Dark Canopy - Jennifer Benkau - E-Book

Dark Canopy E-Book

Jennifer Benkau

4,5

Beschreibung

Die Percents, für den dritten Weltkrieg geschaffene Soldaten, haben die Weltherrschaft übernommen und unterjochen die Menschen. Rebellenclans versuchen, außerhalb des Systems zu überleben. Mit ihnen kämpft die 20-jährige Joy gegen das Gewaltregime. Doch dann fällt sie dem Feind in die Hände und muss feststellen, dass sich auch unter den vermeintlichen Monstern Menschlichkeit findet. Und sogar noch mehr … Ausgezeichnet mit dem DeLiA-Literaturpreis 2013 "Dark Canopy" ist der erste von zwei Bänden.

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ich weiß nicht, womit die menschen im dritten weltkrieg kämpfen. aber im vierten

intro

Ich hatte immer behauptet, der erste Percent, der in meinen Wurfradius tritt, würde ihn nicht lebend verlassen.

Aber es kam alles ganz anders.

Der Griff des Messers schmiegte sich in meine Handfläche, als wäre die Waffe für mich gemacht. Meine Schwester Penny hatte das Holz mit Baumwollstreifen umwickelt, die meinen Schweiß aufsaugen sollten. Meine Hände schwitzten immer; ein ernst zu nehmendes Handicap, wenn man nur mit einem Messer richtig umgehen kann und ansonsten über keine nennenswerten Stärken verfügt. Unter dem von Salzflecken überzogenen Stoff war mein Name eingeritzt. Dumm, das wusste ich selbst. Aber etwas Kostbares wie eine Waffe rief Neider auf den Plan und die Buchstaben im Holz konnten mich als Eigentümerin ausweisen. Oder mich verraten. Waffen waren ebenso begehrt wie verboten.

Zwischen den verknoteten Zweigen des Dornenbusches hindurch beobachtete ich, wie er näher kam. Er war furchterregend. Und er sah aus, wie alle Percents aussahen: einen halben Kopf größer als ein durchschnittlicher Mann, schlank, aber muskulös. Makellose Gesichtszüge wie aus Holz geschnitzt, man konnte den einen kaum vom anderen unterscheiden. An seinem kurzen Zopf erkannte ich, dass er ein Varlet war, also noch nicht vollständig ausgebildet. Je höher ihr Rang, desto länger durften sie ihr Haar tragen. Dieser hier war jung.

Für uns waren sie alle gleich: ein gutes Ziel für unsere Waffen.

Der Varlet trat einen weiteren Schritt vor, hob einen dicht begrünten Zweig an und lugte darunter, als suchte er nach Beeren. Natürlich tat er nichts dergleichen. Er wollte mich täuschen. Ich wusste, dass er meine Anwesenheit roch. Sie nahmen Gerüche über ihre Haut auf. Daher trugen sie auch bei Kälte nur ärmellose Hemden, die außerdem die Muskulatur betonten, was uns ihre körperliche Überlegenheit demonstrieren sollte.

In der Düsternis, die Dark Canopy über das Land gelegt hatte, sah er besser als ich, trotzdem entdeckte er mich nicht. Ich kauerte in einer Mulde unter den bräunlichen Blättern des Busches und meine dunkle Kleidung und konsequente Unbeweglichkeit tarnten mich. Er kam so nah, dass ich das leichte Beben seiner Haut bemerkte, das sein Wittern verriet. Ganz sicher wusste er, dass ich da war. Aber ob er auch ahnte, wie nah?

Ich hielt die Luft an und nahm den Messergriff in die linke Hand, wischte mir Daumen und Zeigefinger der rechten an der Hose ab.

Zwei Meter trennten uns. Ich traf jedes noch so magere Karnickel auf zehn Meter. Und dieses Karnickel war einen Meter neunzig groß, hatte hellbraune, überaus verletzliche Haut und anthrazitfarbene Augen mit schlitzförmigen Pupillen. Schlangenaugen, die in meine Richtung sahen, als meine Finger die Messerklinge umfassten und ich die Waffe zum Wurf über die Schulter hob. Für einen Moment stand er wie erstarrt. Und ich ebenso. Keine Bewegung, kein Atmen, kein Hautbeben.

Wirf!, befahl ich mir. Nur ein Karnickel, ein Percent. Einer von Tausenden. Der Feind.

Am Rande meines Blickfelds nahm ich wahr, dass seine Hände leer waren. An seinem Gürtel steckte keine Waffe, nur ein Communicator. Er blinkte nicht, war nicht auf Empfang.

Später redete ich mir manchmal ein, dass ich deshalb gezögert hatte. Weil ich Lunte roch. Denn warum ging ein junger Percent schon allein und unbewaffnet in die Wildnis?

Tatsächlich aber warf ich nicht, weil ich gelähmt war, in ebenjenem Moment, als er meinen Blick aus seinen ausdruckslosen Augen erwiderte. Dann schloss er die Lider, hob das Kinn und ich erkannte, dass es die Wahrheit war, was man über sie sagte. Er kannte keine Angst und ging aufrecht in den Tod.

Natürlich tat er das. Er war nur einer von Tausenden, kein Individuum. Er würde ersetzt werden, sein Sterben hatte keine Bedeutung. Für niemanden. Weder für die Triade, ihre Präsidenten noch für die Städter oder uns Rebellen würde sein Tod etwas ändern. Niemand würde um ihn trauern, ihm selbst war sein Leben egal.

Der Messergriff schlug gegen mein Ohr, so sehr zitterte meine Hand. Mir war es nicht egal.

Unter meinen Knien brachen kleine Zweige, als ich rückwärtskroch. Laub knisterte, es klang wie Feuer und fühlte sich ebenso gefährlich an. Ich hatte schon ein paar Meter zwischen uns gebracht, als er die Augen öffnete. Ich sprang auf, machte schnellere Schritte nach hinten, geriet ins Straucheln, konnte einen Sturz aber gerade noch verhindern. Er starrte mir nach. Jeden Moment würde er lossprinten. Mein erster Fehler würde mein letzter werden.

Versagt. Das Wort donnerte mir mit jedem Pulsschlag durch den Leib. Versagt, versagt, versagt.

Ich stieß mit dem Rücken an einen Baum. Mich herumzuwerfen und zu rennen, würde keinen Sinn ergeben. Sie waren unglaublich schnell. Doch ich konnte ihn immer noch treffen. Ich fasste das Messer wieder an der Klinge. Auf die Entfernung würde er ihm ausweichen können, aber vielleicht wagte er sich nicht näher, wenn ich drohte zu werfen. Hoffentlich.

Erneut hatte ich mich geirrt.

Es kostete ihn nur zwei Schritte Anlauf, um mit einem Sprung mühelos über das Gebüsch zu setzen. Dabei hielt er seinen Blick und all seine Konzentration auf meine Waffe gerichtet, die Hände mit gespreizten Fingern auf Höhe seines Halses erhoben. Es war keine Geste, die mich beschwichtigen sollte. Meine Kehle stellte das Ziel seiner Hände dar.

Ich riss das Messer so schnell hoch, dass es mir fast zwischen den Fingern hindurchgerutscht und nach hinten geflogen wäre. Im nächsten Moment zischte meine Waffe auf ihn zu. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, und doch viel zu lange. Ich glaubte, die Reflexion der silbrigen Klinge in seinen Augen funkeln zu sehen. Dann hörte ich ein Klatschen, einen Augenblick Totenstille und schließlich keuchte er auf. Doch getroffen hatte ich ihn nicht. Er hielt mein Messer zwischen den Handflächen unmittelbar vor seiner Stirn und atmete schwer. Ein Blutstrom rann von seinem Handballen die angewinkelten Unterarme hinab.

