Dark Land - Folge 005 - Marc Freund - E-Book

Dark Land - Folge 005 E-Book

Marc Freund

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Beschreibung

Nebel.

Der graue Dunst zog sich immer dichter um sie, je weiter sie den Pier hinter sich ließen. Zwei schattenhafte Gestalten, die trotz der dicken Suppe jede Deckung ausnutzen, um sich neugierigen Blicken zu entziehen.

"D...du w...weißt wo es ist?", fragte der Mensch, ein blasshäutiger junger Mann von etwa zwanzig Jahren. Sein Gesicht und sein Hals waren übersät mit rotgeränderten Kratern. Er hörte auf den Namen Nolan, und das Einzige, was er neben seiner Angst spürte, war die Kälte, die mit dem Nebel kam und langsam seinen Rücken hinaufwanderte ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah

Abtrünnig

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Timo Wuerz

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-4304-5

www.bastei-entertainment.de

Was bisher geschah

Johnny Conolly hat seine Mutter verloren. Sie wurde von einem Dämon brutal ermordet. Als dieser Dämon durch ein Dimensionstor fliehen will, jagt Johnny ihm zwei Silberkugeln hinterher. Er trifft den Dämon! Eine der Kugeln pflügt eine tiefe Furche in den grässlichen Schnabel des Dämons. Doch sie kann ihn nicht aufhalten. Also springt auch Johnny durch das Tor und folgt dem Mörder seiner Mutter.

Kurz darauf wird das Tor für immer zerstört, sodass es für Johnny keine Möglichkeit zur Rückkehr gibt. Das Dimensionstor spuckt ihn schließlich wieder aus – in einer anderen Welt. Johnny ist in Dark Land gelandet, genauer gesagt in Twilight City, einer Stadt voller Geheimnisse – und voller Gefahren.

Die Fährte des Mörders führt ihn in einen Nachtclub, wo er allerdings herausfinden muss, dass es nicht nur einen Schnabeldämon gibt, sondern viele. Und beinahe tötet er den Falschen. Der Manager des Clubs überwältigt ihn jedoch vorher.

Die Polizei holt ihn ab, und ein Richter, ebenfalls ein Schnabeldämon, verurteilt ihn aufgrund der Geringfügigkeit seines Vergehens zu einer Geldstrafe – die er allerdings mangels hiesiger Mittel nicht begleichen kann. Daraufhin wird aus dem Bußgeld eine Haftstrafe: Fünfzig Jahre soll er einsitzen!

Er ist schon fast auf dem Weg ins Gefängnis, als ihn einer der Polizisten, die er kennengelernt hat, aus dem Transporter holt, um ihn woanders hinzubringen. Wohin und warum, das verrät ihm der unheimliche Panthermann nicht.

Auf dem Weg zu dem unbekannten Ziel kommt es zu einem Unfall. Und zwar zu einem, der absichtlich verursacht wird!

Wynn Blakeston, wie Johnny sich in dieser Welt inzwischen nennt – für den Fall, dass irgendjemand in Twilight City mit seinem Namen John Gerald William Conolly etwas anfangen kann und ihm möglicherweise Übles will –, hat gesehen, wie der andere Wagen auf sie zusteuerte. Allein am direkten Kurs des Fahrzeugs war zu erkennen, dass der Fahrer sie rammen wollte – aber mehr noch hat es sein Gesicht verraten, das Wynn in seinem letzten wachen Augenblick ganz deutlich gesehen hat: das Gesicht nicht irgendeines Dämons, sondern eines Schnabeldämons – und nicht irgendeines Schnabeldämons, sondern das Gesicht des Mörders seiner Mutter!

Er hat es eindeutig wiedererkannt an der Furche, die seine Silberkugel in dem langen Schnabel des Dämons hinterlassen hatte!

Als er nach dem Unfall erwacht, findet er sich im Haus von Sir Roger Baldwin-Fitzroy wieder, in dem auch dessen Tochter Abby und der dämonische Diener Esrath, ein sogenannter Naturalis, leben.

Sir Roger hat Wynn aus dem Gefängnis freigekauft – warum, das weiß Wynn nicht.

