Das Begehren des Spions:  Die Ladys vom Cavendish Square - Band 3 - Jane Feather - E-Book
SONDERANGEBOT

Das Begehren des Spions: Die Ladys vom Cavendish Square - Band 3 E-Book

Jane Feather

0,0
4,99 €
1,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Erleben Sie ein romantisches Abenteuer in der Welt der Spione: Der Regency-Roman »Das Begehren des Spions« von Jane Feather als eBook bei venusbooks. London, im Jahr 1809. Die willensstarke Lady Aurelia wird vom Anliegen des charismatischen Sir Greville Falconer überrascht: Er bittet sie um ihre Hilfe bei einem Auftrag … als Geheimagentin im Dienst der englischen Krone! Schon bald muss Aurelia sich eingestehen, dass sie nicht nur an der aufregenden Maskerade Gefallen findet – der unwiderstehliche Geheimagent weckt in Aurelia ein alles verzehrendes Verlangen, das sie längst verloren glaubte. Doch die Ermittlungen bringen Aurelia in lebensbedrohliche Gefahr, aus der sie nur die starken Arme des Spions retten können … »Jane Feather schreibt Romane zum Sammeln: Man muss sie alle haben!« Romantic Times Begleiten Sie in der romantischen Regency-Trilogie »Die Ladys vom Cavendish Square« die drei Freundinnen Livia, Cornelia und Aurelia auf ihrer Suche nach der großen Liebe im London des 19. Jahrhunderts. Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Das Begehren des Spions« von Romance-Bestseller-Autorin Jane Feather. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 716

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

London, im Jahr 1809. Die willensstarke Lady Aurelia wird vom Anliegen des charismatischen Sir Greville Falconer überrascht: Er bittet sie um ihre Hilfe bei einem Auftrag … als Geheimagentin im Dienst der englischen Krone! Schon bald muss Aurelia sich eingestehen, dass sie nicht nur an der aufregenden Maskerade Gefallen findet – der unwiderstehliche Geheimagent weckt in Aurelia ein alles verzehrendes Verlangen, das sie längst verloren glaubte. Doch die Ermittlungen bringen Aurelia in lebensbedrohliche Gefahr, aus der sie nur die starken Arme des Spions retten können … »Jane Feather schreibt Romane zum Sammeln: Man muss sie alle haben!« Romantic Times

Über die Autorin:

Jane Feather ist in Kairo geboren, wuchs in Südengland auf und lebt derzeit mit ihrer Familie in Washington D.C. Sie studierte angewandte Sozialkunde und war als Psychologin tätig, bevor sie ihrer Leidenschaft für Bücher nachgab und zu schreiben begann. Ihre Bestseller verkaufen sich weltweit in Millionenhöhe.

Bei venusbooks erscheinen als weitere Bände der Reihe Die Ladys vom Cavendish Square:

Das Verlangen des Viscounts, Band 1

Die Leidenschaft des Prinzen, Band 2

Außerdem erscheinen in der Reihe Das Erbe von Blackwood:

Das Geheimnis des Earls, Band 1

Das Begehren des Lords, Band 2

Der Kuss des Lords, Band 3

Die Website der Autorin: www.janefeatherauthor.com

***

eBook-Neuausgabe November 2018

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Buch erschien bereits 2010 unter dem Titel Süße Fesseln der Liebe bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2009 by Jane Feather

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel A Husband's wicked Ways bei Pocket Star Books, a division of Simon & Schuster, Inc., New York.

Copyright © der deutschen Ausgabe 2010 by Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2018 venusbooks GmbH, München

Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Published by arrangement with Jane Feather.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Debu55y und Period Images

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-95885-638-7

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Das Begehren des Spions« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.venusbooks.de

www.facebook.com/venusbooks

www.instagram.com/venusbooks

Jane Feather

Das Begehren des Spions

Die Ladys vom Cavendish Square

Aus dem Amerikanischen von Jutta Nickel

venusbooks

Prolog

Corunna, Spanien. 16. Januar 1809

Mit gezogenem Säbel trat der Mann, der seinen Feinden nur als die »Natter« bekannt war, in den Schatten einer Tür, die auf die schmale Dorfstraße zeigte. Überall herrschte Kampfgetümmel, Pferde wieherten, Stahl klirrte auf Stahl, Kanonendonner hallte durch die Luft. Die zerlumpte Nachhut der Truppe von Sir John Moore focht die letzten verzweifelten Kämpfe im Dorf und auf den Höhen über Corunna. Über hundert britische Transportschiffe, eskortiert von zwölf Kriegsschiffen, warteten unten in der Bucht darauf, jene Truppen des Generals zu evakuieren, die nach dem verheerenden Rückzug durch die winterlich verschneiten Cantabrian Mountains übrig geblieben waren.

Die Natter wartete, bis die Verfolger näher zur Tür rückten. Er wusste nicht genau, wie viele Männer es waren, musste sie aber aufhalten, bis der Fähnrich das Dokument sicher an Bord eines der britischen Schiffe gebracht hatte. Dreißig Minuten sollten dem Mann genügen, das Schiff zu erreichen, und falls die Natter die Oberhand behielt, bliebe ihm sogar noch Zeit, sich selbst zum Hafen durchzuschlagen. Falls er nicht ...

Seine Gesichtszüge verhärteten sich. Wenigstens hätte er dann seine Pflicht erfüllt und für die Sicherheit des Dokuments gesorgt. Er war Soldat, war immer Soldat gewesen. Es war die nackte Wahrheit, dass Männer, die in die Schlacht zogen, unter Umständen darin umkamen, und es machte die Sache nicht leichter, wenn es sich um Kameraden handelte. Im Gegenteil, falls es sich bei diesem Kameraden sogar um einen engen Freund und Partner handelte, wie Frederick es gewesen war. Falls es ihm an diesem Abend in diesen Straßen gelingen sollte, Fredericks Tod zu rächen, wäre es ihm ein Vergnügen.

Die französischen Soldaten durchkämmten die Straßen, hämmerten an Türen, schrien Kommandos und stellten Fragen. Aber die Einwohner von Corunna versteckten sich in ihren Häusern und warteten, bis das Schlachtgetümmel nachließ. Als die Natter den richtigen Moment für gekommen hielt, trat er auf die Gasse und betrachtete die beiden Männer, die mit dem Heft ihrer Säbel an die Tür auf der anderen Straßenseite hämmerten.

»Messieurs ... suchen Sie nach mir?«, fragte er freundlich.

Die beiden Männer wirbelten mit erhobenem Säbel herum. Die Natter behielt die Tür im Rücken, als er einen weiteren Schritt auf den Feind zutrat. Nur zwei. Das war wirklich eine einmalige Gelegenheit ... Es sei denn, es war Verstärkung unterwegs.

Aber nichts als der Lärm der Schlacht drang aus der Ferne an sein Ohr. Er lächelte grimmig und wagte dann einen Überraschungsangriff. Die Kerle halten den Säbel nicht zum ersten Mal in der Hand, schoss es ihm durch den Kopf, als er Hieb um Hieb parierte und stets darauf achtete, dass er die Tür im Rücken behielt, während er förmlich über die Straße tanzte und Pirouetten drehte, um die anscheinend unermüdlichen Waffen zurückzudrängen. Plötzlich witterte er seine Chance. Der Mann links stolperte, als er mit der Schuhspitze an einem unebenen Pflasterstein hängen blieb, und ließ seine Flanke einen Moment lang ungedeckt. Die Natter stieß ihm das Schwert ins Fleisch, und der gegnerische Säbel fiel auf das Straßenpflaster. Der Mann schwankte kurz, bevor er zusammenbrach, und presste sich die Hand auf die pulsierende Wunde unter dem Arm.

Die Natter widmete ihre Aufmerksamkeit jetzt dem verbliebenen Angreifer, obwohl er selbst erschöpft war. Aber weil er wusste, dass er nur noch einen einzigen Gegner zu besiegen hatte, um den Tod seines besten Freundes zu rächen, fühlte er sich urplötzlich erfrischt. Sein Gegner ließ sich zurückfallen, täuschte an, sprang mit einem Ausfallschritt nach vorn. Die Säbelspitze der Natter drang unter die gegnerische Deckung, und er stieß sie dem Mann tief zwischen die Rippen.

Die Natter trat zurück, richtete den Säbel mit der Spitze nach unten, während der andere Mann grunzend zu Boden glitt. Der Säbel lag nutzlos neben ihm. Mit einem Fußtritt kickte der Sieger die Waffen aus der Reichweite ihrer verwundeten Besitzer und ließ den Blick aus den kalten grauen Augen einen Moment lang über sie schweifen. Rache ist eine Sache, überlegte er, aber kaltblütiger Mord eine ganz andere. Er bückte sich und zog den Männern das Tuch ab, das sie sich um den Hals gebunden hatten. Gewissenhaft putzte er das Blut von der Klinge seines Säbels.

»Ganz gewiss werde ich es eines Tages bedauern«, bemerkte er beinahe freundlich, »aber die Vorstellung, einen entwaffneten und verwundeten Gegner zu töten, war mir immer widerwärtig. Nun, Gentlemen, heute ist Ihr Glückstag.«

Er steckte den Säbel zurück in die Scheide, ließ die blutverschmierten Tücher auf den Boden neben ihre bewusstlosen Besitzer fallen und machte sich mit beschwingtem Schritt auf den Weg zum Hafen. Denn er hatte seine Schlacht geschlagen.

