Das Blumenorakel - Petra Durst-Benning - E-Book

Das Blumenorakel E-Book

Petra Durst-Benning

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Beschreibung

Baden-Baden im ausgehenden 19. Jahrhundert. Flora lebt ihren Traum, seit sie den Blumenladen ihrer Familie wieder zum Blühen gebracht hat. Die vornehmen Kunden aus aller Welt sind begeistert von ihren geschmackvollen Arrangements. Doch als Flora sich unsterblich verliebt, fordert sie das Glück heraus. Nach dem gerade überstandenen Krieg mit Frankreich geht 1871 in Baden-Baden die Sorge um, ob die »Sommerhauptstadt Europas« ihren alten Glanz zurückgewinnen kann. In dieser Zeit des Umbruchs kommt die junge Flora, Tochter der Samenhändlerin Hannah Kerner, in die Stadt. Für sie geht ein Traum in Erfüllung, denn in dem kleinen Blumenladen der Familie Sonnenschein wird sie zur Blumenbinderin ausgebildet. Mit ihrer Frische und Herzenswärme erobert sie die Familie und vor allem den Sohn Friedrich, mit ihren Ideen bringt sie neues Leben in das verstaubte Geschäft. Bald wird sie Friedrichs Frau und bedient die elegante Kundschaft bis hin zum europäischen Hochadel. Doch der Erfolg entzweit die Eheleute, und Flora beginnt, sich nach leidenschaftlicher Liebe zu sehnen. Sie wandelt auf einem schmalen Grat. Für ihr persönliches Glück setzt Flora alles aufs Spiel. Weitere Informationen unter www.blumenorakel.de.

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Petra Durst-Benning

Das Buch

1871 geht in Baden-Baden die Sorge um, ob die »Sommerhauptstadt Europas« nach dem gerade überstandenen Krieg ihren alten Glanz zurückgewinnen kann. In dieser Zeit des Umbruchs kommt die junge Flora in die Stadt. Für sie geht ein Traum in Erfüllung, denn in dem kleinen Blumenladen der Familie Sonnenschein wird sie zur Blumenbinderin ausgebildet. Mit ihrer Frische und Herzenswärme erobert sie die Familie und vor allem den Sohn Friedrich, mit ihren Ideen bringt sie neues Leben in das verstaubte Geschäft. Bald wird sie Friedrichs Frau und bedient die elegante Kundschaft bis hin zum europäischen Hochadel. Doch der Erfolg entzweit die Eheleute, und Flora beginnt, sich nach leidenschaftlicher Liebe zu sehnen. Sie wandelt auf einem schmalen Grat. Für ihr persönliches Glück setzt Flora alles aufs Spiel.

Die Autorin

Petra Durst-Benning, 1965 in Baden-Württemberg geboren, ist Autorin, Übersetzerin und Dolmetscherin. Sie lebt mit ihrer Familie südlich von Stuttgart auf dem Land. Mit ihren historischen Romanen wurde sie zur Bestsellerautorin. Mehr über Petra Durst-Benning und ihre Romane erfahren Sie unter www.durst-benning.de oder auf ihrem Fanforum unter www.fanforum-durst-benning.de

Von Petra Durst-Benning sind in unserem Hause bereits erschienen:

Die Glasbläserin

Die Amerikanerin

Das gläserne Paradies

Antonias Wille

Die Liebe des Kartographen

Die Salzbaronin

Die Samenhändlerin

Die Silberdistel

Die Zuckerbäckerin

Die Zarentochter

Die russische Herzogin (HC-Ausgabe)

Besuchen Sie uns im Internet:

www.ullstein-taschenbuch.de

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen,

wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung,

Speicherung oder Übertragung

können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Ungekürzte Ausgabe im Ullstein Taschenbuch

1. Auflage März 2009

6. Auflage 2011

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2008/List Verlag

Umschlaggestaltung: HildenDesign, München

(unter Verwendung einer Vorlage von Sabine Wimmer, Berlin)

Titelabbildung: © Swim Ink/Corbis

Gestaltung des Bildteils: Sabine Wimmer, Berlin

Innenabbildungen: © Visual Language

Satz: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

eBook-Konvertierung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Printed in Germany

eBook ISBN 978-3-548-92071-9

DIE NIXEVOM WILDSEE

Die Wiesen rund um das blaugrün schillernde Wasser desWildsees waren besonders üppig, weshalb die Hirten ihre Ziegen dort besonders gern weideten. Bedächtig zupften die Tiere die feinwürzigen Kräuter, keines kam in die Versuchung, wilde Sprünge zu machen oder davonzulaufen.

Zufrieden mit der Wahl seines Weideplatzes, zog der junge Hirte seine Schalmei hervor und begann voller Hingabe zu spielen. Doch bald mischten sich in seine verträumte Melodie noch andere, viel schönere und feinere Klänge, die vom See herüberzuwehen schienen.

Neugierig machte er sich zum Ufer auf und traute seinen Augen kaum, als er auf einem Felsen im See eine herrlich anzuschauende Wasserfrau mit schwarzgelocktem Haar und grün funkelnden Augen erspähte. Sie spielte auf einer goldenen Harfe und sang mit glockenklarer Stimme dazu – eine Weise, die der Hirte nicht kannte, die ihn aber sofort in ihren Bann zog. Nur einmal schaute die Nixe den Jüngling an und lächelte leise dabei, ohne ihr Spiel und den Gesang zu unterbrechen.

So etwas Schönes hatte der Hirte noch nie gesehen, solch schöne Klänge nie gehört! Am liebsten wäre er für immer dort sitzen geblieben. Erst als es dunkel wurde, ging er zurück zu seinen Tieren.

Fortan kam er Abend für Abend an den See, um den verzauberten Klängen zu lauschen.

Sie heiße Merline, verriet die Schöne dem Jüngling eines Tages. Aber nie dürfe er sie mit diesem Namen ansprechen oderihn ausrufen, wenn er sie nicht antreffe, denn sonst würde etwasSchlimmes geschehen.

Der Hirte nickte verwirrt.

Eines Tages lief er auf seinem Gang zum See einem alten Pechsieder, der seit Ewigkeiten in der Gegend unterwegs war, über den Weg. Er solle achtsam sein, warnte der Mann den Hirten. Schon so manch hübscher Jüngling habe im See sein ewiges Grab gefunden, weil er den lockenden Klängen der Nixe erlegen sei.

Seine Warnungen waren vergeblich – der junge Hirte war Merline längst verfallen, und eines Abends, als er die Nixe nicht auf ihrem gewohnten Felsen sitzen sah, konnte er nicht anders, als ihren Namen zu rufen.

»Merline …!«

Doch statt ihrer wurde er einer blutroten Rose gewahr, die aus der Wasserfläche herauswuchs und ans Ufer trieb. Als der Jüngling danach greifen wollte, fiel er ins Wasser und verfing sich im Dickicht der Schlingpflanzen. Er ruderte angstvoll mit den Armen und strampelte mit den Beinen, aber der Wildsee ließ ihn nicht mehr los, sondern zog ihn hinab in die Tiefe.

Die ganze Nacht und den nächsten Morgen blökten die Ziegen vergeblich nach ihrem Hirten. Danach verloren sie sich in den Wäldern rund um den See und waren ebenfalls nie mehr gesehen.

