Das Buch der Schatten - Flammende Gefahr - Cate Tiernan - E-Book

Das Buch der Schatten - Flammende Gefahr E-Book

Cate Tiernan

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Beschreibung

Liebe, Gefahr und Magie – die mitreißende Hexensaga geht weiter!

Morgan ist geschockt: Hunter ist die Klippe hinuntergestürzt und in seiner Kehle steckte ihr Dolch. Hat er den Sturz in den eiskalten Fluss überlebt? Der Gedanke, womöglich für den Tod eines Menschen verantwortlich zu sein, lastet sehr auf Morgan. Doch nicht nur das – Cal gesteht ihr, dass er genau wie sie von den Woodbanes abstammt und davon schon sein Leben lang gewusst hat. Warum hat er sie angelogen? Als sich Morgan plötzlich in ihrem Hexenzirkel nicht mehr sicher fühlt, sucht sie entschlossen nach Antworten …

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Seitenzahl: 269

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Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

© 2001 17th Street Productions, an Alloy company, and Gabrielle Charbonnet

Published by arrangement with Rights People, London

Die amerikanische Originalausgabe erschien

unter dem Titel »Sweep – Dark Magick«

bei Penguin US, New York

© 2012 cbt Verlag, München in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Übersetzung: Elvira Willems

Umschlaggestaltung: © Isabelle Hirtz, München,

unter Verwendung mehrerer Motive von Shutterstock

kg ∙ Herstellung: AnG

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN 978-3-641-07361-9V004

www.penguin.de

Die Autorin

Foto: © Paul L. della Maggioro

Cate Tiernan wuchs in New Orleans auf und studierte russische Literatur an der New York University. Sie arbeitete zunächst in einem renommierten Verlag, bevor sie mit dem Schreiben begann. Ihre Serie »Das Buch der Schatten« wurde ein großer Erfolg und in mehrere Länder verkauft. Heute lebt Cate Tiernan mit ihrem Mann, zwei Töchtern und zwei Stiefsöhnen, einem Pudel und vielen Katzen in Durham.

Von Cate Tiernan ist bei cbt bereits erschienen:

Das Buch der Schatten – Verwandlung (38003)

Das Buch der Schatten – Magische Glut (38004)

Das Buch der Schatten – Bluthexe (38005)

Prolog

»Du bist erledigt«, keuchte Hunter wütend und zog an der silbernen Kette. »Ich hab dich.«

»Morgan!« Cals Schrei zerriss die Schneenacht und erschütterte mich in meiner Reglosigkeit. Ich musste mich bewegen, kämpfen. Ich liebte Cal, hatte ihn immer geliebt. Ich rappelte mich mühsam auf, als hätte ich lange, sehr lange Zeit geschlafen. Ich hatte keinen Plan, was ich tun sollte. Ich war Hunter alles andere als ein ebenbürtiger Gegner, doch plötzlich erinnerte ich mich daran, dass ich ja noch meinen Athame umklammert hielt, mein Geburtstagsgeschenk. Ohne lange zu überlegen, schleuderte ich ihn mit aller Macht gegen Hunter und sah zu, wie er in einem schimmernden Bogen durch die Luft flog.

Er traf Hunter am Hals und zitterte dort eine Sekunde, bevor er runterfiel und Hunter ihn auffing. Hunter schrie auf und schlug die andere Hand auf die klaffende Wunde. Blut spritzte heraus, blühte auf wie eine rote Mohnblume. Ich konnte nicht fassen, was ich getan hatte.

In dieser Sekunde zog Cal die Knie an und trat Hunter mit aller Wucht. Mit einem überraschten Schrei taumelte Hunter zurück, verlor das Gleichgewicht, die Hand immer noch an der Wunde… Und als er taumelnd über den Rand der Klippe verschwand, schrie ich: »Nein! Nein! Nein!«

Ich starrte entsetzt ins Nichts.

»Morgan, hilf mir!«, rief Cal und schreckte mich auf. »Mach das weg! Es verbrennt mich! Mach das weg!«

Wie benommen eilte ich zu Cal und zog an der silbernen Kette, die um seine Handgelenke gewickelt war. Ich spürte, als ich sie berührte, nichts als ein leichtes Prickeln, doch dort, wo sie auf Cals Haut gelegen hatte, sah ich rohe, rote, blasige Ränder. Sobald ich Cal von der Kette befreit hatte, warf ich sie zu Boden und kroch zum Rand der Klippe. Ich wusste, dass ich mich übergeben würde, wenn ich Hunter dort unten auf den Felsen liegen sah, trotzdem zwang ich mich hinzusehen und überlegte schon, ob ich den Notruf wählen sollte, ob ich versuchen könnte, hinunterzuklettern, und ob ich aus meinem Babysitterkurs noch wusste, wie die Herz-Lungen-Wiederbelebung funktionierte.

Doch ich sah nichts. Nichts als Felsbrocken und das graue, aufgewühlte Wasser.