Im nächsten Moment stand er direkt vor mir.

Meine eigenen Atemgeräusche versetzten mich in Panik. Vier oder fünf wie abgehackte H klingende Geräusche pressten die Luft aus meinen Lungen, ihnen folgte ein langes, pfeifendes »Hhhüü«, mit dem ich sie wieder einsog. Ich sah die Bewegungen seiner Kiefermuskeln, als er die Zähne zusammenbiss, sah seine Halsschlagader anschwellen. Er hielt mein Messer direkt vor meine Nase, seine Faust um die Klinge geschlossen. Mehr Blut tropfte. Pffscht, pffscht, pffscht.

Ich drohte von meinem eigenen Herzen k.o. geschlagen zu werden und rief mir vor Augen, wie er mir gegenübergestanden hatte, als ich die Waffe noch auf ihn gerichtet hielt. Ich wollte ebenso furchtlos sein. Trotz erfüllte mich und ich hob den Kopf, lehnte ihn gegen den Baumstamm hinter mir und presste die Lider zusammen. Er sollte sehen, dass ein Mensch ebenso stark sein konnte wie ein gefühlskalter Percent.

Sie mochten keine Angst kennen – dafür kannten wir Mut.

»Mach es schnell«, sagte ich, so fest ich konnte.

»Warum sollte ich?«

Seine Stimme traf mich wie ein Schlag. Sie sprachen alle mit der gleichen Stimme. Aus irgendeinem Grund hatte ich angenommen, er wäre anders. Ein besonderer Percent sollte mich töten, nicht einer von Tausenden. Doch würde er mich überhaupt töten? Manchmal holten sie sich junge, schöne Frauen aus den Städten – zum Vergnügen, zum Zeitvertreib. Manche hatten Glück und mussten ihnen nur als Dienerinnen zur Verfügung stehen. Andere –

»Warum?«, wiederholte er schroff. »Sprich!«

Der Gedanke, er könnte mich mitnehmen, ließ den kleinen Knoten aus Schauerlegenden in meinem Hals zu saurer Furcht anschwellen. Ich wollte lieber sterben, als ein Spielzeug dieser Mutanten zu werden, und ich verließ mich nicht darauf, dass meine mickrige Statur und die Narbe, die mir Unterlippe und Kinn teilte, mich schützen würden. Ganz sicher war ich nicht schön. Aber womöglich schön genug.

»Ich hätte dich umlegen können und habe es nicht getan. Du bist mir etwas schuldig, Percent.« Ich spie ihm das Wort mit Spucke vor die Brust.

Einen Sekundenbruchteil später fegte mich ein gewaltiger Schlag zu Boden. Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, dass er mich mit dem Faustrücken umgehauen hatte. Alles war voller Blutspritzer, sie stammten von seiner Hand sowie aus meinen Lippen. Schmerz brüllte in meinem Kiefer und ich konnte den Mund nicht schließen. Speichel lief mir mit Blut vermischt übers Kinn. Ich sah das wellenartige Zucken seiner Haut, die auf den Geruch reagierte.

Der einbeinige Laurencio, der den Jüngeren von uns Lesen und Schreiben beibrachte, hatte einmal behauptet, die Percents würden Menschen bei lebendigem Leib fressen, wenn das Blut sie erst berauschte. »Damit es so richtig spritzt«, hatte er mit gesenkter Stimme erzählt, »lassen sie ihr Opfer möglichst lange am Leben, wenn sie es verspeisen.« Die anderen Erwachsenen sagten zwar oft, Laurencio wäre ein Spinner, aber an diesem Tag hatten sie nicht widersprochen.

Ich grub die Finger in Laub und Erde, tastete verzweifelt nach etwas, das ich als Waffe nutzen konnte. Da war nichts. Nur tote Blätter. Der Percent starrte auf mich herab. Den Kopf schief gelegt, verzog er einen Mundwinkel zu einem höhnischen Grinsen. Wir wussten beide, dass ich verloren war. Teile meines Körpers fielen vor Angst in Ohnmacht, allen voran meine Blase. Ich machte mir in die Hose und schämte mich. Ich schämte mich vor einem Percent – beim Licht der Sonne noch mal! Vor Wut entfuhr mir ein Schluchzen.

Doch plötzlich vibrierte der Comm an seinem Gürtel. Ich wusste nicht, warum, aber der Percent warf gehetzte Blicke in alle Richtungen, atmete dann auf, drehte sich um und verschwand mit einigen hastigen Sprüngen im Wald. Mein Messer nahm er mit, ebenso meinen Stolz. Den Rest von meinem Leben – und das war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr viel – ließ er auf dem vollgepinkelten Waldboden zurück.

• • •

Zu meiner eigenen Verwunderung lief ich nicht nach Hause. Stattdessen schlich ich mich tiefer in den Wald, wenn auch in die entgegengesetzte Richtung wie der Percent. Ich war unbewaffnet und meine Nase lief. Es war mir gleich. Sollten sie doch kommen, die clanfreien Vagabunden, die wilden Hunde und die Mutantratten! Ich summte kaum hörbar ein Lied, das Matthial manchmal pfiff, und war froh, dass er nicht in der Nähe war und mich so sah.

Was war ich nur für eine Kriegerin. Wie erbärmlich meine erste Schlacht verlaufen war! Die Chance zu glänzen war verpufft. Ich hatte versagt.

Beim Bach zog ich Stiefel, Strümpfe und die Jacke aus und ging mit der Hose ins Wasser, um sie zu säubern. Sie auszuziehen, wagte ich nicht. Ich wusch das Blut ab und kühlte meinen Kiefer. Danach zwang ich mich heim und sammelte auf dem Weg ein paar Pilze, um meine Hände zu beschäftigen. Bei jedem, den ich aufhob, sagte ich in Gedanken auf, was ich über diesen Pilz wusste. Wie er hieß, wie er zubereitet wurde, wer aus unserem Clan ihn am liebsten aß.

Der Hexenröhrling schmeckte am besten mit Schmalz und Kräutern gebraten, eignete sich aber nicht für Kinder und Alte, da er schwer verträglich war.

Ich lebte noch. Ohne Messer.

Steinpilze, eine Leibspeise meiner besten Freundin Amber. Ließen sich wunderbar trocknen, wenn sie nicht vorher aufgegessen wurden.

Ich hätte einen Varlet töten können und habe es nicht getan.

Ein Parasolpilz von der Größe eines Suppentellers. Mit altem Brot paniert und gebacken würde er zwei oder drei Leute satt machen.

Der Varlet hatte mich laufen lassen.

Ich musste mich ablenken, aber es funktionierte nicht.

Zu wenige Pilze. Zu viele Meter zwischen ihnen. Zu oft der Gedanke, dass der Percent mein Messer hatte. Und damit meinen Namen, meinen richtigen Namen.

• • •

Hinter den Hagebuttensträuchern tauchte die Coca-Cola-Werbetafel, die die Front der alten Fabrik bedeckte, vor mir aus dem Halbdunkel auf. Sie machte unser Hauptquartier zum buntesten Gebäude weit und breit. Die Farbe war abgeblättert, aber wenn man bedachte, dass schon seit mehr als dreißig Jahren nichts mehr daran gemacht worden war, sah das Haus immer noch schön aus. Ein bisschen Rot, ein bisschen Weiß, und sogar der Schriftzug ließ sich noch erkennen.