Doch im Moment ist auch etwas anderes für ihn wichtiger: Er will Rache am Mörder seiner Mutter!

Zusammen mit Abby begibt er sich auf die Suche nach dem Schnabeldämon. Inzwischen hat er rausgefunden, dass dieser Norek heißt und skrupelloser und gefährlicher ist als alle seine Artgenossen.

Auch Sir Roger und Esrath sind auf der Suche nach Norek, denn Sir Roger hat noch eine Rechnung mit dem Dämon offen.

Davon ahnt Wynn nichts. Er setzt die gefährliche Suche nach Norek fort. Dabei weicht ihm Abby inzwischen nicht mehr von der Seite – sehr zum Ärger von Sir Roger …

Abtrünnig

von Marc Freund

Nebel.

Der graue Dunst zog sich immer dichter um sie, je weiter sie den Pier hinter sich ließen. Zwei schattenhafte Gestalten, die trotz der dicken Suppe jede Deckung ausnutzen, um sich neugierigen Blicken zu entziehen.

»D…du w…weißt wo es ist?«, fragte der Mensch, ein blasshäutiger junger Mann von etwa zwanzig Jahren. Sein Gesicht und sein Hals waren übersät mit rotgeränderten Kratern. Er hörte auf den Namen Nolan, und das Einzige, was er neben seiner Angst spürte, war die Kälte, die mit dem Nebel kam und langsam seinen Rücken hinaufwanderte …

»Natürlich weiß ich es, Idiot«, sagte sein Begleiter.

»Ich meine nur, w … weil du doch einer von ihnen bist. Und d … du würdest doch deine Sippe nicht so einfach verraten, oder?«

Der andere fuhr herum und packte Nolan mit seinen krallenbewehrten Händen am Kragen seines schmutzigen Trenchcoats. »Jetzt hör mir mal gut zu, Kleiner. Wir beide waren uns einig: Wir sammeln gerade mal so viel Informationen, dass wir damit Lieutenant Tosh und Sergeant Kajahn versorgen können, klar? Was sie dann damit anstellen, ist deren Sache. Du kriegst dafür vermutlich deine Belohnung und ich … na ja, egal, hat dich nicht zu interessieren.«

»Dich lassen sie laufen, Cort. Glaub nicht, ich wäre von gestern, okay? Ich weiß genau, warum du mitmachst. Sie wollten dir ans Leder, und du hast ihnen einen Handel angeboten. So war’s doch, oder?«

»Halt jetzt endlich dein verdammtes Maul, bevor ich dich in Stücke reiße. Wäre doch schade um dein armseliges Menschenleben.«

Nolan spürte, wie ihm der Halbdämon unangenehm nahekam. Er roch einen nach Fisch müffelnden Atem und wandte angeekelt den Kopf zur Seite. Er wusste, dass er Cort jetzt besser nicht weiter reizte. Vielleicht war es tatsächlich ratsam, für eine Weile die Klappe zu halten. Nicht wegen der prankenbewerten, hochgewachsenen Gestalt an seiner Seite, sondern weil sie sich langsam aber sicher ihrem Ziel näherten.

Ihr Weg führte sie über die Boote, die hier im unergründlichen Wasser des Hafens dicht an dicht lagen. Sie erstreckten sich zu beiden Seiten der schmalen Fahrrinne, die in ihrer Mitte lag.

Einige hatten sich von ihrer Befestigung losgerissen und dümpelten hilflos herum, trieben ein Stück weiter, bis sie sich irgendwo verkeilten.

Verlorene Seelen, dachte Nolan, als sie sich vorsichtig weiter voran bewegten. Genauso verloren wie er selbst.

Nolan war Vollwaise, seit seine Eltern bei dem fürchterlichen Brand vor fünfzehn Jahren ums Leben gekommen waren. Hier im Hafen hatten die Flammen gewütet, genauer gesagt auf dem Schiff, auf dem sich seine Eltern zu dieser Zeit aufgehalten hatten. Eine Yacht, von der man sagte, dass dort dubiose Partys gefeiert wurden, bei denen es offenbar nicht immer jugendfrei zugegangen war.