Solange er auf dem Weg zu den Schiffen jede weitere Begegnung mit Franzosen vermeiden konnte, hätte er sie sogar gewonnen ... diese eine Schlacht jedenfalls.

Kapitel 1

London, im März 1809

Instinktiv beschleunigte Aurelia Farnham ihren Schritt, als sie von der Wigmore Street auf den Cavendish Square einbog. Die Schritte hinter ihr beschleunigten sich ebenfalls. Ihr Herz schlug schneller. Konnte es sein, dass er ihr folgte? Oder besser: Wer folgte ihr?

Sie ging absichtlich langsamer. Die Schritte passten sich an. Es war später Nachmittag, und die Sonne versank hinter den Dächern und Schornsteinen der Stadt. Aber es würde noch etwas dauern, bis die Dunkelheit hereinbrach. Überall waren Leute unterwegs. Das galt jedenfalls für die geschäftigen Straßen, die sie gerade verlassen hatte. Auf dem Square dagegen war es ziemlich ruhig. In seiner Mitte lag ein großer, umzäunter Garten, aber kein Lärm spielender Kinder drang an ihr Ohr.

Aurelias dunkle Vorahnung wich dem Ärger. Schließlich war sie hier zu Hause. Und wenn ein Mensch sich zwanzig Schritte vor seiner Haustür nicht mehr sicher fühlen konnte, dann war etwas ernsthaft faul im Staate Dänemark.

Abrupt blieb sie stehen und wirbelte herum. Der Mann hinter ihr stoppte ebenfalls. Er zog den hohen Hut vom Kopf und verbeugte sich.

»Lady Farnham?«, fragte er.

Aurelia nickte kaum merklich. »Kennen wir uns, Sir?« Es war nichts an seiner Erscheinung, was sie beunruhigte. Er war tadellos gekleidet, trug nichts Bedrohlicheres an sich als einen schlanken Spazierstock mit silbernem Knauf.

»Unglücklicherweise sind wir noch nicht offiziell vorgestellt worden, Ma'am«, erwiderte er und setzte den Hut wieder auf. »Vor einer Stunde habe ich meine Karte bei Ihnen im Hause abgegeben. Aber ...« Er runzelte die Stirn. »Bitte verzeihen Sie, aber ich habe wenig Vertrauen, dass sie auch tatsächlich in Ihre Hände gelangt ist. Der ... äh ... Diener, dem ich die Karte überreicht habe, schien erst gänzlich abgeneigt, sie entgegenzunehmen. Er hat sie nur mit größtem Widerwillen akzeptiert. Ich dachte, ich sollte besser zurückkehren und mein Glück noch einmal versuchen.«

»Ah, bestimmt war es Morecombe«, erwiderte Aurelia und machte ein Geräusch, das entfernt an einen Seufzer erinnerte. »Sein Benehmen mag ein wenig abweisend wirken, Sir, aber ich kann Ihnen versichern, dass er äußerst zuverlässig arbeitet.« Fragend musterte sie den Mann. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«

Wieder verbeugte er sich leicht. »Colonel Sir Greville Falconer, stets zu Diensten, Ma'am. Bitte verzeihen Sie, dass ich mich so zwanglos vorstelle. Aber ich war ein Freund Ihres Ehemannes.«

»Fredericks Freund?« Aurelia schaute ihn erstaunt an. Ihr Ehemann, der First Lieutenant Lord Frederick Farnham, war vor mehr als drei Jahren in der Schlacht am Trafalgar ums Leben gekommen. Er ist viel jünger gewesen als dieser Colonel, überlegte sie. Neben Sir Greville fühlte sie sich wie auf Zwergengröße geschrumpft. Er überragte sie weit, und die breiten Schultern passten wie angegossen in den ausgezeichnet geschneiderten Mantel. Soweit sie es hatte sehen können, trug er kurzes, dunkles Haar, das an den Schläfen graue Strähnen aufwies. Außerdem strahlte er jene unmissverständliche Selbstsicherheit aus, die mit der Autorität und der Erfahrung höherer Lebensjahre oftmals ganz natürlich einherging.

»Ja, ein Freund von Frederick«, stimmte er zu. Der Märzwind zerrte an seinem Hut. Hastig hielt er ihn fest und ließ den Blick verwirrt über den zugigen Square schweifen.

Aurelia mahnte sich zur Höflichkeit, obwohl sie gegenüber einem Fremden, der sie auf offener Straße angesprochen hatte, zu nichts verpflichtet war. Aber schließlich war er Fredericks Freund gewesen, und deshalb schuldete sie ihm mehr als ein kurzes Gespräch auf der Straße. »Würden Sie mir die Freude machen, mich ins Haus zu begleiten, Sir?«

»Vielen Dank, Ma'am.« Er bot ihr den Arm. Aurelia akzeptierte mit einem unverbindlichen Lächeln, steckte die Hände aber sofort in ihren wärmenden Muff. Die letzten Schritte bis zum Haus und die Treppe hinauf legten sie in einem Schweigen zurück, das Aurelia als unbehaglich empfand. Gleichzeitig hatte sie den Eindruck, dass es ihrer Begleitung anders erging. Der Mann strahlte großes Selbstvertrauen aus und schien vollkommen beherrscht.

Aurelia zog die behandschuhte Hand aus dem Muff und den Schlüssel aus ihrem Retikül. Die Hauseigentümer, Prinz und Prinzessin Prokov, hatten sich auf den Weg des geringsten Widerstands geeinigt, was den alten Morecombe betraf. Man konnte sich nicht darauf verlassen, dass er den Türklopfer hörte; selbst wenn es der Fall war, war er so langsam auf den Beinen, dass mancher Besucher es schon fast aufgegeben hatte, bis die Tür endlich geöffnet wurde. Inzwischen war ein modernes Schloss eingebaut worden. Wenn der ältliche Diener – und nicht der äußerst flinke Boris – seinen Dienst an der Tür versah, benutzten die Bewohner des Hauses ihre eigenen Schlüssel.

Sie öffnete die Tür, trat ein und bat ihre Begleitung, ihr zu folgen.

In Filzpantinen schlurfte Morecombe aus der Küche in die Halle und starrte das Paar aus seinen kurzsichtigen Augen an. »Ach, Sie sind's«, verkündete er.

»Ja, Morecombe. Und ich habe Besuch mitgebracht«, erklärte Aurelia geduldig. »Wir werden ins Empfangszimmer gehen.« Sie ging in den seitlich gelegenen, großen und wunderschön möblierten Salon. »Sie müssen Morecombe sein exzentrisches Benehmen vergeben, Sir Greville«, bat sie, »er arbeitet hier schon seit sehr vielen Jahren als Diener.« Sie legte den Muff ab und zog sich die Handschuhe aus.

»Bitte setzen Sie sich doch, Sir.«

Der Colonel nahm den Hut ab und ließ den Blick anerkennend durch den hübschen Salon schweifen. Beim Porträt über dem Kamin hielt er inne. Eine sehr schöne Frau in voller Hofkleidung schaute von der Leinwand herab; ihre erschreckend blauen Augen schienen den Menschen im Raum zu folgen. »Eine Verwandte?«, fragte er und strich wie abwesend über die Hutkrempe.

»Nicht aus meiner Familie«, erwiderte Aurelia, »es ist eine enge Verwandte von Prinz Prokov. Das Haus gehört ihm und seiner Frau, mit der ich seit langen Jahren sehr eng befreundet bin. Ich halte mich hier im Haus auf, während sie mit ihrer Dienerschaft für ein paar Monate auf dem Lande weilt. Die Prinzessin erwartet ihre Niederkunft.«

»In der Tat, ich habe mich gefragt, wie es kommt, dass Sie hier wohnen«, bemerkte der Mann und musterte sie mit dunklem und undurchdringlichem Blick.

Aurelia fühlte sich plötzlich unbehaglich. Warum, um alles in der Welt, sollte er sich überhaupt Gedanken über sie machen? Wer war er? Irgendwie vermittelte er den Eindruck, als wüsste er über Dinge Bescheid, die ihn eigentlich gar nichts angingen. Sie hatte das merkwürdige Gefühl, dass er sie mit seinem Blick taxieren wollte, irgendwelche Vergleiche anstellte, vielleicht mit einem Bild oder einer Vorstellung, die er sich bereits gemacht hatte. Von einer Sekunde auf die andere wollte sie, dass er das Haus verließ.

»Ich bitte um Vergebung, Colonel ... Es war angenehm, Ihre Bekanntschaft zu machen. Aber ich fürchte, dass ich in einer Stunde eine andere Verabredung habe und mir noch ein anderes Kleid anziehen muss«, erklärte Aurelia, machte einen Schritt zur Tür und gestikulierte in seine Richtung.

»Verstehe, Ma'am. Ich werde Sie nicht lange aufhalten. Aber leider ist es mir noch nicht gelungen, Ihnen mein Anliegen zu erläutern.« Er verharrte regungslos an seinem Platz am Kamin.

Aurelias Nasenflügel bebten, als der Ärger in ihr aufkeimte. Aber sie ließ sich ihren Unmut nicht anmerken, sondern drehte sich zu ihm um, obwohl sie schon bei der Tür angekommen war. »In der Tat, Sir?« Die braunen Augen hatten ihre natürliche Wärme verloren, als sie die hellen Brauen hochzog.