Cal kam herübergetaumelt. Ich begegnete seinem Blick. Er sah entsetzlich aus: blass, hohlwangig und schwach. »Göttin, er ist schon verschwunden«, murmelte Cal. »Er muss ins Wasser gestürzt sein, und die Strömung…« Er atmete schwer, sein dunkles Haar war nass von Schnee und Blut.

»Wir müssen jemanden anrufen«, sagte ich leise und streckte die Hand nach ihm aus. »Wir müssen jemandem von Hunter erzählen. Und wir müssen uns um deine Handgelenke kümmern. Glaubst du, du schaffst es zurück zum Haus?«

Cal schüttelte nur den Kopf. »Morgan«, sagte er mit gebrochener Stimme, »du hast mich gerettet.« Mit von den Faustschlägen geschwollenen Fingern berührte er meine Wange und sagte zärtlich: »Du hast mich gerettet. Hunter wollte mich umbringen, doch du hast mich vor ihm beschützt, wie du es gesagt hast. Ich liebe dich.« Er küsste mich und seine Lippen waren kalt und schmeckten nach Blut. »Ich liebe dich mehr, als ich mir je hätte vorstellen können. Heute fängt unsere Zukunft richtig an.«

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Meine Gedanken hatten aufgehört, sich zu drehen, ja, sie waren ganz verschwunden. Mein Kopf war leer. Ich legte ihm den Arm um die Taille, als er sich langsam humpelnd auf den Weg durch den Wald machte, zurück zum Haus. Ich konnte nicht anders, als immer wieder über die Schulter zum Rand der Klippe zu blicken. Was passiert war, war einfach zu viel, um es zu begreifen, und ich konzentrierte mich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen und zu spüren, wie Cal sich auf mich stützte, während wir langsam durch den Schnee wateten.

Da fiel es mir wieder ein: Es war der 23. November.

Ich überlegte, wie viel Uhr es wohl war– ich wusste nur, dass es sehr spät sein musste. Ich war am 23. November um zwei Uhr siebzehn in der Nacht zur Welt gekommen. Damit war ich jetzt wahrscheinlich offiziell siebzehn Jahre alt. Ich schluckte. Dies war der erste Tag meines siebzehnten Lebensjahrs. Was würde der nächste Tag wohl bringen?

1

Absturz

November 1999

Der Rat hat mich für »nicht schuldig« am Tod von Linden erklärt. Doch das Votum der sieben Älteren der Großen Clans ist nicht einstimmig ausgefallen. Der Vertreter von Vikroth und die von Wyndenkell, die Clanvertreterin meiner Mutter, haben gegen mich gestimmt.

Fast hatte ich gehofft, sie würden mich verurteilen, denn dann wäre mein zukünftiger Lebensweg wenigstens klar gewesen. Und in gewisser Weise war ich ja auch schuld an Lindens Tod, oder? Mit meinem Gerede über Rache habe ich Lindens Kopf gefüllt und ihn auf die Idee gebracht, die dunklen Mächte anzurufen. Wäre mein Bruder nicht durch mich ums Leben gekommen, hätte er auf dem Weg, den ich ihm gewiesen hatte, gewiss irgendwann den Tod gefunden.

Als man mich für unschuldig erklärte, war ich verloren, wusste ich doch, dass ich für den Rest meines Lebens für seinen Tod büßen würde.

– Gìomanach

Schneeflocken und Graupel fegten um meine Wangen. Ich kämpfte mich durch den Schnee und stützte Cal, während meine Füße allmählich zu Eis wurden. Cal stolperte und ich nahm all meine Kraft zusammen. Im Mondschein sah ich sein Gesicht und erschrak, wie bleich er war, wie geschlagen, wie krank. Mühsam stapfte ich mit ihm durch den dunklen Wald und hatte das Gefühl, dass wir für jeden Schritt, der uns von der Klippe fortbrachte, eine Stunde brauchten.

Die Klippe. Vor meinem geistigen Auge sah ich, wie Hunter mit den Armen wedelnd rücklings über den Rand stürzte. Galle stieg in meiner Kehle auf und ich schluckte krampfhaft. Ja, Cal war in einem schrecklichen Zustand, aber Hunter war wahrscheinlich tot. Tot! Und Cal und ich hatten ihn umgebracht. Cal wankte gegen mich und ich hielt ihn erneut, während ich tief, aber zitternd einatmete.

Zusammen stolperten wir durch den Wald, begleitet nur von dem fiesen Zischen des Graupels auf den schwarzen Ästen um uns herum. Wo genau lag Cals Haus?

»Gehen wir in die richtige Richtung?«, fragte ich ihn. Der eisige Wind riss mir die Worte von den Lippen.

Cal blinzelte. Ein Auge war zugeschwollen und bereits blau geworden. Sein wunderschöner Mund war blutverschmiert, die Unterlippe aufgeplatzt.