Die anderen Clans nannten es selbstgefällig, dass wir uns in diesem farbenfrohen Gebäude versteckten. Aber es bot Platz für alle und wenn die Percents außerhalb der Stadt ihre Razzien durchführten, waren es meist die unauffälligen, ärmlichen Hütten, die sie auseinandernahmen. Oft durchsuchten sie auch die Kanalisation und die alten U-Bahn-Schächte, wo sich einst viele Rebellen versteckt gehalten hatten. Aber am Hauptquartier des Coca-Cola-Clans gingen sie immer vorbei.

Unauffällig sah ich mich um, doch die Straße war wie leer gefegt und ich gelangte ungesehen zur Rückseite des Gebäudes, schlich am geschlossenen Rolltor vorbei, kletterte über die schwankende Feuerleiter nach oben und schlüpfte durch ein Fenster im ersten Stock.

Sofort bemerkte ich unter etlichen weniger angenehmen Gerüchen den Duft von Rübensuppe und jubelte innerlich auf. Es war immer etwas Besonderes, wenn unser Clanführer Mars den Generator für den Herd einschaltete und wir für kurze Zeit Strom hatten. Seine Kinder Matthial, Josh und Janett besaßen eine Playstation, ein Spielgerät, das einst Mars’ Vater gehört hatte, und meist erlaubte er ihnen, sie anzuschließen und ein wenig zu spielen, solange gekocht wurde. Niemand wusste, wie alt dieses Relikt aus früheren Zeiten war und wie lange es noch funktionieren würde; das Ding tat es seit Monaten nur noch, wenn man es falsch herum, mit der Oberfläche nach unten, hinlegte.

Ich beeilte mich, in den Gemeinschaftsraum zu gelangen, um meinen Freunden beim Spielen zuzusehen. Das würde mich auf andere Gedanken bringen und das allgemeine Interesse an den erbitterten Tekken-Duellen zwischen Matthial und Josh würde die Aufmerksamkeit der anderen von mir ablenken.

Heute hatte ich kein Glück. Das Essen war bereits fertig und der kostbare Strom wieder abgeschaltet. Von unseren fünfundzwanzig Clanmitgliedern waren die meisten anwesend. Sie hatten sich auf den paar Stühlen, der Bank und den abgewetzten Sofas und Sesseln um die Tische versammelt, auf denen Töpfe neben schiefen Kerzen standen. Ich registrierte sofort, dass es heute kein Brot gab. Schade, das mochte ich am liebsten. Aber mit meinem Kiefer hätte ich es ohnehin nicht kauen können. Ein paar Gesichter drehten sich kurz in meine Richtung, nickten mir zu und widmeten sich wieder dem Essen. Zwei oder drei Leute sagten »Hallo, Joy«, doch die meisten aßen einfach weiter. Wer keine Schale besaß oder keine Lust hatte, sie nach dem Essen zu spülen, löffelte direkt aus einem Topf.

Ich ging zu Baby, die meistens kochte, und legte meine Pilze vor ihr auf den Tisch, wobei ich mein Gesicht zur Seite neigte, damit sie meinen Kiefer nicht sah. Baby trug ihren Namen, weil sie permanent Kinder bekam, keiner wusste so recht, von wem. Das letzte war im achten Monat gestorben, aber sie war – wie Mars es nannte – schon wieder trächtig. Das vorletzte hatte sie sich mit einem Tuch auf den Rücken gebunden, zwei weitere Kleinkinder saßen zu ihren Füßen und zankten um eine rohe Rübe. Die meisten Erwachsenen mochten Baby nicht besonders, ich dafür umso mehr. Leider beruhte dies auf Gegenseitigkeit, dadurch entging ihr mein Verhalten natürlich nicht.

»Was ist passiert, Püppchen?«, fragte sie und drehte mein Gesicht ins Kerzenlicht. Prompt schlug sie die Zähne zusammen. »Mein Gott, deine Wange! Wer hat dich so geschlagen?«

»Ein Perschent.« Mist. Ich bekam den S-Laut nicht richtig zustande.

Baby ließ den Löffel fallen und schlug die Hände vor den Mund. Im gleichen Moment bemerkte und bereute ich zugleich, dass ich unüberlegt die Wahrheit gesagt hatte. Es war zu spät, das Ganze als Witz abzutun, Baby wiederholte meine Antwort bereits laut und deutlich mit mehreren Fragezeichen dahinter, die im Raum umherzufliegen und zu blinken schienen wie Leuchtschilder aus der Stadt.

»Aber isch bin ihm entkommen!«, rief ich. Ach nee.

Meine Worte hallten durch den Aufenthaltsraum, in dem meist Ruhe herrschte, damit uns von draußen niemand hörte. Für einen Moment hielt jedes Schmatzen und Schlürfen inne. Dann sagte irgendwer: »Echt jetzt?«

Im Nu war ich umringt und musste meinem Clan Bericht erstatten. Ich wagte kaum, jemanden anzusehen, außer meine Freundin Amber, deren Augen schreckensstarr wurden. Sie war die Ängstliche von uns beiden und mich schauderte bei dem Gedanken daran, dass sie ursprünglich heute mit mir zum Jagen in den Wald hatte gehen wollen. Neben ihr stand Penny und schüttelte zornig den Kopf, als würde sie es nicht glauben und mich für meinen Leichtsinn am liebsten auf die heile Wange schlagen.

Mein Unbehagen verflog, als unter den Erwachsenen ein paar unterdrückte Töne der Erleichterung laut wurden und jemand anerkennende Worte flüsterte. Ich fühlte sogar ein wenig Stolz, weil der Percent mich nicht erwischt hatte. Dass er es war, der mich verschont hatte, sagte ich nicht. Natürlich ließ ich auch weg, dass der Percent nun mein Messer besaß, und von meiner vollgepinkelten Hose würde kein Mensch je erfahren. Diese Minuten gehörten mir. Ich war die Heldin; eine tapfere Rebellin, die ganz allein einem Percent entkommen war.

Ich blieb es, bis unser Anführer Mars, der noch nie von Angesicht zu Angesicht mit mir gesprochen hatte, mich an den Schultern zu sich zog.

»Wo ist denn deine Klinge, Messermädchen?«

»Verloren«, murmelte ich. Um ihm nicht in die Augen schauen zu müssen, starrte ich auf seinen drahtigen aschblonden Bart.

Er schüttelte den Kopf, diese Antwort stellte ihn nicht zufrieden. »Wo ist die Klinge, Messermädchen, in die du deinen Namen geritzt hast, um sie nicht zu verlieren?«

Mein Hochmut hatte mich verraten. Ich war stolz gewesen, wenn sie mich Messermädchen genannt hatten, weil ich so gut mit dem Messer umgehen konnte. Nun war ich nur noch ein Mädchen und Mars bemerkte das sofort und verhöhnte mich.

»Er hat schie. Isch wollte werfen, aber …«

Die Strafe folgte auf dem Fuße. Mars schlug mir unvermittelt mit der flachen Hand auf die unversehrte Wange, wobei er meine Schulter nicht losließ, sodass ich aufrecht stehen bleiben musste. Meine Zähne schlugen zusammen und der Schmerz auf der anderen Seite flammte mit voller Wucht wieder auf. Flecken erschienen und verschwanden vor meinen Augen. Pennys spitzer Schrei durchdrang das Dröhnen in meinen Ohren. Ich schluckte, blinzelte und tat mein Möglichstes, nicht zu heulen.

