Das abgelehnte Kind - Norma K. Koenig - E-Book

Das abgelehnte Kind E-Book

Norma K. Koenig

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Beschreibung

Nachdem ihre Eltern bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt sind, sucht Inka das Haus auf, in dem sie aufgewachsen ist. Sie räumt Unterlagen, Urlaubssouvenirs und Fotoalben aus den Schränken und schwelgt dabei in Erinnerungen, als ein Nachbar klingelt und sie zum Frühstück einlädt. Der junge Mann nennt sich Peter und verhält sich seltsam. Dennoch nähern sich die beiden ein wenig an, bis bei Inka eingebrochen wird und der angebliche Nachbar über Nacht verschwindet. Auch in den nachfolgenden Tagen tauchen er oder sein Sportwagen nicht mehr auf. Inka steht vor einem Rätsel, genau wie die Polizei, die sie vor Angst eingeschaltet hat. Auf dem Dachboden entdeckt sie schließlich Zeitungsausschnitte und ein Tagebuch ihres Vaters – ein Fund, mit dem ein unerwartetes Geheimnis gelüftet wird.

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EPUB
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Seitenzahl: 103

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2024 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99146-643-7

ISBN e-book: 978-3-99146-644-4

Lektorat: Birgit Himmüller

Umschlagfoto: Chiranjit Paul | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Kapitel 1

1

Inka ging mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend auf das Haus zu, das ihr einst sehr vertraut gewesen war. Was würde sie dort drin erwarten? Seit dem tödlichen Unfall ihrer Eltern war sie nicht mehr hier gewesen. Das war nun schon drei Monate her. Sie öffnete ihre Handtasche und nahm den Schlüsselbund heraus. Ihre Hände begannen zu zittern. Endlich gelang es ihr, den Hausschlüssel ins Schloss zu stecken und umzudrehen.

Sie fasste sich ein Herz und öffnete die Tür. Augenblicklich strömte ihr ein vertrauter Geruch entgegen.

Aber heute war alles anders als sonst.

Sie betrat den Flur, lief durch die Küche ins Wohnzimmer und schlagartig wurde ihr die unglaubliche Stille bewusst.

Niemand war da. Kein Topf mit dampfender Suppe stand auf dem Herd. Auch das alte Radiogerät in der Küche gab keinen Ton von sich.

Was sollte sie jetzt nur tun? Sie ließ sich in den dicken Ohrensessel fallen und weinte bitterlich. Die Trauer brach sich endlich ihre Bahn, sie konnte gar nicht aufhören zu weinen.

Schließlich schlief sie ermattet ein.

Ein Klopfen an der Tür weckte sie. Sie musste lange geschlafen haben. Draußen war es schon dunkel.

Das Klopfen wurde immer lauter. „Ist da jemand im Haus?“, hörte sie eine männliche Stimme rufen.

Sie begab sich zur Eingangstür und schaute durch den Spion. Wer konnte das sein? Vor der Tür stand ein Mann, etwa in Inkas Alter, mit dunklen Haaren und einem langen Mantel. „Ja, ich. Ich bin die Tochter der Langmanns, die hier gewohnt haben. Warum wollen Sie das wissen?“

„Entschuldigen Sie bitte, ich dachte, im Haus wären Einbrecher. Ich bin der Nachbar von gegenüber.“

Inka öffnete die Tür und sah in zwei freundliche, jedoch eigenartig reserviert blickende Augen.

Nun stellten sie sich erst einmal richtig vor und Peter, so hieß der Nachbar, sprach ihr sein tief empfundenes Beileid aus. Er hatte Inkas Eltern zwar nicht näher gekannt, konnte sich aber erinnern, Inka hin und wieder bei ihren Besuchen in Bötzow gesehen zu haben.

„Ich möchte nicht indiskret erscheinen, aber gestatten Sie mir die Frage: Was werden Sie jetzt mit dem Haus tun?“, fragte Peter. „Ich weiß es noch nicht“, antwortete Inka, „erst mal werde ich mich richtig umsehen und ein paar Tage im Haus verbringen. Es sind noch jede Menge persönlicher Sachen meiner Eltern hier.“

„Und dann muss ich auch noch nach etwas ganz Bestimmtem suchen“, schoss es Inka durch den Kopf, aber das würde sie keinem Fremden anvertrauen.

