Quatsch!«, schimpfte Marcel leise vor sich hin.

Sie befanden sich nicht in freier Wildbahn, sondern auf einer Känguru-Rettungsfarm.

Hier wimmelte es nur so von Kängurus, die irgendwo in der Wildnis verletzt, halb tot aufgefunden und hierhergebracht worden waren. Die meisten waren auf den breiten, endlos langen Highways von Jeeps oder Lkws angefahren worden. Jeder Autofahrer war aufgerufen, sofort anzuhalten, wenn er ein verletztes Känguru sah, und es so schnell wie möglich zu melden beziehungsweise sofort zur nächsten Rettungsstation zu bringen.

Wie sollte man hier ein Känguru verscheuchen?, fragte sich Marcel. Viel schwieriger wäre es gewesen, auf diesem Gelände keinem zu begegnen.

Doch seine Schwester beharrte weiter auf Ruhe.

»Gleich hab ich’s«, flüsterte sie. »Jaaa. Komm. Bitte! Schau zu mir! Jaaa. JETZT!«

Julia drückte den Auslöser.

Und jubelte: »Phantastisch. Das muss geklappt haben!«

»Zeig!«, bat ihr Vater.

Julia erhob sich und rief das soeben geschossene Foto auf dem Display ihrer Kamera auf.

Ihr Vater und Marcel schauten ihr über die Schulter. Und Marcel musste zugeben, dass das wirklich ein Meisterschuss war!

Denn was er zuvor mit bloßem Auge nicht erkannt hatte: Direkt auf der Nase des Kängurus hatte ein wunderschöner bunter Schmetterling gesessen. Natürlich nur für den Bruchteil einer Sekunde. Aber das war genau jener kurze Moment gewesen, auf den Julia so lange und so geduldig gewartet hatte.

»Das ist das Foto des Jahres!«, lobte ihr Vater.

Marcel grinste und Julia lächelte verlegen. Sie beide wussten, dass ihr Vater in diesem Jahr schon etliche Fotos geschossen hatte, die um ein Vielfaches besser waren. Und dass er in den nächsten Wochen noch unzählige unglaubliche Fotos schießen würde. Denn ihr Vater – Gunnar Schrader – war ein sehr bekannter und gefragter Tierfilmer und -fotograf, der in seinen mittlerweile fünfzehn Berufsjahren bereits zahlreiche Auszeichnungen gewonnen hatte.

Genau das war auch der Grund, weshalb er und seine ganze Familie überhaupt hierher nach Australien gekommen waren. Von einem großen Verlag hatte er den Auftrag erhalten, für einen umfangreichen Bildband die Tierwelt Australiens zu fotografieren. Ein gigantisches Projekt, für das Gunnar Schrader mindestens acht Monate in Australien verbringen musste, wie er schätzte. Vielleicht auch länger: zehn Monate oder sogar ein ganzes Jahr.

Obwohl er beruflich oft und lange unterwegs war, war das zu lang, hatte seine Frau Maria entschieden. Und so hatte die Familie ihre Sachen gepackt, um nach Australien zu ziehen. Maria Schrader war von Beruf Lehrerin; sie ließ sich für ein Jahr beurlauben und wollte ihre beiden Kinder, Marcel und Julia, mittels Homeschooling unterrichten.

Das fanden die Geschwister zwar nicht so toll – sie hatten gehofft, ein Jahr schulfrei zu haben –, doch für die Reise und all die Erlebnisse auf dem fremden Kontinent nahmen sie auch den Unterricht bei ihrer Mutter in Kauf.

Ihre erste Station hieß Alice Springs, eine kleine Stadt mit 24000 Einwohnern, die als »Tor zum Outback« galt. Dort bekam man alles, um sich für eine längere Tour durch das Gebiet der Aborigines auszurüsten.

Julia und Marcel fanden den Beruf ihres Vaters toll. Auch sie interessierten sich deshalb schon sehr für die Fotografie. Allerdings hatten sie kaum eine Vorstellung davon, was es eigentlich genau hieß, Tierfotograf zu sein.

