Das Auge des Zoltars - Jasper Fforde - E-Book

Das Auge des Zoltars E-Book

Jasper Fforde

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Beschreibung

Und so wandert man mit großen Augen und offenem Mund wie ein Kind durch diese Fantasiewelt, vergisst die Zeit und legt am Ende traurig das Buch zur Seite, weil es schon zu Ende ist und man in die reale Welt zurückkehren, wieder erwachsen sein muss. (Leserstimme auf Amazon)

Obwohl Jennifer Strange erst 16 Jahre alt ist, macht sie einen ziemlich guten Job und leitet noch immer die Zauberagentur Kazam in den Ununited Kingdoms.
Ruhe will allerdings nicht einkehren. Shandar, der mächtigste (und gefährlichste) Zauberer aller Zeiten, kehrt zurück. Er konnte sein Drachenproblem nicht lösen und muss eigentlich seine Geldstrafe begleichen: 18 Goldbarren. Aber Shandar ist niemand, der für irgendetwas bezahlt, und so schwört er, die Drachen ein für alle Mal zu beseitigen. Außer, Jennifer Strange und ihre Freunde wären bereit, ihm das legendäre Juwel, Das Auge des Zoltars, zu liefern. Jennifer hat keine Wahl, und so geht es mit ihren Gefährten auf die Reise. Blöd nur, dass der Weg zum Ziel mit einer 50%igen Todesquote ausgewiesen ist ...


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Seitenzahl: 440

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Inhalt

CoverTitelseiteImpressumWidmungZitatDer Stand der DingeDie Zambini TowersTralfamosaurus-Jagd Teil 1: Köder und LockvogelTralfamosaurus-Jagd Teil 2: Jagd und EinfangenEngelsfallenAudienz beim KönigDie ausgewechselte PrinzessinDer Mächtige ShandarDer Außergewöhnliche Kevin ZippDas Konklave der ZaubererDie DrachenIm Royale zur GrenzeDas Cambrische EmpireColins AbsturzAddie PowellAddies ErklärungFleischfressende SchneckenDas Leere ViertelEs ist ein AustralopithecusAm ClaerwinMuschelgesprächeDie Geschichte des MarineoffiziersEin Deal mit CurtisSchwebeboottrip zurück ins Königreich SnoddNachhilfe in Sachen Leviathane und ein paar TouristenEine Begegnung mit dem TodMein Name ist GabbyDas alte DrachenlandMorgendliche FutterjagdDie Freunde wieder vereintLlangurigDie Geschichte der DienerinÄrger mit TotengräbernDas SchnellstreckengerichtAm Fuß des BergesDie BergsilurianerCavi hominiCadair IdrisPerkins’ GeheimnisDie Geschichte der LuftpiratinLuftpiratin Bunty WolffDer PlanDie Schlacht der HohlmännerDas letzte GefechtWir werden SchwesternVerhandlungen in CambrianopolisAb nach HauseNachspielDanksagungen

JasperFforde

Das Auge desZoltars

Übersetzung aus dem Englischen vonBarbara Neeb und Katharina Schmidt

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Titel der englischen Originalausgabe:

»The Eye of Zoltar«

 

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2014 by Jasper Fforde

All rights reserved including the rights of reproduction in whole or in part in any form

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Diese Übersetzung wird gefördert vom Deutschen Übersetzerfonds e.V., Berlin

Umschlaggestaltung: Tanja Østlyngen nach einem Entwurf von © Kev Walker

eBook-Produktion: Dörlemann Satz, Lemförde

 

ISBN 978-3-7325-3942-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

»Ich leiste niemals Rückzahlungen.«

Der Stand der Dinge

Zunächst mussten wir den Tralfamosaurus einfangen. Die offensichtlichste Frage war dabei neben »Was ist ein Tralfamosaurus?« natürlich »Warum ausgerechnet wir?«. Beginnen wir mit der Antwort auf die erste: Ein Tralfamosaurus ist ein magisches Wesen, das von einem längst in Vergessenheit geratenen Zauberer zu einer Zeit erschaffen wurde, als es kurz gesagt absolut hip war, seltsame und exotische Geschöpfe herbeizuzaubern. Der Tralfamosaurus hatte in etwa die Ausmaße und das Gewicht eines Elefanten, sein Hirn war ungefähr so groß wie ein Tischtennisball, und er konnte schneller laufen als jeder Mensch. Wichtiger für jemanden, der einen von ihnen fangen wollte, war allerdings die Information, dass sie nicht gerade wählerisch in Bezug auf ihre Nahrung waren. Und wenn sie Hunger hatten – was meist der Fall war –, fraßen sie so ziemlich alles. Schaf, Kuh, Gummireifen, Geräteschuppen, Antilope, Kleinwagen oder Menschen, alles war ihnen recht. Kurz gesagt, der Tralfamosaurus hatte starke Ähnlichkeit mit einem Tyrannosaurus Rex, verfügte allerdings nicht über dessen sonniges Gemüt und sympathische Ausstrahlung.

Und wir mussten ihn einfangen. Ach ja, und die Antwort auf »Warum gerade wir?« lautete, weil wir dafür verantwortlich waren, dass dieses Mistvieh ausgebrochen war.

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle ein wenig erklären, wer ich bin und was ich eigentlich mache, falls Sie noch nichts über mein Leben wissen. Also, zunächst einmal, ich bin sechzehn Jahre alt, ein Mädchen und Waise – hey, das ist kein großes Ding, jede Menge Kinder hier in den Ununited Kingdoms haben keine Eltern mehr, denn die endlosen Trollkriege der letzten sechzig Jahre haben unglaublich viele Menschenleben gekostet. Mit all diesen Waisen gibt es jede Menge billige Arbeitskräfte. Ich habe Glück gehabt. Schließlich wurde ich nicht in die Bekleidungsindustrie, an Fastfoodketten oder ins Hotelgewerbe verkauft, sondern muss meine sechs Jahre Sklavenschaft in einer Firma namens Kazam ableisten, einem eingetragenen Haus der Zauberei unter Leitung des Großen Zambini. Kazam tat genau das, was Unternehmen in dem Business so tun: Zauberer für magische Großtaten vermieten. Es gab nur ein Problem dabei, in den letzten fünfzig Jahren hatte sich die Magie so dramatisch abgeschwächt, dass wir jetzt wirklich so tief gesunken waren, verlorene Schuhe zu suchen, Häuser neu zu verkabeln, Abflussrohre freizumachen und Katzen von Bäumen zu retten. Das war ein bisschen erniedrigend für die einst so mächtigen Zauberer, die für uns arbeiteten, aber zumindest wurden die Jobs bezahlt.

Bei Kazam lernte ich, dass Magie nicht viel mit schwarzen Katzen, Hexenkesseln, Zauberstäben, spitzen Hüten und Besenstielen zu tun hatte. Nein, das gab es nur im Kino. Die Wirklichkeit sah etwas anders aus. Magie ist seltsam und geheimnisvoll, eine Verbindung aus Wissenschaft und Glauben, und praktisch gesehen läuft es so: Magie umgibt uns wie ein unsichtbarer Nebel aus emotionaler Energie, die Menschen mit magischen Fähigkeiten anzapfen und in einen konzentrierten Energieausstoß aus ihren Zeigefingerkuppen kanalisieren können. Die technische Bezeichnung für Magie lautete »Variable elektro-subatomare Gravitationskraft«, doch wesentlich gebräuchlicher war »Zauberkraft« oder einfacher »Knistern«.

So war ich also Assistentin des Großen Zambini geworden, lernte viel und arbeitete hart, als der Chef buchstäblich in einer Rauchwolke verschwand. Er kehrte nicht mehr zurück außer ab und zu für ein paar Minuten und oft an ganz zufälligen Orten, also übernahm ich mit fünfzehn Jahren die Leitung der Firma. Okay, das war wirklich ein großes Ding, aber ich habe es geschafft, und, um es kurz zu machen, ich habe Drachen vor der Ausrottung gerettet, einen Krieg zwischen dem Königreich Snodd und dem Herzogtum Brecon abgewendet und dazu beigetragen, dass die Zauberkraft sich langsam wieder erholt. Und da ging der Ärger erst richtig los. King Snodd hielt es für eine wirklich gute Idee, Zauberkräfte für kommerzielle Zwecke zu nutzen, worüber wir bei Kazam nicht gerade glücklich waren. Um es noch mal kurz zu machen, wir trugen einen Zauberwettstreit aus, um zu entscheiden, wer die Kontrolle über die Magie bekommen sollte, und obwohl der König reichlich üble Tricks aufgeboten hatte, damit wir verlieren sollten, scheiterte er – und wir sind nun ein Haus der Zauberei, das nicht mehr dem königlichen Einfluss untersteht, und können uns darauf konzentrieren, Magie wieder zu einer edlen Kunst zu machen, auf die wir stolz sein können.