Nolan war zu entfernten Verwandten in die Obhut gekommen. Dort hatte er den Begriff Hölle zu definieren gelernt. Und Nolan hatte eine ganz persönliche Definition davon gefunden. Onkel Sweeney. Sein widerliches, versoffenes Gesicht. Sein ekelhaftes Grinsen, das seine braunen Zahnstummel entblößte, wenn er zum Schlag ausholte, der Nolan quer durch die ranzige Küche ihrer verdreckten Behausung katapultierte.

Ob Tante Chloé von diesen Misshandlungen gewusst hatte? Vermutlich. Und wenn ja, dann ging Nolan jede Wette ein, dass es ihr gleichgültig gewesen war. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, ihn für die Drecksarbeiten einzuspannen, zuerst im Haus und später, als er älter war, hier unten am Hafen, in den Kneipen und wo immer man einen jungen Burschen gebrauchen konnte, der bereit war, sein Blut für ein paar lausige Beads zu verkaufen.

Damals war es noch ein anderer Handel mit dem roten Lebenssaft der Menschen gewesen. Damals waren die dreckigen Blutsauger noch persönlich aus ihren Höhlen gekrochen und hatten ihre dreckigen Messer herausgeholt, um ihm damit die Arme oder Beine aufzuritzen. Es grenzte an ein Wunder, dass Nolan diese Behandlungen überlebt hatte und nicht an irgendwelchen Entzündungen und Infektionen krepiert war.

Seine Gliedmaßen waren mit Narben übersät, die von langen Jahren der Ausbeutung und Qual erzählten. Irgendwann hatte er genug davon gehabt.

In dem Moment, als Onkel Sweeney wieder einmal zum Schlag ausholte, hatte Nolan das Springmesser gezogen, das er einem Säufer am Hafen für zwei Drinks abgekauft hatte. Nolan hatte Onkel Sweeneys flache Hand damit durchbohrt, und als dieser ungläubig die Augen aufgerissen hatte, hatte Nolan nachgesetzt, die Klinge herausgezogen und sie dem verhassten Schweinehund direkt in die Kehle gerammt.

Das war alles, was er je wieder von den beiden gehört hatte. Er hatte keine Ahnung, ob Tante Chloé noch am Leben war. Und es interessierte ihn auch nicht. Seitdem war er frei, wenngleich ihm das Leben in Twilight City bisher kein Glück gebracht hatte.

Was für ein Wunder, nach so einem armseligen Start, dachte Nolan. Er spannte seine Muskeln und sprang an Deck des nächsten Bootes. Es handelte sich um eine winzige Yacht. Ihr Leib wankte unruhig hin und her, sodass Nolan für einen Moment innehalten musste, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.

Unter ihnen gluckste das dunkle Wasser. Irgendwo vor ihm war Cort durch die Nebelwand getaucht. Er hatte bereits das nächste Boot erreicht. Dumpf schlugen seine Füße auf dem Deck auf.

Nolan fluchte innerlich. Sein Partner war bereits nicht mehr zu sehen. »He, Cort! Warte auf mich, verdammt!« Nolan wagte sich weiter vor. Wieder geriet die kleine Yacht ins Wanken, bewegte sich unter seinem Gewicht.

Es war ein Sprung ins Ungewisse, und der junge Mann war erleichtert, als seine Füße auf hölzernen Planken aufkamen.

Es roch nach Aas. Nolan hoffte, dass der Geruch von den Überresten toter Fische herrührte, die hier in einem verwitterten Zinkeimer vor sich hin faulten. Nolan beeilte sich, weiterzukommen. Er hielt sich die Nase zu, sprang auf die dahinterliegende Yacht und prallte schmerzhaft mit Cort zusammen, dessen schmaler Kopf aus den Nebelschwaden herausragte.

»Was tust du hier? Warum geht es nicht weiter?«

Der Halbdämon legte sich seinen klauenartigen rechten Zeigefinger an die wulstigen Fischlippen.

Sofort spannten sich Nolans Muskeln an. Er warf seinem Begleiter einen fragenden und zugleich warnenden Blick zu.