Es blitzte weiß in seinem sonnengebräunten, schmalen Gesicht, als der Mann lächelte. Seine dunkelgrauen Augen versteckten sich unter dichten, geraden Brauen; seine Wimpern waren so lang und üppig, wie Aurelia es noch nie gesehen hatte, nicht bei einer Frau und erst recht nicht bei einem Mann. Aber abgesehen von der Partie um die Augen, war er keine besonders attraktive Erscheinung. Er machte einen angeschlagenen Eindruck. Der Mann sieht aus, überlegte Aurelia, als hätte er schon manche Schlacht geschlagen; ganz offensichtlich will er dem Schicksal trotzdem die Stirn bieten.

Während sie über ihn nachdachte, bemerkte sie, dass sie ihrem Besuch in diesen Sekunden unversehens gestattet hatte, die Lage wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Sie hätte ihn entschiedener zum Aufbruch drängen sollen. Stattdessen hatte sie ihn viel zu eindringlich gemustert, als es für eine beiläufige und desinteressierte Beobachtung nötig gewesen wäre.

Er legte Hut und Spazierstock auf den Konsolentisch an der Wand, zog sich die Handschuhe aus und hatte die Brauen hochgezogen. »Ich hatte erwartet, Sie auf dem Lande zu finden. Auf Farnham Manor«, erklärte er. Aurelias Ärger wuchs, als sie in seinen Worten eine leichte Irritation zu bemerken glaubte.

»Wirklich?«, entgegnete sie betont arrogant und gelangweilt. »Ich wünschte, Sie würden mir erklären, Sir Greville, warum Sie sich solche Mühe machen, mich aufzusuchen. Mein Ehemann ist vor mehr als drei Jahren verstorben. Es ist ein wenig spät für einen Kondolenzbesuch.«

»Bitte nehmen Sie Platz, Lady Farnham.«

Es war keine Frage und auch keine Aufforderung, sondern eindeutig ein Befehl. Aurelia starrte ihn an. Er wagte es wirklich, ihr Befehle zu erteilen, noch dazu in einem Haus, das in diesen Wochen niemand anderem als ihr gehörte? »Wie darf ich Sie verstehen?«

»Glauben Sie mir, Ma'am, es wäre besser, wenn Sie sich setzten«, wiederholte er und deutete auf das Sofa.

»Ich habe nicht die Absicht«, schnappte Aurelia und legte die Hand auf die Stuhllehne, als wollte sie ihre aufrechte Haltung betonen. »Wenn Sie jetzt bitte Ihr Anliegen vortragen, Colonel, und mich dann mit Ihrem Aufbruch beehren wollen.«

»Ausgezeichnet.« Er nickte verhalten. »Ihr Ehemann, der First Lieutenant Lord Frederick Farnham, war bis zum sechzehnten Januar dieses Jahres am Leben. Er ist in der Schlacht von Corunna getötet worden.«

»Sie sind verrückt«, platzte Aurelia heraus und krampfte die Finger um die Stuhllehne.

Er schüttelte den Kopf. »Ich war Zeuge seines Todes, Lady Farnham.«

Warum trieb er diesen grausamen Schabernack mit ihr? Aurelia wankte und fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Sie trat ein paar Schritte zur Seite, ließ sich auf das Sofa sinken und starrte ihren Besucher verständnislos an. Ausgeschlossen, seinen Worten einfach keine Beachtung zu schenken. Sein Blick wirkte verständnisvoll und mitfühlend zugleich, und ihr war bewusst, dass er die Wahrheit gesagt hatte, so verrückt es auch klingen mochte. Er besaß die Ausstrahlung eines Mannes, der jederzeit wusste, was als Nächstes passieren würde, und sich gelassen darauf einstellte, was auch immer es war.

Er ging zur Anrichte, schenkte ein Glas Cognac ein und brachte es ihr. »Trinken Sie.«

Aurelia nahm das Glas zwischen ihre zitternden Finger und schluckte. Die feurige Flüssigkeit brannte ihr in der Kehle; sie hustete, aber der Cognac wärmte ihr den Magen und holte sie wieder in die Gegenwart zurück. »Ich verstehe nicht«, sagte sie.

»Ja«, bestätigte er, »wie sollten Sie auch?« Er ging erneut zur Anrichte und schenkte sich selbst ein Glas Port ein. Dann schob er sich einen Stuhl so zurecht, dass er sie anschauen konnte, und setzte sich. »Ich werde es Ihnen erklären, soweit ich in diesem Augenblick dazu in der Lage bin. Trinken Sie den Cognac.«

Aurelia trank ein wenig vorsichtiger. Sie verspürte den Impuls, ihm zu sagen, dass er kein Recht hatte, sich ohne Einladung an ihrem Portwein zu bedienen. Aber rasch begriff sie den Impuls als hilflosen Versuch, die Situation wieder in den Griff zu bekommen, wenn sie schon nicht mehr kontrollieren konnte, was um sie herum geschah und was als Nächstes auf sie einstürmte.

»Frederick Farnham hat für mich gearbeitet«, verkündete ihr Besucher und ließ die Flüssigkeit in seinem Glas kreisen.

»Er war First Lieutenant in der Kriegsmarine«, protestierte Aurelia, »Sie sagten, Sie seien Colonel ... in der Marine gibt es diesen Rang nicht.«

»Richtig«, stimmte er bedächtig zu, »aber manchmal arbeiten die Waffengattungen zusammen.« Seine Zähne blitzten wieder, als er lächelte. »Schließlich dienen wir alle König George.«

Aurelia starrte auf den Cognac in ihrem Glas. Sie begriff immer noch nicht, und in ihrem Kopf herrschte nichts als ein wirres Durcheinander. Schließlich schaute sie auf. Und als sie wieder das Wort ergriff, sprach sie so ruhig wie möglich und artikulierte jede Silbe so klar. als wollte sie überdeutlich zu verstehen geben, dass sie die Wahrheit sagte. »Ich besitze einen Brief aus dem Kriegsministerium ... In diesem Brief werde ich mit größtem Bedauern darüber informiert, dass mein Mann in der Schlacht von Trafalgar gefallen ist. Ein Irrtum ist ausgeschlossen ... Warum sollte das Kriegsministerium mich anlügen? Wenn nicht Frederick getötet wurde, wer dann?«

»Bei Trafalgar sind sehr viele Männer gefallen«, meinte der Mann, »aber Ihr Gatte war nicht unter ihnen. Er befand sich nicht in der Schlacht, sondern war mit mir in Ulm, einer kleinen Stadt in Deutschland. General Mack hat dort den Waffenstillstand mit Napoleon verhandelt.«

Aurelia schüttelte den Kopf. »Aber warum war Frederick dort? Er hat doch in der Marine gedient.«

»Ihr Mann hatte nur am Rande mit der Marine zu tun. Um die Wahrheit zu sagen, er war Agent des Geheimdienstes.«

»Wollen Sie behaupten, dass er ein Spion gewesen ist?« Aurelia hatte Mühe, sich den Mann, den sie gekannt zu haben glaubte, als Spion vorzustellen ... den Mann, der ihr seit ihren Kindertagen bekannt und mit dem sie verheiratet gewesen war, den Mann, mit dem sie beinahe vier Jahre lang das Bett geteilt hatte. Frederick war offenherzig, großzügig und freundlich gewesen – und vor allem aufrichtig und ehrenwert. Mit Täuschungen und Lügengeschichten gab er sich nicht ab, noch nicht einmal dann, wenn es sich nur um Bagatellen handelte. Ausgeschlossen, dass er sie so schwer enttäuscht hatte.

Wieder schüttelte sie den Kopf, diesmal sogar noch heftiger als vorher. »Ich glaube Ihnen kein Wort.«

Greville nickte, als würde er genau verstehen, was in ihr vorging. »Ich hatte auch nicht erwartet, dass Sie mir aufs Wort glauben. Aber ich hoffe, dass Sie Frederick vertrauen.« Er griff in seinen Mantel, zog ein Paket heraus und schlug sich damit leicht auf das Knie. Die ganze Zeit über blickte er sie mit seinen grauen Augen an. »Das hier stammt von Ihrem Ehemann. Es wurde nach Farnham Manor geschickt. Auf der Suche nach Ihnen bin ich dorthin gereist ... Frederick meinte, dass Sie sich immer noch dort aufhalten würden. Mit Ihrer Tochter ...« Fragend zog er die Brauen hoch. »Ich meine, sie hieß Frances. Frederick hat sie jedenfalls Franny genannt. Jetzt müsste sie ungefähr sechs Jahre alt sein, nicht wahr?«

Aurelia sagte nichts, starrte ihn nur unverwandt an.

»Wie dem auch sei«, fuhr er fort, als klar war, dass sie weiterhin schweigen würde, »ich habe mich nach Ihnen auf die Suche gemacht. Mir wurde berichtet, dass ich Sie beide hier finden würde. Am Cavendish Square. Das hier« – er zeigte auf das Paket – »wurde vor einigen Tagen zu Ihnen ausgeliefert. Ihre Angestellten waren im Begriff, es mit der Postkutsche hierherschicken zu lassen.« Er zuckte kaum merklich die Schultern. »Ich habe den Leuten die Arbeit abgenommen.«

»Glauben Sie ernsthaft, dass ich mir einreden lasse, meine Angestellten hätten Ihnen an mich adressierte Post übergeben, ohne mich gleichzeitig zu benachrichtigen?«, fragte Aurelia herausfordernd. Es war geradezu beleidigend lächerlich, von ihr zu erwarten, dass sie das Märchen glaubte.