Ich kümmere mich jetzt bei Kazam um fünfundvierzig Zauberer, die alle ziemlich durchgeknallt sind, nur sechs von ihnen haben eine offizielle Genehmigung, Magie auszuüben. Und wenn Sie glauben, Zauberer wären alle kluge, weise Vertreter der Zauberkunst, denen die magische Energie nur so aus den Fingerspitzen fließt, sollten Sie Ihre Meinung noch einmal überdenken. Zum größten Teil sind sie undiszipliniert, kindisch, streitsüchtig und können einen zur Weißglut treiben, und ihre Magie funktioniert nur, wenn sie sich ernsthaft konzentrieren, aber das kommt nicht oft vor, und deshalb gibt es reichlich Zauber, die danebengehen. Aber wenn alles funktioniert, ist ein richtig guter Zauberspruch das Wunderbarste, was man je gesehen hat, wie Ihr Lieblingsbuch, das Lieblingsbild, die beste Musik und der Lieblingsfilm auf einmal und dazu noch Schokolade und eine innige Umarmung von jemandem, den Sie lieben. Also, trotz allem ist es eine tolle Branche. Außerdem wird es selten langweilig.

Nun wissen Sie über mich Bescheid. Und sonst? Ich habe einen Assistenten, Waise wie ich, er heißt Tiger Prawns, ich bin eine Drachenbotschafterin – aber davon später mehr –, und ich habe ein Quarktier als Haustier, das mindestens neunmal furchterregender ist als alles Schreckliche, was Sie je gesehen haben.

Ich heiße Jennifer Strange. Willkommen in meiner Welt!

Und jetzt auf zum Tralfamosaurus.

Die Zambini Towers

Ich, Tiger und diese fünfundvierzig Zauberer lebten alle in einem großen, elfstöckigen ehemaligen Luxushotel namens Zambini Towers. Es war ziemlich heruntergekommen, und obwohl wir noch ein wenig Magie übrig hatten, um es zu restaurieren, hatten wir uns dagegen entschieden. Die verblasste Tapete, das verzogene Holz, die fehlenden Fensterscheiben und das lecke Dach boten einen gewissen Charme. Manche meinten, es verliehe dem Ambiente ein gewisses Etwas, das es besonders geeignet für Zauberkünste machte. Andere vertraten jedoch die Ansicht, die Zambini Towers wären ein altes Drecksloch, das man nur noch abreißen konnte, und ich dachte irgendetwas dazwischen.

Als der Auftrag reinkam, stand ich gerade in der schäbigen, holzgetäfelten Eingangshalle der Zambini Towers.

»Zwischen hier und Ross läuft ein Tralfamosaurus frei herum«, sagte Tiger und schwenkte den Bericht, den ihm die Polizei in diesem Augenblick weitergeleitet hatte. Sie war gerufen worden, hatte die Sache aber dann an den Zoo abgegeben, der hatte es an die Bergrettung weitergeschoben, von dort ging die Anfrage zurück an die Polizei, die das Ganze dann an uns weiterleitete, nachdem der Zoo sich ein zweites Mal geweigert hatte.

»Wurde jemand gefressen?«, fragte ich.

»Zwei Eisenbahner und ein Angler, aber der nur teilweise«, sagte Tiger, der erst zwölf Jahre alt und so wie ich ein Findelkind war. Für die nächsten vier Jahre war er vertraglich hier gebunden, danach konnte er die Staatsbürgerschaft beantragen oder sie sich im nächsten Trollkrieg verdienen, der vermutlich nicht lange auf sich warten lassen würde. Trollkriege sind wie die Batman-Filme: Beide gibt es in regelmäßigen Abständen, sie protzen mit jeder Menge teurer Hardware und sind weitestgehend vorhersehbar. Nur dass in den Trollkriegen die Menschen immer verlieren – und zwar richtig übel. Im Vierten Trollkrieg vor acht Jahren kamen sechzigtausend Soldaten ums Leben, noch ehe General Snood den Befehl zum Vorrücken ausgesprochen hatte.

»Also schon drei Opfer«, fasste ich zusammen. »Wir müssen Big T unbedingt in den Zoo zurückverfrachtet haben, bevor er wieder Hunger bekommt.«

»Wie viel Zeit bleibt uns?«, fragte Tiger, der zwar ein kleines Kerlchen war, aber groß im Fragen stellen.

Ich schätzte kurz ab, wie viele Kalorien ein Eisenbahner hatte, und verglich das mit dem, was ich über den Stoffwechsel eines Tralfamosaurus wusste, wobei ich über den Daumen gepeilt riet, wie viel er wohl von dem Angler gefressen hatte, dann antwortete ich.

»Drei Stunden, höchstens vier. Welche Zauberer haben jetzt gerade Dienst?«

Tiger sah auf dem Klemmbrett nach.

»Lady Mawgon und Zauberer Moobin«, erwiderte er.

»Ich werde aushelfen«, sagte Perkins, der neben mir stand. »Ich habe schon seit … hm … mindestens ein paar Tagen keinen Todesschrecken mehr erlebt.«

Perkins war Kazams jüngster und kürzlich lizenzierter Zauberer, der die Prüfung erst vor einer Woche bestanden hatte. Er war achtzehn, also zwei Jahre älter als ich, und obwohl er noch nicht so viel Zaubermacht hatte, zeigte er gute Anlagen – Zauberer bringen normalerweise keine sinnvolle Magie hervor, bis sie die Dreißig erreichen. Aber viel wichtiger war, dass Perkins und ich eigentlich gerade zu unserer ersten Verabredung aufbrechen wollten, als der Auftrag hereinkam. Die musste nun warten.

»Okay«, sagte ich zu Tiger, »hol Mawgon und Moobin. Und du solltest auch die Einstmals Herausragende Boo anrufen.«

»Verstanden«, antwortete Tiger.

»Können wir das Date verschieben?«, sagte ich an Perkins gewandt. »In der Zauberindustrie heißt es ›erst die Magie, dann das Vergnügen‹.«

»Das war mir schon klar«, antwortete er. »Was meinst du, wollen wir diesen Auftrag zu unserer Verabredung machen? Romantische Abendessen für zwei bei Kerzenschein werden maßlos überschätzt. Ich könnte sogar ein paar Sandwiches und eine Thermoskanne mit heißem Kakao mitnehmen.«

»Okay«, sagte ich und nahm seine Hand, »du bist dabei. Dann haben wir eben ein romantisches Date ganz ohne Kerzenschein von der Sorte ›Einmal ein grässlich gefährliches Raubtier einfangen für zwei, bitte‹ – aber wir brezeln uns nicht auf und teilen die Rechnung.«

»Abgemacht. Dann geh ich mal und mach ein paar Sandwiches und die Thermoskanne klar.«

Er kicherte kurz und verschwand.

Während ich auf die anderen Zauberer wartete, las ich noch einmal im Codex Magicalis alles über Tralfamosaurier nach, aber das war nicht viel. Dieses Wesen wurde durch Magie um 1780 erschaffen, und zwar auf Befehl des ersten Imperators von Cambria, Tharv, weil er sich ein Tier wünschte, »das bei der sportlichen Jagd eine Herausforderung darstellen würde«. Eine Aufgabe, die der Tralfamosaurus mit aller gebührenden Grausamkeit erfüllte. Noch jetzt, zweihundert Jahre später, zahlten Leute viel Geld für das Privileg, ihn zu jagen, meist mit tödlichem Ausgang für den Jäger. Seltsamerweise wurde die Jagd auf Tralfamosaurier dadurch nur noch beliebter, weil die Bürger sich anscheinend in diesen modernen, sicherheitsbewussten Zeiten unglaublich zur Gefahr hingezogen fühlten. Das Cambrische Empire machte heute gutes Geld mit dem, was sie »Risikotourismus« nannten – Urlaub für Leute, die den ultimativen Kick suchten.

Moobin kam als Erster in die Lobby. Er war im Gegensatz zu den anderen Zauberern so gut wie gar nicht durchgeknallt. Abgesehen von seinen magischen Auftragsjobs beschäftigte er sich mit Zauberforschung und -entwicklung. Im letzten Monat hatte Moobins Mannschaft an einem Zauber gearbeitet, wie man sich augenblicklich in Gummi verwandeln konnte, um einen Fall aus großer Höhe zu überleben, am Einsatz von »sofortigem Versteinerungszauber« für den Transport von schwerverletzten Unfallopfern in ein Krankenhaus und an einer Methode, mittels Schnecken eine zuverlässige Kommunikation zu sichern. Darüber hinaus war er ein angenehmer Gesellschafter, etwas über vierzig, höflich und zollte mir den angebrachten Respekt für meine Bemühungen. Tiger und ich mochten ihn wirklich gern.

»Der Tralfamosaurus ist ausgerissen«, erklärte ich ihm, als er in die Lobby kam, »während Sie und Patrick heute Nachmittag beim Wiederaufbau der Brücke in Wallung waren. Zwei Vierteltonnen schwere Steinblöcke wurden in den Himmel geschleudert.«

»Ich habe mich schon gewundert, was aus ihnen geworden ist«, meinte Moobin nachdenklich.