Cort schüttelte den Kopf. Langsam ließ er seinen Arm sinken, bis er dastand wie ein Pistolero, bereit zu einem Duell. »Ich habe etwas gehört.«

Die Worte waren als kaum vernehmbare Laute über Corts Lippen gekommen.

Nolan horchte in die Stille. Der Hafen lag jetzt weit hinter ihnen. Nichts rührte sich. Nur das leise Glucksen des Wassers unter den Kielen der Boote war ihr ständiger Begleiter, seit sie den Pier verlassen hatten. Nolans Lippen formten ein lautloses Was. Er war sich im Klaren darüber, dass die seitlich im Kopf des Halbdämons verborgenen Ohren weitaus sensibler waren als seine eigenen menschlichen. Das galt auch für alle übrigen Sinne.

»Möglich, dass ich mich getäuscht habe«, sagte Cort schließlich und wollte sich abwenden.

Nolan hielt ihn am Arm zurück. »Das wäre bei dir das erste Mal. Was ist los? Was hast du gehört?«

»Nichts«, gab der andere zurück. »Lass uns weiter. Wir sind ganz kurz vor dem Ziel. Du weißt, was du dann zu tun hast?«

Nolan nickte. Und ob er das wusste. Seine Aufgabe bestand darin, Cort Deckung zu geben und ihn zu warnen, falls sich ihnen an Bord des Schiffes jemand näherte. Doch erst einmal mussten sie überhaupt dorthin gelangen. Es war immerhin keine Yacht, wie die meisten anderen hier.

Ihr Ziel war eines der großen Schiffe, die draußen im großen Freihafen von Twilight City vor Anker lagen. Sie würden sich vorübergehend ein kleines Boot greifen, um damit zur Ankerkette zu gelangen. Dann würden sie sich daran in die Höhe hangeln, um an Deck zu gelangen. Ab diesem Zeitpunkt waren sie Freiwild. Alles Mögliche konnte geschehen.

Falls sie es schafften, zum geheimen Treffpunkt der Bande vorzudringen, brauchten sie nur noch die Beweise zu sichern, um sich damit dann auf den Rückweg zu machen.

Nolan verzog das Gesicht zu einer säuerlichen Grimasse, als er daran dachte, dass er schon wieder für jemand anderes die schmutzige Arbeit verrichtete. Dieses Mal waren diese Tosh und ihr unheimlicher Begleiter die Nutznießer. Und Nolan würde endlich ein paar Scheine in die Hand bekommen, mit deren Hilfe er sich möglicherweise so etwas wie eine Existenz aufbauen konnte.

»Los jetzt«, ermahnte ihn Cort und stieß ihn schmerzhaft gegen die Rippen.

»Schon gut. Wohin jetzt? Ich kenne mich in diesem verdammten Nebel überhaupt nicht mehr aus.«

Der Halbdämon deutete nach links, wo sich Nolans Einschätzung nach irgendwo, nach ein paar weiteren Booten vielleicht, das offene Wasser befinden musste.

Kaum hatte Cort die Bewegung zu Ende geführt, da sprang er bereits.

Nolan hörte einen erstickten, schmerzerfüllten Laut und schließlich ein fürchterliches Reißen. Irgendetwas klatschte nass auf die Planken des im Nebel liegenden Bootes. Ein paar Spritzer besprenkelten den Boden vor Nolans Füßen und seine Schuhe. Der junge Mann stieß einen Schrei des Entsetzens aus.

Bei der Flüssigkeit handelte es sich um Blut.

Corts Blut!

***

Irgendetwas, irgendjemand hatte seinen Begleiter umgebracht. Diese Erkenntnis schoss Nolan durch den Kopf, brannte sich in sein Hirn.

Und derjenige war noch immer da. Im Nebel vor, hinter oder direkt neben ihm.

Nolan wich einen vorsichtigen Schritt zurück, dann noch einen. Er war kurz davor, in Panik zu verfallen, doch in diesem Augenblick tat er das wahrscheinlich einzig Richtige: Er behielt die Nerven.