1. KAPITEL

Januar 1871

Baden-Baden! Ich weiß jetzt schon, dass ich die Stadt nicht mögen werde.« Mürrisch starrte Flora aus dem Zugfenster. Der schwarze Kohlequalm der Dampflokomotive mischte sich mit dem lautlos fallenden Schnee zu einem unappetitlich aussehenden Schleier. Man konnte die Umgebung nur noch als graue Schatten wahrnehmen. Die wenigen Menschen, die unterwegs waren, versteckten ihre Nasen hinter den Mantelkragen oder Taschentüchern, um der schlechten Luft zu entgehen.

Flora wies am Bahnhofsgebäude vorbei auf ein riesiges Banner, das von einem Hotelfenster herabhing. »Bayerischer Hof – schau nur, wie protzig sie ihre Speisen und Getränke anpreisen!«

»Keine Sorge, unser Hotel liegt viel weiter in der Stadt und es ist gewiss nicht so vornehm.« Hannah Kerner, die neben Flora saß, seufzte. Das Letzte, was sie im Moment brauchen konnte, waren die Nörgeleien ihrer Tochter.

»Na, da bin ich aber froh. Brrr! Wie düster hier alles wirkt! Und irgendwie verlassen. Hier sollen wir also gute Geschäfte machen? Kuckucksspucke ist das, mehr nicht …« Dass ihre eigene Miene mindestens so düster und unfreundlich wirkte wie Baden-Baden an diesem Wintertag, schien Flora gar nicht zu merken.

Unwillkürlich warf auch Hannah einen skeptischen Blick auf die verschneite Stadt. Keine Soldaten weit und breit – sie wusste nicht, ob dies ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Noch herrschte Krieg, Frankreich hatte offiziell noch nicht kapituliert, auch wenn die Zeitungen voll waren mit Berichten vom deutschen Sieg über die Franzosen. Offenbar hatte sich König Wilhelm schon vor ein paar Tagen im Spiegelsaal von Versailles zum Kaiser erklären lassen, von einer Geste »absoluter Unterwerfung« war in den Zeitungen die Rede gewesen. Ein deutscher Kaiser in Versailles – das war doch was! Helmut, Hannahs Mann, und die anderen Männer aus dem Dorf hatten den neuen Kaiser mit viel Bier und Schnaps hochleben lassen.

Aber was wäre, wenn sich die Franzosen gar nicht »absolut unterworfen« fühlten? Womöglich stand Frankreich kurz davor zurückzuschlagen? Falls ja, befänden sich Flora und sie hier in Baden-Baden an einem äußerst unsicheren Ort …

Obwohl Hannah die Stadt von früheren Fahrten her recht gut kannte und schätzte, war ihr diesmal mehr als ein wenig mulmig zumute. Ganz gewiss gab es bessere Zeiten für eine Reise nach Baden-Baden als ausgerechnet den Januar dieses Jahres. Umso mehr bemühte sich Hannah, gegenüber Flora Zuversicht und Sorglosigkeit auszustrahlen. Es tat nicht not, dass ihre Tochter neben all dem Unwillen, den sie eh schon hegte, auch noch Angst verspürte.

In den letzten Tagen vor ihrer Abreise hatte Helmut jeden, der zuvor auch nur in die Nähe von Baden-Baden gekommen war, über die politische Lage befragt, doch keiner der Reisenden hatte etwas von Kämpfen oder gefährlichen Situationen berichtet. Also könnten auch Frau und Tochter ruhig losziehen, hatte Helmut gemeint. Hannah hatte nichts dagegen gesagt. Was auch? Sie konnten es sich nicht leisten, zu Hause auf bessere Tage zu warten! Sie mussten sich bei der Kundschaft zeigen, bevor die sich umorientierte.

Und ausgerechnet in dieser besonderen Situation musste es Hannah gelingen, der Tochter das Reisen und den Handel schmackhaft zu machen. Bisher war sie darin nicht sehr erfolgreich gewesen …

Inzwischen stand der Zug. Die Tür des Abteils wurde aufgerissen, kalte Luft schwappte herein, die Schonzeit war vorüber.

»Jetzt hör auf zu schmollen!«, sagte Hannah an Flora gewandt. »Nimm die Leinentasche mit dem Essen und den Gastgeschenken, ich trage den Zwerchsack und den Koffer.« Noch während sie sprach, warf sie sich ihren warmen Umhang aus grünem Filz über, betrachtete prüfend ihr Spiegelbild in der beschlagenen Fensterscheibe, rückte den Filzhut zurecht und war zufrieden mit dem, was sie sah: Das Dunkelgrün von Hut und Umhang brachte ihr fast schwarzes Haar zur Geltung und passte genauso gut zu ihren dunklen Augen. Eine Tracht im eigentlichen Sinne konnte man den Umhang und das kleine Hütchen nicht nennen, aber beides waren Erkennungsmerkmale dafür, dass es sich bei der Trägerin um eine Gönninger Samenhändlerin handelte, die sich ihren Lebensunterhalt mit dem Handel von Blumen- und Gemüsesamen und Tulpenzwiebeln verdiente. Nicht allen Frauen aus Hannahs Dorf stand diese Kleidung so gut wie ihr. Sie war mit ihren 39 Jahren noch immer eine attraktive Frau.

Auch Flora trug das Gönninger Dunkelgrün. Allerdings schien es, als würde sie mit dem Filzumhang eine tonnenschwere Last auf ihren Schultern tragen.

Ach Mädchen, so schlimm ist das Leben einer Samenhändlerin doch gar nicht, dachte Hannah bei sich.

Wenige Minuten später saßen die beiden Frauen in einer Kutsche und waren auf dem Weg in Richtung Innenstadt. Hannah wollte zuerst in ihrem Gasthof das Gepäck loswerden, bevor sie die ersten Kunden aufsuchten.

Während der Wagen auf der festgefahrenen Schneedecke durch die Lange Straße fuhr, zeigte Hannah hier auf ein Palais, da auf ein Landhaus oder auf ein Hotel – allesamt Domizile ihrer verehrten Baden-Badener Kundschaft. Flora tat weiterhin betont teilnahmslos. Die verehrte Kundschaft interessierte sie herzlich wenig – das war die Aussage, die Hannah hinter ihrem Schweigen laut und deutlich hören konnte. Doch statt sich über Floras Benehmen zu ärgern, brach es Hannah fast das Herz, die Tochter so unglücklich zu sehen.

Wie sehr sie dieses Kind liebte! Natürlich lagen ihr die Zwillinge, die zwei Jahre jünger waren als Flora, ebenso sehr am Herzen. Aber die Tochter war halt eine ganz besondere Person.