»Ich zeig’s euch«, hatte ihr Vater versprochen.

An diesem Sonntag war es so weit.

Sie waren in die Känguru-Rettungsstation gefahren, hatten den Rundgang mitgemacht, und jetzt wollten die beiden Kinder einmal selbst ausprobieren, wie ein Tierfotograf vorging.

»Legt euch auf den Boden«, hatte ihr Vater gesagt. »Am besten dort hinter die Kisten.«

»Und dann?«, wollte Marcel wissen.

»Warten!«, antwortete sein Vater. »Die meiste Zeit verbringt ein Tierfotograf mit Warten.«

Da hatte Marcel schon das Gesicht verzogen. Warten war das, was er am meisten hasste. Ob auf seinen Geburtstag, auf die Bescherung an Heiligabend, auf den Beginn der Ferien oder auch nur auf die Rückgabe einer wichtigen Klassenarbeit. Immer hieß es: warten! Und nun auch noch hier im aufregenden Australien, dem Kontinent der Abenteuer und wilden Tiere – nur um ein paar Kängurus in einer Krankenstation zu fotografieren?

»Worauf denn warten?«, hatte Marcel missmutig gefragt.

»Auf den richtigen Moment«, hatte sein Vater geantwortet und Marcel wieder verständnislos das Gesicht verzogen.

Doch jetzt war der Moment gekommen. Seine Schwester Julia hatte ihn abgepasst: der Moment, als sich ein Schmetterling auf der Nase eines Kängurus niedergelassen hatte!

Ja, gut. Okay. Marcel musste zugeben, dass Julias Foto sensationell gut gelungen war. Aber dafür so lange in der sengenden Hitze bewegungslos im Dreck zu liegen, während einen Tausende nervige Fliegen umschwirrten? Puh! Nö! Das war nicht Marcels Sache.

»Können wir nicht nach Hause fahren und einen Bumerang kaufen?«, fragte er, während er zum millionsten Mal vergeblich versuchte, die Fliegen vor seinem Gesicht mit der Hand wegzuwischen.

»Können wir!«, versprach sein Vater.

»Da bin ich dabei!«, rief seine Mutter den dreien zu, die bis zu diesem Augenblick mit einem Glas Wasser im Hintergrund gesessen und auf »ihre Fotografen« gewartet hatte. »Ich hab uns für morgen schon einen Trainer gebucht, der uns die Grundlagen des Bumerangwerfens zeigt.«

 

Zwei Tage später saß Julia an ihrem Laptop und bearbeitete die Fotos, die sie in der Känguru-Rettungsstation gemacht hatte. Marcel hockte in ihrem gemeinsamen Zimmer auf seinem Bett und betrachtete immer wieder den schönen Bumerang, den er sich am Vortag hatte kaufen und kurz darauf in der ersten Trainingsstunde ausprobieren dürfen. Der Wurf war ihm auf Anhieb recht passabel gelungen. Jetzt übte er auf dem Bett die erlernte Haltung, ohne den Bumerang wirklich zu werfen.

Plötzlich hörten sie ihren Vater aus der Küche jämmerlich fluchen.

Bumerang (Kylie)

Ein Bumerang ist ein Wurfgeschoss, das aufgrund seiner Bauweise und mittels der richtigen Wurftechnik zum Werfer zurückkehrt. Die Ureinwohner Australiens, die Aborigines, benutzten ähnliche Wurfgeräte, die Kylies, als Jagdwaffen, weshalb Bumerangs häufig mit ihnen in Verbindung gebracht werden. Dabei waren Kylies gar keine Bumerangs im bekannten Sinne, denn sie kehrten nicht zum Werfer zurück. Sie waren so konstruiert, dass sie geradeaus flogen, um zielsicher ein Beutetier zu erlegen. Mit dem Aufkommen modernerer Jagdwaffen wie Pfeil und Bogen endete die Jagd mit dem Kylie.