»Egal«, sagte ich und schaute nach vorn. »Ich glaube, die Richtung stimmt.«

Als Cals Haus in Sicht kam, waren wir beide nass bis auf die Knochen und halb erfroren. Unruhig hielt ich auf der runden Auffahrt Ausschau nach Selene Belltowers Auto, doch Cals Mutter war noch nicht zu Hause. Nicht gut. Ich brauchte Hilfe.

»Müde«, sagte Cal benommen, als ich ihm die Stufen zur Haustür hochhalf. Irgendwie schafften wir es ins Haus hinein, doch dort wurde mir klar, dass ich ihn unmöglich rauf in sein Dachzimmer schleppen konnte.

»Da.« Cal wies mit der von den Faustschlägen auf Hunter geschwollenen Hand in Richtung Wohnzimmer. Bleischwer vor Müdigkeit taumelte ich durch die Tür und half Cal, sich auf das blaue Sofa fallen zu lassen. Er kippte zur Seite und rollte sich auf den Kissenzusammen, vor Kälte zitternd und mit blassem Gesicht.

»Cal«, sagte ich, »wir müssen die Feuerwehr rufen. Wegen Hunter. Vielleicht finden sie ihn ja. Womöglich ist es noch nicht zu spät.«

Cals Gesicht verzog sich zu einer grotesken, halb lachenden Fratze. Seine aufgerissene Lippe blutete und auf seiner Wange prangten blaue Flecken. »Zu spät«, krächzte er mit klappernden Zähnen. »Da bin ich mir ganz sicher.« Er schloss die Augen und wies mit einem Nicken auf den Kamin. »Feuer.«

War es für Hunter wirklich zu spät? Ein winziger Teil von mir hoffte es beinahe– wenn Hunter tot war, konnten wir ihm nicht mehr helfen und ich musste es erst gar nicht versuchen.

Aber war er wirklich tot? Ein Schluchzen stieg in meiner Kehle auf. War er tot?

Okay, dachte ich und versuchte, mich zu beruhigen. Okay. Analysier die Situation. Mach einen Plan. Ich kniete mich hin und schob mit unbeholfenen Bewegungen Zeitungspapier und Anmachholz auf dem Kaminrost zusammen. Dann wählte ich drei große Scheite aus und legte sie darauf.

Ich sah nirgends Streichhölzer, deshalb schloss ich die Augen und versuchte, im Geiste Feuer herbeizurufen. Doch es war, als hätten meine magischen Kräfte mich verlassen. Ja, allein von dem Versuch, sie herbeizubeschwören, bekam ich stechende Kopfschmerzen. Nachdem ich siebzehn Jahre lang ohne Magie gelebt hatte, war es jetzt mehr als beängstigend, ihrer plötzlich wieder beraubt zu sein. Ich öffnete die Augen und sah mich hektisch um. Schließlich entdeckte ich auf dem Kaminsims ein Stabfeuerzeug, holte es und hielt es in den Kamin.

Das Papier und das Anmachholz fingen rasch Feuer. Ich beugte mich vor, um die heilende Wärme der Flammen zu spüren, dann schaute ich wieder zu Cal. Er sah miserabel aus.

»Cal?« Ich half ihm, sich so weit aufzusetzen, dass ich ihm die Lederjacke ausziehen konnte. Dabei achtete ich darauf, nicht über seine Handgelenke zu schrammen, die dort, wo Hunter versucht hatte, ihn mit einer seltsamen magischen Kette zu fesseln, offen und voller Brandblasen waren. Ich zog ihm auch die nassen Stiefel aus. Dann deckte ich ihn mit einer Patchworkdecke aus Samt zu, die kunstvoll über ein Ende der Couch drapiert war. Er drückte meine Hand und deutete ein Lächeln an.

»Bin gleich wieder da«, sagte ich und eilte in die Küche. Während ich darauf wartete, dass das Wasser kochte, überkam mich eine schreckliche Einsamkeit. Ich lief hinauf in die erste Etage und suchte im ersten Badezimmer, das ich fand, nach Verbänden, dann ging ich wieder runter und goss eine Kanne Kräutertee auf. Ein blasses Gesicht mit anklagenden grünen Augen schien mich aus dem Dampf, der von der Teekanne aufstieg, anzusehen. Hunter. O Gott, Hunter.

Hunter wollte Cal umbringen, ermahnte ich mich. Er hätte womöglich versucht, auch mich zu töten. Trotzdem, es war Hunter, der über den Rand der Klippe in den Hudson River– voll mit Eisklumpen so groß wie sein Kopf– gestürzt war. Es war Hunter, der wahrscheinlich von der Strömung mitgerissen worden war, und es war Hunter, dessen Leiche man am nächsten Tag finden würde. Oder auch nicht. Ich kniff die Lippen zusammen, um nicht aufzuschluchzen, und ging zurück zu Cal.

Langsam flößte ich ihm einen ganzen Becher Hydrastiswurzel-Ingwer-Tee ein. Danach hatte er schon wieder ein bisschen Farbe bekommen. Seine Handgelenke tupfte ich vorsichtig mit einem feuchten Tuch ab, dann verband ich sie mit einer Gazebinde, die ich im Bad gefunden hatte, doch die Haut war voller Bläschen und tat bestimmt höllisch weh.