„Wenn Sie Hilfe benötigen, können Sie jederzeit bei mir klingeln“, bot Peter an.

Dann ließ er sie erst einmal allein und sie konnte in Ruhe das Haus inspizieren.

Inkas Elternhaus bestand aus zwei Stockwerken, einem Keller und einem Dachboden. Ans Wohnzimmer grenzte eine große Terrasse, die in einen wunderschön wild angelegten Garten führte. Inkas Mutter hatte Gärten in ursprünglichem Zustand über alles geliebt. Garten und Terrasse mussten jedoch erst mal noch warten.

Zuerst holte Inka ihre Tasche aus dem Auto und brachte sie in ihr ehemaliges Kinderzimmer. Es war inzwischen nach Inkas Auszug aus dem Elternhaus zum Gästezimmer umdekoriert worden. Hier hatte sie an den Besuchswochenenden immer geschlafen und es war für sie selbstverständlich, dass sie die kommenden Nächte auch dort verbringen würde.

Nun schaute sie nach und nach in die übrigen Zimmer des Hauses.

Im Schlafzimmer musste sie einmal tief durchatmen, in der Luft lag immer noch der wundervolle Parfümduft ihrer Mutter. Auch die Kleidungsstücke im Schrank dufteten danach.

Im Wohnzimmer standen jede Menge „Stehrumchen“. Viele Erinnerungsstücke von Urlaubsreisen waren darunter.

Vor Inkas Augen erschienen Kindheitserinnerungen.

Auf einmal war sie wieder 9 Jahre alt.

Die große, farbenfroh bemalte Muschel stammte aus dem Urlaub an der Ostsee. Inka konnte sich nicht mehr an den Ort erinnern, aber das kleine, reetgedeckte Haus war ihr noch gut im Gedächtnis verhaftet. Von dort aus waren es nur wenige Meter und sie standen direkt am Strand. Inka und ihre Mama hatten Stunden damit zugebracht, den angespülten Schlick nach Schmuckstücken zu durchsuchen. Leider gab es unter den Fundstücken keine einzige Muschel ohne Bruchstelle. Also ging die Mutti mit Inka in den kleinen Souvenirladen und tröstete ihre Tochter mit dem Erwerb einer großen, bunt bemalten Muschel. Wie hatte sich ihr Vater über diese Muschel lustig gemacht. Er fand sie kitschig und überhaupt nicht hübsch. Seine Liebe zu Inka musste sehr groß gewesen sein, wenn er der Mutter dennoch erlaubte, diese Muschel in die Schrankwand zu stellen.

Erneut traten Tränen in Inkas Augen und sie musste schlucken. War es doch die letzte Urlaubsreise ihrer Eltern gewesen, auf der der tödliche Unfall geschah. Viel zu plötzlich wurden sie aus ihrem Leben gerissen. Das Schlimmste war, dass ihre Mutter Inka vor der Reise angerufen hatte, um ihr zu sagen, dass sie nach dem Urlaub mit ihr sprechen wollte. Sie hatte etwas auf dem Herzen, was sie nun endlich loswerden wollte.

Was konnte das nur gewesen sein? Inka hatte keine Ahnung. Vielleicht würde sie in den persönlichen Sachen ihrer Mutter eine Antwort finden. Wenn sie nur wüsste, wonach genau sie suchen sollte.

Nun, es musste noch warten. Inka war auf einmal sehr hungrig. Kein Wunder! Es war schließlich schon weit nach Mitternacht und sie hatte seit dem Aufbruch aus ihrer Wohnung am Morgen nichts mehr gegessen.

In den Küchenschränken fand sie nichts, was sie jetzt auf die Schnelle essen konnte. Ja klar, ihre Eltern hatten vor Antritt ihrer langen Urlaubsreise alles Verderbliche aus den Schränken geräumt.