Es gibt außer in Australien auch auf anderen Kontinenten frühgeschichtliche Funde von Bumerangs – in Europa (Polen, Norwegen, Schweden) sowie in Afrika, Asien und Amerika.

Der älteste bekannte Bumerang wurde in Polen gefunden. Er ist über 20000 Jahre alt. Sogar im 3000 Jahre alten Grab des Tutanchamun (altägyptischer König, der von 1332 bis 1323 vor Chr. regierte) fand man einen Bumerang.

Heute sind Bumerangs Sportgeräte, bei denen es hauptsächlich darum geht, dass sie zum Werfer zurückkehren. Es gibt sie in unzähligen Varianten und Ausführungen.

Die Wurftechnik

1) Der Windwinkel

Prüfe, aus welcher Richtung der Wind kommt.

Schaue dem Wind entgegen.

Drehe dich um etwa 45 Grad nach rechts (als Linkshänder nach links).

 

2) Der Griff

Greife den Bumerang fest mit Daumen und Zeigefinger. Der Bumerang darf nicht wackeln.

 

3) Der Neigungswinkel

Je stärker der Wind ist, desto senkrechter musst du werfen.

Anfänger beginnen damit, den Bumerang in einem Neigungswinkel von 45 Grad vom Körper wegzuwerfen.

 

4) Der Horizontwinkel

Wirf den Bumerang in einem Winkel von ca. fünf bis 15 Grad leicht nach oben.

 

5) Die Rotation

Beim Abwurf kommt es auf die Rotation an – so wie man einem Ball beim Werfen einen Drall gibt. Die richtige Rotation erreichst du mit einer heftigen peitschenden Bewegung aus dem Handgelenk. Führe den Bumerang, als wäre er eine Peitsche.

Hatte er sich verletzt? Die Geschwister schauten sich erschrocken an, sprangen auf und rannten in die Küche. Dort stand ihr Vater zwischen Herd und Tisch, hielt sein Smartphone in der Hand und starrte es fassungslos an.

»Was mache ich denn jetzt?«, fragte er sein Telefon, obwohl er mit niemandem mehr verbunden war.

»Was ist passiert?«, wollte Maria wissen, die nun auch in der Küchentür auftauchte.

»Tommy ist krank! Er hat abgesagt«, antwortete Gunnar Schrader mit leerem Blick.

Marcel und Julia wussten, was das bedeutete. Ein großer gemieteter Jeep stand bereits fertig gepackt vor der Tür. Am nächsten Morgen wollte ihr Vater mit seinem Assistenten Tommy in aller Früh zur ersten Fotosafari ins Outback fahren. Aber der fiel nun aus. Er war krank geworden und lag mit Fieber im Bett.

Wieder und wieder schüttelte Gunnar Schrader den Kopf. Er konnte es einfach nicht fassen. Was sollte er nur tun? Er hatte einen straffen Zeitplan ausgearbeitet; alle Genehmigungen zum Fotografieren und Filmen hatte er in der Tasche. Allein diese zu beantragen, war schon äußerst mühselig gewesen. Zudem waren die Sondergenehmigungen zeitlich stark begrenzt. Ohne sie war es nahezu unmöglich, bestimmte Teile der riesigen Aborigines-Gebiete zu betreten, geschweige denn, dort zu filmen. Sie verfallen zu lassen, kam keinesfalls infrage. Er war sich nicht sicher, ob er solche Genehmigungen jemals wieder erhalten würde.

Aber allein zu fahren, war ebenfalls unmöglich. Erstens ging man grundsätzlich nicht allein auf eine solche Tour, weil immer etwas geschehen konnte, wobei man Hilfe brauchte. Und darüber hinaus benötigte Gunnar für seine gewaltige Foto- und Filmausrüstung jemanden, der ihm tragen half. Wo aber sollte er so schnell einen Ersatz-Assistenten herbekommen, auf den er sich verlassen konnte?