Dann legte Cal sich wieder hin und schlief. Seine Atemzüge gingen unregelmäßig. Hätte ich ihm Tylenol geben sollen? Sollte ich Hexenmedizin suchen gehen? In der kurzen Zeit, da ich Cal kannte, war er in unserer Beziehung immer der Starke gewesen. Ich konnte mich immer auf ihn verlassen. Jetzt verließ er sich auf mich, und ich wusste nicht, ob ich stark genug war.

Die Kaminuhr über meinem Kopf schlug langsam drei Mal und ich hob den Blick. Drei Uhr! Ich stellte meinen Becher auf den Couchtisch. Ich hätte mich eigentlich bei meinen Eltern melden sollen, wenn ich erst nach Mitternacht nach Hause käme. Und ich hatte nicht mal mein Auto hier– Cal hatte mich abgeholt. Er konnte auf keinen Fall fahren. Und Selene war noch nicht zurück. Verdammt!, sagte ich zu mir selbst. Denk nach, denk nach.

Ich könnte meinen Vater anrufen und ihn bitten, mich abzuholen. Eine alles andere als verlockende Aussicht.

Um in Widow’s Vale ein Taxi zu rufen, war es auch zu spät, denn das Taxiunternehmen bestand im Wesentlichen aus Ed Jinkins, der mit seinem alten Cutlass Supreme am Bahnhof rumhing.

Ich könnte Cals Wagen nehmen.

Fünf Minuten später verließ ich leise das Haus. Cal schlief. Ich hatte den Schlüssel aus seiner Jacke genommen, ihm ein paar Worte zur Erklärung aufgeschrieben und den Zettel in der Hoffnung, dass er mich verstand, auf den Wohnzimmertisch gelegt. Jäh hielt ich inne, als mein Blick auf Hunters grauen Sedan fiel, der wie eine Anklage in der Einfahrt stand. Mist! Was sollte ich mit seinem Auto machen?

Nichts. Hunter hatte die Schlüssel. Und er war fort. Allein konnte ich das Auto unmöglich aus dem Weg schieben, und überhaupt wäre mir das irgendwie sehr… methodisch vorgekommen. So geplant.

Mein Kopf drehte sich. Was sollte ich machen? Wellen der Erschöpfung überkamen mich, die mich an den Rand der Tränen brachten. Aber ich musste akzeptieren, dass ich nichts tun konnte. Um Hunters Wagen mussten Cal oder Selene sich kümmern. Zitternd stieg ich in Cals goldenen Explorer, schaltete das Fernlicht ein und fuhr nach Hause.

Cal hatte heute Nacht magische Sprüche gegen mich gewirkt, Fesselsprüche, sodass ich mich nicht vom Fleck hatte rühren können. Warum? Damit ich mich nicht in seinen Kampf mit Hunter einmischte? Damit mir nichts passierte? Oder weil er mir nicht vertraute? Also, wenn er bisher gedacht hatte, er könnte mir nicht vertrauen, dann war er jetzt eines Besseren belehrt worden. Ein leicht hysterisches Kichern stieg in mir auf und ich biss die Zähne zusammen. Nicht jedes Mädchen würde dem Feind ihres Freundes einen zeremoniellen Wicca-Dolch in den Hals schleudern.

Hunter hatte versucht, Cal zu töten, hatte ihm die Hände mit einer magischen Silberkette zusammengebunden, die Cals Haut verbrannte, sobald sie ihn berührte. Da hatte ich den Athame auf ihn geschleudert und er war über den Rand der Klippe gestürzt. Und wahrscheinlich umgekommen. Wir hatten ihn umgebracht. Wir hatten ihn getötet.

Mit einem Schaudern bog ich in meine Straße. Hatten wir ihn tatsächlich umgebracht? Oder hatte Hunter noch eine Chance? Vielleicht war die Wunde an seinem Hals nicht so schlimm gewesen, wie sie ausgesehen hatte. Vielleicht war er, als er die Klippe hinunterstürzte, auf einem Felsvorsprung gelandet. Vielleicht wurde er von einem Forsthüter oder irgend so jemandem gefunden.

Vielleicht.

Ich parkte den Explorer nicht vor unserem Haus, sondern fuhr einmal um die Ecke. Als ich die Schlüssel in die Tasche steckte, fiel mein Blick auf die Geburtstagsgeschenke von Cal, die noch auf der Rückbank lagen. Jedenfalls fast alle. Der schöne Athame war verschwunden, er war– wie Hunter– über den Rand der Klippe gestürzt. Mit einem unwirklichen Gefühl sammelte ich meine Geschenke zusammen und lief über den geräumten und gestreuten Bürgersteig nach Hause. Leise schlich ich ins Haus und warf meine Sinne aus. Wieder waren meine magischen Fähigkeiten nicht mehr als ein einsames Streichholz im Sturm statt der kraftvollen Welle, die ich normalerweise spürte. Jetzt fühlte ich kaum etwas.