»Einer kam in einem Obstgarten in der Nähe von Belmont runter, ohne dass dabei jemand verletzt wurde, der andere dagegen landete auf der Bahnstrecke Ross-Hereford und brachte den Zug zum Entgleisen, der den Tralfamosaurus im Rahmen einer Art Austauschprogramm von gefährlichen Tieren in den Woburn Safaripark transportieren sollte.«

»Aha«, sagte Moobin, »also sind wir irgendwie dafür verantwortlich, oder?«

»Ich fürchte schon«, antwortete ich. »Und er hat bereits drei Menschen gefressen.«

»Ups«, machte Moobin.

»Von wegen ups«, erklärte Lady Mawgon, die gerade mit Tiger im Gefolge die Lobby betrat. »Das gemeine Volk hat die gleichen Risiken zu tragen wie wir.«

Im Gegensatz zu Moobin gehörte Lady Mawgon nicht zu unseren Lieblingszauberern, war aber unbestritten gut in allem, was sie tat. Ursprünglich war sie mal offizielle Hofzaubererin des Königreichs Kent gewesen, bevor die Zauberenergie schwand, aber ihr Abstieg aus diesen erhabenen Höhen hatte sie frostig und übellaunig werden lassen. Erst kürzlich hatte sie ihr siebtes Lebensjahrzehnt erreicht, sie schaute immerzu mürrisch drein und hatte die beunruhigende Angewohnheit, sich stets eher gleitend als laufend vorwärtszubewegen, als würde sie unter den Falten ihres langen schwarzen Kleides Rollschuhe tragen.

»Dennoch«, sagte ich diplomatisch, »ist es wahrscheinlich keine gute Idee, den Tralfamosaurus Leute fressen zu lassen.«

»Vermutlich nicht«, gab Lady Mawgon zu. »Was ist mit der Einstmals Herausragenden Boo?«

»Weiß schon Bescheid«, antwortete ich und zeigte auf Tiger, der mit jemandem telefonierte.

Die Einstmals Herausragende Boo war, wie ihr Name schon sagte, früher einmal herausragend gewesen. Sie hätte so mächtig sein können wie der Mächtige Shandar selbst, doch sie hatte sich schon lange aus der Magie zurückgezogen und inzwischen einen so grimmigen Charakter entwickelt, dass Lady Mawgon im Vergleich dazu noch wie ein Ausbund an Fröhlichkeit wirkte. Dafür gab es einen einfachen Grund: Sie war ihrer glänzenden Karriere beraubt worden, weil man ihr die Zeigefinger abgehackt hatte, durch die die Zauberer ihre Kraft leiten. Dreißig Jahre lang waren diese Finger verschwunden geblieben, bis wir sie kürzlich wiedergefunden hatten, doch als sie die Verbindung zu den vertrockneten Knochen wiederherstellte, brachte sie nur noch unberechenbare und ungenaue Magie zustande. Nun erforschte sie Quarktiere und war die weltweit anerkannteste Autorität für Tralfamosaurier, weshalb wir sie unbedingt mit an Bord haben mussten.

»Sie wird vor Ort zu euch stoßen«, sagte Tiger und legte den Hörer auf. »Ich werde hierbleiben und Telefondienst schieben, falls du irgendetwas brauchst, das wir dir schicken müssen.«

Als Perkins mit den Sandwiches kam, gingen wir raus zu meinem VW Käfer. Natürlich standen im Untergeschoss der Zambini Towers bessere Autos zur Verfügung, aber der Käfer hatte für mich einen hohen Gefühlswert: Vor vielen Jahren in einer stürmischen Nacht hatte man mich dort auf dem Rücksitz in eine Decke gewickelt vor dem Waisenhaus Unserer Lieben Frau vom Hummer gefunden. Unter den Scheibenwischern hatte ein Zettel geklemmt:

Kümmern Sie sich bitte um dieses arme, liebe Kind, seine Eltern sind in den Trollkriegen gestorben.

PS: Ich glaube, der Motor braucht ein wenig Öl und der Reifendruck müsste mal überprüft werden.

PPS: Wir denken, es sollte Jennifer heißen.

PPPS: Das Kind, nicht das Auto.

PPPPS: Als Nachnamen wählen Sie bitte etwas Stranges.

Der Wagen wurde aufbewahrt – so verfuhr man per Königlichem Dekret mit allen Sachen, die bei einem Findling hinterlassen wurden – und wurde mir übergeben, als die Schwesternschaft des Ordens Unserer Lieben Frau vom Hummer mich im Alter von vierzehn Jahren an Kazam verkaufte.

Nachdem ich den Reifendruck geprüft und etwas Öl nachgefüllt hatte, startete ich ihn zum ersten Mal und fuhr in meinem eigenen Wagen zu meinem ersten Job. Wenn Sie meinen, mit vierzehn sei man zu jung zum Fahren, denken Sie noch mal darüber nach. Das Königreich Snodd vergibt Führerscheine nicht nach dem Aspekt, ob man alt genug, sondern ob man verantwortungsvoll genug ist, etwas, was so manche Ü-vierzig-Fahrer unglaublich frustrieren kann, wenn sie ihren Verantwortungstest zum zigsten Mal vergeigt haben.

»Ich sitz vorn!«, schrie Lady Mawgon und ließ sich schnell auf den Beifahrersitz fallen. Alle anderen murrten. Auf der Rückbank des Käfers zu sitzen bedeutete nämlich neben dem Quarktier zu sitzen, einem Geschöpf, das oft beschrieben wird als eine Kreuzung aus einem Labrador und einer offenen Messerschublade, mit einem großen Anteil Velociraptor, was als Zugabe mit ledrigen Schuppen bedeckt ist. Trotz seines furchterregenden Äußeren und der störenden Angewohnheit, Metall zu fressen, war das Quarktier ein treuer und kluger Gefährte.

»Okay«, sagte ich, nachdem wir losgefahren waren, »hat irgendjemand einen Plan, wie wir den Tralfamosaurus einfangen können?«

Schweigen.

»Wie wäre es damit?«, fragte ich. »Wir ändern unsere Pläne unter Einbezug der aktuellen Daten, sobald wir davon Kenntnis bekommen, und verändern sie dann erneut je nach Entwicklung der Lage.«

»Du meinst, wir sollen uns unterwegs etwas ausdenken?«, fragte Perkins.

»Genau.«

»Das hat schon mal funktioniert«, meinte Lady Mawgon.

»Schon oft«, ergänzte Moobin.

»Quark«, sagte das Quarktier.

Tralfamosaurus-Jagd Teil 1: Köder und Lockvogel

Der Zug, mit dem man den Tralfamosaurus transportiert hatte, war etwa vier Meilen von Hereford entfernt entgleist. Die Lokomotive stand noch auf den Schienen, aber viele Güterwaggons waren umgestürzt und lagen nun in einer unordentlichen Zickzacklinie entlang der Strecke. Ein massives Aufgebot an Polizeifahrzeugen, Rettungswagen und Feuerwehrzügen war vor Ort, und große Flutscheinwerfer an Masten leuchteten die nächtliche Szenerie aus. Ein gertenschlanker Polizeibeamter stellte sich als Detective Corbett vor und führte uns dann hinter den verstreuten Überresten der Güterwaggons zum Gleis.

»Der Lokführer wurde als Erster gefressen«, sagte Corbett, während wir auf die Trümmer starrten. »Sehen Sie diese Fußspuren?«

Er knipste eine Taschenlampe an und deutete auf den Boden, wo ganz deutlich der Abdruck eines Tralfamosaurus zu erkennen war.

»Das Tier ist Richtung Nordost unterwegs«, sagte Moobin, nachdem er ein paar weiteren Spuren gefolgt war. »Irgendwelche Meldungen aus der Bevölkerung?«

»Bis jetzt nicht«, sagte Corbett.

»Ein Tralfamosaurus kann sich überraschend gut anschleichen«, sagte Lady Mawgon. »Einen neben sich zu entdecken und gefressen zu werden ist meist nur eine Angelegenheit von wenigen Sekunden.«

Corbett sah sich nervös um.

»Die Straßen wurden im Umkreis von fünfzig Meilen abgeriegelt«, sagte er in einem gehetzten Ich-bin-dann-mal-weg-Ton, »und die Anwohner wurden angewiesen, im Haus, oder besser noch, soweit vorhanden, im Keller zu bleiben. Artillerieeinheiten wurden einberufen, für den Fall, dass das Tier Hereford ansteuern sollte, und wenn Sie bis Tagesanbruch keinen Erfolg haben sollten, hat King Snodd den Einsatz von Landkreuzern genehmigt.«

»Wie wäre es mit …«, begann Moobin, aber da war Corbett schon verschwunden. Wir starrten auf die Überreste des Waggons für den Tralfamosaurus, dann sahen wir uns wieder um. Es war eine dunkle, stille Nacht, nur eine leichte Brise ließ die Äste der Bäume erzittern. Vom Tralfamosaurus keine Spur. Der Einsatz von Landkreuzern war wirklich die allerletzte Option: Dabei handelte es sich um vierstöckige Panzerfahrzeuge von immenser Durchschlagskraft, die alles niedermachen konnten außer Trollen, die diese gepanzerten Fahrzeuge unverschämterweise »Essen auf Rädern« nannten.