»Du bist tapfer«, sagte Mars, nachdem er mich eine schier endlose Zeit gemustert hatte.

Ich nickte. Auch als der Percent mich schlug, hatte ich nicht geweint.

»Es ist gut, dass du entkommen bist. Die Backpfeife war allein für den Namen im Messer, Joy Annlin Rissel.« Damit drehte er sich weg und ging zurück zu seinem Platz und alle anderen taten es ihm nach, als wäre nichts gewesen. Selbst Penny wandte sich ab, denn sie wusste, dass sie mir nun keine Hilfe war.

Verdattert blieb ich zurück. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass Mars meinen Vornamen wusste. Aber er kannte meinen ganzen Namen!

Mars’ ältester Sohn, Matthial, trat an meine Seite. Das war okay, da Matthial ungefähr in meinem Alter und ebenfalls ein junger Krieger war. Es war erlaubt und gern gesehen, dass wir uns gegenseitig unterstützten, selbst wenn es den Älteren bereits untersagt war, sich um uns zu kümmern. Sobald wir keine Kinder mehr sein wollten, wurden wir auch nicht mehr als solche behandelt.

Matthial legte seinen Arm um meine Schultern, nahm von Baby eine Schale Suppe an und führte mich zu einem leeren Tisch. Dort schob er mich auf ein Sofa, setzte sich zu mir und wies seinen Schäferhund Rick an, sich an meine andere Seite zu legen. Ich streichelte das warme Fell und wischte schnell ein paar Tränen ab, die nun doch kamen. Niemand sah hin, nur Rick leckte mir das Salz von den Händen.

Es war ungewöhnlich für Matthial, dass er kein Wort sagte. Und er sah mich auch nicht an. Stattdessen starrte er voller Verachtung über die Tische hinweg zu seinem Vater. Sein Verhalten wunderte mich, denn Matthial selbst wurde weit härter bestraft, wenn er Fehler machte. Er beschwerte sich nie darüber. Eigentlich hatte ich verfluchtes Glück gehabt. Eine Ohrfeige war eine milde Strafe, wenn man bedachte, dass meine Dummheit den Clan und vielleicht die ganze Rebellion in Gefahr gebracht hatte. Die Percents wussten natürlich, dass wir Waffen besaßen, auch wenn das streng verboten war. Ich konnte mir jedoch vorstellen, wie viele Messer sie nun bei uns vermuteten, wenn selbst junge Mädchen damit herumliefen. Vermutlich durchsuchten sie nun die Stadt nach der Familie mit meinem Namen. Da kamen sie zu spät. Ein schwacher Trost.

• • •

In dieser Nacht fand ich kaum Schlaf. Ich lag in meinem Bett unter dem Fenster, sah stundenlang in den klaren Nachthimmel und lauschte Pennys Schnarchen. Mein Gesicht stank bestialisch nach ihrer Beinwellessenz, mein Kiefer pochte und meine Wange brannte.

Wo sollte ich ein neues Messer herbekommen?

• • •

Am frühen Morgen weckte mich der entfernte Klang der Glocken, der aus Lautsprechern kam, seit es keine Kirchen mehr gab. Solange ich denken konnte, läuteten sie nur zweimal im Jahr.

Einmal im Frühjahr, am Tag der Eroberung, gegen Mittag, sobald der Himmel dunkel war. Dann mussten alle Städter auf den Straßen Spalier stehen und das Zeichen machen, das für Respekt stand, während die Percents zwischen ihnen hindurchschritten, auf Pferden ritten oder in Wagen fuhren, die Menschen zogen. Manchmal sah man sogar noch ein Automobil, aber dafür musste man erst einmal den Mumm haben aufzublicken.

Das zweite Mal erklangen die Glocken im Herbst. Am Blutsonnentag, meinem Geburtstag, in den Morgenstunden. An diesem Tag musste niemand Spalier stehen, die Demütigung der Erinnerung reichte auch so. Dieser Tag war heute.

Die Glockenklänge waren allerdings nicht nur Erinnerung an die Vergangenheit, oh nein. Sie ließen auch jedermann wissen, dass am Mittag das Chivvy stattfinden würde, eine Hetzjagd auf Menschen. Ein Ritual, mit dem die Varlets in die Welt der Krieger aufgenommen wurden und die Percents zugleich den Städtern demonstrierten, wie weit sie ihnen überlegen waren. Es sollte den Menschen eine Lehre sein, nachdem sie sich am Blutsonnentag aufgelehnt hatten.

Im Aufenthaltsraum traf ich bei der Suche nach etwas Essbarem auf Matthial und seinen zwei Jahre jüngeren Bruder Josh, der mit seinem honigblonden Strubbelkopf und den blassgrauen Augen ein knochiges Ebenbild seines ohnehin schon schlaksigen Bruders darstellte. Matthial hatte einen seltsamen Ausdruck auf dem müden Gesicht und schlug mir zur Begrüßung fester als sonst auf die Schulter. Er konnte nicht besser geschlafen haben als ich, vielleicht war er auch gar nicht erst zu Bett gegangen.

»Ist etwas passiert?«, fragte ich.

Josh schluckte. »Sie haben gestern drei Männer aus Jamies Clan getötet und zwei verletzt. Ein Hinterhalt, sie haben ihnen eine Falle gestellt. Wir haben es gerade erst erfahren.«

»Fuck«, murmelte ich. Wir verwendeten das Wort recht häufig, um zu maskieren, dass es uns kaum noch berührte, wenn jemand starb. Die Kleinen heulten meist. Wir nicht. Schon lange nicht mehr.

»In den nördlichen Wäldern«, fuhr Josh fort und trat von einem Bein aufs andere.

Mein Blut gefror, denn genau dort war ich gestern gewesen. »Darum war er unbewaffnet«, entfuhr es mir. »Er war ein Lockmittel.«

Matthial nickte knapp. »So haben sie Jamies Leute überwältigt. Sie trafen auf einen unbewaffneten Varlet, griffen an und verrieten damit ihren Standort den in der Nähe lauernden Kriegern. Himmelgraue Scheiße.«

Ich schnaubte, entrüstet über so viel Kaltherzigkeit der Percents, die ihresgleichen einfach opferten. Doch irgendetwas daran war seltsam … Warum hatte der Varlet bei mir keinen Alarm geschlagen? Vielleicht war ich es nicht wert. Sie wollten Rebellenkämpfer, keine Mädchen. Aber er hätte mich so leicht töten können, warum hatte er es nicht einfach getan? Womöglich aus dem gleichen Grund, aus dem auch ich ihn nicht getötet hatte?

Ich versuchte, das Grübeln zu unterbinden. Ich war mir ja noch nicht einmal über mein eigenes Motiv im Klaren. Es hatte keinen Sinn, über die Motive eines Percents zu spekulieren.

Unzufrieden mit mir selbst verließ ich den Aufenthaltsraum. Die Sonne ging auf, ich wollte die beiden kurzen Stunden Tageslicht nutzen, die die Percents der Natur zugestanden, ehe sie den Himmel wieder verdunkelten. Ein Ruf von Matthial ließ mich im Türstock innehalten.

