Dänische Geschichte - Robert Bohn - E-Book

Dänische Geschichte E-Book

Robert Bohn

0,0
7,49 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In diesem Buch werden die grundlegenden Ereignisse und Entwicklungslinien der dänischen Geschichte von der Wikingerzeit und der Christianisierung bis heute übersichtlich und kompetent dargestellt. Dabei stehen Gesellschaft und Wirtschaft im Mittelpunkt, die politische Geschichte bildet den festen Rahmen und liefert die Chronologie.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Robert Bohn

DÄNISCHEGESCHICHTE

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag C.H.Beck

 

 

Zum Buch

In diesem Buch werden die grundlegenden Ereignisse und Entwicklungslinien der dänischen Geschichte von der Wikingerzeit und der Christianisierung bis heute übersichtlich und kompetent dargestellt. Dabei stehen Gesellschaft und Wirtschaft im Mittelpunkt, die politische Geschichte bildet den festen Rahmen und liefert die Chronologie.

Über den Autor

Robert Bohn, geb. 1952, Dr. phil. habil., Prof., lehrt an der Universität Flensburg Mittlere und Neuere Geschichte. Schwerpunkte seiner Forschung: Geschichte Nordeuropas und Norddeutschlands seit der Wikingerzeit sowie Seefahrtsgeschichte und regionale Zeitgeschichte.

Kurt Jürgensen in Erinnerung

Inhalt

    I. Der Eintritt der Dänen in die Geschichte: Wikinger und Reichsgründer

   II. Gesellschaft und Wirtschaft im Mittelalter

  III. Großmachtzeit: Innere und äußere Konflikte

  IV. Unionszeit

   V. Bürgerkrieg und Reformation

  VI. Der Kampf um die Vorherrschaft im Ostseeraum

 VII. Absolutismus: Der neue Staat

VIII. Aufklärung und Reformen

  IX. Der Kleinstaat

   X. Industrialisierung und politischer Wandel

  XI. Krisen und Kriege

 XII. Der Wohlfahrtsstaat – Dänemark nach 1945

Literatur

Personenregister

I. Der Eintritt der Dänen in die Geschichte: Wikinger und Reichsgründer

In den letzten Jahrhunderten des ersten Jahrtausends n.Chr. entstanden durch herrschaftliche Zusammenfassung von einzelnen Stämmen beziehungsweise Stammesgruppen im Norden Europas die in ihrer ethnischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Struktur aufs engste miteinander verwandten skandinavischen Königreiche. Ihre frühe Geschichte ist – sowohl dynastisch als auch politisch – nahezu unentwirrbar ineinander verflochten. Die spätere Nationalgeschichtsschreibung der Dänen, Norweger und Schweden hat zu diesem verwirrenden Bild dadurch beigetragen, daß sie bei der Herleitung ihrer jeweiligen Staatsgründungsmythen weitgehend auf ein und dieselben materiellen Grundlagen zurückgegriffen hat.