Flora …

Es war nicht nur die Tatsache, dass sie ihr wie aus dem Gesicht geschnitten war: dieselbe dunkle, leicht krause Mähne – bei Hannah allerdings von immer mehr Silberfäden durchzogen –, derselbe kräftige und hohe Wuchs, für eine Frau vielleicht ein wenig stattlich, aber immerhin kein dünnes Stängelchen, das vom ersten Windhauch umgeweht wurde. Mutter und Tochter hatten beide braune Augen, doch während Hannahs wie Kohlesteine funkelten, glich Floras Augenfarbe dem Braun eines Stücks Schokolade. Hannah fand ihre Tochter hübsch, wusste jedoch, dass sie keine atemberaubende Schönheit war. Dafür aber ein liebes Mädchen. Meistens jedenfalls …

Wenn sie die Tochter damals, vor einundzwanzig Jahren, nicht unter dem Herzen getragen hätte, hätte sie sich nie auf den Weg von Nürnberg nach Gönningen gemacht, an den Rand der Schwäbischen Alb. Womöglich wäre sie ihr Leben lang eine Magd im elterlichen Gasthof geblieben. Oder sie hätte irgendeinen fränkischen Griesgram geheiratet. Ohne dieses Kind hätte sie Helmut nicht bekommen! Den Mann, den sie so sehr liebte, dass es manchmal fast wehtat. Begeistert war er allerdings nicht gewesen, als sie mit einem Koffer in der Hand an einem kalten Dezembertag in Gönningen ankam und ihm die »frohe Botschaft« ihrer Schwangerschaft mitteilte. Er hatte jedoch getan, was ein Ehrenmann in dieser Situation tun musste: Er hatte sie geheiratet. Die große Liebe war es damals weiß Gott noch nicht gewesen. Die war erst im Laufe der Jahre gewachsen. Heute aber konnte sich Hannah ein Leben ohne Helmut nicht mehr vorstellen. Ein anderes Leben als das einer Samenhändlerin in Gönningen auch nicht. Und ihre Tochter sollte dasselbe Glück erleben.

Flora, die Göttin der Blumen – die keine Samenhändlerin werden wollte, sondern von etwas ganz anderem träumte. Die immer nur ihre Blumen im Kopf hatte. Ob diese Narretei tatsächlich etwas mit ihrem Namen zu tun hatte? So mancher im Dorf behauptete das. »Hättet ihr halt eine Waltraud oder eine Edelgard aus ihr gemacht!« So ähnlich hieß es dann. Im Stillen meinten die Leute damit, dass es nicht recht sei, mit der alten Sitte, den Namen des Paten an das Kind weiterzugeben, zu brechen.

Dabei hatte Helmut den ungewöhnlichen Namen vorgeschlagen. »Ein Kind, das mitten in der Natur zur Welt kommt, kann doch gar keinen anderen Namen erhalten als den der Blumengöttin«, hatte er gesagt. Hannah war alles recht gewesen, sie hatte in jenen Tagen kaum einen klaren Gedanken fassen können. Mitten auf dem Acker war die Fruchtblase geplatzt – man stelle sich das nur vor! Von ihrer überstürzten Ankunft einmal abgesehen, hatte Flora ihnen jedoch keine Mühe gemacht. Sie war ein liebreizendes Kind gewesen, und alle im Dorf hatten stets ein freundliches Wort für das kleine Mädchen mit seinen Blumensträußen übrig gehabt.

Die Erinnerungen ließen Hannah lächeln, doch schon im nächsten Moment seufzte sie erneut auf.

Liebreizend konnte man Flora in letzter Zeit gewiss nicht mehr nennen. Und jetzt saß sie mit einer Miene neben ihr, als würde sie zum Schafott gefahren!

»Es reicht, mein Kind.« Der Kopf des Kutschers fuhr herum, doch Hannah kümmerte es nicht. Es gab Dinge, die einfach gesagt werden mussten.

»Ich weiß, dass du immer noch davon träumst, Blumenbinderin zu werden. Aber Träume sind nun einmal Schäume. Dir hat es in der Gärtnerei Gruber in Reutlingen doch überhaupt nicht gefallen! Du warst eine Magd, hast für andere Leute geackert, während ich daheim vor lauter Arbeit nicht mehr wusste, wo mir der Kopf stand. Dass dein Vater und ich dich zur Frau Gruber haben gehen lassen, war ein großes Zugeständnis. Du wolltest etwas lernen – da mochten wir dir nicht im Wege stehen. Aber was ist dabei herausgekommen? Dir hat es vor der Arbeit gegraut! Regelrecht angebettelt hast du den Vater, damit du nicht mehr hinmusst … Bitte halten Sie an!«, wandte sie sich plötzlich an den Fahrer.

»Hier? Aber ich dachte, sie wollten in die Tausend-Seelen-Gass?« Mürrisch schüttelte der Mann den Kopf, half Hannah aber dabei, ihr Gepäck auszuladen.

»Das war ja auch gar kein richtiger Blumenladen, viel eher ein Bauernhof! Anderswo hätte ich sicher mehr übers Blumenbinden gelernt …«, murrte Flora und kratzte mit ihrer Schuhspitze ein Loch in den Schnee.

Am liebsten hätte Hannah sie in den Arm genommen. Stattdessen sagte sie: »Wie dem auch sei – jetzt ist es an der Zeit, dass du bei uns mitarbeitest, so, wie deine Freundinnen es bei ihren Eltern auch tun. Nicht, dass es allen dabei so gut ergeht wie dir … Schau dir zum Beispiel Suse an, die mit ihrer Mutter im südlichen Schwarzwald fast nur arme Leute als Kundschaft hat. Baden-Baden dagegen … So einen feinen Samenstrich hat kaum einer!« Wenn Flora erst einmal sah, wie prunkvoll die Stadt war, würde sie bestimmt auch begeistert sein, dachte Hannah voller Hoffnung.

»Wohin gehen wir eigentlich? Ich wäre lieber weitergefahren …«

Hannah lächelte. »Ich möchte dir ein wenig von der Stadt zeigen. So anstrengend war die Zugfahrt nicht, als dass wir nicht ein paar Minuten zu Fuß gehen könnten, oder?«

»Wenns sein muss …« Seufzend packte Flora Leinentasche und Zwerchsack, Hannah nahm den Koffer, und dann stapften sie über eine der Brücken, die über die Oos führten.

»Das hier ist das sogenannte Conversationshaus.« Hannah zeigte auf ein großes Gebäude zu ihrer Seite. »Hier ist die berühmte Spielbank untergebracht, aber es gibt darin wohl auch Tanzsäle, ein feines Restaurant und was weiß ich noch.«

Flora verzog den Mund. »Ziemlich pompös, oder?«

Hannah beschloss, den nörgeligen Ton zu ignorieren. »Du wirst sehen, Baden-Baden hat viele schöne Seiten! Es ist außerdem ein sehr sicheres Reisegebiet, wir werden in einem guten Gasthof mit einer netten Wirtsfrau wohnen – was willst du mehr?« Hannah schüttelte den Kopf. Sie konnte es nicht fassen, dass sie hier in der Eiseskälte dieses Gespräch führten. Nach all den zermürbenden Gesprächen derselben Art, die sie über Weihnachten und Neujahr hinter sich gebracht hatten. Manchmal fragte sie sich, ob Helmut und sie nicht zu gutmütig waren.

Als von Flora keine Antwort kam, fuhr Hannah fort: »Wie du weißt, hat dein Vater diesen Samenstrich für viel Geld von Martin Gsell gekauft. Er wollte, dass du ein besonders gutes Handelsgebiet bekommst. Die meisten Kunden hier sind Blumengärtner – das ist doch wie geschaffen für dich! Und du kannst hier auch richtig viel verdienen. Zugegeben, dass der Krieg dazwischengekommen ist, ist mehr als ärgerlich. Umso wichtiger ist es, dass wir uns dieses Jahr bei all den Kunden blicken lassen. Sonst kaufen sie ihre Sämereien am Ende noch anderswo und wir haben das Geld für die Ablöse umsonst bezahlt.« Hannah schüttelte den Kopf. »Ach Flora, mach es mir doch nicht so schwer …« Als zwei mit Körben beladene Frauen an ihnen vorbeiwollten, trat Hannah auf die Straße, wo jedoch im selben Moment ein Fuhrwerk daherkam. Hastig sprang sie wieder auf den Gehsteig. Verflixt, es gab weiß Gott bessere Plätze für eine Predigt! Wütend funkelte sie Flora an.