»Ich genieße einen ausgezeichneten Leumund«, entgegnete er ruhig und griff wieder in seinen Mantel. »Ihre Leute haben das hier erkannt ... wie Sie sicher auch.« Er präsentierte ihr den Gegenstand auf der ausgestreckten Handfläche.

Mechanisch nahm sie ihn entgegen und betrachtete ihn mit offenem Mund. Es handelte sich um Fredericks Siegelring mit dem Wappen der Farnhams, in Gold graviert. Aurelia starrte Greville in die Augen. »Woher haben Sie ihn?«

»Frederick hat ihn mir gegeben. Er war überzeugt, dass Sie nach einem Beweis für die Geschichte verlangen.« Wieder zog er die Brauen hoch. »Es sieht so aus, als sollte er recht behalten.«

Aurelia betrachtete den Ring, hielt ihn gegen das verblassende Sonnenlicht, das durch das große Fenster in den Salon fiel. Sie wusste, dass der Ring ihrem Ehemann gehört hatte, konnte sogar seine Anwesenheit irgendwie spüren. Hatte das zu bedeuten, dass dieses ganze Durcheinander aus Täuschungen und Verrücktheiten vielleicht doch kein Lügengespinst war?

»Falls das Paket wirklich an mich adressiert ist, sollten Sie es mir vielleicht überreichen«, erklärte sie sarkastisch und streckte ihm fordernd die Hand entgegen.

Der Colonel zögerte. »Es sind zwei Dinge darin verpackt. Eines ist für Sie, ein persönliches Schreiben von Frederick. Das andere ist für das Kriegsministerium bestimmt. Ich darf nicht zulassen, dass es in Ihre Hände fällt, wie Sie sicher verstehen werden.«

»Angenommen, ich würde Ihnen diese verrückte Geschichte glauben ... Warum, um alles in der Welt, sollte Frederick mir eine Nachricht senden, die für das Kriegsministerium bestimmt ist?«, fragte Aurelia sarkastisch.

»Unsere Lage war verzweifelt. Wir lagen unter feindlichem Beschuss und hatten ernste Zweifel, ob wir den Angriff überleben würden. Es war entscheidend, dass diese Dokumente in die richtigen Hände gerieten. Frederick kam auf die Idee, die Nachricht an Sie zu schicken ... an eine Adresse, die keinerlei Verdacht erregen würde.« Greville beugte sich vor und ließ das Paket in ihren Schoß fallen. »Ich nehme an, dass der Brief an Sie die nötigen Erklärungen enthalten wird.«

Aurelia drehte das Paket zwischen den Händen hin und her. Die Handschrift war garantiert die von Frederick, obwohl die Buchstaben nicht wie üblich schön und kraftvoll, sondern unordentlich und mit leicht verschmierter Tinte geschrieben waren, wie in großer Hast ... So musste es wohl gewesen sein, falls in der Geschichte auch nur ein einziges Körnchen Wahrheit steckte.

»Sie haben das feindliche Feuer überlebt«, behauptete sie ausdruckslos.

»Ja«, stimmte er schlicht zu.

»Aber Frederick nicht«, fuhr sie wehmütig fort und versuchte aufs Neue, die Nachricht vom gewaltsamen Tod ihres Mannes zu begreifen. Schon einmal hatte sie diesen Verlust betrauert, und jetzt schien es, als müsste sie es zum zweiten Mal tun.

»Nein«, widersprach ihr Besucher, der sie genau im Blick behalten hatte. »Er ist in einem Scharmützel mit einem halben Dutzend französischer Soldaten getötet worden. Aber zu jenem Zeitpunkt hatten wir das Paket schon einem Fähnrich anvertraut, der es auf ein Schiff gebracht hat, das im Hafen darauf wartete, die Überlebenden der Armee von General Moore in Sicherheit zu bringen.«

Aurelia erhob sich vom Sofa und durchquerte langsam den Salon, bis sie bei dem zierlichen Sekretär aus Zitronenbaumholz, dazwischen den beiden großen Fensterrand, angekommen war. Sie griff nach dem Brieföffner und schlitzte das Wachs auf, das das Päckchen versiegelte. Zögernd betrachtete sie die beiden nochmals versiegelten Umschläge. Ein Umschlag war an Aurelia Farnham adressiert. Das Schreiben enthielt keine förmliche Anrede, sondern nur den schlichten Namen in Fredericks Handschrift, die, anders als auf dem zweiten Papier, klar und ruhig wirkte. Diesen Brief musste er geschrieben haben, als er sich noch nicht in einem Zustand heller Verzweiflung befunden hatte.

Auf dem zweiten Umschlag war die schlichte Anweisung zu lesen: Ungeöffnet auszuliefern an das Kriegsministerium, Horseguards Parade, London.

Plötzlich drang ihr ins Bewusstsein, dass der große, kräftige Besucher neben ihr stand. Sie hatte seine lautlosen Schritte auf dem türkischen Teppich nicht gehört ... überraschend für einen Mann seiner Größe, dachte sie.

»Darf ich?« Ohne auf ihre Erlaubnis zu warten, zog er ihr den zweiten Umschlag aus den zittrigen Fingern und ließ ihn in seinem Mantel verschwinden. »Solange ich hier bin, besteht keine. Notwendigkeit, dass Sie ihn persönlich ausliefern«, erklärte er. »Ich würde vorschlagen, dass Sie den Brief lesen. Er wird diese Angelegenheit, die in Ihren Augen verständlicherweise wie ein grausamer Schabernack erscheinen muss, weitaus besser erklären können, als ich es vermag.«

Aurelia suchte seinen Blick und ärgerte sich, dass sie zu ihm aufschauen musste. »Ich muss Sie bitten, mich zu entschuldigen, Colonel.« Ihre Stimme klang kalt und steif. »Ich wäre gern allein, wenn ich den Brief meines Mannes lese.«

»Selbstverständlich.« Er verbeugte sich. »Ich werde Sie morgen wieder besuchen. Es gibt ein paar Dinge, die wir zu besprechen haben.«

»Oh, das bezweifle ich, Sir«, entgegnete Aurelia. »Sie haben mir Ihr Anliegen mitgeteilt. Es gibt nichts, was wir sonst noch zu besprechen hätten. Wenn ich Ihnen glauben darf, dann sind die vergangenen drei Jahre meines Lebens eine Lüge gewesen. Es scheint, als sei ich Ihnen deshalb zu Dank verpflichtet. Ich habe allerdings nicht die Absicht, Ihnen noch einmal unter die Augen zu treten.«

Er schüttelte den Kopf. »Ich hoffe sehr, Ma'am, dass Sie Ihre Auffassung noch ändern werden. Lesen Sie den Brief. Ich vertraue darauf, dass Sie die Angelegenheit anschließend in einem anderen Licht sehen werden.« Er verbeugte sich noch einmal, drehte sich zur Tür, griff nach Hut und Spazierstock. »Ich werde am Vormittag wieder bei Ihnen sein.« Greville schloss die Tür hinter sich.

Aurelia starrte auf die geschlossene Tür und war unschlüssig, ob sie in hysterisches Gelächter ausbrechen oder hemmungslos weinen sollte. Sie konnte einfach nicht glauben, was der Mann ihr erzählt hatte, obwohl sie ohne jeden Schatten eines Zweifels wusste, dass er recht hatte. Der Ring und der ungeöffnete Brief in ihrer Hand sprachen die nackte, grausame Wahrheit.

Frederick Farnham ist nicht am 21. Oktober im Jahr des Herrn 1805 gestorben, sondern am 16. Januar 1809 in Corunna.

Aber was hatte das für Cornelias Ehemann Stephen zu bedeuten? Viscount Dagenham war mit Frederick im Hafen von Plymouth im Frühjahr 18o5 in See gestochen, und zwar mit einer Fregatte, die zu Admiral Nelsons Flotte stoßen sollte. Cornelia und sie hatten den Schiffen nachgewinkt, hatten ihre Ehemänner zusammen an Bord gesehen. Aurelia hatte als Erste die offizielle Bekanntmachung vom Tode ihres Mannes erhalten; nur wenige Tage später war die gleiche Nachricht bei Cornelia eingetroffen. Aber trotzdem behauptete Colonel Falconer, dass Frederick niemals an der Schlacht bei Trafalgar teilgenommen hatte. Zu der Zeit, als die Seekriege geführt worden waren, hatte er sich in Ulm in Deutschland aufgehalten.

So angestrengt sie auch grübelte, es wollte ihr nicht einfallen, was im Oktober 1805 in Ulm geschehen war. Hatten die Engländer ihre Finger im Spiel gehabt? Und wenn sie ihre Finger im Spiel hatten, inwiefern waren Colonel Falconer und Frederick Farnham in die Angelegenheit verwickelt?

Natürlich, die Antwort lag auf der Hand. Wenn die beiden als Spione arbeiteten, dann sammelten sie verdeckt Informationen.

Aurelia verfolgte die Eroberungszüge des anscheinend endlos dauernden Konflikts mit dem unersättlichen Tyrannen Napoleon, so gut sie konnte. Regelmäßig las sie die Meldungen in der Gazette; mit großem Interesse lauschte sie den Unterhaltungen der Menschen aus gewöhnlich gut informierten Kreisen, die sich mit Einzelheiten auskannten. Meistens fanden solche Unterhaltungen bei den Bonhams beim Dinner statt, wenn Harry, seine Freunde und die Kollegen aus dem Ministerium versammelt waren.