»Ich frage mich, ob ein Bataillon Landkreuzer, das einem einzigen Tralfamosaurus hinterherjagt, wohl wesentlich mehr anrichtet als jede Menge unnötigen Schaden«, sagte Perkins. »Wie gehen wir also jetzt vor?«

»Keine Ahnung«, sagte Lady Mawgon. »Moobin?«

»Ich habe nicht den geringsten Schimmer. Stellen wir uns den Tatsachen: Das Wiedereinfangen eines tonnenschweren, wütenden Fleischfressers mit einem erbsengroßen Spatzenhirn ist nicht gerade alltäglich für uns. Wie wurde er denn beim letzten Mal eingefangen?«

»Mit Lakritz«, sagte plötzlich jemand laut hinter uns, und wir fuhren erschrocken herum.

»Wie bitte?«, fragte Lady Mawgon.

»Mit Lakritz«, wiederholte die Einstmals Herausragende Boo, die gerade auf ihrem Moped eingetroffen war. Wir verstummten. Boo benutzte nie mehr Wörter als absolut notwendig, lächelte selten, und ihre Augen waren so dunkel, dass sie wie tintenschwarze Billardkugeln wirkten, die in einer runden Schüssel Sahne schwammen.

»Wenn Sie alle meinen Plan aufmerksam verfolgen, werden wir den Tralfamosaurus vor Tagesanbruch wieder eingefangen haben«, sagte Boo. »Mein Plan ist gut, und wenn er Wort für Wort ausgeführt wird, besteht eine realistische Chance auf Erfolg, sogar ohne dass jemand gefressen wird.«

»Definieren Sie bitte ›realistische Chance‹«, entgegnete Lady Mawgon, aber Boo ignorierte sie und fuhr fort: »Wir benötigen nur einen Granatwerfer, sechs Pfund handelsübliches Lakritz, zwei Zauber Schwierigkeitsklasse VIII, einen Schiffscontainer, eine Speckseite, ein Fahrzeug, einige Briefschnecken, eine Leiter und zwei Leute, die als Lockvogel dienen.«

Perkins beugte sich zu mir herüber und flüsterte:

»Bei den ›zwei Leuten, die als Lockvogel dienen‹, hat Boo irgendwie so komisch in unsere Richtung gesehen.«

»Ja, ich weiß«, flüsterte ich zurück. »Wir können uns bestimmt auch weigern, aber die Frage ist: Wovor hast du mehr Angst – vor einem Tralfamosaurus oder vor der Einstmals Herausragenden Boo?«

Eine Stunde später saßen Perkins und ich in meinem VW Käfer an einer Kreuzung auf einer Anhöhe etwa eine oder zwei Meilen vom zerstörten Güterwaggon entfernt. Durch das offene Verdeck konnten wir die Sterne sehen und das rosa Leuchten des Quarktiers, das auf einer Mauer in der Nähe hockte und die Nase aufmerksam witternd in die Nacht hinausstreckte.

»Wie gefällt dir das Date bis jetzt?«, fragte ich und versuchte, fröhlich zu wirken.

»Könnte besser laufen«, entgegnete er.

»Inwiefern?«

»Zum Beispiel kein Tralfamosaurus-Köder zu sein.«

»Ach, komm schon«, meinte ich scherzhaft. »Es ist doch eine wunderbare Nacht, um von einem neun Tonnen schweren, ausgehungerten Monster gefressen zu werden.«

Perkins sah durch das offene Verdeck nach oben zu dem weiten Sternenband über uns. Wie aufs Stichwort sauste eine Sternschnuppe über den Himmel.

»Mit einem Teil hast du recht«, sagte er und lächelte, »es ist eine wunderbare Nacht. Verrückt oder gar nichts, was?«

Ich erwiderte sein Lächeln.

»Genau: verrückt oder gar nichts. Lass uns noch einmal alles durchchecken.«

Ich schnipste die zwei Glühwürmchen über dem Armaturenbrett mit meinem Finger an. Ein sanfter Lichtschimmer beleuchtete die zwei »ZauberGO«-Knöpfe, die Moobin und Lady Mawgon am Armaturenbrett installiert hatten. Man kann Zauber im Voraus aussprechen, sie bleiben dann so lange inaktiv, bis man sie mit so etwas Simplem wie einem großen Knopf aktiviert. Auf einem stand »Rollen« und auf dem anderen »Schweben«.

»Hast du den raketenbetriebenen Lakritzwerfer parat?«, fragte ich.

»Gecheckt!«, gab Perkins zurück und tätschelte die Waffe, die statt mit einem Sprengkopf mit einem fetten, melonengroßen Klumpen von handelsüblichem Lakritz ausgerüstet war. Der roch allerdings so stark, dass wir ihn oben aus dem Verdeck halten mussten, damit unsere Augen nicht die ganze Zeit tränten. Tralfamosaurier lieben Lakritz und können es bei ausreichender Windstärke mindestens eine Meile weit wittern.

Wir zuckten heftig zusammen, als eine Schnecke durch das offene Fenster hereinsauste und unter Zurücklassung einer Schleimspur innen an der Windschutzscheibe entlangrutschte, bis sie schließlich zum Halten kam. Briefschnecken waren eine der neuesten Entdeckungen von Zauberer Moobin. Er hatte herausgefunden, dass alle Schnecken eigentlich fähig waren, sich mit über hundert Stundenkilometern fortzubewegen und ein vorgegebenes Ziel punktgenau zu erreichen, dies aber nicht taten, weil sie schrecklich faul waren und sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließen. Doch durch das Umschreiben eines Motivationszaubers, der gern von TV-Fitnesstrainern benutzt wurde, konnte man Briefschnecken jetzt zur Kommunikation nutzen – und sie waren sogar zuverlässiger als Brieftauben, die sich zu leicht ablenken ließen.

Die Schnecke dampfte noch vor Anstrengung und roch ein wenig nach verschmortem Gummi, wirkte aber sehr stolz auf sich selbst. Wir gaben ihr ein Salatblatt, steckten sie in ihren Käfig, und Perkins öffnete die Nachricht, die an ihrem Haus festgeklebt war. Sie stammte von Lady Mawgon.

»Berichte von besorgten Anwohnern verorten T. drei Meilen entfernt auf Straße nach Woolhope.«

Woolhope war die sechstgrößte Stadt im Königreich, zwölftausend Einwohner und eine Marzoleum-Raffinerie. Ich hatte plötzlich einen Geistesblitz.

»Er orientiert sich an der Flamme.«

Verarbeitungsbetriebe für Marzoleum haben immer einen hohen Turm zum Abfackeln des anfallenden Gases, und diese Flamme lockte meiner Meinung nach den Tralfamosaurus an. Sein Hirn war vielleicht kaum größer als ein Tischtennisball, aber er war bestimmt nicht auf den Kopf gefallen, wenn es darum ging, in der Nacht Futter aufzutreiben. Feuer und Licht verhießen im Allgemeinen Menschen.

»Da«, sagte ich und setzte meinen Finger auf die Landkarte neben einen Ort namens Broadmoor Common, der in Windrichtung von Woolhope lag. »Dort wird er uns leicht wittern können.«

Ich pfiff nach dem Quarktier, das daraufhin hinten ins Auto sprang, und wenig später bretterten wir, so schnell es ging, über die schmalen Straßen. Es war inzwischen fast drei Uhr morgens, und ich fuhr zugegebenermaßen äußerst rücksichtslos. Die Polizei hatte die Gegend abgesperrt, und jedermann hatte die Anweisung erhalten, zu Hause zu bleiben, aber trotzdem war ich darauf gefasst, irgendwann auf einen Traktor oder etwas Ähnliches zu stoßen. Was ich nicht tat. Ich stieß auf etwas wesentlich Schlimmeres.

Das Quarktier quiekte als Erstes los, es hörte sich an wie »Quarkyquarkquarky«, was Gefahr signalisieren sollte. Fast sofort danach erfassten meine Scheinwerfer etwas großes Hässliches, Reptilienartiges, das vor uns auf der Straße stand. Die Schweinsäuglein des Tralfamosaurus blitzten hell auf, als er hochsah. Er war größer, als ich ihn von meinen gelegentlichen Besuchen im Zoo in Erinnerung hatte, und in freier Wildbahn sah er auch deutlich gefährlicher aus.