Also begab sie sich ins Gästezimmer. In ihrer Tasche befand sich eine Rolle Kekse. Zum Glück hatte sie diese im letzten Moment noch in ihre Tasche geworfen. Eine kleine Flasche Wasser war auch darin. Sie aß ein paar Kekse, trank einen Schluck Wasser und beschloss, sich erst einmal hinzulegen und zu schlafen. Morgen früh würde sie als Erstes zum Einkaufen fahren, um den Kühlschrank im Haus mit dem Nötigsten für die nächsten Tage zu füllen.

2

Sie erwachte am frühen Morgen. Um Punkt 7 Uhr klopfte es an der Haustür. Peter stand draußen und hatte eine Tüte mit frischen Brötchen, Butter, Marmelade sowie ein Päckchen Kaffee in der Hand. „Sie schickt der Himmel“, freute sich Inka über den spontanen Besuch, „ich bin am Verhungern.“ „Das habe ich mir schon gedacht“, erwiderte Peter.

„Dann kommen Sie doch herein und frühstücken Sie mit mir!“, bot sie an. Peter setzte sich an den Küchentisch und Inka bereitete die Kaffeemaschine vor. Im Eckschrank fand Inka Filtertüten.

Geschirr und Besteck fanden sich ebenfalls in den Schränken.

Während des Frühstücks hatte Inka ein komisches Gefühl. Peter war freundlich, aber irgendwie erschien ihr seine Freundlichkeit nicht aufrichtig zu sein. Na ja, vielleicht lag es ja an ihrer besonderen emotionalen Situation, dass sie so empfand. Immerhin interessierte er sich scheinbar sehr für sie. „Es muss sehr schwer für Sie sein, diesen Verlust zu verkraften“, sagte Peter, „gleich beide Eltern auf einmal, das ist heftig. Wie haben Sie denn von dem Unfall erfahren? Mussten Ihre Eltern sehr leiden oder waren sie gleich tot?“

„Ich wurde während der Arbeit angerufen“, erzählte Inka. „Man hatte die beiden ins Krankenhaus nach Berlin-Buch gefahren. Beide verstarben im Krankenwagen, ich durfte dann erst am nächsten Tag zu ihnen, um mich zu verabschieden. Es war einfach schrecklich.“

Wieder liefen Tränen über Inkas Wangen. „Oh, das tut mir sehr leid“, sagte Peter. „Und seit diesem Tag waren sie noch nicht wieder hier im Haus? Wie lange ist das jetzt her?“

„Es ist inzwischen drei Monate her. Ich hatte nicht den Mut, das Haus zu betreten“, erwiderte Inka, „der Schock saß so tief, dass ich bisher nicht einmal weinen konnte. Ich hatte nur ständig einen Kloß im Hals.“ Irgendwie wunderte es Inka, dass sie diesem Mann alles erzählte, wo sie doch so ein komisches Gefühl ihm gegenüber hatte.

Sie hatte diese Dinge, seitdem sie ihre Eltern leblos im Krankenhaus gesehen hatte, tief in ihrem Herzen begraben und mit niemandem darüber gesprochen. Selbst bei der Beisetzung war sie wie erstarrt gewesen und hatte alles wie durch einen Nebelschleier wahrgenommen. Ihre Freunde und die vielen Bekannten ihrer Eltern hatten kondoliert und sich über das Geschehene unterhalten.

Inka konnte von all dem nichts erfassen. Sie hatte mechanisch geantwortet und jegliches Gefühl war ihr verloren gegangen.

Nun brach es sich seine Bahn. Vielleicht lag es am Elternhaus und den Schwingungen, die sie hier empfand. Inka hatte gar nicht gewusst, dass man so viele Tränen weinen konnte.

Peter reichte ihr ein Taschentuch. Er hatte einen undefinierbaren Ausdruck in den Augen, sie wirkten unergründlich und als würde man ins Bodenlose fallen, wenn man zu lange hinsah.

Inka bemerkte, dass sie beide noch gar nichts gegessen hatten. Der Kaffee in den Tassen war inzwischen ebenfalls kalt. Hastig stand sie auf, leerte die Tassen aus und goss neuen Kaffee ein. „Ich bin ja eine schöne Gastgeberin“, meinte sie. Peter winkte ab: „In so einer Situation würde es mir genauso gehen. Und selbst mir als Unbeteiligtem geht die Geschichte sehr nahe.“

Erklärte das den eigenartigen Augenausdruck? Wahrscheinlich war er nicht geübt im Umgang mit Trauernden.