Zu meiner Erleichterung rührten meine Eltern sich nicht, als ich an ihrer Schlafzimmertür vorbeischlich. In meinem Zimmer setzte ich mich einen Augenblick auf die Bettkante, um mich zu sammeln. Nach den albtraumhaften Ereignissen der Nacht wirkte mein Zimmer kindlich auf mich, als gehörte es einer Fremden. Die rosa-weiß gestreiften Wände, die Blumenbordüre und die Rüschengardinen waren eh nie mein Geschmack gewesen. Mom hatte vor sechs Jahren, als ich im Sommercamp war, alles ausgesucht und mich mit der Renovierung des Zimmers überrascht.

Ich warf meine feuchten Klamotten ab und seufzte vor Erleichterung, als ich Sweatshirt und Jogginghose anzog. Dann ging ich nach unten und wählte 9-1-1.

»Um was für einen Notfall handelt es sich?«, fragte eine resolute Stimme.

»Ich habe gesehen, wie jemand in den Hudson gefallen ist«, antwortete ich schnell– durch ein Taschentuch, wie in alten Filmen. »Ungefähr zwei Meilen flussaufwärts von der North Bridge.« Das war eine grobe Schätzung anhand der Lage von Cals Haus. »Jemand ist in den Fluss gefallen. Er braucht womöglich Hilfe.« Ich legte rasch auf und hoffte, dass ich nicht lang genug am Telefon geblieben war, um den Anruf zurückverfolgen zu können. Wie funktionierte das? Musste man eine Minute telefonieren? Dreißig Sekunden? O Gott. Wenn sie mich ausfindig machten, würde ich alles gestehen. Mit einer solchen Last auf der Seele konnte ich unmöglich leben.

Die vergangenen Ereignisse schlugen in meinem Kopf Purzelbäume: mein wunderschöner romantischer Geburtstag mit Cal, dass wir beinahe miteinander geschlafen hätten, ich aber einen Rückzieher gemacht hatte, die Geschenke, die gemeinsam erlebte Magie in der Meditation, der Athame meiner leiblichen Mutter, den ich Cal heute Abend gezeigt hatte und an den ich mich jetzt klammerte wie an eine Schmusedecke, dann der Kampf mit Hunter, das Entsetzen, als er die Klippe hinuntergestürzt war. Und jetzt war es zu spät, sagte Cal. Aber war es das wirklich? Eine letzte Sache musste ich noch ausprobieren.

Ich zog meinen nassen Mantel wieder an, ging nach draußen und schritt im Dunkeln hinters Haus. Den Athame meiner leiblichen Mutter in der Hand haltend näherte ich mich einem Fensterbrett. Dort, schwach unter der magischen Kraft des Messers glühend, schimmerte eine Sigille. Sky und Hunter hatten mein Haus mit magischen Sprüchen umkreist, und ich wusste immer noch nicht, warum. Doch ich hoffte, dass das hier funktionierte.

Ich schloss die Augen und hielt den Athame über die Sigille. Ich konzentrierte mich so sehr, dass ich das Gefühl hatte, ich könnte jeden Augenblick ohnmächtig werden. Sky, dachte ich und schluckte. Sky.

Ich hasste Sky. Sie weckte Abscheu und Misstrauen in mir, genau wie Hunter, obwohl Hunter mich aus irgendeinem Grund noch mehr aufregte. Doch sie war seine Verbündete, und sie war diejenige, der ich von ihm berichten wollte. Ich schickte meine Gedanken hinauf zu den violetten Schneewolken. Sky. Hunter ist im Fluss, nicht weit von Cals Haus. Geh und hol ihn da raus. Er braucht deine Hilfe.

Was mache ich hier?, dachte ich völlig erschöpft. Ich kann ja nicht mal ein Streichholz anzünden. Ich spüre nicht, ob meine Familie da oben ruhig schläft. Meine magischen Kräfte haben mich verlassen. Trotzdem stand ich mit geschlossenen Augen dort in der kalten Nacht und meine Hand gefror um den Griff des Dolches zu einer Klaue. Hunter ist im Fluss. Geh und hol ihn da raus. Geh Hunter holen. Hunter ist im Fluss.

Die Tränen kamen ohne Vorwarnung, schockierend warm auf meinen kalten Wangen. Keuchend wankte ich ins Haus und hängte meinen Mantel auf. Dann stieg ich langsam, eine Stufe nach der anderen, die Treppe hinauf und war leicht überrascht, als ich es tatsächlich bis nach oben schaffte. Ich versteckte den Athame meiner Mutter unter meiner Matratze und kroch ins Bett. Mein kleiner Kater Dagda reckte sich verschlafen und kroch näher und rollte sich in meiner Halsbeuge zusammen. Ich legte eine Hand auf sein Fell. Unter meiner Daunendecke kauernd, zitterte ich vor Kälte und weinte, bis die ersten Sonnenstrahlen durch die kindlichen Rüschengardinen an meinem Fenster drangen.