»Wenn ich gewusst hätte, wie garstig du dich benimmst, wäre ich zu Hause geblieben! Dann hättest du allein schauen können, wie du zurechtkommst.« Sie stöhnte unwillkürlich auf. Obwohl sie feste Stiefel mit dicken Ledersohlen trug, war ihr die Kälte in die Glieder gekrochen. Seit einem Unfall vor vielen Jahren, bei dem sie mit ihrem rechten Bein in eine Tierfalle geraten war, bekam ihr die Kälte nicht mehr so gut.

Flora schaute auf, erschrocken und schuldbewusst.

»Ach Mutter, es tut mir leid … Sei nicht böse. Ich bin dem Vater und dir ja dankbar, wirklich! Aber ich wollte halt …«

Hannah nahm ihre Tochter in den Arm. Dass sie den Gehsteig nun völlig blockierten, war ihr gleichgültig.

»Die Träume, ich weiß, mein Kind …«

2. KAPITEL

Arm in Arm marschierten Mutter und Tochter weiter. Flora musste heimlich zugeben, dass sie von Baden-Baden schon nach den ersten Eindrücken ziemlich angetan war. Die Lange Straße, in der sich ein großes Hotel ans andere reihte, dieses Conversationshaus und nun die hübsche kleine Allee, die laut Hannah »Promenade« genannt wurde und zu deren linker und rechter Seite sich ein schönes Geschäft neben dem anderen fand … Mit langem Hals und aufgerissenen Augen schaute Flora auf die farbigen Kreationen in der Auslage eines Hutmachers. Und was war das? Wie ein Hund, der eine Spur witterte, hielt Flora ihre Nase in die Luft. Lavendelduft – mitten im Winter? Er drang aus einer Parfümerie, in der goldene Kronleuchter Tausende von Fläschchen und Tiegel beleuchteten – wie prachtvoll!

Hannah sagte: »Man nennt diese Läden die ›Promenadeboutiquen‹. Eigentlich wollte ich ein Stück die Lichtenthaler Allee entlanggehen und erst weiter vorn über eine der Brücken wieder in die Stadt einbiegen, aber auch so herum ist es zu unserem Gasthof nicht mehr weit.«

Flora nickte. So viele schöne Geschäfte – wenn sie davon ihrer Freundin Suse erzählte … Dann zeigte sie auf die gegenüberliegende Zeile mit Läden. »›Maison‹, ›Confections‹, ›Chocolatier‹ – findest du so viel Französisches nicht ein bisschen … affektiert?«

»Bei den vielen französischen Gästen nenne ich das eher geschäftstüchtig. Aber ob diese Gäste zukünftig noch kommen?«

»Mutter, schau doch nur – ein Blumenladen!« Abrupt blieb Flora vor dem letzten Geschäft in der Reihe stehen. Die drei großen Schaufenster waren mit riesigen Rosenbuketts dekoriert, die in silbernen Gefäßen standen, und zwischen den Fenstern, deren Rahmen golden lackiert waren, befanden sich große Kübel mit Tannenbäumen. Alles zusammen wirkte so edel, so fein …

Dieses Geschäft hatte nichts gemeinsam mit dem Laden der Frau Gruber, wo es außer Blumen auch Gemüse zu kaufen gab und auf dessen Boden stets die Abdrücke schmutziger Schuhe zu sehen waren.

»Diese Farben … Wo kriegen die mitten im Winter nur die blühenden Rosen her?« Floras Stimme war ganz leise geworden. Dann wandte sie sich stürmisch zu Hannah um. »Liebste Mutter – bitte, können wir hineingehen? Nur mal gucken? Wenn wir schon mal hier sind …«

»Kind, wir müssen noch zu unseren –«

»Nur ganz kurz, ja? Schau, da betritt eine Kundin das Geschäft! Wie elegant sie aussieht …«

»Maison Kuttner, hm …« Hannah schüttelte den Kopf. »Gehört auf alle Fälle nicht zu unserer Kundschaft. Wahrscheinlich züchten die ihre Blumen nicht selbst, sondern lassen sich die blühende Ware liefern.« Ihr Blick wanderte zwischen Flora, dem Blumenladen und der großen Kirchturmuhr auf der anderen Straßenseite hin und her.

»Also gut, wenn du hinterher nicht mehr allzu sehr trödelst …«

»Tausend Dank!« Ein rascher Kuss auf Hannahs Wange – und schon war Flora halb im Laden.

Der Blick der Verkäuferin wanderte über Hannahs Zwerchsack und ihren Umhang hinab zu den derben Stiefeln. Ihre Miene verzog sich, als habe sie einen Hundehaufen oder etwas ähnlich Unappetitliches erblickt. Mit spitzem Zeigefinger deutete sie auf die Tür.

»Der Dienstboteneingang liegt hinter dem Gebäude …«

Auch ihre beiden Kolleginnen hinter der Ladentheke musterten Flora und ihre Mutter abschätzig.

Flora, die mit weit aufgerissenen Augen die exotischen Blumen und Gewächse bewunderte, fühlte sich im ersten Moment gar nicht angesprochen. Passionsblumen, Malvenblüten, weiß blühende Myrte …

»Wir wollen lediglich Ihr Angebot ansehen.« Hannahs kühl vorgebrachte Erwiderung riss Flora aus ihren Betrachtungen. Irritiert schaute sie die Mutter an, die fortfuhr: »Doch ich befürchte, dass Rosen im Winter nicht unseren Geschmack treffen, wir ziehen das … Natürliche vor!« Die Nase höher gereckt als alle anderen anwesenden Damen, stapfte Hannah aus dem Laden.

Flora folgte ihr mit steifem Rücken.

»Was für unverschämte Ziegen«, zischte Flora, kaum dass sie draußen waren. »Hast du diese lächerlichen gerüschten Kleidchen gesehen? Die passen vielleicht in einen Zuckerbäckerladen, aber gewiss nicht in ein Blumengeschäft!« Mit jedem Wort stieß Flora eine weiße Atemwolke aus, die kurz in der kalten Luft stehen blieb, bevor sie sich auflöste.

»Und dann die Rosen – die Kunst der Rosentreiberei ist in Paris oder Hamburg sehr gefragt, aber ich persönlich finde sie schrecklich! Rosen im Winter – das ist wie Weihnachten im August!«, schnaubte auch Hannah. Ein Pferd, das gerade an ihnen vorbeizog, wandte den Kopf zu ihnen um und wieherte eifrig mit.

Die beiden Frauen lachten.

Flora staunte darüber, wie zielsicher die Mutter sie durch die Stadt führte: Am Ende der Promenade überquerten sie einen kleinen Platz, dann kamen sie in die Sophienstraße, dort hieß es Obacht geben und den Abzweig in die Stephanienstraße nicht verpassen.

»Schau mal, dieses Sommerpalais hat einst die französische Großherzogin Stephanie erbauen lassen!« Hannah zeigte nach rechts auf ein trotz seiner Größe lieblich wirkendes Gebäude, das inmitten eines großen Gartens stand. »Bestimmt ist die Straße nach ihr benannt. Der Gärtner, der die Grünanlage pflegt, ist auch unser Kunde.«

Flora nickte sichtlich beeindruckt.