Ungefähr fünfzig Meter lagen zwischen ihm und uns, und Perkins und ich saßen einen Moment lang nur da, während der Motor des Käfers im Leerlauf vor sich hin tuckerte. Der Tralfamosaurus starrte uns einige Sekunden ausdruckslos an, bis mir klar wurde, dass wir gegen den Wind herangekommen waren und er wahrscheinlich das Lakritz noch nicht gerochen hatte. Ich setzte langsam zurück, aber er folgte uns nicht. Gegen meinen gesunden Menschenverstand hielt ich an und fuhr dann wieder ganz langsam nach vorn. Das Tier wirkte immer noch nicht interessiert.

»Du solltest dich besser als Lockvogel präsentieren«, sagte ich zu Perkins, »und versuch, ein wenig appetitlich zu wirken.«

»Klar«, erwiderte er sarkastisch. »Ich bin schließlich im ganzen Land für meine Kuchen-Imitationen bekannt.«

Perkins atmete einmal tief durch, machte den Sicherheitsgurt los, stellte sich auf den Sitz und winkte durch das offene Verdeck. Mit durchschlagendem Erfolg. Der Tralfamosaurus stieß ein ohrenbetäubendes Gebrüll aus und nahm die Verfolgung auf.

Ich rammte den Rückwärtsgang rein und raste los. Glücklicherweise stand wenig weiter die Straße hinunter ein Gartentor offen, ich fuhr in die Einfahrt, riss das Lenkrad herum, legte krachend den ersten Gang ein und brauste dann mit einem Tralfamosaurus im Schlepptau davon. Teil eins des Plans lief nun.

Tralfamosaurus-Jagd Teil 2: Jagd und Einfangen

Jetzt konnte der Tralfamosaurus das Lakritz riechen, und er schnappte nach dem Wagen, während wir beschleunigten. Wir spürten die Erschütterung, als sich ein Zahn in die Karosserie bohrte, aber einen Moment später brach das Metall und gab uns wieder frei. Ich schaute in den Rückspiegel, während wir auf demselben Weg zurückfuhren, den wir gekommen waren – und sah im roten Schein der Rücklichter, wie der Tralfamosaurus uns im schwerfälligen Galopp hinterherkam. Zum Glück ist ein VW Käfer schneller als ein Tralfamosaurus, und so konnten wir einen sicheren Abstand halten.

Bei Mordford bogen wir nach links ab, danach ging es nach rechts über den Wye, wo der Tralfamosaurus, der inzwischen ziemlich hungrig war, stehen blieb, um am ironischerweise Tasty Drinker Inn benannten Gasthaus zu schnüffeln. Er war von dem Geruch der sich dort drinnen versteckenden Bürger so abgelenkt, dass wir fast bis auf seine Schnappweite zu ihm zurückkehren mussten, bevor er es sich anders überlegte und vom intensiven Lakritzduft überwältigt wieder uns verfolgte. Dabei zermalmte er zwei Autos auf dem Parkplatz und riss beim Überqueren einer Brücke beide Geländer ab.

»Wow«, sagte Perkins, der alles aus dem Seitenfenster hängend verfolgte. »Ich glaube, jetzt habe ich alles gesehen.«

»Ich wünschte von ganzem Herzen, dass du recht hättest«, sagte ich, »aber ich bezweifle es sehr. Du bist noch neu in der Zauberindustrie. So etwas wird ziemlich bald Routine für dich sein.«

Weitere zehn Minuten später bog ich scharf nach links auf ein Feld ein. Ich hatte bereits während der Vorbereitung des Plans das Gatter geöffnet und zwei Öllampen zu beiden Seiten an die Zaunpfosten gehängt, damit ich die Einfahrt nicht verpassen würde. Allerdings musste ich scharf abbremsen, damit ich die Kurve schaffte, und der Tralfamosaurus nutzte die Gelegenheit sofort, um unsere hintere Stoßstange mit seinen Zähnen zu packen. Der rückwärtige Teil des Autos wurde kräftig angehoben und schwebte einen Moment in der Luft, dann brach mit einem lauten Knirschen die Stoßstange ab. Kurz darauf landete der Käfer mit einem dumpfen Laut auf dem abschüssigen Gras und hüpfte durch den Aufprall wieder ein wenig hoch. Das Quarktier wurde vom Rücksitz nach oben gegen das Dach geschleudert, wo es hängen blieb, da sich seine Schuppen in das Metall gebohrt hatten.

Unbeirrt drückte ich das Gaspedal durch und fuhr in Richtung der anderen zwei Öllampen, die wir dort positioniert hatten, wo wir ein Teilstück des Zauns zwischen dem Feld und der Eisenbahnstrecke entfernt hatten.

»Stand-by für ZauberGO eins!«, rief ich, als wir den Schotterdamm hochfuhren, dann auf die Schienen einbogen und die Reifen nun ratternd über die Schwellen holperten. Perkins’ Hand schwebte über dem ersten der zwei Zauberaktivierungsknöpfe.

»Jetzt!«, brüllte ich und Perkins drückte den Knopf mit der Aufschrift »Rollen«. Es gab einen hellen Blitz und einen Summton, dann wurden die Räder des Käfers in Eisenbahnradscheiben verwandelt. Sie rasteten sofort auf den Schienen ein, und das Holpern hörte auf. Technisch gesehen waren wir nun ein Triebwagen. Da ich jetzt nicht mehr steuern musste, ließ ich das Lenkrad los, trat aufs Gas und schaute aus dem Fenster.

Der Tralfamosaurus war schon ganz nah – und sogar noch wütender. Angetrieben vom überwältigenden Lakritzgeruch schnappte er wie wild nach uns.

Und so fuhren wir in den Kidley Hill Tunnel ein. Der Tralfamosaurus folgte uns, und durch das Echo der Tunnelwände verstärkten sich Motorlärm und wütendes Sauriergebrüll zu einem entsetzlichen Lärm, wie ich ihn hoffentlich nie wieder hören muss.

»Okay«, schrie ich. »Beim nächsten Schritt ist perfektes Timing alles. Ich bin am ZauberGO-Knopf, du betätigst den Granatwerfer.«

»Okidoki«, erwiderte Perkins und schulterte die Waffe. Dann stellte er sich so ins offene Verdeck, dass er nicht auf das Tier, sondern in die entgegengesetzte Richtung zielte – auf das ferne Tunnelende, das jedoch rasend schnell näher kam.

Ich beschleunigte noch einmal, um etwas Abstand zwischen uns und dem wütenden Tralfamosaurus zu bringen, schließlich bremste ich abrupt neben einer einsamen grünen Lampe, die ich dort vorher platziert hatte. Dann schaltete ich den Motor aus und ließ die Scheinwerfer aufblitzen. Aus der Ferne antwortete uns ein Licht, das anschließend permanent leuchtete. Perkins zielte mit dem Granatwerfer auf den Schein und entsicherte ihn.

Angespannt legte ich meine Hand auf den ZauberGO-Knopf mit der Aufschrift »Schweben« und starrte durch die zerbrochene Heckscheibe. Ich konnte den Tralfamosaurus zwar trampeln und keuchen hören, ihn aber nicht sehen, und ein paar Momente später war sogar alles still.

»Jetzt?«, fragte Perkins mit dem Finger am Abzug.

»Wenn ich es sage.«

»Wie wäre es mit jetzt?«

»Wenn ich es sage.«

»Ist er weg?«

»Er befindet sich gerade wieder im Tarnmodus«, flüsterte ich. »Er ist bestimmt ganz nah, irgendwo in der Dunkelheit.«

Ich starrte in die pechschwarze Röhre, konnte aber immer noch nichts erkennen, dann hatte ich wieder eine Eingebung und trat aufs Bremspedal. Die Bremslichter gingen an und spendeten so das dringend benötigte Quäntchen an Extralicht in dem aus Ziegelsteinen gemauerten Eisenbahntunnel. Und das war auch gut so. Das Tier war knapp drei Meter von unserem Heck entfernt, und in dem warmen Rotlicht konnte ich seine kleinen schwarzen Äuglein erkennen, die gierig in unsere Richtung starrten.

»Jetzt!«

Es gab einen lauten Knall, als Perkins den Abzug betätigte, und die Lakritzrakete schoss mit einem hellen Lichtschweif, der die Wände ringsum beleuchtete, durch den Eisenbahntunnel. Dann folgte ein metallisches Klong, als die Rakete auf etwas traf. Natürlich explodierte sie nicht, der Sprengkopf war ja durch Lakritz ersetzt worden.

Ich drückte den ZauberGO-Knopf mit der Aufschrift »Schweben«. Wieder gab es ein summendes Geräusch, dann stieg das Auto taumelnd nach oben. Natürlich nicht in Richtung Tunneldecke, denn so würden wir niemals entkommen, sondern in einen der drei Entlüftungsschächte, durch die der Eisenbahntunnel mit der Außenwelt verbunden war. Der Schacht war zwar ziemlich breit, aber der Käfer stieß beim Hochschweben gegen die Wände und schwankte heftig, sodass er schließlich mit der Schnauze abwärts zeigte und wir eine prima Sicht auf die Ereignisse unter uns hatten. Die Scheinwerfer des Käfers erfassten einen verwirrt dreinschauenden Tralfamosaurus, der auf den glänzenden Schienen stand. Er schien zunächst ein wenig über uns nachzugrübeln, dann folgte er doch lieber der Spur des Lakritzduftes, die der Granatwerfer hinterlassen hatte. Sobald er verschwunden war, schauten wir uns an und grinsten. Für den Augenblick waren wir zumindest in Sicherheit.