„Jetzt lassen Sie uns aber endlich frühstücken“, sagte Inka. Ihre Tränen waren endlich versiegt. Sie genoss die frischen Brötchen und aß mit großem Appetit.

Inka erzählte Peter, dass sie mit ihren Eltern meistens lange am Küchentisch beim Frühstück gesessen hatte. Hier wurde alles besprochen, was wichtig war. Es ging immer sehr ausgelassen zu am Frühstückstisch. Mittags aßen ihre Eltern im Restaurant und Inka in der Schule, außer natürlich am Wochenende. Abends trafen sie sich im Wohnzimmer oder auf der Veranda und hörten gemeinsam alte Schallplatten. Inka fand diese Abende herrlich. Selbst nach ihrem Auszug aus dem Elternhaus wurde bei jedem ihrer Besuche ausgiebig gefrühstückt und abends gemeinsam Musik gehört. Beim Frühstück besprach man alles Wichtige, abends wurde der Musik gelauscht und über angenehme Dinge geplauscht.

Jeden Abend gab es zum Essen irgendeine Suppe. Diese köchelte den ganzen Nachmittag auf dem Herd und verströmte ihren verlockenden Duft im ganzen Haus. Das Radio in der Küche dudelte dabei ebenfalls die ganze Zeit vor sich hin.

Bei dieser Erzählung huschte ein Schatten über Peters Gesicht, kaum wahrnehmbar, aber Inka hatte es bemerkt. „Was haben Sie? Hatten Sie kein so schönes Verhältnis zu Ihren Eltern?“

„Sie sind aber sehr aufmerksam“, bemerkte Peter, „Nein, ich habe keine solchen Erinnerungen. Meine Eltern sind gestorben, als ich noch ganz klein war. Aber ich möchte nicht weiter darüber reden.“

„In Ordnung“, sagte Inka mitfühlend, „das kann ich gut verstehen.“

Nach dem Frühstück lud Peter sie ein, mit ihr ins Einkaufszentrum zu fahren, damit sie sich mit dem Notwendigsten versorgen konnte.

„Müssen Sie denn nicht arbeiten?“, fragte Inka. „Nein, zurzeit habe ich Urlaub“, antwortete Peter.

Er erzählte ihr, dass er nur in der Urlaubszeit und an den Wochenenden hier in Bötzow wohnte, in der übrigen Zeit des Jahres jedoch in einer Wohnung in Berlin-Spandau.

Also nahm Inka das Angebot an und sie verabredeten sich für 9.30 Uhr vor dem Haus.

Pünktlich fuhr Peter mit einem Nobelschlitten vor. Inka war ganz aufgeregt. In so einem flotten Wagen war sie noch nie mitgefahren. Peter stieg aus, ganz Gentleman, und hielt Inka die Autotür auf. Sie stieg ein und versank in einem gemütlichen Ledersitz. Ihre Beine konnte sie komplett ausstrecken. Inka war zwar nur 1,57 m groß, aber selbst für ihre Größe boten die Autos, in denen sie sonst fuhr, nicht so viel Beinfreiheit. Peter startete den Wagen und augenblicklich umfingen sie eine fantastische Innenbeleuchtung sowie zauberhafte Musik.

Die Fahrt zum Einkaufszentrum verging wie im Flug.

Der Einkauf ging dann auch recht zügig vonstatten, Inka fand schnell die benötigten Lebensmittel und an der Kasse standen nur drei Leute vor ihnen. Während Inka die Sachen auf das Band legte, fühlte sie sich eigenartig beobachtet. Peter schaute sie ständig mit einem unergründlichen Blick an, wenn er dachte, sie würde es nicht sehen. „Eigenartig“, dachte sie, „bilde ich mir das nur ein oder mustert er mich?“. Sie sprach ihn jedoch nicht darauf an. Stattdessen packte sie zügig ihre Einkäufe ein und Peter trug die Beutel ins Auto. Die Fahrt zurück gestaltete sich genauso angenehm, wie die Hinfahrt es gewesen war.