Je weiter sie die Straße entlangschritten, desto mehr veränderte diese ihr Gesicht: Auch hier waren die Hausfronten zwar sauber geweißelt, reckten sich jedoch mehr in die Höhe als in die Breite. Elegante Schaufenster gab es nicht, stattdessen stand die Ware – Besen, Körbe, Fässer und vieles mehr – einfach auf der Straße. Kleider und Hüte suchte man vergebens in den Auslagen. Dafür kamen Hannah und Flora an einer Schmiede, einem Tabakwarenladen und einem Gemischtwarengeschäft vorbei. Direkt daneben lag ein Laden, dessen Schaufenster vollgestopft war mit alten Büchern.

Flora runzelte missbilligend die Stirn. »Die schönen Bücher könnte man auch hübscher präsentieren.«

Hannah gab ihrer Tochter einen kleinen Stups. »Du und deine ›hübschen Präsentationen‹. Komm jetzt lieber!«

Doch statt weiterzugehen, drückte Flora ihre Nase an die Fensterscheibe. »Die Sprache der Blumen – was ist denn das?« Sie zeigte auf das oberste Buch auf einem hohen Stapel.

»Wenn du glaubst, wir statten diesem Laden nun auch noch einen Besuch ab, hast du dich getäuscht, meine Liebe«, sagte Hannah energisch. »Vielleicht haben wir an einem der kommenden Tage Zeit für so etwas!«

Floras Unmut über die Mutter hielt nicht lange an. Diese Vielfalt an Geschäften – hatte der Kutscher die Straße deshalb »Tausend-Seelen-Gass« genannt? Oder weil hier so viele Menschen wohnten und ihrer Arbeit nachgingen? In dieser Straße konnte man sich wohlfühlen, ging es Flora durch den Kopf. Hier vereinte sich das Städtische mit einer Heimeligkeit, wie sie sie aus Gönningen kannte.

Das Ende der Straße und somit ihr Gasthof seien nun nicht mehr weit, murmelte Hannah und packte Flora fest am Arm, als sie erneut an einem Blumenladen vorbeikamen.

Im Vergleich zum Maison Kuttner war dieses Geschäft deutlich kleiner. Es gab auch keine hübschen Bäumchen vor der Tür, sondern lediglich einen alten Mann, der sich mit einem abgenutzten Besen bemühte, die zwei Treppenstufen, die zum Laden hochführten, vom Schnee zu befreien.

Flora lächelte dem Mann kurz zu und warf dabei einen raschen Blick in Richtung des Schaufensters, wo es außer einer Vase mit Nelken und ein paar vergilbten Plakaten nichts zu sehen gab.

Hannah zupfte an ihrem Ärmel. »Schau, da vorn, die Goldene Henne! Na endlich, ich –«

Im selben Moment ertönte neben ihnen ein dumpfer Knall, gefolgt von einem Schmerzensschrei.

»Himmel, hilf!« Hannah ließ ihr Gepäck fallen.

Der alte Mann lag halb auf dem Gehweg, halb auf der Treppe, den Besen seltsam zwischen seinen Beinen verkeilt. Blut lief aus seiner Nase und dem rechten Mundwinkel. Die Zunge des Mannes, die zwischen seinen Lippen hervorsah, schien bereits anzuschwellen, als habe er bei dem Sturz daraufgebissen. Er stöhnte.

»Hören Sie mich? Können wir Sie hineintragen?« Sanft rüttelte Hannah am Arm des Verletzten, gleichzeitig schaute sie über ihre Schulter. Doch ausgerechnet jetzt war die Straße menschenleer.

Reglos starrte Flora auf das Blut, das in den Schnee tropfte.

»Hallo! Hören Sie mich?«, wiederholte Hannah.

Der Mann hob mühsam den Kopf und stöhnte. Dann bewegte er sich nicht mehr.

Endlich erwachte Flora aus ihrer Erstarrung.

»Er stirbt! Um Himmels willen, Mutter – tu doch was!«

3. KAPITEL

Und wenn es etwas Modernes sein soll, darf ich Ihnen unsere wunderschönen Zinnien anbieten …« Hannah öffnete ein kleines Leinensäckchen und ließ daraus eine Handvoll Samenkörner auf den Tisch rieseln. Über ihrer Oberlippe hatte sich ein feiner Schweißbart gebildet.

In der Werkstatt der Gärtnerei Flumm brannte im Bullerofen ein kräftiges Feuer. Nach der Kälte draußen war die Wärme im ersten Moment hochwillkommen gewesen, doch schnell begannen beide Frauen unter ihren Wollkleidern zu schwitzen. Der erdige Duft der Samenkörner – es war nur eine kleine Probe zur Ansicht, die eigentliche Lieferung würde erst später von zu Hause aus erfolgen – mischte sich mit dem Geruch der schwitzenden Leiber und dem des Hundes, der in seinem Korb neben der Tür döste und hin und wieder mit den Pfoten zuckte.

Einen Moment lang fühlte sich Flora in die heimische Packstube versetzt – dort roch es ganz ähnlich. Nicht, dass sie sich dorthin zurückwünschte! Von früh bis spät Sämereien abwiegen, in Tüten packen, diese bestempeln oder beschriften, dann alles in große Pakete verschnüren, die zum Bahnhof gebracht werden mussten – es waren immer dieselben Arbeiten.

Flora gähnte. Wenn es bloß nicht so stickig wäre … Immer wieder wanderten ihre Gedanken durch das feucht beschlagene Fenster auf und davon.

Wie es dem alten Mann wohl ging? Er war so schwach gewesen und gleichzeitig so aufgeregt! Und geweint hatte er, weil er allen so viele »Umstände« bereitete. Hannah und Flora waren sehr erleichtert gewesen, als er aus seiner Ohnmacht wieder erwachte. Ob der Sohn, den irgendjemand verständigt hatte, den Vater wohl in ein Krankenhaus gebracht oder wenigstens einen Arzt gerufen hatte?

»Allerbeste Qualität, sehr wuchsfreudig und robust, Sie können unsere Zinnien direkt ins Freibeet säen!« Noch während Hannah sprach, schlug sie in ihrer Preisliste die richtige Seite auf und tippte auf die entsprechende Zeile. »Und der Preis kann sich auch sehen lassen!«

Flora, der inzwischen kleine Schweißperlen zwischen den Brüsten hinabrannen, schaute stumm zu, wie ihre Mutter dem Gärtner eine Sorte Blumensamen nach der anderen verkaufte. Mit jeder Zeile, die sie im Bestellschein ausfüllte, wurde Hannahs Miene entspannter. Was die Zinnien anging, blieb der Mann jedoch zögerlich.

»Diese Farben! Vom zarten Hellrosa bis ins tiefste, hochelegante Lila ist alles dabei.« Hannah schloss ihre Augen für einen Moment, ihr Ausdruck war voller Verzückung. Dann schnappte sie sich ein zweites Buch, blätterte es rasch durch und tippte auf eine Zeichnung. Zinnien in allen möglichen Farben waren darauf zu sehen, so detailreich gemalt, dass man beim Betrachten das Gefühl hatte, die samtig wolligen Blüten in der Hand und ihren krautigen Duft in der Nase zu haben. »Sind die nicht wundervoll?«

»Also gut!«, sagte Siegfried Flumm. »In den letzten Jahren waren bäuerliche Blumen zwar nicht sonderlich gefragt, alle schrien nach eleganten Sorten, aber wer weiß?« Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist dieses Jahr das Rustikale wieder Trumpf?«

Hannah nickte eifrig. »Natürlich empfehle ich unbedingt auch einige elegante Sorten. So wie unseren hochfeinen Rittersporn … Möchten Sie selbst einen Blick in unser Musterbuch werfen?«

Mit anerkennendem Nicken tippte der Gärtner hier auf eine Jungfer im Grünen, da auf ein Schmuckkörbchen und ein paar Seiten weiter auf ein paar Sommerastern. Hannah notierte eifrig.