Im Laufe des 8. Jahrhunderts rückte das neue politische Machtzentrum Europas, das Reich der Karolinger, immer näher an Dänemark heran. Um 800 machte sich Karl der Große die Sachsen untertan, wodurch das Frankenreich zum unmittelbaren Nachbarn der Dänen wurde, was nicht ohne Konflikte blieb. In nichtdänischen Texten aus jener Zeit (dänische gibt es nicht) finden wir nun erstmals Berichte über die politischen Verhältnisse in Dänemark, das als ein einheitliches Königreich aufgefaßt wurde, was es aber, wie die Forschung gezeigt hat, tatsächlich noch nicht war. Denn lokale Große waren noch relativ unabhängig von der Königsmacht. Gleichwohl scheint der Reichsbildungsprozeß schon vorangeschritten gewesen zu sein. Darauf deuten unter anderem organisierte Abwehrmaßnahmen gegen das weitere Ausgreifen der fränkischen Macht nach Norden. Wir erfahren, daß ein König Godfred gegen die im östlichen Holstein siedelnden slawischen Stämme zog, die mit Karl verbündet waren. Godfred ließ auch das Danewerk, den schon einige Generationen (seit etwa 700) bestehenden Befestigungswall am Ende der Schlei, weiter ausbauen. Hier entstand die bedeutende dänische Handelsstadt Hedeby (Haithabu), die spätere Drehscheibe des Ost-West-Handels. Um sie zu fördern, ließ Godfred an der nahegelegenen slawischen Küste Handelsorte zerstören, beispielsweise Rerik, dessen Kaufleute Godfred nach Hedeby verpflanzt haben soll. Er suchte mit seinen Seekriegern sogar die Küstengewässer Frieslands heim, das nach dem Verfall der merowingischen Macht im frühen 8. Jahrhundert einige Zeit unter dänischem Einfluß gestanden zu haben scheint, nun aber von den Franken beherrscht wurde. 810 kam Godfred in innerdänischen Machtkämpfen zu Tode. Sein Neffe und Nachfolger Hemming schloß ein Jahr darauf mit Karl dem Großen Frieden, wobei erstmals die Eider als Südgrenze Dänemarks festgelegt wurde. Hemming starb kurze Zeit später eines gewaltsamen Todes, wie überhaupt die fränkischen Quellen jener Zeit von innerdänischen Auseinandersetzungen berichten, in denen die Könige eine für die fränkischen Chronisten wunderliche Neigung zu plötzlichem Versterben zeigten.

Die Machtverhältnisse in Dänemark waren und blieben wechselhaft. Sie sind aufgrund spärlicher Quellen auch nicht mehr im einzelnen rekapitulierbar. Man weiß aber, was die politische Herrschaft betrifft, daß der Sohn eines verstorbenen Königs nicht ohne weiteres damit rechnen konnte, seinen Vater zu beerben. Er mußte sich gegen Konkurrenten aus der eigenen Sippe oder aus den Reihen der anderen Großen durchsetzen. Er war dabei nicht nur vom Kriegsglück abhängig, sondern auch von seiner Fähigkeit, Gefolgschaft (dän. Hird) an sich zu binden. Hierbei war zweierlei wichtig: Die Aura als erfolgreicher Krieger und Mehrer sowie das Vermögen, die Gefolgsleute materiell zu belohnen. Die Gefolgschaft war freiwillig, sie konnte jederzeit aufgesagt werden. Der König herrschte solchermaßen nicht über das Land (im wörtlichen Sinn), sondern über eine Anhängerschaft, die zu vergrößern er stets bestrebt sein mußte. Diese inneren machtpolitischen Verhältnisse waren ein entscheidender Faktor für die Wikingerzüge und die Ausweitung der dänischen Macht im Nordseeraum. Allerdings kamen noch andere Faktoren hinzu, die zusammengenommen erst die historische Epoche hervorriefen, die gemeinhin Wikingerzeit genannt wird. Im Nationalmythos gilt sie als dänische Großzeit schlechthin.

In der älteren Literatur wird oftmals eine Überbevölkerung als Erklärung für die Wikingerzüge vorgebracht, zumal sich die Dänen (und Norweger) auch überall in den eroberten Gebieten als Siedler niederließen. Tatsächlich gab es in Skandinavien einen gewissen Bevölkerungsdruck. Im 8. Jahrhundert hatte hier ein relativ warmes Klima mit ausreichend Niederschlägen geherrscht, was dazu führte, daß ein großer Teil der früher nur als Weide nutzbaren Flächen für den Getreideanbau herangezogen werden konnte. Dies sowie die Einführung neuartiger Ackerbaugeräte wie Radpflug mit Streichblech bewirkten eine Verbesserung der Lebensmittelversorgung und damit einen Anstieg der Bevölkerungszahl. Doch inzwischen weiß man, daß nach 800 keine Landnot herrschte, sondern daß die Wikingerzeit im Gegenteil auch eine Zeit der inneren Kolonisation war.