Aber die Informationen tröpfelten insgesamt nur spärlich, es sei denn, es ging um die großen Schlachten, die die Engländer geschlagen hatten. Wie zum Beispiel die Schlacht bei Trafalgar, über die in allen Einzelheiten berichtet worden war. Berichte über Moores entsetzlichen Rückzug aus Corunna dagegen schafften es nur mit Mühe in die englischen Zeitungen. Aber was, wenn der Colonel ihr die Wahrheit gesagt hatte? Dann hätte ihr Ehemann dort verdeckt gearbeitet, und sein Tod wäre nicht in den regelmäßig veröffentlichten Listen der getöteten und vermissten Männer gemeldet worden.

Frederick. Sie betrachtete den ungeöffneten Brief in ihrer Hand, wusste, dass sie ihn öffnen musste, zögerte aber trotzdem. Ihr war klar, dass der Inhalt des Briefs ihr wohlgeordnetes Leben auf den Kopf stellen würde. Am liebsten hätte sie so getan, als hätte es diesen Nachmittag niemals gegeben, und ihn vollständig aus ihrem Gedächtnis gestrichen; am liebsten hätte sie ihr gewohntes Leben mit Franny wieder aufgenommen, mit ihren Freunden und in den Kreisen, in denen sie sich bewegte.

Mit leerem Blick starrte Aurelia auf den Brief in ihrer Hand. Es war dieses Leben gewesen, das Frederick und sie als Schicksal akzeptiert hatten. Sie hatten sich ruhig und behaglich eingerichtet, es fehlte ihnen an nichts, und mit den heiteren Freuden des Alltags gingen die üblichen Verpflichtungen ihres privilegierten Standes einher. Die Menschen, die sie kannte, lebten alle ein solches Leben, dessen Regeln und Erwartungen sie schon von Geburt an begleiteten.

Trotzdem hatte Frederick kein solches Leben geführt. Nein, er hatte nur so getan als ob; aber insgeheim war er ein anderer gewesen, jemand, den sie nicht im Geringsten kannte. Und er war bereit gewesen, seine Ehe, die Vaterschaft und die Freundschaften zu opfern, die er sich ein Leben lang aufgebaut hatte. Und seine Frau. Wozu? Um im Untergrund ein Leben als Spion zu führen. Niemand, der ihn kannte und liebte, wusste über ihn Bescheid. Hatte er einen Gedanken an seine Frau und an sein Kind verschwendet, als er seine Entscheidung getroffen hatte? Hatte er vorgehabt, zu ihr zurückzukehren, falls er den Krieg überlebte?

Aurelia war wütend und fühlte sich verletzt, als sie begriff, wie gründlich ihr Mann sie all die Jahre über getäuscht hatte. Während er sein gefährliches und aufregendes Leben geführt hatte, war sie in den gewöhnlichen Bahnen dahingetrottet und hätte dies wohl weiterhin getan bis ans Ende ihres Lebens.

Sie zögerte nicht länger, den Brief zu öffnen. Er war mit Wachs versiegelt, das den Abdruck von Fredericks Ring trug, den sie immer noch in der Hand hielt. Ungeduldig schlitzte sie den Brief mit dem Fingernagel auf und entfaltete das Papier. Ihr schwirrte der Kopf, und ihr Blick verschwamm, als sie auf das Blatt schaute, auf dem die vertraute Handschrift Zeile für Zeile dahinfloss. Plötzlich wurde ihr der Mund trocken, und sie schluckte mehrmals. Es war, als ob Frederick sich im Zimmer aufhielt, als ob sie seine lächelnden grünen Augen sehen konnte, seinen vollen Mund, seinen großen Körper. Er hatte nie perfekt gepflegt ausgesehen; an seinem Aufzug war immer irgendetwas schief gewesen. Aber er hatte nur gelacht, wenn sie ihn darauf angesprochen hatte. In diesem Moment konnte sie das Lachen hören, ein leichtes, fröhliches Gelächter, das ein wenig herablassend klang und ihr zu verstehen geben wollte, dass er über wichtigere Dinge nachzudenken hatte als über sein Äußeres.

Jetzt war ihr klar, was es mit diesen wichtigeren Dingen auf sich hatte. Nein, es waren keine Grundstücksgeschäfte gewesen, keine Jagden oder andere Belanglosigkeiten, mit denen sich die Landadligen üblicherweise die Zeit vertrieben. Es waren gefährliche Geheimnisse. Geheimnisse, die seinen Tod herbeigeführt hatten. Und jetzt hielt sie seine Worte in ihrer Hand, Worte der Wahrheit, die aus dem Grab heraus zu ihr sprachen.

Meine liebste Ellie ...

Aurelia erschrak, als sie in der Halle Kindergeräusche hörte. Hastig faltete sie den Brief zusammen, versteckte ihn in der Tasche ihres Rockes. Franny kehrte von ihrem Schultag zurück, den sie mit Stevie Dagenham im Haus der Bonhams in der Mount Street verbracht hatte. Aurelia und Cornelia hatten beschlossen, dass es sinnvoll war, die beiden Kinder von einem Kindermädchen betreuen zu lassen, bis Stevie ins Internat geschickt wurde. Der Junge war sieben Jahre alt, und Cornelia kämpfte mit seinem Großvater, dem Earl of Markby darum, ihn zu Hause behalten zu dürfen, bis er mindestens zehn Jahre alt war. Stevies Stiefvater stand ihr zur Seite, und Cornelia gab die Hoffnung nicht auf, weil Harry es geschafft hatte, den Earl of Markby für sich einzunehmen. Das gemeinsame Kindermädchen war ein Arrangement, das den Kindern und den Müttern zugutekam, denn so konnten die beiden Haushalte in enger Verbindung bleiben.

»Morecombe ... Morecombe ... Wo ist Mama? Ich muss ihr was zeigen.« Frannys beharrliche Stimme riss Aurelia in die Gegenwart zurück. Der Brief konnte warten. Schließlich hatte sie während ihrer gesamten Ehe und drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes auf die Wahrheit warten müssen, sodass es auf eine Stunde mehr oder weniger nicht mehr ankam. Sie bemühte sich um Fassung, zauberte ein Lächeln auf die Lippen und eilte zur Tür des Salons.

»Ich bin hier, Franny. Hattest du einen schönen Tag?«

»Oh, es ist so viel passiert, Mama. Wir haben uns die Löwen auf dem Jahrmarkt in der Nähe der Börse angesehen, am großen Exchange, sie haben gebrüllt und gebrüllt und gebrüllt. Ich glaube, Stevie hatte ein wenig Angst ... aber ich nicht ... nein, nicht ein bisschen.« Das kleine Mädchen rannte zu seiner Mutter. Die Worte quollen ihr förmlich aus dem Mund. »Ich habe ein Bild von den Löwen gemalt ... guck mal ... Sie hatten überall Haare. Miss Alison hat gesagt, die Haare beim Löwen heißen Mähne ...«

Aurelia bewunderte das Bild, hörte genau zu, als ihre Tochter ihr minutiös erklärte, wie sie den Tag verbracht hatte, gab sich im passenden Augenblick erstaunt oder erfreut und drängte das Kind sanft in Richtung Kinderzimmer.

Während des Abendessens blieb sie bei Franny, setzte sich an den Kamin, solange das Kindermädchen Daisy das kleine Mädchen badete, und lauschte dem endlosen Geplapper. Nicht zum ersten Mal hatte sie den Eindruck, dass Frannys Redefluss nicht zu bremsen war, und auch Frederick war verwundert gewesen, wie schnell seine Tochter zu sprechen gelernt hatte ...

Frederick. Der Brief rieb an ihrem Schenkel, als sie sich unwillkürlich bewegte. Später ... später würde sie genügend Zeit haben.

»Welche Geschichte soll ich dir heute Abend vorlesen, meine Liebe?«, fragte Aurelia fröhlich und zog ihre Tochter, die sich ein Handtuch um den Körper geschlungen hatte, zu sich auf den Schoß.

Kapitel 2

Greville Falconer verließ das Haus am Cavendish Square und eilte in Richtung Horseguards Parade, wo sich das Kriegsministerium befand. Das Dokument hatte er sicher in seiner Manteltasche verstaut. Er hatte es nicht nötig, das Schreiben zu lesen. Schließlich wusste er, was es enthielt; trotzdem drängte es ihn, die Karte zu kopieren. Frederick Farnhams kartografische Fähigkeiten überstiegen seine bei Weitem, und die Karte, die den größten Teil des Dokuments ausmachte, war viel zu detailliert gezeichnet, als dass Greville sie aus dem Gedächtnis hätte reproduzieren können. Frederick dagegen wäre ohne Weiteres dazu in der Lage gewesen.

Einmal mehr wurde ihm schmerzhaft bewusst, wie schwer der Verlust wog. Frederick war sein Freund gewesen. Als sein Schüler war er äußerst klug gewesen und hatte die Feinheiten der Spionagetätigkeit rascher begriffen als die anderen, hatte das intellektuelle Vergnügen seines Meisters an der verborgenen Welt der Täuschungen und Manipulationen geteilt und war den Gefahren mutig begegnet. Und als Kollege hätte Greville ihm sein Leben anvertraut.