Die Idee zu diesem Buch hatte einst Seraphine gehabt, Floras Tante. Saatgut machte optisch natürlich nicht viel her, es bedurfte seitens des Kunden schon einiger Fantasie, sich vorzustellen, dass aus einer Handvoll brauner Körner einmal die schönsten Blumen entstehen würden. Bunte Blumenbilder würden beim Verkaufen helfen, hatte Seraphine argumentiert. Dank ihrer künstlerischen Begabung war vor vielen Jahren das erste Musterbuch entstanden. Inzwischen hatte sie für jedes Mitglied der Familie Kerner, das auf die Reise ging, ein solches Buch angefertigt. Auch Flora sollte solch eine Verkaufshilfe bekommen – derzeit war Seraphine mit Eifer dabei, es fertigzustellen.

Flora seufzte leise. Alle in der Familie schienen ihren Platz im Samenhandel gefunden zu haben und waren glücklich damit. Alle außer ihr. Warum das so war, verstand niemand, sie selbst am allerwenigsten.

»Eine Blumenbinderin will ich werden. Das und nichts anderes!«, hatte sie so lange gequengelt, bis die Eltern sie schließlich im letzten Jahr in die Reutlinger Gärtnerei hatten gehen lassen. Nicht, weil sie von Floras Entscheidung überzeugt gewesen wären, aber Floras Blumenliebe hatten sie irgendwann nichts mehr entgegenzusetzen gehabt.

Schon als kleines Mädchen hatte es für Flora nichts Schöneres gegeben, als stundenlang die Wiesen rund ums Dorf zu durchstreifen und Blumen zu pflücken. Ohne dass ihr dies je einer der Erwachsenen erklärt hätte, wusste sie immer ganz genau, wo und zu welcher Jahreszeit sie welche Blumen finden konnte: Am Waldrand sammelte sie Weidenröschen, in der Nähe der Kornäcker standen Margeriten, Mohn und Kornblumen. Am Bach entlang pflückte sie Schlüsselblumen sowie das von ihr so sehr geliebte Wiesenschaumkraut. »Kuckucksblumen«, nannte Hannah es. Und Kuckucksspucke sagte sie zu dem Schaum, der sich im Frühjahr auf den zartlila Blüten bildete und in den Insekten ihre Larven legten. Als Flora diese Schaumnester zum ersten Mal gesehen hatte, war sie entsetzt gewesen. »Wie kann jemand die schönen Blumen so schmutzig machen?«, hatte sie heulend von ihrer Mutter wissen wollen. Und die hatte lachend gesagt: »Das ist doch nur Kuckucksspucke!« Seitdem verwendete Flora den Ausdruck immer dann, wenn sie in heller Aufregung war – was ihr oftmals seltsame Blicke einbrachte.

Die Reutlinger Gärtnerei war eine Enttäuschung gewesen. Ums Blumenbinden war es dort fast nie gegangen, dafür umso mehr um den Anbau und die Pflege der Blumen.

Natürlich hatte das halbe Dorf mitbekommen, dass Floras »Blumenbinderlehre« ein Misserfolg war.

»Die Sämereien waren ihr ja nicht fein genug!«

»Nur das eigene Vergnügen hat sie im Kopf, wie die Eltern zurechtkommen, das kümmert sie nicht …«

So oder so ähnlich hatte es geheißen, als Flora wie ein geprügelter Hund nach Gönningen zurückgekehrt war.

Ihre Brüder hatten laut gelacht – in ihren Augen war die Schwester mit ihrem Blumenfieber sowieso eine Verrückte. Die Eltern waren halb verärgert, halb ratlos gewesen. Und Seraphine, ihre Tante, sagte etwas wie: »Auch ich hatte einmal Träume …«, und dass man diese am besten so schnell wie möglich beerdigte. Verflixt noch mal, das versuchte sie ja, aber –

»… hingefallen? Du lieber Himmel! Der alte Herr Sonnenschein kränkelt schon seit geraumer Zeit ständig mit einer Erkältung oder er hat es im Kreuz oder wird von sonst einem Zipperlein geplagt. Nicht, dass er jammern würde! Immer versucht er, die ganze Welt davon zu überzeugen, wie gut er alles meistert. Sein Sohn hilft ihm, wo er nur kann. Aber viel Zeit hat er nicht, der Friedrich. Er arbeitet in der Trinkhalle, aber fragen Sie mich nicht, was genau er dort tut. Von uns Baden-Badenern setzt kaum jemand einen Fuß dort hinein, das ist nur was für unsere verehrten Kurgäste.« Der ironische Unterton in Gärtner Flumms Stimme war nicht zu überhören.

»Sprecht ihr über den Mann aus dem Blumenladen?« Floras Frage kam so unvermittelt, dass sowohl Hannah als auch der Gärtner zusammenzuckten. Fast schien es, als hätten sie die Anwesenheit der Jüngeren vergessen.

Hannah warf ihrer Tochter einen missbilligenden Blick zu. »Wie schön, dass du noch nicht eingeschlafen bist!«, zischte sie.

»Kuno Sonnenschein war mal einer meiner guten Kunden.« Der Gärtner seufzte. »Aber inzwischen scheint das Geld im Hause Sonnenschein ziemlich knapp zu sein, denn er kauft immer nur das Billigste …«

Hannah machte ein mitleidiges Gesicht. »Wahrscheinlich ist der arme Herr Sonnenschein auch schon verwitwet?«

»O nein, die gnädige Frau Sonnenschein ist noch höchst lebendig, aber … wie soll ich sagen? Eine Hilfe ist sie ihrem Mann nicht. Sie hat sogar selbst Hilfe im Haushalt, als wäre sie eine feine Dame. So müsste mir mal meine Else kommen!« Der Gärtner lachte.

Hannah räusperte sich, dann sagte sie zuckersüß: »Ob Sie es glauben oder nicht – auch ich habe eine Magd. Mein Mann ist nämlich der Ansicht, dass ich im Geschäft viel nützlicher bin.«

Siegfried Flumm blickte sie irritiert an. »So gesehen …«

Unwillkürlich musste Flora grinsen. Mutter konnte eine ziemliche Kratzbürste sein! Bevor sie am Ende noch mit einem durchgestrichenen Bestellzettel dasaßen, startete Flora ein Ablenkungsmanöver.

»Gibt es denn keine Tochter in der Familie? Also, wenn meine Eltern einen Blumenladen hätten, wäre es für mich das Natürlichste von der Welt, dort mitzuarbeiten.«

Die Miene des Gärtners hellte sich wieder auf. »Eine Tochter gibts, aber die ist ins Kloster gegangen …«

Hannah holte tief Luft. »Tja, es hat halt nicht jeder so viel Glück wie Sie mit Ihrem wunderbar florierenden Betrieb, in dem alle fleißig mithelfen. Vielleicht sollten wir jetzt den Bestellzettel zu Ende ausfüllen?« Resolut zückte sie ihren Stift.