Daher ist neben den genannten machtpolitischen Verhältnissen im Innern vor allem die allgemeine politische und militärische Lage in Westeuropa als entscheidend anzusehen. Dieses bot am Ende des 8. Jahrhunderts, trotz der Ausdehnung des fränkischen Großreiches unter Karl, vielerorts ein Bild der politischen Zersplitterung – insbesondere auf den britischen Inseln, gegen die sich die ersten großen Wikingerzüge richteten. Nach dem Tode Karls des Großen 814 und der Dreiteilung seines Reichs 843 wurden das west- und das ostfränkische Reich ebenfalls Objekte der dänischen Wikingerzüge.

Neben die bereits genannten treten weitere Faktoren hinzu, die diese Raub- und Eroberungsfahrten erst ermöglichten: Die Entwicklung eines besonderen Schiffstyps sowie der Erwerb nautischer Fähigkeiten, durch die die Skandinavier den anderen europäischen Völkern seefahrtstechnisch überlegen wurden. Das Wikingerschiff war hochseetüchtig und seine Besatzung fähig, es über das offene Meer – Ostsee und Nordsee (später auch den Nordatlantik) – zu navigieren, ohne daß Sichtkontakt zur Küstenlinie gehalten werden mußte. Außerdem konnten sie damit bis zu den Oberläufen der großen Flüsse vordringen; sich mit den kleineren Schiffen sogar kürzere Strecken über Land bewegen, um zu einem anderen Flußlauf zu gelangen. Erst so war das Eindringen in das Fränkische Reich möglich.

Überall im Norden setzte um 800 die sogenannte Reichssammlung, die großräumige Königsordnung mit der Tendenz zur Zentralisierung und Territorialisierung der Herrschaft, ein. Sie rief eine über Generationen andauernde Konfliktkonstellation hervor, bis sich schließlich das Einheitskönigtum gegenüber den Kleinkönigen, Häuptlingen und sonstigen Großen durchsetzen konnte. In dieser Auseinandersetzung wurden viele, die sich nicht unterordnen wollten, aus dem Land gedrängt – oder sie gingen freiwillig. Das junge Einheitskönigtum mit ambitionierten Herrschern setzte sich oft auch selbst expansionistische Ziele, die gleichermaßen der Herrschaftssicherung und der Machtausweitung dienen sollten.

Waren es zu Beginn des 9. Jahrhunderts noch Raubzüge von einzelnen Wikingerhäuptlingen zur englischen, friesischen oder fränkischen Küste gewesen, so nahmen diese Züge ab etwa 840 sowohl an Häufigkeit als auch an Zahl der daran beteiligten Krieger zu. Allmählich änderte sich auch ihr Charakter: Ab der Mitte des 9. Jahrhunderts waren es mitunter große militärische Expeditionen, an denen Hunderte von Schiffen und Tausende von Kriegern beteiligt waren. Der Schlußpunkt dieser Entwicklung waren sozusagen staatliche militärische Unternehmungen, die von Königen oder Angehörigen des Königsgeschlechts geführt wurden.

Seit den 840er Jahren erfolgte Angriff auf Angriff. 845 kamen die Dänen unter dem berühmten Wikinger Ragnar Lodbrok bis Paris, wo Karl der Kahle sie nur gegen eine hohe Tributzahlung zum Abzug bewegen konnte. 885/86 wurde Paris abermals belagert, diesmal über ein Jahr lang, bis Karl III. den Abzug wiederum teuer erkaufen konnte. An den Unterläufen der nordfranzösischen Flüsse dauerten die Verheerungen aber weiter an. Mitunter zogen die Dänen (oft im Bunde mit Norwegern) jahrelang plündernd durchs fränkische Land.