Er würde Fredericks Tod immer betrauern, würde sich immer fragen, ob er ihn hätte retten können, wenn er mit seinem Säbel einen anderen Hieb gewagt oder sich für einen anderen Weg auf ihrer überstürzten Flucht durch die Gassen Corunnas zum Hafen hinunter entschieden hätte. Sein Verstand sagte ihm, dass es keinen Unterschied gemacht hätte. Der Feind lauerte in jeder Straße, und sie waren, hoffnungslos in Unterzahl, aus dem Hinterhalt überfallen worden. Frederick war schnell gestorben, mit einem einzigen Säbelstich direkt ins Herz. Der junge Fähnrich hatte das Dokument an sich gerissen und zum Hafen gebracht, während Greville die Verfolgung aufgenommen hatte. Zwei der Männer, die Frederick überfallen hatten, hatten ihren Preis gezahlt. Außerdem waren die Karte und die lebenswichtigen Informationen außer Landes gebracht worden. Frederick war nicht vergeblich gestorben.

Greville gab sich dem Wachtposten am Pförtnerhäuschen zu erkennen und betrat den äußeren Hof des Kriegsministeriums, legte den Weg zum schmalen Torbogen in der rechten Ecke des Hofs zurück und stieg die geschwungene Steintreppe hinauf. Kurz darauf betrat er den Korridor mit verrußten zweiflügeligen Fenstern an den Seiten, die kaum Licht hereinließen.

»Falconer, nicht wahr?«

Er wirbelte herum, als er die Stimme hörte, die ihm irgendwie bekannt vorkam. Gerade eben war ein Mann aus der Tür hinter ihm getreten. Die grünen Augen blickten müde, der gestärkte Kragen hing schlaff herab, er trug keinen Mantel, und die oberen Knöpfe seines Hemdes waren aufgeknöpft.

»Bonham.« Greville streckte die Hand aus. »Rätseln Sie immer noch an Ihren Hieroglyphen herum?«

»Immer noch«, bestätigte Harry und schüttelte Greville freundlich die Hand. »Ich glaube, ich habe seit drei Tagen kein Sonnenlicht mehr gesehen.« Mit scharfem Blick musterte er den Colonel. »Dann sind Sie der Hölle von Corunna also entkommen?«

Greville erwiderte leise: »Als einer von wenigen.«

Harry nickte schweigend. Die beiden Männer kannten sich nur flüchtig, wussten nur ungefähr, mit welchen Angelegenheiten der andere sich beschäftigte. Aber sie waren beide in diesen schäbigen Korridoren des Kriegsministeriums zu Hause. Und sie teilten dieselbe Lust an der dunklen Unterwelt des Krieges, an geheimen Manövern, an Verschwörungen und der fiebrigen Aufregung über einen Triumph, der nur den Kollegen in der Unterwelt mitgeteilt werden durfte.

»Sind Sie auf dem Weg zu Ihrem Vorgesetzten?«, fragte Bonham beiläufig. Es gehörte zu den ungeschriebenen Gesetzen ihrer Welt, dass kein Mann den anderen zu eindringlich über dessen Geschäfte aushorchte.

»Ich melde mich zurück«, erwiderte Greville, »bin erst heute Vormittag wieder in London eingetroffen.«

»Ich werde in der St. James Street nach Ihnen Ausschau halten, wenn Sie eine Weile in der Stadt bleiben«, versprach Harry, »vorausgesetzt, ich komme jemals wieder hier heraus.« Er verabschiedete sich mit erhobener Hand und eilte den Korridor in entgegengesetzter Richtung hinunter.

Greville ging zu einer Tür, die zu einer Reihe Büros am Ende des langen, dämmrigen Korridors führte, der nach Staub und Mäusen roch. Die Tür war nur leicht angelehnt, und er klopfte leise, bevor er sie aufstieß.

Der Mann am Schreibtisch aus massivem Eichenholz erhob sich, als er seinen Besucher erblickte. »Greville ... Ich bin froh, Sie wohlauf zu sehen.« Er beugte sich über den Schreibtisch, um die Hand des Colonels erfreut zwischen seine Hand zu nehmen. »Was für ein heilloses Durcheinander ... ein Verbrechen ... aber Moore hat wirklich sein Bestes gegeben.«

»Aye. Und er ist tapfer in den Tod gegangen«, erwiderte Greville. Auf seinen grauen Augen lag plötzlich ein Schatten. Zusammen mit dem Spazierstock legte er seinen Hut auf den Tisch und zog sich die Handschuhe aus.

»Genau wie Farnham«, fügte Simon Grant, der Kopf des Geheimdienstes, rasch hinzu. Er war der einzige Mensch, dem die wahre Identität der Natter und des jüngst verstorbenen Agenten bekannt war. »Ich bedaure zutiefst, dass er sterben musste, Greville. Ich weiß, wie sehr Sie ihn geschätzt haben. Wie auch ich.«

»Ich habe ihn nicht nur als Kollegen geschätzt, sondern auch als Freund.« Der Colonel griff in seinen Mantel und zog das Dokument heraus. Sein Tonfall klang hart und geschäftsmäßig.

»Das hier ist Farnhams Karte, die die wichtigsten Pässe über die Pyrenäen nach Spanien verzeichnet. Die Franzosen müssen sie besetzen, wenn sie weiterhin Spanien und Portugal kontrollieren wollen.« Greville entfaltete das Pergament auf dem Tisch und strich es glatt. »Das Gleiche gilt, wenn wir die Pässe besetzen. Wir können den französischen Vormarsch aufhalten und sicherstellen, dass kein Nachschub mehr ins Land kommt.«

Simon Grant griff nach einer Lupe und beugte sich über die Karte. »Unter Wellesley ist die Armee bereit für die Verlegung auf die Halbinsel. Er plant die Landung in Lissabon und will dann entlang des Tagus River marschieren.« Grant lächelte verhalten. »Er wird die Franzosen in kürzester Zeit aus Portugal verjagen. Denken Sie an meine Worte, Greville.«

»Ich habe nicht die geringsten Zweifel, Sir«, erwiderte der Colonel trocken. »Farnham und ich haben zu den Gruppen Verbindungen aufgebaut, die sich über die gesamte Halbinsel verteilt haben. Sie waren bemerkenswert kooperativ. Diesmal hat Bonaparte den Widerstand falsch eingeschätzt. Auf keinen Fall rechnet er mit Angriffen aus dem Hinterhalt ... durchgeführt von Partisanen, die leidenschaftlich für ihr Vaterland kämpfen. Die Leute sammeln sich am Tagus, um dem General ihre Unterstützung anzubieten.«

Greville beugte sich über den Tisch und drehte die Karte um. »Auf der Rückseite finden Sie die Codenamen und die Passwörter der verschiedenen Gruppen. Mit diesen Informationen werden Wellesleys Spione in der Lage sein, die Verbindung zu ihnen aufzubauen. Unsere Männer können sich auf einen freundlichen Empfang verlassen.«

Simon Grant studierte die Liste mit den Namen und Zahlen, bevor er weitersprach. »Sollte vielleicht Bonham einen Blick darauf werfen? Nur um ganz sicherzugehen, dass keine hässlichen Überraschungen in diesen Codes versteckt sind.«

»Warum nicht? Ich würde meine Ehre dafür geben, dass sie zuverlässig sind, aber ...« Greville zuckte die Schultern. »Ich werde das Leben unserer Leute nicht wegen einer Vermutung aufs Spiel setzen.«

»Stimmt genau.« Grant läutete die Handglocke auf dem Tisch, und sofort trat ein junger Fähnrich ein. »Beringer, bringen Sie die Unterlagen zu Lord Bonham.«

Der Fähnrich schlug die Hacken zusammen, während er sich verbeugte und nach dem, Schreiben griff. »Sofort, Sir.« Er verließ das Zimmer im Laufschritt.

Simon verzog das Gesicht. »Harry wird sich nicht gerade bedanken, dass ich ihm noch zusätzliche Arbeit aufbürde. Der arme Teufel hat das Gebäude seit drei Tagen nicht mehr verlassen. Glücklicherweise ist seine Frau sehr verständnisvoll.« Eindringlich musterte er den Colonel. »Nun, Greville, sind Sie bereit, sich eine Weile in der Heimat die Zeit zu vertreiben?«

»Wenn Sie mich hier brauchen, Sir.«

»Wir haben den Verdacht, dass die Spanier es darauf anlegen, im Herzen unseres Geheimdienstes Fuß zu fassen. Wer wüsste besser als Sie, dass wir ihnen dies auf keinen Fall gestatten dürfen?« Simon lächelte spöttisch. »Bonaparte hat jetzt die Regierung von Spanien übernommen. Der König ist ins Exil geflüchtet. Das Netz des spanischen Geheimdienstes berichtet direkt an Fouché in Paris ... Dort hat er sich jedenfalls aufgehalten, als wir zuletzt ein Auge auf ihn hatten.« Sein Lächeln wurde starr. »Der Mann ist ebenso glitschig wie ruchlos.«

Greville nickte zustimmend und lächelte ebenfalls. »Gibt es Hinweise darauf, wie die Spanier ihre Annäherung planen?«

Simon nickte. »Wir glauben, dass sie uns durch die oberen Ränge der Gesellschaft infiltrieren wollen ... Sie kennen die Geschichte, irgendein exiliertes Mitglied des spanischen Hochadels, das in bittere Armut stürzt, weil es von den Franzosen verfolgt wird.«