Seine Ehefrau konnte auch nicht einspringen. Für den langen Aufenthalt in Australien hatte sie sich längst verschiedene Beschäftigungen gesucht. Neben zahlreichen Kursen, die sie besuchen wollte, hatte sie Unterrichts- und Nachhilfeaufträge angenommen. Etliche allein in den bevorstehenden zehn Tagen!

»Die kann ich unmöglich absagen!«, erklärte sie ihrem Mann.

»Aber du kannst doch uns mitnehmen, Papa!«, schlug Julia vor.

Ihre Eltern winkten ab.

Zunächst.

Doch dann …

… dachte ihr Vater noch mal darüber nach.

»Es ist die erste Tour. Da geht man die Dinge ohnehin vorsichtiger an, um erst einmal alles auszuprobieren«, erläuterte er, wobei er sich nachdenklich am frisch rasierten Kinn kratzte. »Außerdem ist die Tour nur für acht Tage geplant.«

Ihre Mutter hegte trotzdem Zweifel.

Bis zum Mittag diskutierte und grübelte die Familie. Nach dem Mittagessen stand dann fest: Nach allen Abwägungen, bei allem Für und Wider hielten es alle für die praktikabelste Lösung, dass Marcel und Julia mitfuhren.

Julia begeisterte sich ohnehin schon für die Tierfotografie und hatte längst die Möglichkeit erwogen, später selbst einmal diesen Beruf zu ergreifen.

Und auch Marcel fand es toll, in der Wildnis zu campen und Tiere zu beobachten. Er hatte nur Schwierigkeiten mit der Geduld, die er dabei aufbringen musste. Aber während seine Schwester und sein Vater stundenlang hinter einem Busch kauerten, konnte er ja am Jeep bleiben, Essen vorbereiten und ähnliche Dinge erledigen.

»Damit ist es beschlossen!«, verkündete ihr Vater, wobei seine Skepsis noch nicht ganz aus seiner Miene verschwunden war. »Morgen früh um 6 Uhr 30 geht es los!«

Marcel schreckte auf. »Wann? Um 6 Uhr 30? Das ist ja wie Frühstunde!«

»Ist doch voll cool«, befand seine Schwester.

 

Noch einen Nachmittag und Abend hatten die Kinder Zeit, ihre Sachen zu packen. In dem Jeep blieb allerdings nicht mehr allzu viel Platz.

»Jeder nur einen kleinen Rucksack!«, bestimmte ihr Vater.

»Kein Problem!«, rief Marcel. »Dann lasse ich meine Zahnbürste hier!«

Seine Mutter lachte und tippte sich an die Stirn. »Bei dir piept’s wohl.«

»Wir müssen Wasser sparen!«, beharrte Marcel. »Das kann man doch nicht fürs Zähneputzen verschwenden!«

»Man kann auch mit sehr wenig Wasser sehr gut die Zähne putzen«, versicherte ihm sein Vater. »Und glaub mir: Nichts ist schlimmer als Zahnschmerzen in der Wildnis.«

Marcel bezweifelte zwar, dass er Zahnschmerzen bekommen würde, nur weil er eine Woche lang seine Zähne nicht putzte, aber er gab sich zufrieden.

»Wie machen es eigentlich die Tiere?«, fragte er. »Ich meine, Tiger, Löwen, Wölfe und so weiter. Die putzen doch auch nie ihre Zähne. Aber sie bekommen nie Zahnschmerzen, oder?«

»In erster Linie fressen sie nichts, was Karies verursacht«, antwortete seine Mutter und deutete auf das Eis, das sich Marcel soeben aus dem Kühlschrank holen wollte.

Nachdem die Geschwister alles gepackt und zu Abend gegessen hatten, gingen sie deutlich früher als sonst zu Bett. Aber einschlafen konnten sie noch lange nicht.