Wir schabten und schepperten uns den Entlüftungsschacht weiter nach oben, bis wir schließlich im ersten grauen Morgenlicht ins Freie kamen. Dort erwartete uns wie geplant Moobin, und ein Dutzend Männer, die aus der nächsten Stadt abgeordnet worden waren, befestigten sogleich Haken an der vorderen Stoßstange und der Hinterachse des Käfers, der nun leichter als Luft war. Die Männer mussten sich ordentlich in die Seile legen, als das Auto in der morgendlichen Brise hin- und herschwenkte, und unter lautem, anhaltendem Fluchen wurde es an zwei schweren Traktoren befestigt. Ich atmete erleichtert auf. Es war eine aufregende, gefährliche Nacht gewesen. Während wir einen Moment still dasaßen und in Gedanken noch einmal die Ereignisse Revue passieren ließen, löste sich das Quarktier vom Wagendach und landete mit einem dumpfen Plopp wieder auf dem Rücksitz.

»Werden alle unsere Dates so ablaufen?«, fragte Perkins.

»Hoffentlich nicht«, erwiderte ich und lächelte, »aber es hat doch richtig Spaß gemacht, oder? Ich meine, wir wurden schließlich nicht gefressen oder sonst wie getötet, oder?«

»Wenn du unter einem gelungenen Date verstehst, dass man nicht gefressen oder getötet wird, wirst du wohl niemals Enttäuschungen erleben.«

Und er beugte sich zu mir rüber. Wahrscheinlich hätte ich gleich dasselbe getan, doch da ertönte unter uns eine Stimme:

»Kommt ihr jetzt mal runter?«

Moobin.

»Ein andermal«, flüsterte ich.

Eine Leiter wurde gegen das Auto gelehnt, und wir kletterten zu Moobin hinunter, der uns beide auf dem Weg den Hügel hinab zum Tunneleingang beglückwünschte. Davor war ein Container mit weit geöffneten Türen aufgestellt worden, und der Tralfamosaurus, den die von Perkins abgefeuerte Lakritzgranate dort hineingetrieben hatte, war nach dem Zuschlagen der Türen gefangen. Durch die dicken Stahlwände des Containers konnten wir zufriedene Kaugeräusche hören; vorsorglich hatten wir dort gleich ein paar Speckseiten und einen halben Bison für ihn hinterlegt.

Der dritte Teil des Plans war schnell erledigt, die Männer hatten den schwebenden Käfer den Hügel hinabgeschleppt und dann den Container mit selbstvertäuendem Seil an ihm befestigt. Der Tralfamosaurus war schnell eingeschlafen und schnarchte jetzt, ziemlich erschöpft nach all den Aufregungen der Nacht, was man übrigens auch von den meisten von uns sagen konnte.

»Ausgezeichnete Arbeit«, sagte die Einstmals Herausragende Boo in einem seltenen Anflug von lobender Stimmung, die man ihr allerdings nicht ansah, da sie so finster wirkte wie eh und je.

Dann kletterte sie die Leiter zum Käfer hinauf, überprüfte die Windgeschwindigkeit, schlug die Tür zu und gab den Befehl, die Leiter zu entfernen.

»Ahoi, Moobin und Lady Mawgon«, rief sie nach unten. »Jennys Auto muss noch fünfzehn Tonnen leichter werden.«

Die beiden Zauberer erfüllten ihren Wunsch, dann spannten sich die Seile, mein Auto ächzte, und schließlich hob der VW den Container nach oben. Innerhalb kürzester Zeit hatte der Wind das seltsame Flugobjekt erfasst und trieb es über die Baumwipfel hinweg in Richtung Osten. Ich trat neben Moobin und Lady Mawgon, die ebenfalls zusahen, wie mein Käfer schnell in den Morgenhimmel aufstieg.

»Sie ist ein wenig hoch, wenn sie nur zum Zoo will«, meinte ich.

Moobin und Lady Mawgon sagten nichts, und ich erriet, was gerade vor sich ging.

»Sie will gar nicht zum Zoo, oder?«

»Nein«, sagte Moobin ruhig, »sie bringt den Tralfamosaurus über die Grenze ins Cambrische Empire. Dort gibt es wilde Tralfamosaurier, und er kann tun und lassen … was immer Tralfamosaurier so tun mögen.«

»Ich glaube kaum, dass King Snodd darüber erfreut sein wird«, sagte Perkins. »Der Tralfamosaurus war eine wertvolle Touristenattraktion für das Königreich und eines seiner Lieblingstiere, selbst dann noch, als ihm die Königin ausgeredet hatte, seine Feinde an ihn zu verfüttern.«

»Das war sehr klug von Queen Mimosa«, erwiderte Moobin, »aber ich glaube kaum, dass die Einstmals Herausragende Boo sich auch nur ansatzweise um die Gefühle des Königs schert.«

Und während es immer heller wurde, beobachteten wir alle, wie der Käfer mit dem Container stetig weiter in den Himmel aufstieg. Kurz darauf wurde er von den ersten Sonnenstrahlen erfasst und leuchtete plötzlich auf.

»Ich werde meinen Käfer vermissen«, sagte ich.

»Werden Sie nicht sentimental«, sagte Lady Mawgon, »es ist nur ein Auto.«

Aber das stimmte nicht. Es war das Auto meiner Eltern. Das, in dem ich ausgesetzt wurde. Zauberer Moobin drehte sich zu Perkins und mir um und lächelte uns an.

»Gut gemacht, ihr beiden. Los – das Frühstück geht auf mich.«

Engelsfallen

Prinz Nasil war bereits auf, als ich den umgemünzten Speisesaal betrat, den wir als »Nervenzentrum« von Kazam benutzten. Hier wurden die Tagesaufgaben verteilt und fanden alle Meetings statt, die mit Zauberei zu tun hatten. Der Ausbruch des Tralfamosaurus lag nun zwei Wochen zurück, und unsere Firma war zu dem zurückgekehrt, was wir als Normalzustand zu bezeichnen pflegten.

»Hallo, Jennifer«, sagte Prinz Nasil gutgelaunt. »Schon was Neues von Boo?«

»Noch nicht«, antwortete ich, »aber wir wissen, dass sie angekommen ist, weil sie nach der Landung eine Briefschnecke losgeschickt hat mit der Nachricht, dass sie und der Tralfamosaurus sicher im Cambrischen Empire gelandet sind.«

»Wenn mein Teppich auf dem Flug zur Trollmauer nicht so beschädigt worden wäre«, sagte der Prinz betrübt, »hätte ich dich unterstützen können.«

Er bezog sich auf den Flug mit Überschallgeschwindigkeit, den wir kürzlich nach Trollvania unternommen hatten. Dabei war sein bereits stark abgenutzter Zauberteppich weiter beschädigt worden, und der Prinz würde ihn runderneuern müssen, wenn er seine Lufttransporte wiederaufnehmen wollte.

»Schau dir das an«, sagte der Prinz und hielt einen jämmerlichen Teppich hoch, der kaum mehr war als ein Schatten seiner selbst. »Zehntausend Stunden und zwei vergangene Jahrhunderte sind bereits wiederhergestellt.«

»Was können wir tun?«, fragte ich.

»Wir brauchen mehr Engelsfedern«, meinte er so beiläufig, wie andere Leute über den Ölwechsel eines Autos sprechen.

»O-kay«, antwortete ich zögerlich, da Engelsfedern, wie der Name erkennen ließ, nicht ganz einfach zu beschaffen waren, »und wo könnten wir Engel finden?«

»Ach, die sind überall und passen auf«, sagte er, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. »Aber sie fliegen verflixt schnell, und sie zu fangen ist verdammt schwierig. Hier.«

Er übergab mir eine Drahtkiste, die eine Klappe mit einer gespannten Feder enthielt.

»Eine Engelsfalle«, sagte er ganz ungeniert. »Wenn man Marshmallows als Köder reinlegt, könnten wir vielleicht einen erwischen.«

Ich betrachtete zweifelnd die Falle, als Tiger hereinkam. Der Prinz reichte ihm eine weitere Engelsfalle, erklärte, worum es sich handelte, und sagte, dass der Erste, der einen Engel fing, einen Schokoriegel gewinnen würde.

»Sollten wir denn überhaupt Engel fangen?«, fragte Tiger, der trotz seiner Jugend einen guten Instinkt dafür hatte, was richtig und falsch war. »Ich meine, ist das ethisch korrekt?«

»Das bezweifle ich sehr«, erwiderte der Prinz heiter, »aber es ist auf jeden Fall besser, als Engel in Intensivhaltung auf Farmen zu züchten, wie man es früher getan hat – was der wahre Hintergrund für die Auflösung der Klöster war.«

»Das wusste ich nicht.«

»Nur wenige tun das.«

»Wo ist denn der beste Platz für eine Engelsfalle?«, fragte Tiger, sobald der Prinz den Raum verlassen hatte.