»Stimmt es, dass sie im Augenblick im Sold der Franzosen stehen?«

Simon nickte wieder. »Wir sind uns recht sicher, obwohl unsere Informationen zurzeit noch sehr spärlich sind. Mehr Vermutungen und Andeutungen als Tatsachen, merkwürdige Ausschnitte aus Briefwechseln, die uns zugespielt worden sind. Nichts Genaues. Aber wir haben entschieden, die Natter für die nächste Zeit aus dem Verkehr zu ziehen und Sie unter Ihrer wahren Identität arbeiten zu lassen. Wir brauchen Sie eine Zeit lang hier in London, wo Sie sich unter die oberen Zehntausend mischen und die Clubs in der St. James Street besuchen sollen. Und Ihre Aufwartung bei Hofe machen, wenn Sie können ...«

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich für das Tanzparkett ausgebildet bin«, meinte Greville und verzog die Lippen. »Sie wissen ganz genau, dass ich für diese unsinnigen Gesellschaftsspiele keine Zeit habe. Ich bin mehr in abgelegenen Gassen und heruntergekommenen Kneipen zu Hause, mische mich lieber unter Guerillakämpfer und in die Gesellschaft von Männern, die mit vergifteten Dolchen kämpfen.«

Simon lachte. »Ich weiß, ich weiß, mein Freund. Aber Sie können auch diese Rolle spielen ... Schließlich sind Sie in solchen Kreisen aufgewachsen. Außerdem scheint Ihnen die Rolle wie auf den Leib geschneidert. Aber nicht, dass wir uns falsch verstehen ... Sie werden nicht in den Ruhestand versetzt. Die Spanier bleiben so gefährlich und verschlagen wie eh und je. Ihre Agenten würden der Heiligen Inquisition alle Ehre machen. Sie werden all Ihre Fähigkeiten einsetzen müssen, Greville, um immer den entscheidenden Schritt voraus zu sein. Ich muss Ihnen nicht sagen, was passiert, wenn sie Ihnen auf die Schliche kommen.«

Greville beschränkte sich auf eine vielsagende Grimasse.

»Falls Sie nicht über ausreichende Kontakte in der Stadt verfügen«, fuhr Simon fort, »dann werden wir Harry Bonham bitten, Sie überall einzuführen. Er kennt sich im sozialen Leben dieser Stadt aus, hat seinen Fuß in jeder Tür. Obwohl ich überzeugt bin, dass ihn der Firlefanz manchmal genauso ungeduldig macht wie Sie. Aber er hat auch Zugang zu den höchsten politischen und diplomatischen Kreisen. Gestatten Sie ihm, Sie den einflussreichen Leuten vorzustellen. Der Rest liegt bei Ihnen.«

Greville nickte zustimmend. »Wenn Sie wollen, dass ich so eingesetzt werde, dann lasse ich mich selbstverständlich so einsetzen.«

»Gut.« Simon umrundete den Tisch, um dem Mann zum zweiten Mal die Hand zu schütteln. »Wo werden Sie wohnen?«

»Bei meiner geschätzten Tante Agatha in der Brook Street. Ich wohne immer dort, wenn ich mich in der Stadt aufhalte. Aber falls ein längerer Aufenthalt in London daraus wird, werde ich ein anderes Arrangement treffen müssen.«

»Lassen Sie es mich wissen, sobald Sie sich eingerichtet haben. Ich werde dann gleich Bonham benachrichtigen.« Simon umschloss Grevilles Hand mit festem Griff. »Schön, Sie wieder hier zu haben ... In letzter Zeit haben wir zu viele Männer verloren.«

»Ja«, bestätigte Greville, ohne sich näher zu äußern, und erwiderte den Händedruck, bevor er nach Handschuhen, Hut und Spazierstock griff und sich zur Tür wandte. Mit der Hand auf dem Knauf hielt er inne. »Die Abteilung schuldet Farnham noch eine ordentliche Summe, nicht wahr?«

»Stimmt«, meinte Simon und schaute Greville verwirrt an, »außerdem gibt es eine Witwe, soweit ich weiß. Wir würden das Geld liebend gern auszahlen, wenn wir nur sicherstellen könnten, dass sie nicht erfährt, woher es stammt.«

Greville machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich werde mich darum kümmern.« Mit einem halbherzigen Gruß verließ er das Büro.

Draußen war es inzwischen dunkel geworden. Auf der Straße hielt er eine Droschke an und gab den Befehl, in die Brook Street zu fahren. Seine Tante Agatha, eine Lady Broughton, war die verwitwete Schwester seiner verstorbenen Mutter. Die Lady verfügte über beachtliche finanzielle Mittel und war auf ihre Art sehr stolz; aber sie war auch eine ausgesprochen freundliche Seele und immer hocherfreut, ihren Neffen zu sehen. Und sie zerbrach sich den Kopf darüber, warum er bei seinen seltenen Besuchen in der Stadt nur spärlich an geselligen Zusammenkünften teilnahm. Er wusste, dass es ihr ein Vergnügen gewesen wäre, ihren Neffen für längere Zeit während der Saison zu beherbergen. Aber als Junggeselle brauchte er seinen eigenen Haushalt.

Mit einem Kopfnicken bedankte er sich beim Butler, der ihm die Tür geöffnet hatte, trat ein und eilte sofort hinauf in sein altmodisch eingerichtetes Schlafzimmer. Ein Feuer brannte im Kamin, die Lampen waren angezündet worden. Greville genoss diese Annehmlichkeiten, die sich ihm während seiner Einsätze kaum boten, ging zum Fenster und zog den Vorhang beiseite. Auf der Straße waren bereits die Gaslampen angezündet worden, und eine Kutsche rumpelte vorüber. Sein Besitzer – oder seine Besitzerin war bestimmt auf dem Weg zu irgendeinem Abendvergnügen, wenn nicht zu einem rauschenden Fest.

Das war nicht seine Welt, war nie seine Welt gewesen, was auch für Frederick Farnham galt. Aber Fredericks Frau hatte deutliche Hinweise darauf gegeben, dass sie perfekt in diese Kreise hineinpasste. Nicht seine Frau, mahnte er sich, seine Witwe.

Blinzelnd schaute er in das flackernde gelbe Licht der Lampe unter seinem Fenster. Frederick hatte oft von Aurelia erzählt ... Ellie hatte er sie immer genannt. Ganz besonders an jenem Abend, als sie einen Krug Apfelwein in einer Scheune in der Bretagne geleert hatten, während sie dem Lärm ihrer Verfolger lauschten, den bellenden Hunden, dem feindlichen Geschrei, das schließlich in der dunklen Nacht verklang.

Hör mal, Greville ... Ich glaube nicht, dass Ellie weiß, wer sie wirklich ist. Oder wozu sie in der Lage ist. Sie besitzt Stärken, von denen sie selbst keine. Ahnung hat.

Greville ließ den Vorhang wieder vor das Fenster gleiten. Sein Freund hatte noch mehr erzählt, und seine Stimme hatte wehmütig geklungen, weil ihm klar war, dass die Chancen, seine Frau jemals wiederzusehen, äußerst gering waren. Die beiden waren gemeinsam im selben Dorf aufgewachsen, und die benachbarten Familien waren eng miteinander verbunden, wie immer bei den adligen Familien auf dem Lande, die in der Gegend herrschten. Ihre Heirat war ganz selbstverständlich gewesen. Sie hatten damit die Erwartungen beider Familien erfüllt. Aber Frederick Farnham hatte irgendetwas in seiner Frau entdeckt, was niemand außer ihm bisher gesehen hatte. Dann war er dem Ruf seines Landes gefolgt, obwohl ihm voll und ganz bewusst gewesen war, dass er niemals wieder ein normales Leben würde führen können und niemals die Gelegenheit bekommen würde, die Abgründe in der Seele seiner Frau zu erforschen. Frederick hatte nicht viele Worte darüber verloren. Aber trotzdem hatte er es mit jedem Wort zu verstehen gegeben, dass er über sie gesprochen hatte.

Wie würde er sich wohl gefühlt haben, wenn er geahnt hätte, dass sich während seiner Abwesenheit ein anderer Mann um sie kümmerte?

Der Gedanke war erschreckend. Langsam dämmerte es Greville, dass er irgendwo im hintersten Winkel seines Kopfes aufgekeimt war. Und zwar genau dort, wo er, oft ohne jede Absicht, Pläne und Strategien für seine neuesten Aufträge ausbrütete. Für seinen gegenwärtigen Auftrag brauchte er eine Tarnung, musste eine zuverlässige Fassade aufbauen.

Falls Aurelia wirklich unbekannte Stärken und Fähigkeiten besaß, jene verborgenen Abgründe, an die ihr Ehemann geglaubt hatte, dann wäre sie vielleicht einverstanden, ihm zu helfen. Wenn er seine Anfrage nur geschickt vorbrachte ... wenn er nur die rechte Belohnung versprach. Natürlich hatte sie ihm am Nachmittag den Eindruck vermittelt, als würde sie ihn ganz und gar nicht schätzen. Aber das war kaum überraschend. Denn schließlich hatte er ihr erklärt, dass sie in den vergangenen drei Jahren mit einer Lüge gelebt hatte und dass in dem Mann, mit dem sie verheiratet gewesen war, ein ganz anderer steckte als der, den sie immer in ihm gesehen hatte. Es war nur natürlich, dass sie dem Boten der schlechten Nachricht an die Kehle springen wollte. Aber der erste Eindruck konnte wettgemacht werden. Und die rechte Belohnung würde sich finden.