4. KAPITEL

Als sie an diesem Abend den Gasthof Goldene Henne erreichten, waren Mutter und Tochter zwar müde und bis in den letzten Knochen durchgefroren, dafür aber um drei vollständig ausgefüllte Bestellzettel reicher. Außer der Gärtnerei Flumm hatten sie noch zwei weitere Gärtnereien am Rande der Stadt aufgesucht, und alle hatten gut eingekauft. Am nächsten Tag würden die Kunden in der Stadt – Hotelgärtner, Besitzer von Privatgärten sowie die städtischen Gärtner, die für die Bepflanzung der Kuranlagen zuständig waren – an die Reihe kommen. Auch bei diesen versprach sich Hannah gute Geschäfte.

Das Essen stünde in einer Viertelstunde auf dem Tisch, versprach die Wirtin, kaum dass Mutter und Tochter durch die Tür traten. Außerdem habe sie zwei Wärmflaschen in die Betten gelegt, fügte sie mit einem mütterlichen Lächeln hinzu.

Ein angewärmtes Bett – Flora stöhnte vor Wonne auf, als sie die schmale Treppe zu ihrer Kammer hinaufstiegen. Wenn das Zimmer nicht gar zu kalt war, konnte sie sich bis aufs Unterkleid ausziehen, sich zwischen die Laken kuscheln und –

»Glaub ja nicht, du kämst heute so schnell ins Bett«, sagte Hannah, als könne sie Gedanken lesen. »Jetzt feiern wir erst einmal unsere guten Umsätze. Auch das gehört zum Geschäft. Warte nur ab, ich werde dir den Handel noch richtig schmackhaft machen!«

Ein gutes Essen, vielleicht ein Krug Bier dazu oder ein Glas Wein – so hatte sich Flora den Abend vorgestellt. Dass ihre Mutter die ganze Gaststube mit ihrem Gesang unterhalten würde – damit hatte sie nicht gerechnet.

»… Es wollt ein Schneider wandern,

Am Montag in der Fruh,

Begegnet ihm der Teufel,

Hat weder Strümpf noch Schuh’:

He, he, du Schneiderg’sell,

Du musst mit mir in die Höll,

Du musst uns Teufel kleiden,

Es gehe, wie es wöll …

Los, sing mit, Kind!«, forderte Hannah Flora auf, doch die schüttelte nur den Kopf. Die Handtasche mit dem eingenommenen Geld fest auf dem Schoß, saß sie da und hörte zu, wie Hannah die zweite Strophe des Wanderliedes anstimmte. Die Männer, die sich rund um ihren Tisch versammelt hatten, fielen mit ein.

Hannah und Flora hatten ihr Essen – ein kräftiges Gulasch mit allerlei Gemüse und dicken Fleischstücken – noch nicht ganz aufgegessen, als schon der erste Gast fragte, ob er ihnen Gesellschaft leisten dürfe. Es dauerte nicht lange, bis der nächste kam. Und der nächste.

Schnell geriet man ins Erzählen – Flora staunte, wie lebhaft sich Hannah am Gespräch beteiligte. Nach den anstrengenden Verkaufsverhandlungen wäre es kein Wunder gewesen, wenn sie ein wenig mundfaul reagiert hätte. Flora selbst war das ganze Palaver schon fast zu viel.

Bis auf einen der Männer – er hatte sich als Vertreter von Miederwaren vorgestellt, was bei seinen Tischnachbarn wahre Anfälle von Heiterkeit ausgelöst hatte – gaben alle eine Runde Bier, Schnaps oder Wein aus. Und als Hannah das erste Lied anstimmte, fielen alle außer Flora mit ein. Sie lächelte verlegen und wunderte sich darüber, dass die anderen alle den Text kannten.

»… Sobald der Schneider in die Höll kam,

Nahm er seinen Ehlenstab,

Er schlug den Teuflen Buckel voll,

Die Hölle auf und ab:

He, he, du Schneiderg’sell,

Musst wieder aus der Höll,

Wir brauchen nicht zu messen;

Es gehe, wie es wöll …«

Flora schüttelte den Kopf. Auch auf Dorffesten war Hannah immer diejenige, die als Erste das Tanzbein schwang, was nicht von allen mit Wohlgefallen gesehen wurde. Tanzen war lieder lich – manch einer von den älteren Gönningern vertrat noch immer diese Ansicht, die natürlich weder Flora noch ihre Freundinnen teilten. Doch manchmal war Flora die Ausgelassenheit der Mutter ein wenig peinlich.

Gerade war sie aufgesprungen und wiegte sich im Takt der Musik.

»… Nachdem er all gemessen hat,

Nahm er seine lange Scher

Und stutzt den Teuflen d’ Schwänzlein ab

Sie hüpfen hin und her.

He, he, du Schneiderg’sell,

Pack dich nur aus der Höll,

Wir brauchen nicht das Stutzen,

Es gehe, wie es wöll …«

Unwillkürlich musste auch Flora lachen. Sie schaute auf, als sie an ihrer linken Seite eine Bewegung wahrnahm.

Mit einem knappen Nicken in ihre Richtung rutschte ein Mann auf die Eckbank. Flora erwiderte seinen zurückhaltenden Gruß. Hannah war schon bei der nächsten Strophe angelangt, als Flora klar wurde, dass ihr Banknachbar niemand anderes war als dieser Friedrich Sonnenschein, der Sohn des alten Blumenhändlers, dem sie nach seinem Sturz geholfen hatten. Trübe starrte er in sein Bier und schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein.

Scheinbar hatte er Flora nicht wiedererkannt – sonst hätte er doch der Höflichkeit halber ein paar Worte mit ihr geredet, oder? Unter niedergeschlagenen Lidern schaute sie zu ihm hinüber.

Friedrich Sonnenschein war ein Mensch, dem der liebe Gott keinerlei ungewöhnliche äußerliche Merkmale mitgegeben hatte: Seine Augen waren von einem blassen Hellblau, sie wirkten durchscheinend wie ein seichtes Gewässer. Der Mann hatte weder eine krumme noch eine zu große Nase, weder besonders schöne noch unschöne Haare, er war auch nicht von extrem großem oder kleinem Wuchs, sondern von durchschnittlicher Größe, dabei aber nicht drahtig oder sehnig, sondern eher etwas schwammig. Unwillkürlich fiel Floras Blick auf ihre eigenen Arme und Hände, denen man die Plackerei in der Gruber’schen Gärtnerei sehr wohl ansah. Aber hieß es nicht, Schwielen an den Händen seien die schönste Zier für eine fleißige Schwäbin? Sie lächelte verstohlen.

Trotz seines unauffälligen Äußeren sah dieser Friedrich irgendwie nett aus. Freundlich und nicht so ungepflegt wie manch anderer Bursche in der Wirtschaft. Und –

»Nochmals vielen Dank für die Hilfe, die Sie meinem Vater haben zukommen lassen!«

Er hatte sie also doch erkannt! »Wie geht es ihm denn?«, fragte Flora höflich.

»Er humpelt und hält sich die Hüfte, wenn er glaubt, niemand sieht es …« Friedrich Sonnenschein verzog das Gesicht. »Mein Vater will einfach nicht zugeben, dass er im letzten Jahr immer schwächer geworden ist. Als habe der liebe Gott ihm von heute auf morgen zehn Jahre auf den Buckel gepackt. Er wird schnell müde, und dann diese seltsamen Schwindelanfälle. Aber was soll ich machen? Ich musste heute früh nur kurz weg, danach wollte ich den Schnee räumen, aber so lange konnte mein lieber Herr Vater wieder nicht warten!«

Friedrich atmete so tief aus, dass Flora einen Schwall Biergeruch abbekam. Mit gerunzelter Nase wich sie zurück.