Trotzdem waren sie am nächsten Morgen allein schon vor lauter Aufregung topfit.

Pünktlich um halb sieben in der Früh ging es los.

»Wir haben eine Fahrtzeit von netto gut sechzehn Stunden vor uns«, erklärte ihr Vater, als er sich ans Lenkrad setzte. Er überreichte Julia, die vorn in der Mitte saß, eine kleine Karte. »Siehst du? Hin und zurück zusammen rund 1500 Kilometer. Aber wir fahren die natürlich nicht am Stück, sondern halten zwischendurch an, machen Fotos, werden in Camps und Stationen übernachten und auch mal mitten in der Wildnis. Dafür haben wir eine spezielle Sondergenehmigung, die sonst eigentlich nie erteilt wird.«

Julia breitete die Karte auf ihrem Schoß aus, so dass auch Marcel hineinsehen konnte.

ULURU und KATA TJUTA

Der Uluru im Uluru-Kata-Tjuta-Nationalpark in der zentralaustralischen Wüste ist ein in der Abendsonne markant rot leuchtender Berg. Er erhebt sich ca. 350 Meter über der Dünenlandschaft und ist etwa drei Kilometer lang und zwei Kilometer breit. Als eines der Wahrzeichen Australiens gehört er zu den wichtigsten Touristenattraktionen. Für die Ureinwohner der Region, die Anangu, ist der Berg heilig. In der Mythologie der Traumzeit-Erzählungen der Aborigines spielt er eine bedeutende Rolle.

Jährlich reisen Hunderttausende Besucher zum Uluru. Zum Leidwesen der Anangu.

Am 26. Oktober 2019 jedoch konnten die Aborigines das Verbot durchsetzen, den Berg zu besteigen. Seitdem kann der Uluru von Touristen nur noch umrundet werden – von zwei Stellen aus auf genau gekennzeichneten Wegen.

Täglich finden von Parkrangern geführte Wanderungen für Touristen auf diesen Wegen statt.

»Das ist auch der Touristenweg zum Uluru, der meistbesuchten Sehenswürdigkeit in ganz Australien. Aber wir weichen zwischendurch von der großen Straße ab«, erklärte ihr Vater und tippte mit dem Finger auf die Karte.

Dann startete er den Wagen und fuhr los.

Sie bemerkten nicht, wie sich kurz nach ihnen ein weiterer Geländewagen aus Alice Springs auf den Weg machte.

Kapitel 2Aufbruch

Mit dem Sonnenaufgang im Rücken ging es Richtung Westen durch eine zunächst reich bewachsene grüne Landschaft. Vom »roten Zentrum«, wie diese Region Australiens genannt wird, war bislang noch nichts zu sehen. Eine schnurgerade, gut asphaltierte Straße führte über zahlreiche Hügel.

»Die reinste Waschbrettstraße!«, sagte Gunnar.

Marcel schaute seinen Vater fragend an. »Waschbrett?«

»Na ja«, erklärte der. »Die Straße ist so wellig wie das Waschbrett eines Riesen!«

Marcel runzelte die Stirn. »Was ist denn eigentlich ein Waschbrett?«

Sein Vater lachte. »Klar! Das kennt ihr gar nicht mehr. Früher, bevor Waschmaschinen erfunden wurden, hat man die Wäsche in einem Bottich über ein welliges Blech geschrubbt, um sie sauber zu rubbeln.«

Marcel hob die Augenbrauen. »Jedes einzelne Wäschestück?«

Sein Vater nickte. »Ja. Aber ich kenne das auch nur aus Filmen. Und ein Waschbrett ist für mich eher ein Musikinstrument als ein Werkzeug zum Waschen.«

Aber auch Waschbretter als Musikinstrumente kannte Marcel nicht. Auf ihn wirkte die Straße ohnehin mehr wie ein künstlich angelegter Wasserweg, auf dem Surfer Wellenreiten übten – nur dass er statt aus Wasser aus Asphalt bestand. Man konnte einerseits zwar kilometerweit geradeaus schauen, aber andererseits nicht erkennen, ob einem hinter dem nächsten Hügel vielleicht Autos entgegenkamen.