Von irgendwoher vernahm er das ferne Rufen einer aufgeschreckten Möwe. Dann kehrte die Stille zurück.

Nolan machte einen weiteren Schritt rückwärts und registrierte, dass der Bug des schwimmenden Gefährts hier endete. Wenn er den Rückzug antreten wollte, und das wollte er im Augenblick mehr als alles andere, dann würde er sich jetzt umdrehen müssen. Dem Angreifer möglicherweise den ungeschützten Rücken darzubieten, war kein angenehmes Gefühl, doch Nolan riskierte es.

Zum Teufel, schließlich konnte das, was Cort bei lebendigem Leib auseinandergerissen hatte, inzwischen überall sein.

Dies war der Moment, in dem Nolan sein Leben verfluchte. Welcher Teufel hatte ihn geritten, sich auf dieses waghalsige Manöver einzulassen?

Er drehte sich um und sprang!

Sicher landete er auf dem schmalen Bug der nächsten Yacht.

Weiter!

Er tat zwei kleine Schritte, nahm Anlauf und setzte zum nächsten Boot über. Schneller, immer schneller.

Nolan begann zu glauben, dass er den anderen abgehängt hatte. Dass er eine reelle Chance hatte. Aber die hatte er nicht.

Aus dem Augenwinkel heraus nahm er einen dunklen Schatten wahr. Er bewegte sich im Nebel direkt neben ihm. Er war schnell. Wartete ab, lauerte.

Nolan lief jetzt schneller. Sein Herz schlug nahezu im gleichen Takt, wie seine Absätze über die Bootsplanken hämmerten.

Der nächste Sprung wäre beinahe danebengegangen. Sein rechter Fuß rutschte von den nebelfeuchten Planken ab. Gerade noch rechtzeitig bekam Nolan die Reling der ehemals schneeweißen Yacht zu fassen und klammerte sich daran fest.

Ein schneller Blick nach rechts. Nichts.

Die Nebel waberten, als hätte jemand darin herumgerührt, aber es gab ansonsten keine Anzeichen dafür, dass sich jemand in Nolans unmittelbarer Nähe aufhielt.

Und doch war ihm so, als würde da jemand jede seiner Bewegungen genau beobachten, um den idealen Moment des Angriffs abzuwarten.

Nolan wischte sich den Schweiß von der Stirn, als er kurz innehielt, um sich zu orientieren.

In welcher Richtung lag der Pier? Verdammt, hier draußen sah alles gleich aus. Nolan versuchte, sich aus seiner Erinnerung die Namen der Boote und Yachten abzurufen, die sie auf dem Hinweg passiert hatten. Dann blickte er sich um, doch keiner der Namen kam ihm bekannt vor.

Er war in die falsche Richtung gelaufen!

Das Boot dümpelte unter ihm im Wasser. Niemand hielt sich hier auf. Die allermeisten Boote waren unbewohnt. Dieser ganze verdammte Hafen war eine einzige Geisterstadt.

Nolan kletterte langsam und vorsichtig über die Reling. Sein Blick fiel auf einen Rettungsring, der an der Bordwand befestigt war. Darauf prangte in verblassten Lettern der Name des Kutters: Destiny. Der Kahn hatte ein kleines Führerhaus, dessen morsche Holztür schief in den Angeln hing. Leise, kaum wahrnehmbar, schlug sie gegen den Rahmen.

Im Heck stapelten sich alte Fischernetze, in denen sich vermoderter Seetang verfangen hatte. Nolan hatte nur einen kurzen Blick darauf verschwendet. Als er den Kopf wandte, wusste er, dass er nicht mehr allein an Bord war. Der Unheimliche hatte ihn eingeholt. Und er gab sich jetzt nicht einmal mehr Mühe, leise und unauffällig zu sein.

Mit einem Mal war er an Nolans Seite, trat aus dem Nebel heraus und starrte ihn aus kalten, bösen Augen an. Es war ein Schnabeldämon, ein Kraak, und Nolan kannte sogar seinen Namen: Norek.

»Nein«, presste Nolan hervor und wich sofort mehrere Schritte zurück, bis er mit seinem Rücken schmerzhaft gegen die Reling stieß.