2

Schuldig

November 1999

Onkel Beck, Tante Shelagh und Cousine Athar haben nach dem Prozess für mich zu Hause ein kleines Fest gegeben. Doch mein Herz war voller Schmerz.

Ich saß am Küchentisch. Tante Shelagh und Alwyn liefen herum und häuften Essen auf Teller. Dann kam Onkel Beck herein. Er erklärte mir, man habe mich von dem Vorwurf freigesprochen, und jetzt müsse ich loslassen.

»Wie kann ich?«, fragte ich. Schließlich war ich derjenige gewesen, der als Erster schwarze Magie ausprobiert hatte, um unsere Eltern zu finden. Obwohl Linden den dunklen Geist, der ihn tötete, ganz allein herbeigerufen hatte, wäre er gar nicht erst auf die Idee gekommen, wenn ich sie ihm nicht in den Kopf gesetzt hätte.

Da meldete sich Alwyn zu Wort. Sie sagte, ich täusche mich, denn Linden habe immer schon eine Vorliebe für die dunkle Seite gehabt. Sie sagte, er habe die Macht geliebt und sei der Meinung gewesen, Kräutermischungen herzustellen wäre unter seiner Würde. Ihr Heiligenschein aus Korkenzieherlöckchen, feuerrot wie die unserer Mutter, zitterte, während sie sprach.

»Was redest du da?«, fragte ich sie. »Linden hat mir gegenüber so etwas nie erwähnt.«

Sie sagte, Linden habe geglaubt, ich würde ihn nicht verstehen. Er habe ihr gesagt, er wolle die mächtigste Hexe werden, die es je auf Erden gegeben hat. Ihre Worte stießen wie spitze Nadeln in mein Herz.

Onkel Beck fragte sie, warum sie uns das nicht schon eher erzählt habe, und sie sagte, das habe sie doch, und streckte auf ihre typisch sture Art das Kinn vor. Und Tante Shelagh dachte darüber nach und sagte: »Ja, das hat sie tatsächlich. Sie ist damit zu mir gekommen. Und ich dachte, sie würde Märchen erzählen.«

Alwyn sagte, niemand habe ihr geglaubt, weil sie nur ein Kind ist. Dann verließ sie das Zimmer, während Onkel Beck, Tante Shelagh und ich in der Küche saßen und über unsere Schuld nachdachten.

– Gìomanach

An meinem siebzehnten Geburtstag wachte ich mit dem Gefühl auf, jemand hätte mich in einen Mixer gesteckt und das Ding eingeschaltet. Verschlafen blinzelte ich und schaute auf meine Uhr. Neun. Die Morgendämmerung war gegen sechs gewesen, also hatte ich ganze drei Stunden Schlaf bekommen. Toll. Und dann dachte ich: Ist Hunter tot? Habe ich ihn umgebracht? Mein Magen war in Aufruhr und ich hätte heulen können.

Unter der Daunendecke spürte ich ein kleines warmes Wesen, das behutsam an mir langkroch. Als Dagdas graues Köpfchen unter der Decke hervorkam, kraulte ich ihn hinter den Ohren.

»Hallo, kleiner Bursche«, sagte ich leise. Ich hatte mich gerade aufgesetzt, da ging meine Tür auf.

»Guten Morgen, Geburtstagskind!«, sagte meine Mutter strahlend. Sie ging zum Fenster und zog die Vorhänge auf, worauf mein Zimmer in grelles Sonnenlicht getaucht wurde.

»Morgen«, sagte ich und gab mich so normal wie möglich. Bei der Vorstellung, meine Mutter könnte das mit Hunter herausfinden, schauderte mir. Es wäre ihr Ende.

Sie setzte sich auf mein Bett und gab mir einen Kuss auf die Stirn, als wäre ich sieben und nicht siebzehn. Dann sah sie mich genauer an. »Geht es dir gut?« Sie legte den Handrücken an meine Stirn. »Hm. Kein Fieber. Aber deine Augen sind ein bisschen rot und geschwollen.«

»Mir geht’s gut. Nur müde«, murmelte ich. Zeit, das Thema zu wechseln. Plötzlich kam mir ein Gedanke. »Ist heute wirklich mein richtiger Geburtstag?«, fragte ich.

Sanft strich Mom mir das Haar aus dem Gesicht. »Natürlich. Morgan, du hast doch deine Geburtsurkunde gesehen«, erinnerte sie mich.

»Oh, richtig.« Bis vor einigen Wochen hatte ich geglaubt, eine Rowlands zu sein wie der Rest meiner Familie. Doch als ich Cal kennenlernte und anfing, Wicca zu erkunden, wurde ziemlich schnell klar, dass ich starke magische Kräfte besaß und eine Bluthexe war, die einer langen Ahnenreihe von Bluthexen entstammte– Hexen aus einem der sieben großen Wicca-Clans. So hatte ich herausgefunden, dass ich adoptiert worden war. Danach hatten meine Familie und ich eine ganz schön emotionale Berg- und Talfahrt durchgemacht. Doch ich liebte meine Eltern, Sean und Mary Grace Rowlands, und meine Schwester Mary K., die ihre leibliche Tochter war. Und sie liebten mich. Und sie bemühten sich, mit meinem Wicca-Erbe, meinem Vermächtnis, klarzukommen. Genau wie ich.