Es kam nur ein einziges. Und das erschien hinter dem Hügel so plötzlich, als wäre es soeben aus dem Erdboden aufgetaucht. Es war für Marcel ohnehin ein komisches Gefühl, hier in Australien auf der »falschen«, nämlich der linken Seite, zu fahren. Wie in England. Das verstärkte noch den Eindruck von Geisterautos, die wie aus dem Nichts auftauchten.

Nach einigen Kilometern wurde die Gegend überraschend kahl und ein großer Teil des Bodens ascheschwarz.

»Hier haben vor zwei Wochen Buschbrände gewütet«, erklärte Gunnar. »Zum Glück nicht so verheerend wie 2019 bis 2020. Da sind mehr als 126000 Quadratkilometer niedergebrannt. Das ist fast doppelt so viel Fläche wie Bayern hat.«

Julia schaute ihren Vater entsetzt an. Es fiel ihr schwer, sich eine solch riesige brennende Fläche vorzustellen.

»Es wurde der Notstand ausgerufen«, erzählte ihr Vater weiter. »Unzählige Tiere wie Koalas und Kängurus verbrannten. Buschfeuer gibt es hier aufgrund der Hitze immer wieder. Und die verbreiten sich bei der Trockenheit blitzartig. Unter anderem deshalb sind wir so früh losgefahren. Wenn es heiß wird, sind wir unserem Ziel schon ein ganzes Stück näher.«

Es stimmte: Aufgebrochen waren sie bei einer angenehmen Morgenfrische von 16 Grad Lufttemperatur. Bis zum Mittag würde die Temperatur auf 40 Grad ansteigen – das war für diesen Tag vorhergesagt. Wenn Marcel nur daran dachte, bekam er schon Durst. Er griff nach einer Wasserflasche.

Nach nicht einmal einer Stunde Fahrzeit verkündete Gunnar: »Wir haben das Owen Springs Reserve erreicht!«

Er verließ den asphaltierten Highway und fuhr quer über den roten Wüstensand.

»Dürfen wir das?«, fragte Julia unsicher.

»Keine Sorge« beruhigte ihr Vater sie. »Wir fahren nicht weit. Siehst du den felsigen Hügel dort? Dahinter halten wir.«

»Und dann?«, wollte Marcel wissen. Er sah auf der Temperaturanzeige im Armaturenbrett, wie heiß es draußen schon war, und verspürte wenig Lust, den angenehm klimatisierten Innenraum des Wagens zu verlassen.

»Machen wir ein paar Fotos!«, erläuterte sein Vater.

Julia griff sofort begeistert nach ihrer Fototasche, während Marcel das Gesicht verzog: Das hatte er befürchtet!

»Etwa wieder Kängurus?«, fragte er maulig.

»Besser!«, versprach sein Vater.

Marcel war gespannt, blieb aber skeptisch. Vielleicht hatten sie Glück und der Felsen, um den sie nun herumfuhren, würde ihnen ein wenig Schatten spenden.

Als sie dahinter ankamen, war Marcel mehr als überrascht.

Mitten in der Wüste lag hier eine Art Tümpel. Wobei »Tümpel« eigentlich nicht der richtige Begriff war. Dafür war die Wasserfläche zu groß. Für einen See wiederum zu klein. Groß genug jedenfalls, dass sich hier …

»Wow!«, stieß Julia aus.

Sie konnte ebenso wenig glauben, was sie sah, wie ihr Bruder.

Über dem Teich schwebte eine schier unglaublich große, dichte, bunte, flatternde Wolke aus – Vögeln! Tausende und Abertausende Vögel in Grün, Gelb und Blau sausten mit ohrenbetäubendem Gekrächze und Gekreische kreuz und quer hin und her, ohne auch nur einen einzigen Unfall zu produzieren. Zwischendurch ließ sich eine Gruppe im Sturzflug hinunterfallen, berührte kurz die Wasseroberfläche und stieg sofort wieder in die Höhe.