»Engel sind überall«, sagte ich, »aber im Allgemeinen greifen sie bloß in Zeiten der Not ein.«

»Du hättest so ein Ding dabeihaben sollen, als der Tralfamosaurus hinter euch her war«, sagte Tiger, und ich nickte.

»Habt ihr das hier schon gesehen?«, fragte Zauberer Moobin, der mit einer Zeitung in der Hand ins Büro kam. »Die Ununited Kingdoms rüsten sich für den Fünften Trollkrieg. Die Gießereien schieben Extraschichten – die Waisenbelegschaften erhalten Sonderrationen Schleimsuppe.«

Moobin bezog sich auf die Haupteinnahmequelle des Königreiches, die Produktion von Landkreuzern, die in erster Linie zur Bekämpfung von Trollen benötigt wurden.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass allgemein große Lust auf einen neuen Trollkrieg herrscht«, fuhr er fort. »Die meisten Länder der Ununited Kingdoms sind immer noch pleite vom letzten. Davon profitieren einzig King Snodd und die Waffenproduzenten.«

Wir alle schwiegen einen Moment und überlegten, was ein Fünfter Trollkrieg bedeutete. Betrübt dachte ich, dass der nur zu drei Dingen führen würde: viel Profit für den König, noch mehr Waisen – und dem Sechsten Trollkrieg.

»Wo wir gerade über Könige sprechen«, sagte ich, »ich habe um elf eine Audienz bei King Snodd.«

»Irgendeine Ahnung, weshalb er Sie sehen möchte?«, fragte Moobin. »Wenn er uns für das Verschwinden des Tralfamosaurus hinrichten wollte, hätte er das doch schon längst getan.«

»Ich nehme mal an, er macht Boo dafür verantwortlich. Außerdem wird er es sich nach unserem jüngsten Triumph zweimal überlegen, bevor er irgendwelche krummen Touren versucht.«

Der »jüngste Triumph«, auf den er anspielte, war Kazams Ernennung zum Königlichen Ratgeber, besser gesagt zum Hofzauberer, mit der der König eigentlich einen korrupten Konkurrenten namens Blix belohnen wollte, um so die Zauberkraft besser ausbeuten zu können. Wir hatten daraufhin einen Magiewettkampf mit dem Zauberhaus von Blix ausgetragen und gewonnen, und dieses war nun komplett in unser Unternehmen aufgegangen. Blix selbst war in Granit verwandelt worden, was zwar schlecht für ihn, aber gut für das Hereford Museum war, das ihn als ihre Hauptattraktion ausstellte.

»Selbst wenn«, sagte Moobin, »nehmen Sie sich in Acht beim König. Ah! Kunden!«

Die Glocke in unserem Empfangsraum hatte gerade geläutet, und wir mussten an die Arbeit. Der Morgen verging über Arbeitsbesprechungen mit potenziellen Kunden, die von unserem Sieg in dem Zauberwettkampf erfahren hatten und sich nun zunehmend für die Idee erwärmten, dass man Renovierungsarbeiten auch durch Magie erledigen lassen konnte. Wir berieten hinsichtlich der Neuausrichtung von Häusern, damit sie besser in der Sonne lagen, und wie man ausgewachsene Bäume versetzen konnte. Außerdem schlossen wir einige Verträge zum Auffinden von verloren gegangenen Schlüsseln, Tieren und Großmüttern ab, und dann mussten wir noch den üblichen paar Hanseln absagen, die etwas von uns wollten, was wir nicht leisten konnten: Leute verliebt machen, jemanden von den Toten auferstehen lassen und in einem Fall sogar beides.

Der interessanteste Kunde war ein Mann, der vorschlug, wir sollten ihn in einer Stahlkugel in eine Erdumlaufbahn schicken, damit er »den Sonnenaufgang auf der Erde betrachten und dabei über die Unsterblichkeit nachdenken« konnte, bis ihm die Luft ausging. Selbstverständlich eine lächerliche Idee, aber zum Glück war »lächerlich« nie ein Wort, das bei Kazam einen negativen Beiklang hatte – meist ging Magie sowieso weit über das Lächerliche hinaus. Zum Beispiel, wenn es sich um Magnetwürmer handelte oder die Vertreibung von Maulwürfen aus Toledo oder darum, Telefonspiralkabel mit Speichern auszustatten, Echos oder dafür zu sorgen, dass Fahrräder nie umfielen – oder der merkwürdigste, jedoch völlig ernst gemeinte Vorschlag, den vier Milliarden Kaninchen auf der Welt ein drittes Ohr zu verpassen, »um den Schmerz zu lindern, wenn man sie hochhebt«.

»In Ordnung«, sagte ich und schaute auf meine Uhr, sobald wir unseren Erdumlaufbahn-Kunden fortgeschickt hatten mit der Aufforderung, erst mit einem ärztlichen Attest wiederzukommen, das ihn als geistig gesund einstufte, »Zeit für einen Ausflug zum Palast.«

Nach dem Morgen, an dem mein VW Käfer davongeschwebt war, hatte ich mir ein anderes Fahrzeug suchen müssen. Zum Glück gab es jede Menge vergessener Autos, die in den Kellergeschossen der Zambini Towers unter Schutzhüllen vor sich hin schlummerten. Nachdem ich ein paar begutachtet hatte, hatte ich mich für einen ausladenden Oldtimer namens Bugatti Royale entschieden. Er war innen höchst luxuriös ausgestattet, und die Motorhaube reichte so weit, dass man bei Nebel kaum die Kühlerfigur erkennen konnte. Ich hatte mir diesen Wagen ausgesucht, teils, weil er sofort ansprang, teils, weil er gut aussah, aber vor allem, weil er der größte war.

Der Royale hatte allerdings einen Riesennachteil: Die Steuerung war unglaublich schwergängig. Lady Mawgon löste das Problem, indem sie mir ein einfaches Helfendes Händchen™ zauberte, das mehr oder weniger wie eine abgetrennte Hand aussah, aber jede Art von nützlichen Arbeiten erledigen konnte, wie Brotteigkneten, Briefe abschreiben oder sogar mit dem Quarktier Gassi gehen. Obwohl es bestimmt sehr nützlich war, sah es zugegebenermaßen etwas gruselig aus, am Lenker des Bugattis eine körperlose Hand hängen zu haben, besonders wenn sie stark behaart war und die Aufschrift »Keine Pies mehr« eintätowiert hatte.

Ich schnappte mir Tiger und das Quarktier, und zehn Minuten später schlugen wir uns durch Herefords Vormittagsverkehr.

Audienz beim König

Die Burg auf dem Snodd Hill lag außerhalb der Königlichen Hauptstadt, unweit der langen Grenze zwischen dem Königreich und dem Herzogtum Brecon und der kurzen, die es vom Cambrischen Empire trennte. Die Sonne hatte die Burg in ein warmes Licht getaucht, zum Glück, denn dadurch wirkte dieses dunkle Steingemäuer nicht ganz so düster wie sonst. Der »Mittelalterlook« galt immer noch als schwer angesagt, was auch okay war, wenn einem ein Haufen verwitterte Steine, Matsch, seltsame Gerüche, äußerst dürftige Sanitäranlagen und massenweise in zerlumpte Decken gehüllte Bettler nichts ausmachen.

Ich stellte den Wagen auf dem für den Hofzauberer reservierten Parkplatz ab, beschäftigte Tiger und das Quarktier mit einer Partie Schach und schritt danach durch einen reich verzierten Vordereingang, vor dem zwei Wachen ihre auf Hochglanz polierten Hellebarden präsentierten. Ich nannte dem dort postierten Lakaien meinen Namen, woraufhin er mich abschätzig ansah, ein dickes Buch mit Ledereinband konsultierte, die Nase rümpfte und mich den Weg den Flur hinunter zu einer hohen, doppelflügeligen Tür begleitete. Er klopfte zweimal, die Türflügel öffneten sich, und er bedeutete mir hineinzugehen.

Hinter mir schlossen sich die Flügel wieder, und ich sah mich um. Kaminfeuer loderten an beiden Enden des Raumes in bettgroßen Feuerstellen, und es gab keine Höflinge, Soldaten oder Ratgeber, die herumlungerten, stattdessen liefen Dienstmädchen, Lakaien und andere Dienstboten geschäftig hin und her. Das sah nicht nach Herrscherbusiness aus, sondern nach Familienleben. Queen Mimosa, die unglaublich schöne Frau des Königs, war anwesend wie auch die Verzogenen Königskinder Prinz Steve und Prinzessin Shazine. Die Prinzessin war gerade beim Lernen, aber weil sie so schrecklich verzogen war, machte ein Lehrbeauftragter der Universität all ihre Hausaufgaben.