»Also, da heute dein Geburtstag ist, kannst du mehr oder weniger tun, was du willst«, sagte Mom und kraulte geistesabwesend Dagdas graue fledermausartige Ohren. »Willst du ein großes Frühstück und dann spät zur Messe? Oder lieber jetzt in die Kirche und dann zum Mittagessen etwas Besonderes machen?«

Ich will gar nicht in die Kirche gehen, dachte ich. Meine Beziehung zur Kirche war mir in letzter Zeit vorgekommen wie eine Art geistiger Wettstreit, da ich mich bemühte, Wicca in mein Leben zu integrieren. Nach dem, was in der vergangenen Nacht passiert war, war mir die Vorstellung, an einer katholischen Messe teilzunehmen und anschließend mit meiner Familie zu Mittag zu essen, unerträglich. »Ähm, wäre es auch okay, wenn ich heute mal richtig ausschlafe?«, fragte ich. »Ich fühle mich ein bisschen angeschlagen. Geht doch ohne mich in die Kirche und zum Mittagessen.«

Moms Lippen wurden ganz dünn, doch einen Augenblick später nickte sie. »Gut«, sagte sie, »wenn du es so willst.« Sie stand auf. »Sollen wir dir was zu essen mitbringen?«

Der Gedanke an Essen war mir zuwider. »Ach, nein danke«, sagte ich bemüht beiläufig. »Ich such mir im Kühlschrank was. Aber danke.«

»Okay«, sagte Mom und fasste noch einmal an meine Stirn. »Heute Abend kommen Eileen und Paula vorbei und dann gibt’s Abendessen und Kuchen und Geschenke. Klingt das gut?«

»Toll«, antwortete ich und Mom schloss die Tür hinter sich. Ich sank zurück ins Kissen. Ich kam mir vor, als hätte ich eine gespaltene Persönlichkeit. Auf der einen Seite war ich Morgan Rowlands– gute Tochter, Einserschülerin, Mathe-Ass und folgsame Katholikin. Auf der anderen Seite war ich eine Hexe, durch Vererbung sowie durch Neigung.

Ich reckte mich und spürte den Schmerz in meinen Muskeln. Die Ereignisse der vergangenen Nacht schwebten über mir wie eine Gewitterwolke. Was hatte ich bloß getan? Wie war ich in so eine Situation geraten? Wenn ich nur mit Gewissheit wüsste, ob Hunter wirklich tot war…

Ich wartete, bis ich hörte, wie die Haustür hinter meiner Familie ins Schloss fiel. Dann stand ich auf und zog mich an. Ich wusste, was ich als Nächstes zu tun hatte.

Ich lenkte Das Boot in die Nebenstraße, die hinter Cals Haus vorbeiführte, und parkte dort. Dann ging ich mit knirschenden Schritten durch den Schnee zum Rand der Klippe, wo ich mich vorsichtig auf den Bauch legte und nach unten spähte. Wenn du Hunters Leiche entdeckst, musst du runterklettern, ermahnte ich mich. Wenn er lebte, musste ich Hilfe holen. Wenn er tot war… Ich war mir nicht sicher, was ich dann tun würde.

Später würde ich zu Cals Haus gehen und sehen, wie er sich fühlte, doch das hier ging vor– ich musste Hunter suchen. Hatte Sky meine Nachricht erhalten? Hatte mein Notruf etwas gebracht?

Der Boden hier war aufgewühlt und dreckig, die Spuren des entsetzlichen Kampfes zwischen Hunter und Cal. Es war schrecklich, daran zu denken und mich daran zu erinnern, wie hilflos ich unter Cals Fesselspruch gewesen war. Warum hatte er mir das angetan?

Ich reckte mich noch weiter vor, um über einen Felsvorsprung sehen zu können. Unter mir schwappte der kalte Hudson, sauber und tödlich. Scharfe Felsen ragten aus dem Flussbett auf. Wenn Hunter auf so einen gestürzt war, wenn er eine Weile im Wasser getrieben war, dann war er jetzt bestimmt tot. Bei dem Gedanken schnürte sich mir wieder der Magen zusammen. Vor meinem geistigen Auge sah ich Hunter mit großen überraschten Augen in Zeitlupe die Klippe hinunterstürzen, sein Hals mit Blut überströmt…

»Suchst du was?«

Schnell drehte ich mich um und krabbelte auf die Füße, als ich die Stimme mit dem englischen Akzent erkannte. Sky.

Sie stand gut vier Meter von mir entfernt, die Hände in den Taschen. Ihr blasses Gesicht, ihr weißblondes Haar und ihre schwarzen Augen waren wie in das schmerzliche Blau des Himmels geätzt.

»Was machst du hier?«, fragte ich.