»Joy?« Er grinste bemüht. Dann zog er seinen Dolch aus der Scheide und warf ihn in meine Richtung. Zitternd blieb die Klinge im Türrahmen stecken.

»Was …?«

»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Messermädchen. Und zur Volljährigkeit.« Er drehte sich um und verließ den Raum durchs Fenster. War er rot geworden?

Josh zuckte mit den Schultern, sagte: »Ähm … ja, von mir auch«, und folgte ihm.

Verwirrt zog ich Matthials Waffe aus dem Holz und prüfte beide Schneiden mit dem Daumen. Verdammt scharf, er musste sie gerade erst geschliffen haben. Die Klinge war zwanzig Zentimeter lang, der Dolch recht schwer, aber perfekt ausbalanciert. Staunende, eisblaue Augen spiegelten sich auf dem blank polierten Stahl. Sie kamen mir fremd vor. Selbstverständlich, denn ab heute war ich jemand anderes. Ab heute war ich sechzehn. Volljährig. Berechtigt, mich frei zu bewegen und zum Handeln in die Stadt einzudringen, und verpflichtet, alles zu tun, was nötig war, um unser Überleben zu sichern, auch wenn ich mich dadurch in Gefahr brachte.

Ab heute war ich eine Kriegerin.

dreieinhalb jahre später,

1

fort hier, nur fort. wo mag das sein?

Die Bettgymnastik meiner Schwester hätte mich weniger gestört, wenn sie etwas abwechslungsreicher gewesen wäre. Aber den immer selben schemenhaften Aufs und Abs zusehen zu müssen, begleitet von der stets gleichen Geräuschkulisse, reizte meine Nerven bis zum Äußersten. Sie hatten doch schon ein Kind. Wollte Penny enden wie Baby? Baby war tot, gestorben an einem Fieber nach der Geburt ihres letzten Kindes.

Vielleicht nervte es mich aber auch nur, dass die beiden schwitzten und ich selbst erbärmlich fror. Nichts hasste ich mehr als den Winter. Wobei Schlaflosigkeit sowie die Unfähigkeit, wichtige Entscheidungen zu treffen, auch weit oben auf meiner Hassliste rangierten. Heute Nacht kam alles zusammen.

Ich warf eine Blechschale und traf den keuchenden Ennes am Kopf. Er fluchte wüst in meine Richtung, ließ sich ansonsten jedoch nicht stören. Er kam noch nicht mal aus dem Rhythmus. Bewundernswert. Wenn er doch nur halb so gut jagen und kämpfen könnte oder neben dem inbrünstigen Gerammel wenigstens auch ein paar sinnvolle Interessen hätte! Ich verstand nicht, was Penny an ihm fand. Sie war zu gut für ihn, jeder sah das so, ausgenommen sie selbst.

Seufzend kam ich auf die Beine, wickelte mir meine Decke um die Schultern, ließ ein paar unflätige Bemerkungen zurück und trat aus dem Zimmer, das ich mir immer noch mit Penny teilte. Der Clan war in den letzten Jahren gewachsen, das Coca-Cola-Haus wurde langsam, aber sicher zu klein.

Barfuß schlurfte ich durch die Gänge. Bei der Sonne, wie sehr ich die Kälte hasste! Von draußen erklang das erbärmliche Heulen der wilden Hunde, die manchmal unseren Müll durchwühlten. Die froren sicher auch. Der Boden war so kalt, dass es wehtat draufzutreten. Als ich Matthials Tür erreicht hatte, überzog Gänsehaut meinen ganzen Körper. Ich klopfte mit den Fingerknöcheln gegen das Metall, doch bekam keine Antwort. Umso besser. Matthial war ein guter Redner, aber zuhören konnte er nur, wenn er schlief. Leise öffnete ich die Tür, stahl mich hinein und stieß mit dem Fuß gegen seine Matratze. Matthial war einer der wenigen mit einem eigenen Zimmer. Leider war sein Reich nicht mehr als eine ehemalige Besenkammer; es fasste nur die Matratze, einen Haufen aus Kleidung und Krempel, den er seinen Besitz nannte, sowie den Stuhl, auf dessen Sitzfläche er die Pflanzen zu trocknen versuchte, die er rauchte. Erfolglos natürlich. Fenster gab es nicht. Die Luft eignete sich besser zum Trinken denn zum Atmen und Matthials Körpergeruch, den ich für gewöhnlich mochte, mischte sich unangenehm mit dem modrigen Aroma der Blätter und dem Gestank seines alten Hundes. Vorsichtig stieg ich über Rick hinweg. Seine Augen glänzten kurz auf, ehe die Tür zufiel und wir in absolutem Dunkel zurückblieben. Mit den Zehen tastete ich nach Matthials Körper und ließ mich neben ihm nieder.

»Hmm, Joy?« Seine Hand suchte sich träge einen Weg unter meine Decke und meinen Pullover, bis er meinen Bauch berührte. »Du bist kalt wie ’n Fisch. Komm her.«

»Schlaf weiter«, flüsterte ich. »Ich will nur hier pennen.«

Er brummte etwas Unverständliches, nahm mich unter seine Decke und schloss die Arme um meine Taille. Ich wollte warten, bis er schlief, und ihm dann von allem Elend erzählen, das auf mir lastete. Von meinen Plänen, die davon handelten, dass ich ging. Ihn verließ, und mit ihm mein ganzes Leben und alles, was ich kannte. Doch seine Wärme und das gleichmäßige Heben und Senken seiner Brust lullten mich ein. Vielleicht atmeten er und sein Hund mir auch den Sauerstoff weg. In jedem Fall schlief ich noch vor ihm ein und die Entscheidung, die ich in dieser Nacht getroffen hatte, blieb mein Geheimnis.

• • •

Am nächsten Morgen hatten Amber und ich einen Auftrag zu erfüllen. Wir mussten in die Stadt, um Lebensmittel zu organisieren. Wie wir das anstellten, blieb uns überlassen. Zwar nahmen wir Felle mit, die bei der Kälte sicher begehrt waren, doch ob die Städter überhaupt etwas zum Tauschen hatten, war eine ganz andere Frage.

Ich witzelte, dass Mars uns nur darum bat, weil er auf unsere Inhaftierung hoffte, um zwei hungrige Mäuler weniger versorgen zu müssen. Amber fand meinen Zynismus selten komisch, aber diesmal wurde sie ernsthaft sauer.

Unser Clan war nicht arm, verglichen mit anderen ging es uns recht gut. Immerhin besaßen wir zwei Milchziegen und ein paar Hühner. Unser größter Stolz war das störrische Pferd, eines der wenigen, das von Menschen über die Hungerszeiten gebracht worden war. In den letzten beiden Wochen war der Clan jedoch erneut um drei Menschen gewachsen: eine Flüchtlingsfrau sowie zwei junge Männer. Wir nannten sie die Matches-Brüder, weil sie lang und dünn waren, feuerrotes Haar besaßen und dadurch wie Streichhölzer aussahen. Die Schwester der beiden war von den Percents als Dienerin eingezogen worden. Nun wollten die Brüder Rache und erwarteten, diese in unseren Reihen ausleben zu können. Leider erwarteten sie auch, dass wir sie durchfütterten. Ich konnte es ihnen nicht verübeln, im Winter kamen immer Neue. Genau dann, wenn wir sie am wenigsten gebrauchen konnten.

»Ich werde weggehen«, sagte ich, nachdem Amber und ich eine gute halbe Stunde schweigend marschiert waren.