In dem Moment kam Hannah lachend und außer Atem an den Tisch zurück.

»Du meine Güte, tun mir die Füße weh! Ach, der Sohn vom Blumenhändler«, sagte sie und fragte gleich darauf: »Flora, hast du auch noch Durst?« Sie hielt ihren Bierkrug in die Höhe und deutete in Richtung Tresen.

Flora schüttelte den Kopf.

»Na, dann unterhaltet euch schön.« Mit einem wohlwollenden Lächeln stapfte Hannah davon.

Flora schaute ihr lächelnd nach. Wie gelöst und glücklich die Mutter wirkte, ganz in ihrem Element!

Friedrich räusperte sich, als wolle er ihre Aufmerksamkeit zurückgewinnen. »Sie sind nicht von hier, nicht wahr?«

Flora nickte. »Wir waren gerade erst angekommen und auf dem Weg hierher, als wir vom Bahnhof aus am Laden Ihres Vaters vorbeiliefen.« Mit knappen Worten schilderte sie den Grund für ihre Reise.

»Eine Samenhändlerin sind Sie also! Früher kam ein älterer Herr zu uns, er stammte auch aus Gönningen, wenn ich mich recht erinnere. Damals hat mein Vater alle seine Blumen selbst gezogen, aber da ging es ihm gesundheitlich auch noch viel besser …« Friedrich seufzte.

»Sie arbeiten in einer Trinkhalle, das ist bestimmt sehr interessant«, sagte Flora, wie um ihn abzulenken. Mutter hatte ihr das Gebäude, das ganz in der Nähe des Conversationshauses lag, zwar von weitem gezeigt, trotzdem konnte sie sich nicht im Geringsten vorstellen, was sich dahinter verbarg. Eine Art Gasthaus vielleicht?

Friedrich schaute auf und antwortete mit unerwarteter Heftigkeit: »Meine Arbeit bedeutet mir alles, verstehen Sie? Von einem einfachen Hausmeisterposten habe ich mich in den letzten drei Jahren hochgearbeitet bis zum Verwalter der Trinkhalle. Auch das ganze Gelände ringsum untersteht meiner Obhut. Jede Sitzbank, die Kieswege, die Absperrungen, die Anpflanzungen – um all das darf ich mich kümmern. Jetzt nach dem Krieg stehen große Entscheidungen an, es geht nicht nur um die Zukunft der Trinkhalle, sondern um alles, wofür sie steht! Was wird aus Baden-Baden werden, jetzt, wo die Franzosen nicht mehr kommen? Wer sind die zukünftigen Kurgäste? Ich hoffe so sehr, dass die neuen Gäste unsere feinen Wässer mehr zu schätzen wissen. Dass sie nicht mehr allein wegen des Casinos kommen, sondern wegen einer Bade- und Trinkkur. Glauben Sie mir, Baden-Baden stehen aufregende Zeiten bevor …«

Feine Wässer? Trinkkur? Flora verstand kein Wort, spürte aber das Feuer, das in Friedrich brannte. »Und Sie wollen ein Teil davon sein«, sagte sie – in der Hoffnung, dass es das Richtige war.

Er nickte heftig und trank einen so großen Schluck Bier, dass ihm ein paar Tropfen das Kinn hinabliefen. Er wischte sich mit dem Ärmel über den Mund und schaute sich kurz um, als wolle er sich vergewissern, dass er keine Mithörer zu fürchten hatte. Dann sagte er leiser: »Bisher hat der jeweilige Pächter der Spielbank für den Erhalt der Trinkhalle gezahlt. Nun munkelt man aber, dass eine völlig neue Art der Kurverwaltung geschaffen werden soll, die vielleicht auch die Verantwortung für die Trinkhalle übernimmt. Das könnte ihre Bedeutung enorm stärken. Es könnte aber genauso gut auch zu ihrem Untergang führen. Und statt teilzuhaben an diesem Prozess, soll ich beim Vater im Laden Blumen gießen? Das …« Er verstummte und schüttelte den Kopf, als ertrüge er die Vorstellung nicht.

»Und in Ihrer Schwester haben Sie auch keine Hilfe?«, fragte Flora und ihr Herz pochte plötzlich wie verrückt. Friedrich wusste ja gar nicht, wie sehr sie ihn beneidete! Ich helfe Ihnen!, hätte sie am liebsten ausgerufen. Stattdessen ritzte sie mit ihrem Fingernagel kleine Rillen in die Tischoberfläche.

»Meine Schwester ist lieber dem Ruf Gottes gefolgt, als sich um die Eltern zu kümmern.« Friedrich klang nun richtig bitter. »Wahrscheinlich spricht man bei ihr von ›Berufung‹, und jeder ist so verständnisvoll, dass sie dieser Berufung folgen muss! Bei mir hingegen wird nur von einer ›fixen Idee‹ gesprochen, wenn ich glaube, für die Entwicklung Baden-Badens einen sinnvollen Beitrag leisten zu können. In den Augen der Leute wäre es besser, wenn ich das elterliche Geschäft übernehme. Nur: Wie man solch eine ›fixe Idee‹ aus dem Kopf kriegt – das kann mir keiner sagen. Es geht doch hier nicht um Unkraut, das man so einfach an der Wurzel packen und ausreißen kann!«

Ohne dass es ihr recht bewusst war, ergriff Flora Friedrich Sonnenscheins Hand. Ihre Finger krallten sich geradezu in sein Fleisch. »Sie glauben ja nicht, wie gut ich Sie verstehen kann, von mir verlangen sie nämlich dasselbe!«, rief sie so laut, dass sich ein paar ihrer Tischnachbarn zu ihr umdrehten. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Abrupt ließ sie Friedrichs Hand wieder los.

In einem rauen Flüsterton fuhr Flora fort: »Auch ich werde dazu gezwungen, im elterlichen Betrieb mitzuarbeiten. Dabei habe ich mein ganzes Leben davon geträumt, eine Blumenbinderin zu werden, schon –«

»Das gibt es doch gar nicht«, unterbrach Friedrich sie ungläubig. »Wenn ich’s doch sage!« Flora lachte laut auf. »Schon als kleines Kind gab es für mich nichts Schöneres, als Sträuße zu binden – der Samenhandel hingegen interessiert mich einfach nicht. Wie gern würde ich mit Ihnen tauschen! Ach, das Leben ist einfach ungerecht.«

Hannah, die gerade ein Gespräch mit der Wirtin beendet hatte, kam wieder an den Tisch.

»Ist das nicht ein netter Abend? Habe ich dir nicht gesagt, das Handeltreiben würde dir Spaß machen?«, sagte sie triumphierend.

Flora und Friedrich schauten sich an. Und im nächsten Moment prusteten beide los.

5. KAPITEL

Der Rest der Reise verlief genauso betriebsam und erfolgreich wie der erste Tag. Wo immer sich Hannah und Flora zeigten, wurden sie freudig begrüßt. Die Kundschaft war in Kauflaune: Im Kriegsjahr hatte ein Großteil der Gärten brachgelegen oder man hatte sich mit Restbeständen von Sämereien beholfen– nun war den Menschen nach wogenden Blütenmeeren zumute, nach Farbe und Duft, die die Erinnerung an Angst und Schrecken für immer vertrieben.

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