»Das sind Wellensittiche!«, brüllte Julia begeistert gegen den Lärm an. »Zigtausende Wellensittiche!«

Jetzt erkannte Marcel es auch. Beim ersten Blick hatte er zunächst an kleine Papageien gedacht. Nie zuvor hatte Marcel Wellensittiche in freier Wildbahn gesehen. Er kannte sie nur aus Zoohandlungen.

»Der Wellensittich ist ein Schwarmvogel!«, erläuterte sein Vater. »Daran denkt man gar nicht, wenn man die Vögel in Deutschland im Käfig sieht. So wie hier leben sie eigentlich: in riesigen Schwärmen. Zu ihrem Schutz. Seht ihr?«

Marcel erkannte noch nicht, was sein Vater meinte.

Die drei stiegen mit ihren Kameras aus, betrachteten das Naturschauspiel aber zunächst durch ihre Ferngläser, die sie am Gürtel trugen.

Als Marcel das Vogelknäuel genauer in Augenschein nahm, entdeckte er es.

Ein größeres schwarzes Etwas schoss mitten durch den Schwarm.

Marcel versuchte, es mit dem Fernglas zu verfolgen.

Jetzt hatte er es im Visier und konnte es so lange im Blickfeld behalten, bis er sein Okular auf volle Schärfe gedreht hatte.

»Da!«, brüllte er aufgeregt.

Julia hatte das Tier längst entdeckt. »Ein Raubvogel! Was ist das für einer? Ein Falke?«

»Ein Rußfalke!«, antwortete ihr Vater. »Deshalb fliegen die Wellensittiche in Formation, als wären sie ein einziges großes Wesen. Dem Falken fällt es schwer, in dem dichten Schwarm einen einzelnen Vogel auszumachen und im Blick zu behalten. Da geht es ihm nicht viel anders als uns. Oder könntet ihr einen einzelnen Wellensittich mit den Augen verfolgen?«

»Nein!«, antwortete Marcel. Genau das hatte er ja gerade eben versucht, und es war ihm nicht gelungen. Innerhalb von Sekunden war der Vogel im Schwarm untergetaucht.

Wellensittich

Jedes Kind hierzulande kennt Wellensittiche – aus der Zoohandlung oder als Haustier. Meist werden sie zu Hause allein oder bestenfalls als Paar gehalten. In der Natur aber ist der Wellensittich ein Schwarmvogel und so gut wie nie allein.

Seine ursprüngliche Heimat ist Australien.

Der Wellensittich gehört biologisch zur Familie der »Eigentlichen Papageien«.

In der freien Natur werden Wellensittiche bis zu 18 cm groß.

Der Schwarm bietet dem Wellensittich den bestmöglichen Schutz vor Raubvögeln, denen es oft nicht möglich ist, in dem Gewirr des Schwarmes einen einzelnen Vogel zu erkennen und zu fixieren, um ihn zu fassen. Einer der größten Feinde der Wellensittiche ist der Rußfalke. Auch von den Aborigines wurden Wellensittiche früher als Proteinquelle gejagt und gegessen.

Der Falke flog immer wieder durch die Wellensittiche, auf der Suche nach einem einzelnen Vogel, der für einen kurzen, unvorsichtigen Moment einen etwas zu großen Abstand zu den anderen hielt. Dieser Moment würde ihm genügen, um zuzuschlagen.

»Am gefährlichsten ist es für die Wellensittiche, wenn sie trinken«, erklärte Gunnar. »Dann halten sie einen Moment still. Das ist ideal für den Falken. Deshalb bleiben die Wellensittiche immer nur für wenige Sekunden an der Wasseroberfläche, trinken schnell und steigen wieder auf. Kommt, wir machen ein paar Aufnahmen!«