Norek kam näher, langsam und zielsicher. Er wusste, dass sein Opfer in der Falle saß.

»Sieh da, ein Menschlein auf Abwegen«, schnatterte es aus dem gekrümmten Schnabelmaul des Dämons.

Nolan durchfuhr ein eiskalter Schauer, als die Stimme von unangenehm nah an sein Ohr drang. Verzweifelt hielt der junge Mann Ausschau nach etwas, das er dem Wesen in seinen widerwärtigen Leib rammen konnte. Allerdings fand sich nichts in Reichweite, was diesem Zweck dienen konnte.

»Seit wann machst du gemeinsame Sache mit einem elendigen Verräter?« Norek hatte die letzten Worte mit einem Anfall von kalter Verachtung ausgespien. Und tatsächlich klatschte Nolan dabei heißer Speichel ins Gesicht, der wie Säure brannte.

»Ich … ich habe nichts getan«, presste Nolan hervor. Ein erbärmlicher Erklärungsversuch, den der Dämon auch gleich mit einem wütenden Zischlaut quittierte.

»Ach nein? Und warum spionierst du dann hier draußen herum? Das hier ist Niemandsland und für Kreaturen von deiner Sorte ungesund. Sehr ungesund sogar.« Blitzschnell schoss Noreks rechte Hand vor und packte den Mann an der Kehle.

Nolan keuchte vor Ekel und Entsetzen und versuchte, sich auf die Zehenspitzen zu stellen. Der Druck schnürte ihm die Luft ab. »Bitte nicht. Ich … Cort hat mich gezwungen, mitzumachen. Er hätte die Sache nicht allein durchziehen können.«

Norek stieß einen wütenden Laut aus und schlug erbarmungslos zu.

Nolan wurde vor der Brust getroffen. Der Schlag katapultierte ihn seitwärts, in das Heck des Bootes. Es war sein Glück, dass ihn der Stapel Fischernetze auffing. Seine Hände griffen in etwas Kaltes, Glitschiges, als Nolan versuchte, sich unter Schmerzen wieder aufzurichten.

Sofort war Norek wieder bei ihm, packte ihn am Kragen und zog ihn in die Höhe. »Versuche ja nicht noch mal, mich für dumm zu verkaufen, oder es wird dir so ergehen wie deinem Freund, diesem verdammten Bastard.«

Nolan krümmte sich noch immer vor Schmerzen. Unter Aufwendung aller Kraft hob er beschwichtigend die Hände. »In Ordnung. Ich tue, was du sagst. Aber bitte, lass mich am Leben.«

Ein weiterer zischender Schnabellaut drang aus der Kehle des Dämons. »Du erbärmlicher Wurm. Ich werde nie verstehen, was an eurer Rasse so besonders sein soll. Ihr seid schwach, unzuverlässig und des Lebens nicht wert.«

»Was hast du mit mir vor?«, fragte Nolan.

Eine unangenehme Pause entstand, in der der junge Mann um sein Leben zitterte, das in diesem Moment bereits keinen Bead mehr wert war.

Dann ließ sich Norek doch noch zu einer Antwort herab. »Du wolltest doch zum Schiff hinüber, richtig? Nun, dann habe ich gute Neuigkeiten für dich, Menschling. Du wirst es zu sehen bekommen. Und ich werde dich persönlich hinbringen.«

Nolan versuchte, den Kopf zu schütteln, doch da hatte ihn der Dämon bereits wieder am Hals gepackt. »Du wirst an dein Ziel gelangen, Bursche. Aber es wird getränkt sein von Blut.«

Und damit zog der Schnabeldämon den Mann mit sich. Im nächsten Augenblick waren sie beide im Nebel verschwunden.

***

Sinatown lag hinter ihnen.

Und dieses verdammte Viertel hätte ihnen beinahe das Leben geraubt. Und was hatte es ihnen gegeben? Sie beide hatten Antworten gesucht, aber stattdessen waren sie mit noch mehr Unklarheit und einem Haufen Fragen zurück nach Hause gelangt.

Nach Hause