Wir hatten ein Stück kahlen Ahornwald hinter uns gelassen und durchquerten nun Bomberland, jenes Gebiet, in dem im Krieg alles Lebendige ausgelöscht worden war. Selbst jetzt, viele Jahrzehnte später, gab es hier nicht mehr als Krater, dürres Gras, Unkraut und Flechten, die sich für nichts zu schade waren. Bomberland fand man überall, auch dort, wo alten Karten zufolge – laut denen der Name unseres Landes vor dem Krieg Großbritannien gewesen war – größere Städte gelegen hatten. Um die übrig gebliebenen Ruinen machte man besser weitläufige Bogen, denn dort versteckten sich oft wilde Hunde, wenn sie nicht von den Mutantratten verjagt worden waren. Diese Biester hatten die Größe von Katzen und galten allgemein als recht friedlich. Doch sobald sie Hunger hatten, schlossen sie sich wie wir zu Clans zusammen und dann Gnade dem, der sich ihnen in den Weg stellte. Es hieß, Mutantratten hätten bereits ganze Rebellendörfer ausgelöscht.

»Amber? Hast du gehört, was ich gesagt habe?«

Meine Freundin reagierte nicht auf meine Worte, nur das Knirschen der gefrorenen Pflanzen unter unseren Stiefeln durchbrach die Stille mit jedem Schritt. Oder knirschten ihre Zähne? Meine klapperten.

»Zwei Tagesmärsche nördlich von hier gibt es mehrere kleine Clans, die nach Mitgliedern suchen. Ich habe Gerüchte gehört, dass einige versuchen wollen, im Sommer das Meer zu überqueren. Ihr Ziel ist das Land, das man früher Skandinavien nannte. Zwei Jungs aus Jamies Gruppe wollen sich ihnen anschließen. Vielleicht sollte ich es ihnen gleichtun.«

»Ich habe gehört, dass keiner dieser Versuche je gelungen ist«, gab Amber zurück. Sie grub die Hände tiefer in die Taschen ihres Mantels. »Außerdem weiß niemand, ob es auf der anderen Seite des Meeres nicht auch Percents gibt. Wenn man ihnen Glauben schenkt, sind sie überall auf der Welt.«

»Wer glaubt denen schon?« Ich hatte erwartet, dass sie meine Idee nicht unterstützen würde. Amber war die Vorsichtige von uns. Möglich, dass ich gerade deshalb mit ihr über diese Sache sprach. »Wir werden es nie erfahren, solange es niemand versucht.«

Amber lachte trocken. »Sagst du uns Bescheid, dass es nicht funktioniert, nachdem sie dich getötet haben und deine Überreste von den Fischen gefressen wurden?«

Natürlich hatte sie recht. Keinem nützte ein Himmelfahrtskommando. Doch ich war es müde, einfach darauf zu warten, dass man uns inhaftieren würde. Oder – was noch schlimmer war – dass wir uns irgendwann ergeben mussten, weil die Nahrung nicht mehr ausreichte. Es schien mir nur noch eine Frage der Zeit. Gefangenschaft fürchtete ich mehr als alles andere und die Angst nahm mir jegliche Energie. Ich war eine Kriegerin von neunzehn Jahren und fühlte mich erschöpft und nutzlos wie eine alte Frau.

Unser Kampf war vor langer Zeit zum Erliegen gekommen. Die Matches-Brüder führten mir dies deutlich vor Augen. Sie waren voller Wut und gleichzeitig erfüllt von dem Drang, zu kämpfen und etwas zu bewegen. In ihren Augen leuchtete ein Feuer, der Wunsch nach Rebellion, den wir alle einmal verspürt hatten. In wenigen Monaten würden auch sie erkennen, dass unser einziger Kampf darin bestand zu überleben. Das Feuer würde verlöschen, zurück blieb nur Asche. Grau und tot.

Es gab keine Rebellion. Nur die Flucht vor der Realität. Die Parolen, die davon tönten, dass wir Menschen uns erheben und das Land – unser Land! – zurückerobern würden, gerieten schon in Vergessenheit. Ich hatte sie seit Jahren nicht mehr gehört.

Frustriert trat ich ein paar Steine vor mir den Trampelpfad entlang, den wir inzwischen erreicht hatten. Der warm gewordene Stahl des Dolches in meinem Hosenbein drückte gegen meine Wade.

Unsere Rebellion war ein Kampf gegen Windmühlen. Wie in der Geschichte, die man uns erzählte, von diesem dummen Mann, der sich für einen Ritter hielt, bloß weil er ein Pferd hatte. Für uns sah es nicht besser aus, denn wir kämpften gegen intelligente Windmühlen, die für die paar einzelnen, die wir niederrissen, drei neue aufbauten. Da half ein Pferd überhaupt nichts.

»Was ist eigentlich mit Matthial?«, frage Amber. Sie sprach nun leise, da wir die Stadtgrenze fast erreicht hatten.

Ich hatte mit der Frage gerechnet. »Was soll mit ihm sein?«

»Er ist Mars’ Sohn. Er wird den Clan irgendwann übernehmen und kaum mit dir kommen, oder?«

Der eisige Wind brannte auf meinen Wangen, ich zog mir den Schal bis über die Nasenspitze. »Keine Ahnung. Ich habe nicht mit ihm darüber gesprochen.«

Amber steckte ihre Hand in die Jacke meines Parkas, griff nach meinen Fingern und drückte sie. »Dein Plan ist Irrsinn … das ist doch reiner Selbstmord! Rede mit Matthial. Bitte sag ihm, dass er dich davon abhalten soll. Du hörst doch auf niemand anderen, nur auf ihn.«

»Ich frag aber dich nach deiner Meinung, oder?«

»Ja.« Sie seufzte. »Aber nur aus einem Grund. Um hinterher sagen zu können, dass es bloß die gute alte Amber war, die dich aufhalten wollte. Amber-Hasenfuß.« Sie ließ den Kopf hängen und ihr dunkelblondes Haar fiel vor ihr Gesicht.

Auch ich senkte den Blick. Ich schämte mich ein wenig, denn ich hatte nicht gewusst, dass sie den spöttischen Spitznamen kannte, den wir ihr als Kinder gegeben hatten. Und nun durchschaute sie auch noch meine Absichten. Hatte ich sie unter- oder mich überschätzt?

Vor uns schälte sich der Zaun aus messerscharfem Z-Draht aus dem Halbdunkel und wir suchten eine geschützte Stelle, um abzuwarten. Im Osten zeichnete sich die glänzende Kuppel des ehemaligen Kernkraftreaktors vor dem Firmament ab und vor uns, auf der anderen Seite des Zauns, leuchteten die ersten Lichter der Stadt. Die Percents versorgten sie mit Strom aus einem Gezeitenkraftwerk an der Südküste. Vor vier Jahren hatten wir es angegriffen und für ein paar Tage stilllegen können, in der Hoffnung, damit auch Dark Canopy – der Maschine, die den Himmel verdunkelt – den Saft zu stehlen. Doch die DCs, die es in jeder Stadt gab, hatten eigene, geheim gehaltene Stromversorgungen. Es war unser letzter Vorstoß gegen die Percents gewesen, denn getroffen hatten wir nur die Städter und uns selbst, da wir jede Menge Sympathien verspielten. Viele Stadtleute unterstützten den Kampf gegen das Böse theoretisch – aber nur solange die eigenen Hütten warm und sicher waren.