Alles sah verdächtig entspannt und zwanglos aus. Der König wollte wohl, dass ich seine sanftere Seite zu sehen bekam.

»Ah«, sagte er, als er meiner ansichtig wurde. »Untertan, tritt näher!«

King Snodd war weder groß noch gut aussehend noch gab es sonst etwas, was ihn auch nur ein wenig sympathisch gemacht hätte. Die besten der vielen Auszeichnungen und Preise, die er bei den jährlichen Ununited Kingdoms Despotenwettbewerben erhalten hatte, waren: »Meistgehasster Tyrann« (zweimal), »Korruptester König eines mittelgroßen Königreichs« (einmal), »Bester despotischer Akt, der sich auf einem eigentlich fairen Gesetz gründet« (dreimal), »Schlechtestes Gebiss« (einmal) und »Despot, der am wahrscheinlichsten von einer wütenden Menge mit landwirtschaftlichen Gerätschaften gelyncht wird« (zweimal). Also kurz gesagt, er war ein übellauniges, hinterhältiges kleines Stinktier, dessen Kopf von nichts anderem als militärischen Eroberungen und Geld besessen war. Aber Stinktier hin oder her, er war der König, und heute schien er gute Laune zu haben.

Ich kam näher, verneigte mich tief, und er gewährte mir die Gunst, seinen dicken goldenen Siegelring zu küssen.

»Euer Majestät«, sagte ich mit aller gebotenen Feierlichkeit.

»Ich grüße Sie, Miss Strange«, erwiderte er freundlich und wies mit ausladender Geste auf den Saal. »Willkommen in unserer kleinen Oase häuslicher Normalität.«

Also, normal hätte ich das Ganze nicht genannt. Ich kannte niemanden, dessen Vorkoster noch einen Vorkoster hatte, oder der Mäuse für illegal erklärt oder Nasenhaare besteuert hatte, oder der seine Vorhänge stündlich auswechseln ließ, damit sich dahinter keine Mörder verbergen konnten.

»Und vielleicht wäre eine Entschuldigung angebracht für den bedauerlichen Zwischenfall kürzlich«, fügte er hinzu, »als es eventuell so ausgesehen hat, dass ich die Staatsmacht benutzen wollte, um den Wettbewerb zu gewinnen.«

»Seitdem ist viel Wasser den Wye hinabgeflossen«, sagte ich diplomatisch.

»Ihr Wille zur Vergebung ehrt Sie«, ließ sich nun eine melodiöse Stimme vernehmen. Es war Queen Mimosa, die eleganteste Person, die ich je gesehen hatte. Selbstsicher und mit ruhiger Würde stand sie da, und wenn sie sich bewegte, kam es einem vor, als würde sie auf Seide laufen.

»Euer Majestät«, sagte ich und verbeugte mich noch einmal.

Der König und die Königin hätten nicht unterschiedlicher sein können. Der einzige Grund, weshalb das Königreich Snodd derzeit eine überdurchschnittliche Reputation genoss, war Queen Mimosas lenkende Hand im Hintergrund. Es ging das Gerücht, sie hätte sich nur einverstanden erklärt, den König zu heiraten und ihm Kinder zu schenken, um seinen Untertanen ein besseres Leben zu ermöglichen, und wenn das stimmte, hatte sie wirklich ein sehr edelmütiges Opfer gebracht. Vor ihrer Ehe war sie einfach Mimosa Jones gewesen, eine eigenständige Zauberin mittleren Ranges, und man erzählte sich, sie sei selbst eine Trollkriegswaise, was erklären würde, warum sie so viel Wohltätigkeitsarbeit für diese Kinder leistete.

»Nun denn«, sagte der König, der schnell zur Sache kommen wollte, da er vermutlich zu Mittag einer Hinrichtung beiwohnen sollte und nicht wollte, dass man ohne ihn anfing. »Da Sie und der Rest dieses Haufens aufreizend ungehorsamer Zauberer der seltsamen Ansicht sind, dass Magie Gutes für viele schaffen sollte, habe ich mich mit dem Gedanken abgefunden, dass mein Verhältnis zu Zauberern nicht so einseitig sein kann, wie ich es gern hätte. Frau? Übersetz das.«

»Damit will er sagen«, erklärte Queen Mimosa, »er weiß, dass er Sie nicht herumkommandieren kann.«

»Genau«, bestätigte King Snodd, »aber es gibt eine sehr heikle Angelegenheit, die wir besprechen müssen.«

Er wandte sich seiner Tochter, der Prinzessin, zu, die darauf wartete, dass jemand ihre Hausaufgaben für sie fertigstellte.

»Schätzchen, würdest du bitte herkommen?«

»Was, jetzt?«, fragte sie und verdrehte die Augen.

»Das ist nicht zu viel verlangt, Zuckerschnäuzchen.«

Die Prinzessin kam hüftschwenkend heran. Ich war genauso alt wie sie, aber wir hätten nicht unterschiedlicher aufwachsen können. Während ich die ersten zwölf Jahre damit verbracht hatte, Haferschleim zu essen und mir einen Schlafsaal mit sechzig anderen Mädchen zu teilen, war Prinzessin Shazine auf jede nur mögliche Weise verwöhnt worden. Sie trug Kleider aus den feinsten Stoffen, badete in Regenwasser, das unter immensem Aufwand aus Bali importiert wurde, und ihr Essen wurde von Michelin-besternten Köchen zubereitet. Kurz gesagt, jede ihrer Launen wurde auf die kostspieligste Weise befriedigt. Doch obwohl sie äußerst unausstehlich war, war sie auch unbestreitbar schön mit ihrem glänzenden rabenschwarzen Haar, den fein geschnittenen Gesichtszügen und den großen, forschenden Augen. Ich hatte sie zwar noch nie getroffen, aber sie war mir dennoch sehr vertraut. Schließlich konnte sie kaum eine Erkältung bekommen oder sich mit einem unpassenden Prinzen zeigen, ohne dass es auf die Titelseite der Zeitungen kam.

»Ja?«, sagte die Prinzessin schmollend und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Das ist Ihre Königliche Hoheit, die Kronprinzessin Shazine Blossom Hadridd Snodd«, verkündete der König. »Thronerbin des Königreichs Snodd.«

Die Prinzessin musterte mich von oben bis unten, als wäre ich weniger wert als Müll, achtete dabei allerdings sorgfältig darauf, dass unsere Augen einander nicht begegneten.

»Ich hoffe, dass die Unterbrechung meiner wertvollen Zeit auch einen Zweck hat.«

»Jetzt pass mal gut auf, Prinzessin«, sagte die Königin, und zwar so, dass jedermann aufgehorcht hätte, »diese junge Dame ist Jennifer Strange, die Letzte Drachentöterin.«

»Laaangweilig«, antwortete die Prinzessin und sah ihre Mutter angeödet an. »Magie ist so was von out.«

»Sie ist außerdem die Geschäftsführerin von Kazam Mystical Arts Management und eine junge Dame von außerordentlichem Mut, moralischen Werten und Einfallsreichtum. Alles, was du bestimmt nicht bist.«

Die Prinzessin wirkte geschockt, als könnte sie nicht glauben, was sie gerade gehört hatte.

»Waas?«

»Du hast mich schon verstanden«, erwiderte die Königin. »Das süße Leben hat dich über alle Maßen verdorben und unausstehlich werden lassen – ein Zustand, für den ich zum Teil mitverantwortlich bin, das gebe ich zu.«

»Unsinn, Mutter!«, sagte die Prinzessin hochnäsig. »Jeder liebt mich, weil ich so schön, charmant und geistreich bin. Du da …«

Sie zeigte auf eine Dienerin, deren Aufgabe es war, die Hinterlassenschaften der Königlichen Pudel aufzuwischen, die zahlreich, temperamentvoll und keineswegs stubenrein waren.

»Ja, Mylady«, sagte die Dienerin, die genauso alt war wie ich. Ein blasses Mädchen mit vollem mausgrauen Haar in einem sauberen, gestärkten Kleid, das sie als Hausbedienstete der untersten Kategorie auswies. Sie sah müde aus, verbraucht und vor der Zeit gealtert. Doch irgendwie hielt sie sich mit den letzten Resten an menschlicher Würde aufrecht.

»Liebst du deine Prinzessin, Mädchen?«

»Ich bitte um Vergebung, ja, Mylady«, sagte sie und knickste leicht, »und ich bin gewiss dankbar für die beruflichen Möglichkeiten, die ich durch die Gnade Eurer Familie erhalten habe.«

»Das hast du schön ausgedrückt«, sagte die Prinzessin glücklich. »Das gibt einen schönen Extra-Penny in deinen Rentenfonds; der erwartet dich an deinem fünfundsiebzigsten Geburtstag.«

»Ihre Ladyschaft ist zu gütig«, antwortete das Mädchen, und da sie wusste, wann eine Audienz zu Ende war, widmete sie sich wieder dem Pudel-Hinterherputzen.

»Siehst du?«, sagte die Prinzessin.