Greville wusste, dass er kein geborener Charmeur war. Wenn es um Flirts und Schmeicheleien ging, waren seine Fähigkeiten nicht besonders entwickelt. Oh, im Interesse seiner Arbeit und wenn das Überleben es erforderlich machte, konnte er natürlich in jede Rolle schlüpfen; aber das half ihm in seiner gegenwärtigen Lage nicht weiter. Aufrichtigkeit ...

Er musste unmittelbar an ihren Charakter appellieren, an ihre innere Natur, die sowohl ihr selbst als auch ihren Mitmenschen verborgen geblieben war. Es musste ein Appell sein, der durch das Beispiel ihres Ehemannes genauso bestärkt wurde wie durch das Beispiel anderer adliger Frauen mit diplomatischen und geselligen Fähigkeiten, die ihr Haus dem Dienst am Vaterland zur Verfügung stellten. Nein, es war beileibe kein seltsamer Vorschlag. Und es könnte sogar sein, dass sie ihn annahm.

Aurelia saß im Schlafzimmer am Kamin und hielt den entfalteten Brief in ihren Händen, während der Blick über die flackernden Flammen schweifte. Im Haus war es ruhig. Morecombe, seine Frau und seine Schwägerin hatten sich längst in ihre Wohnungen zurückgezogen, und auch der übrige Haushalt hatte sich zur Ruhe begeben. Franny lag schlafend im Kinderzimmer, Daisy hielt sich in ihrem eigenen kleinen Zimmer direkt nebenan auf und hatte die Tür nur leicht angelehnt, falls das Kind in der Nacht erwachte.

Aurelia hatte den Brief bereits dreimal gelesen, glaubte schon, ihn auswendig zu kennen, ohne dass sie ihn begriffen hatte. Oh, die Worte waren nicht schwer zu verstehen – anders als der Mann, der sie geschrieben hatte, anders als die Tatsache, dass dieser Frederick Farnham offenbar nicht der Mann gewesen war, den sie geheiratet und dessen Kind sie geboren hatte. Sie konnte sich gut erinnern, wie überglücklich er bei Frannys Geburt gewesen und draußen vor der Kammer auf und ab marschiert war, während seine Frau drinnen die ganze Nacht hindurch in den Wehen gelegen hatte. Wieder ging ihr durch den Kopf, wie er sein Baby in die Arme genommen, wie er mit feuchten Augen auf das Bündel hinabgeblickt hatte, voller Ehrfurcht und Verwunderung. Nein, es konnte nicht sein, dass dieser Mann alles aufgegeben und Frau und Kind beiseitegeschoben hatte, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was er tat.

Meine liebste Ellie,wenn du diese Zeilen liest, wird es bedeuten, dass ich tot bin. Ich habe diesen Brief schon vor vielen Monaten geschrieben, damals, als mir klar wurde, dass ich – um es vorsichtig auszudrücken – wahrscheinlich nicht überleben werde. Es ist schwer zu erklären, wie ich dazu gekommen bin, das zu tun, was ich jetzt tue. Es ist noch schwerer zu erklären, wie sehr es mich schmerzt zu wissen, dass ich dich verletzt habe. Aber ich kann nichts tun, deinen Schmerz zu lindern. Bitte versuch mich zu verstehen. Ich weiß auch, dass du ärgerlich sein wirst, und darin kann ich sogar einigen Trost finden. Dein Ärger ist leichter zu ertragen als dein Schmerz.Bitte versuch zu verstehen. Versuch zu verstehen, wie mächtig der Befehl des Vaterlands ist, der einen Mann dazu treibt, für sein Land zu kämpfen. Bonaparte muss aufgehalten werden, bevor er den gesamten Kontinent unterwirft. Und sei versichert, dass er sich mit dem Kontinent nicht begnügen wird. Er hat seinen Arm schon nach Indien und auf die Handelswege ausgestreckt, und es scheint, als könne nur England ihm inmitten schwankender Verbündeter mit fest geschlossenen Reihen entgegentreten. Solange es ihm nicht gelingt, unsere Insel zu erobern, können wir gegen ihn kämpfen. Und wir werden ihn besiegen.Kurz nachdem ich mit Stephen in See gestochen war, um Admiral Nelsons Flotte an der französischen Küste zu unterstützen, bin ich Colonel Sir Greville Falconer begegnet. Er hat sich unserer Fregatte kurz hinter Gibraltar angeschlossen. Diese Begegnung hat mein Leben verändert. Greville ist mein bester Freund und engster Kollege geworden. Er ist, um es rundheraus zu sagen, ein Meisterspion, und er hat mich angeworben. Ich kann nur hinzufügen, dass ich nach irgendetwas auf der Suche war, ohne zu wissen, worum es sich handelte, bis er mir das Angebot gemacht hat. Ich wollte der strengen Hierarchie entkommen, der Härte der Kriegsmarine entfliehen, wollte Schlachten schlagen, aber mit meinem scharfen Verstand. Ich wollte mich im Dreck vergraben, an vorderster Front gegen den Feind kämpfen, ohne dass ich es auf Ruhm und Ehre abgesehen hatte.Meine Liebste, ich habe keine Ahnung, wie ich es sonst erklären soll, dass Grevilles Angebot mich wie magisch angezogen hat. Ja, ich fühlte mich wie magisch zu ihm hingezogen, und wenn du ihn kennenlernst, wirst du mich verstehen. Ich hoffe, dass er es überleben wird, welches Ereignis auch immer für meinen Tod verantwortlich sein wird; es ist das Ereignis, das dazu geführt hat, dass du jetzt diesen Brief liest. Denn ich weiß, dass er, wie er es mir versprochen hat, dich aufspüren wird. Er ist der Einzige, dem ich es anvertraue, dir mein Geheimnis zu überbringen. Ein Geheimnis, meine Liebe, das du für mich bewahren musst. Du darfst niemandem von diesem Brief berichten, mit niemandem das Wissen teilen, das du jetzt besitzt.Sir Greville Falconers wahre Identität ist nur wenigen Leuten bekannt. Wenn es an die Öffentlichkeit dringt, würde es nicht nur seinen sicheren Tod bedeuten, sondern auch den anderer Menschen. Ich kann es gar nicht genug betonen, meine Liebe. Es stehen zu viele Menschenleben auf dem Spiel, das Leben meiner Freunde, meiner Kollegen aus vergangenen und gegenwärtigen Zeiten, falls Grevilles wahre Identität und meine Tätigkeit der letzten drei Jahre ans Tageslicht gezerrt werden. Er selbst wird es dir noch einmal erklären. Vertrau ihm, Ellie. Du kannst ihm sogar dein Leben anvertrauen. Er wird dich beschützen, wie ich es nicht länger vermag. In den letzten Jahren habe ich viele Frauen kennengelernt, die Seite an Seite mit ihren Männern gekämpft und ihr Leben im Kampf gegen Bonaparte gegeben haben. Die stärkste Waffe in ihrem Kampf war ihr Verstand, und sie haben ihn so gut wie die Männer benutzt. Um aufrichtig zu sein, mein Leben ist mehr als einmal durch den schnellen Verstand und die Tapferkeit solcher Frauen gerettet worden, die all ihr Vertrauen in Greville Falconer gesetzt und es niemals bereut haben.Abschließend kann ich dir nicht oft genug mein Bedauern darüber ausdrücken, meine Liebe, dass ich dich gezwungenermaßen so sehr täuschen musste. Ich kann nur beten, dass du eines Tages die Not verstehen wirst, die mich dazu getrieben hat, so zu handeln, wie ich gehandelt habe. Ich möchte dich bitten, Franny gegenüber freundlich über mich zu sprechen.Das Herz tut mir weh, wenn ich daran denke, dass ich es nicht erleben werde, wie sie zur erwachsenen Frau heranreift. Aber ich habe eine Entscheidung getroffen und muss nun mit den Konsequenzen leben. Ich hoffe, dass du wieder heiraten wirst, wenn es dein Wunsch ist, und dass du die Erfüllung in deinem Leben finden wirst, wie ich sie in meinem Leben gefunden habe. Ich gebe mein Leben aus freien Stücken im Dienst für mein Vaterland, obwohl ich nicht gern sterbe. Es ist noch so viel Arbeit zu erledigen, die ich nun anderen überlassen muss. Dir, Ellie, sende ich meine unsterbliche Liebe. Und denke freundlich an mich zurück, wenn es dir möglich ist.FF.

Aurelia bemerkte, wie ihre Tränen auf das Papier tropften und die Tinte verschmierten. Einen Moment lang erfüllte der Gedanke sie mit Zufriedenheit, dass ihre Tränen die Worte auslöschen – oder sie doch so gründlich zum Verschwinden bringen konnten, wie ihr Ehemann aus ihrem Leben verschwunden war. Frederick hatte ihretwegen keine Träne geweint. Er hatte gehandelt, wie seine Entscheidung es von ihm verlangt hatte, hatte die Folgen für sich selbst akzeptiert, ohne allerdings nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, ob andere von seiner Wahl ebenfalls betroffen waren. Plötzlich schob sie den Brief beiseite, brachte ihn auf dem kleinen, runden Tisch neben sich in Sicherheit.