»Und du würdest tatsächlich einfach ohne ihn gehen?« Amber ließ nicht locker. »Ehrlich, Joy, ich verstehe dich nicht. Ich würde nichts aufs Spiel setzen, wenn ich einen solchen Freund hätte. Du schmeißt ein gutes und sicheres Leben weg. Er liebt dich.«

Ich stieß ein Atemwölkchen in die Luft. »Er schläft mit mir.« Ja. Er schlief mit mir, wenn mir danach war. Und er schlief neben mir, wenn es das war, was ich brauchte. Er kannte meine Geheimnisse, wie ich seine kannte. Matthial wusste, dass ich manchmal Nahrungsmittel aus dem Gemeinschaftsbestand stahl. Ich wusste, dass er bei Gewitter Albträume bekam. Wir waren zu gute Freunde, um uns zu lieben.

Amber allerdings hatte offenbar beschlossen, mich in den Wahnsinn zu treiben. »Für die meisten Menschen gibt es zwischen Sex und Liebe einen Unterschied, mag sein. Aber nicht für ihn und nicht für dich, das weißt du genau.«

»Manchmal gehst du mir auf die Nerven, Amber. Matthial ist mein Freund. Mein bester Freund.« Mit der Betonung schürte ich ihre Eifersucht. »Weil er mir nicht permanent einredet, dass dies nicht ausreichen würde.«

Wie erwartet zog Amber ihre Hand aus meiner Tasche. »Bis er dir einen Braten in die Röhre schiebt, dein ›bester‹ Freund.«

»Wir passen auf.« Amber wusste nicht, dass ich nicht fruchtbar war, meine Periode nie bekommen hatte, und sie hätte auch nicht verstanden, welche Erleichterung das für mich darstellte. Es war ein weiterer Grund, den Clan früher oder später zu verlassen. Kinder waren in unserer Gesellschaft wichtig, all unsere Hoffnung baute auf nachfolgende Generationen. Wenn wir es nicht schaffen, uns unser Land zurückzuholen, sagte Mars immer, dann ist es unsere Aufgabe, unseren Kindern den Weg zu ebnen. Entscheidend ist, dass wir gewinnen, das Wann ist nicht so wichtig. Wenn er etwas Derartiges sagte, sah Matthial mich immer auf diese bestimmte Weise an, die mir einen Stein in den Magen legte. Ich hatte früh erkannt, dass es zwischen uns keine ernsthafte Liebe geben konnte, und ich hatte mein Herz sehr viel besser im Griff, als Amber dachte. Matthial und ich hatten keine Zukunft. Ich würde ihm nie die Kinder gebären können, die der Clan von seinem Anführer verlangte. Besser, ich ging, bevor er genau das von mir erwartete.

Amber schmunzelte, als wäre sie mir in einer entscheidenden Sache weit voraus. »Ihr passt auf, so so. Na, das denken sie alle.«

Ich hatte keine Lust mehr auf diese Diskussion, sie würde in einem ernsten Streit enden. Alles, was ich nicht wollte, war, mit meiner Freundin zu streiten. Nicht jetzt, da wir in die Stadt vordringen mussten, und erst recht nicht, da ich mit dem Gedanken spielte, sie alle für immer zu verlassen. »Können wir das Thema beenden?«

Amber verzog missbilligend den Mund. »Natürlich.« Leise, wie zu sich selbst, fügte sie hinzu: »Du sprichst ja sowieso nur über das, worüber du sprechen willst.«

»Danke für dein Verständnis«, gab ich demonstrativ freundlich zurück und schätzte die Zeit am Himmel ab.

In einer halben Stunde würde die Sonne aufgehen und die beiden Stunden einläuten, in denen die Percents in ihren Häusern blieben. Ihre Haut reagierte überempfindlich auf das UV-Licht, weshalb sie den Himmel für viele Jahre gänzlich verdunkelt hatten. Infolgedessen war es zu verheerenden Hungersnöten gekommen, die wohl auch an den Percents nicht spurlos vorbeigegangen waren. Schließlich hatten sie experimentiert, wie viel Sonne sie der Natur zugestehen mussten, um ein Mindestmaß an Ernteerfolgen sicherzustellen. Was bedeutete: ihren Eigenbedarf und zusätzlich so viel, wie nötig war, um die für sie arbeitenden Stadtmenschen am Leben zu erhalten.

Sie schalteten Dark Canopy ab, nachdem die Sonne unterging, und nahmen es zwei Stunden nach Sonnenaufgang wieder in Betrieb. Diese beiden Stunden waren unsere beste Chance, mit den Städtern in Kontakt zu treten, denn zu dieser Zeit patrouillierten allenfalls einzelne Percents in Schutzanzügen, in denen wir sie leicht ausmachen und uns rechtzeitig vor ihnen verbergen konnten. Die Ausgangssperre, die in diesen Stunden galt, erleichterte unser Vorhaben allerdings nicht wirklich.

Wenig später knipste Amber sich mithilfe ihres Seitenschneiders Stück für Stück durch eine verborgen liegende Stelle im Zaun. Gemeinsam bogen wir das durchtrennte Eisen auseinander, schlüpften mit unserem Beutel Tauschwaren durch das Loch und schlossen die Lücke hinter uns. Ich wickelte ein wenig Draht darum, damit unser Privatdurchgang geschlossen blieb und von Weitem nicht zu erkennen war.

Lautlos hielten wir auf die ersten Häuserblocks zu und arbeiteten uns zwischen den Gebäuden voran. Es handelte sich in diesem ärmlichen Stadtteil, nahe dem Zaun, um ein- oder zweigeschossige Wohnbauten. Die Fenster waren verbarrikadiert, um die Bewohner vor der Kälte zu schützen, denn unbeschädigtes Glas suchte man hier vergebens. Angeblich hatten in der Vergangenheit einzelne Familien ein ganzes dieser Häuser für sich gehabt. Angesichts dessen, dass heute jeder Raum von mehreren Menschen bewohnt wurde, konnte ich solchen Erzählungen kaum Glauben schenken.

In dieser Gegend lebten einfache Arbeiter. Bei ihnen war nichts zu holen, sie hatten selbst weniger als wir, also ließen wir den Bezirk schnell hinter uns.

Unser Ziel waren die Hochhausschluchten im Inneren der Stadt. Um das prunkvollste Gebäude – das Hotel, den Hauptsitz der Percents – schlugen wir immer einen großen Bogen, doch in den Häusern drum herum hatten wir oftmals Glück. Hier wurden in Familienbetrieben die Waren hergestellt, die man früher zuhauf in den heute leer stehenden Fabriken produziert hatte. Es gab Schlachter-, Weber- und Glasbläserfamilien, ebenso wie Elektriker, Chemiker, Heiler und Apotheker. Zwischen ihnen wohnten weitere Percents, die sie kontrollierten.

Adrenalin prickelte durch jede meiner Adern, als wir zwischen den Gebäuden hindurchhuschten. Sie waren so gewaltig, dass es am Morgen, wenn die Sonne noch niedrig stand, nicht viel heller wirkte als am späteren Tag, wenn der Himmel wieder finster war. Die Stille war Ehrfurcht erweckend und ließ selbst unsere schleichenden Schritte verräterisch laut klingen.