Neben den Zügen ins Frankenreich gingen um die Mitte des 9. Jahrhunderts Angriffe der Dänen nach England einher. Die Zersplitterung der Insel in angelsächsische Teilreiche kam diesen Unternehmungen sehr entgegen. Im letzten Drittel des 9. Jahrhunderts war alles Land von der Themse bis zum Hadrianswall östlich einer Linie London – Chester in dänischer Hand. York wurde der Sitz des dänischen Wikingerkönigs Halfdan und die Stadt selbst ein blühendes Handelszentrum. Die keltischen bzw. angelsächsischen Kleinkönigreiche an den Rändern dieses dänischen Reiches, das bald die Bezeichnung Danelag (Dänenrecht) erhielt, wurden tributpflichtig. Hier in Mittelengland kam es nun gegen Ende des Jahrhunderts aber auch zu einer allmählichen Assimilierung – die Angelsachsen unterschieden sich ja kaum von den Dänen, man sprach sogar fast die gleiche Sprache.

Mit der Seßhaftwerdung und dem Übergang zum Ackerbau ebbten die Angriffe der Dänen Ende des 9. Jahrhunderts ab. Das bot den angelsächsischen Königen Anfang des 10. Jahrhunderts die Möglichkeit, nach rund 70jähriger Dänenherrschaft wieder die Oberhoheit über das Danelag zu erlangen. Dieser Zusammenbruch der Dänenherrschaft hing mit der innenpolitischen Schwäche Dänemarks zusammen. Es war die Zeit König Harald Blauzahns (ca. 960–87), der seine Herrschaft von zwei Seiten gefährdet sah: Einmal durch den deutschen Kaiser und zum anderen durch seinen eigenen Sohn Svend, der unter dem Beinamen Gabelbart in die Geschichte eingehen sollte.

Harald hatte Dänemark erstmals unangefochten unter einer Krone geeint und dabei die Hilfe der Kirche in Anspruch genommen. Er erhob zudem Anspruch auf die Königsherrschaft in Norwegen, die er zeitweise auch durchsetzen konnte. Zwar war König Harald zum Christentum übergetreten, nicht aber alle seiner Dänen – und auch nicht sein Sohn Svend, der von dem räuberischen Wikingerberuf nicht lassen wollte. Viele Gefolgsleute teilten diese Einstellung. Es kam zur unvermeidlichen Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn, in deren Verlauf Harald 987 erschlagen wurde.

Nun wurde Svend Gabelbart König von Dänemark (bis 1014), und mit ihm kam wieder ein Wikingerhäuptling von altem Schrot und Korn an die Macht. Svend sicherte zunächst seine Stellung zu Hause, dann in Norwegen, wo er im Jahre 1000 in der Seeschlacht von Svolder, der größten der Wikingerzeit, im Zusammenwirken mit dem schwedischen König Olof Skötkonung seinen norwegischen Widersacher Olav Tryggvason besiegte, der dabei zu Tode kam.

Svend richtete die dänische Herrschaft nun auch wieder in England auf. Er sandte mehrere Jahre hintereinander Flotten gen Westen, und dem angelsächsischen König Ethelred dem Ratlosen blieb keine andere Wahl, als sich der dänischen Übermacht zu beugen. In diesen Jahren flossen riesige Summen englischen Geldes, Silbers und Goldes nach Dänemark, das sogenannte Dänengeld, insgesamt, so hat man berechnet, etwa 75.000 Kilogramm – ein ungeheures Vermögen. Es war die Zeit, in der in Dänemark die großen, mit hohen Ringwällen versehenen Heerlager angelegt wurden, die Zeugnis ablegen von der letzten großen Kraftentfaltung der dänischen Wikingerzeit. Diese strategisch verteilten Lager waren Burgen gleich, die dem König auch die Herrschaft im Innern sicherten. Sie wurden bisher in Nordjütland (Fyrkat, Aggersborg), Fünen (Nonnebakken) und auf Seeland (Trelleborg) ergraben und dokumentiert. Der Durchmesser solcher Anlagen betrug bis zu 240 Meter. In ihnen sieht die neuere dänische Forschung in erster Linie einen Stützpunkt der inneren Herrschaft.