»Dasselbe wollte ich dich gerade fragen«, sagte sie und trat näher. Sie war größer als ich und genauso schlank. Ihre schwarze Lederjacke sah aus, als wäre sie zu dünn für dieses Wetter.

Ich sagte nichts und sie fuhr mit messerscharfer Stimme fort: »Hunter ist heute Nacht nicht nach Hause gekommen. Ich habe hier seine Gegenwart gespürt. Doch jetzt spüre ich sie nicht mehr.«

Sie hat Hunter nicht gefunden. Hunter ist tot. OGöttin, dachte ich.

»Was ist hier passiert?«, fuhr sie fort, das Gesicht wie Stein in der kalten, fahlen Sonne. »Der Boden sieht aus wie gepflügt. Überall ist Blut.« Sie trat näher, zornig und mit Augen kalt wie Eis. »Sag mir, was du darüber weißt.«

»Ich weiß gar nichts«, sagte ich ein bisschen zu laut. Hunter ist tot.

»Du lügst. Du bist eine verlogene Woodbane, genau wie Cal und Selene«, sagte Sky verbittert und spuckte die Worte aus, als würde sie eigentlich sagen: Du bist der letzte Dreck, du bist der reinste Abschaum.

Die Welt um mich herum verschob sich und wurde leicht unwirklich. Unter meinen Füßen war Schnee, am Fuß der Klippe war Wasser, hinter Sky standen Bäume, doch es war wie ein Bühnenbild.

»Cal und Selene sind keine Woodbanes«, sagte ich mit trockenem Mund.

Sky warf den Kopf in den Nacken. »Natürlich sind sie Woodbanes«, sagte sie. »Und du bist genau wie sie. Du schreckst vor nichts zurück, um deine Macht zu behalten.«

»Das ist nicht wahr«, fuhr ich sie an.

»Hunter war gestern Abend auf dem Weg zu Cal, in Ratsangelegenheiten. Er wollte Cal konfrontieren. Ich glaube, du warst auch dort, schließlich bist du Cals Schoßhündchen. Und jetzt erzähl mir, was passiert ist.« Ihre Stimme klirrte wie Stahl, sie tat mir richtig weh in den Ohren, und ihre starke Persönlichkeit setzte mir zu. Ich wollte alles ausspucken, was ich wusste. Plötzlich wurde mir bewusst, dass sie mich gerade mit einem magischen Spruch belegte. Zorn wallte in mir auf. Wie konnte sie es wagen?

Ich richtete mich auf und verschloss bewusst meinen Geist.

Skys Augen flackerten. »Du weißt nicht, was du tust«, sagte sie und ihre Worte nagten an mir. »Das macht dich gefährlich. Ich werde dich im Auge behalten. Genau wie der Rat.«

Sie wirbelte herum und verschwand im Wald, und der Wind spielte mit ihrem kurzen, goldblonden Haar.

Nachdem sie fort war, war es still im Wald. Keine Vögel zwitscherten, kein Laub raschelte, der Wind selbst erstarb. Nach einigen Minuten ging ich zurück zu Das Boot und fuhr zu Cals Haus. Hunters Wagen war nicht mehr da. Ich stieg die Stufen zur Haustür hinauf und läutete. Eine neue Welle der Angst überkam mich, als ich überlegte, was mich wohl erwartete und wie es Cal ergangen war.

Selene öffnete mir die Tür. Sie trug eine Schürze und ein leiser Hauch von Kräutern umwehte sie. In ihren goldenen Augen lagen Wärme und Besorgnis, als sie die Arme ausstreckte und mich umarmte. Sie hatte mich noch nie umarmt, und ich schloss die Augen und gab mich dem wunderbar tröstlichen Gefühl der Erleichterung hin, das sie mir bot.

Dann löste Selene sich und sah mich mit ernstem Blick an. »Ich habe von letzter Nacht gehört. Morgan, du hast meinem Sohn das Leben gerettet«, sagte sie mit tiefer, melodiöser Stimme. »Danke.« Sie hakte sich bei mir unter, zog mich ins Haus und schloss die Tür vor dem Rest der Welt. Wir gingen den Flur hinunter und steuerten die große Küche an der Rückseite des Hauses an.

»Wie geht es Cal?«, fragte ich.

»Besser«, sagte sie. »Und das hat er dir zu verdanken. Als ich nach Hause gekommen bin und ihn im Wohnzimmer gefunden habe, konnte er mir nur in groben Zügen erzählen, was passiert ist. Ich habe einige Heilrituale mit ihm durchgeführt.«

»Ich wusste nicht, was ich tun sollte«, sagte ich hilflos. »Er ist eingeschlafen und ich musste heimfahren. Sein Auto steht bei uns zu Hause«, fügte ich hinzu und kam mir blöd dabei vor.

Selene nickte. »Das holen wir später ab«, sagte sie und ich zog den Schlüssel aus meiner Tasche und gab ihn ihr, als sie die Küchentür aufmachte.

Ich schnupperte in der Luft. »Was ist das?«