Hinter jeder Tür und jedem Fenster vermutete ich den Feind. In den ausgeschlachteten Autokarossen, die auf den Straßen vor sich hin rosteten, konnten sie sich verstecken, ebenso hinter den Müllcontainern. Längst hielt ich meinen Dolch im linken Ärmel verborgen, wo ich ihn schnell erreichen konnte. Hin und wieder erwischte ich mich bei dem Gedanken, dass ich ihn gerne benutzen würde.

Amber wies fragend in eine Richtung, doch ich schüttelte den Kopf.

»Zum Schneider«, formte ich lautlos mit den Lippen. Die Schneiderfamilie würde den höchsten Preis für die Felle zahlen und hatte die besten Tauschwaren. Keiner wusste, woher sie all den Kram bekamen, und ich war die Letzte, die es wissen wollte. Das Problem bestand darin, dass wir näher ans Hotel heranmussten.

Wir erreichten das Haus mit der verfallenen Telefonzelle davor, ohne gesehen zu werden. Natürlich konnten wir nicht einfach die Klingel drücken – während der Ausgangssperre zu klingeln, wäre einem Leuchtsignal für den Feind gleichgekommen. Sie kontrollierten alles, was sie nicht zerstört hatten, und zerstörten, was sie nicht kontrollieren konnten.

Ich nahm einen kleinen Stein und warf ihn gegen eine der beleuchteten Fensterscheiben im dritten Stock. Sofort erschien ein rotwangiges Mondgesicht hinter dem Glas und verschwand wieder. Wir warteten und glaubten schon, dass man nicht mit uns reden wollte, als jemand die Haustür öffnete. Ein Junge von vielleicht zwölf Jahren, mit stiftdünnen Beinen, erschien, legte den Finger an die Lippen und winkte uns rein. Wir folgten ihm die Treppen hinauf und traten in die Wohnung der Schneiderfamilie. Schon in der Diele schlug uns trockene, warme Luft entgegen. Weiter ließ man uns nicht. Der Schneidermeister, ein hünenhafter, sehniger Mann Mitte dreißig, starrte uns mit unverhohlenem Misstrauen entgegen und scheuchte den Jungen in eins der Zimmer. Für einen Moment genoss ich es, dass meine eisigen Hände wieder beweglich wurden und meine rot gefrorenen Wangen sich erholten, dann begann ich schon zu schwitzen.

Der Schneider verschränkte die Finger und ließ sie knacken. »Was habt ihr?«

»Felle«, sagte ich, öffnete den Beutel und ließ ihn eines sehen. Keines von den Tieren, die ich erlegt hatte, denn die waren durch die Messereinstiche von minderer Qualität. Das würde er noch früh genug bemerken. »Sieben Karnickel, ein Fuchs und ein paar Ratten.«

Die Frau trat neben ihn. Ihr Gesicht glühte vor Hitze und ihr Atem stank nach Essig. »Was wollt ihr dafür haben? Tabak? Gebrannten?«

Ich runzelte die Stirn. Seit wann handelte Mars mit Derartigem? Die Frau schien krank zu sein, sie schwitzte heftig, vielleicht war sie verwirrt.

»Kartoffeln«, schlug Amber vor und erntete ein Kopfschütteln. »Rüben, Brot oder Kohl.«

»Hol die Kürbisse«, wies der Mann seine Frau an, ohne uns aus den Augen zu lassen. »Drei bis vier Butternusskürbisse kann ich euch dafür geben«, sprach er an mich gerichtet weiter.

Ich schüttelte den Kopf. »Das reicht nicht.«

»Dann seid ihr mehr geworden im Clan?« Wieder knackten seine Finger. Ein widerliches Geräusch, er sollte damit aufhören.

»Hungriger«, gab ich zurück und zwang ein Grinsen in meine Züge.

»Rose«, rief er. »Pack einen Sack Äpfel drauf.«

Wieder schüttelte ich den Kopf, diesmal energisch. »Tut mir leid.«

»Und Mehl. Zwei Kilo.« Er sah mich an. »Verdammt, bei der heiligen Sonne! Drei Kilo Mehl, Rose!« Dann senkte er abrupt die Stimme und räusperte sich. »Habt ihr … habt ihr auch … Waffen?«

»Nein.« Ambers Antwort kam pfeilschnell, doch der Schneider sah weiterhin mich an.

»Ich habe mehr Essen«, sagte er. »Kartoffeln, Gerste, Möhren, lässt sich alles besorgen. Auch Gewürze. Ach, und Kandis. Wollt ihr ihn probieren?«

Ich presste die Lippen zusammen, konnte nicht leugnen, dass es verlockend klang. Zu verlockend. Amber berührte mich am Arm, ihr Blick war eine Warnung. Das Ganze gefiel ihr nicht.

»Wir haben keine Waffen«, sagte ich lauter als zuvor. »Und erst recht treiben wir keinen Handel damit.«

»Schade.« Der Schneider rieb sich das Kinn, seine schwielige Hand und die Bartstoppeln verursachten ein fieses Kratzen. »Schade, schade. Waffen wären schon gut.«

»Ja, wären sie.« Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie Amber den Abstand bis zur Tür abschätzte.

»Hilf mir mal, Joseph«, rief die Schneiderin aus der Küche. »Ich bekomm das Zeug nicht getragen, verdammich! Nun komm endlich her und hilf mir! Joseph!« Die Stimme wurde dringlicher, fast hysterisch. »Joseph, bitte!«

Amber und ich begriffen. Im einen Moment war es noch eine Ahnung gewesen, mit dem nächsten Lidschlag Gewissheit.

»Weg hier!«, zischte ich.

Es war eine Falle.

2

ayleen jordan? wer ist das? »es kann dir egal sein, wer sie ist. trag ihren namen, der ist nicht schwer.«

Amber und ich warfen uns gleichzeitig herum. Dicht hintereinander stürzten wir durch die Tür, da bemerkte ich auch schon die beiden Gestalten, die aus unterschiedlichen Zimmern kamen und sofort die Verfolgung aufnahmen.

Ich flankte über das Treppengeländer, landete ein halbes Stockwerk tiefer. Zu schnell: Durch eine gesprungene Fensterscheibe sah ich mehrere Percents in Schutzanzügen vor der Haustür stehen. Amber hatte besser reagiert als ich und war nach oben geflüchtet. Die beiden Percents, die uns jagten, teilten sich auf. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich meinem Verfolger zu stellen, um an ihm vorbeizukommen. Ich musste Amber folgen. Vor der Tür waren zu viele, das würde ich niemals schaffen. Schöne Scheiße.

Mein Verfolger hetzte bereits hinter mir die Treppe hinunter. Er trug keinen Schutzanzug – ich musste nur an ihm vorbei ins Sonnenlicht gelangen und schon wäre ich gerettet. Doch er stand auf den Stufen weit über mir, das verschaffte ihm einen Vorteil. Seine Armbrust war bereits auf mich gerichtet. Ich versuchte, ihn zu täuschen, blieb auf dem Treppenabsatz stehen und presste mir die Hände vors Gesicht.

»Bitte«, jammerte ich schrill und beschimpfte ihn in Gedanken aufs Übelste. »Ich habe überhaupt nichts getan. Bitte … meine Familie braucht nur etwas zu essen, nur…« Ich schielte zwischen den Fingern hindurch. Er grinste schief. Mein Plan ging auf, der Einfaltspinsel war noch blöder, als ich dachte. Lässig kam er die Treppe zu mir herab, näherte sich mir auf beleidigend unvorsichtige Weise.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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