Das Buddelschiff - Volker Sturmat - E-Book

Das Buddelschiff E-Book

Volker Sturmat

0,0

Beschreibung

Ein verhaltensauffälliger Junge wird durch Magie auf der Reise mit einem Buddelschiff sich über sein Leben klar und ändert es. Er erlebt eine Reihe mystischer Abenteuer und lernt durch Magie. Am Ende war alles ein Traum - der ihn veränderte

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 170

Veröffentlichungsjahr: 2022

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Diese Phantasiegeschichte hat einen durchaus realen Hintergrund – natürlich ohne Zauber und Magie. Es fahren schon lange Segelschiffe mit psychologisch geschultem Personal mit verhaltensgestörten Jugendlichen zur See, um sie durch Tagesstrukturen wie Wache gehen, Teamwork und schwierigen Aufgaben an Verantwortung zu gewöhnen. So sollen sie wieder in die Gesellschaft integriert werden, um ihnen ein selbständiges Leben zu ermöglichen.

Ein Junge erlebt auf einer wundersamen Reise, mystisch die Veränderung seines Lebens

Das Eintauchen in eine Geschichte ist Magie

Kapitel 1:

Thilo geht an Bord des Schoners Merlin

Kapitel 2:

Fahrt zur Insel des Sprechenden Vogels mit heiligem Bim-Bam

Kapitel 3:

Fahrt zur Insel der Bananen-Affen und sehenden Felsen

Kapitel 4:

Über Bord gefallen – die sprechenden Delfine im Meer des Schicksals

Kapitel 5:

Fahrt durch das singende Meer-Sturm und Wellen

Kapitel 6:

Die Drei-Berge-Insel mit dem Berg der Wahrheit und der weisen Eule-Berg der Erkenntnis und dem Berg der Weisheit

Kapitel 7:

Rückfahrt durch das Meer der Weissagung und Thilo’s Veränderung

Kapitel 8:

Heimkehr

Kapitel 1

Ein strahlend blauer Himmel wölbte sich über das Lübecker Land. Die Sonnenglut ließ wabernd die Luft erzittern und selbst die Vögel verstummten in der Mittagshitze. In einem kleinen Ort an der Trave zeigte das Schellen in einer Schule das Ende des Vormittagsunterrichtes an. Die meisten Schüler rannten begeistert nach Hause, in der Vorfreude den Nachmittag mit Baden und Schwimmen zu verbringen. Nur Thilo und Jens schlenderten missmutig über den Schulhof. “Eh Alter, die Paukerin hat doch `ne Meise“, ließ sich Thilo vernehmen. „Das sowieso - aber wie meinst du das“? frug Jens. „Ach, die soll sich ihr scheiß Mathe sonst wo hinstecken. Ich habe keinen Bock darauf.“

Thilo war wütend. Er verstand den ganzen schulischen Mist nicht und hatte auch keinerlei Bock noch länger auf die Penne zu gehen. „Haste mal `ne Tüte“, frug er. Nöö - nur `ne aktive“, antwortete Jens. „Dann lass uns zu unserem Platz gehen“. Ihr Platz war ein Uferstreifen an der Trave-versteckt zwischen Schilf und Anpflanzungen. Gegenüber war eine große Werft, da schauten sie dann den Schiffbauern zu. Thilo wischte sich den Schweiß von der Stirne.

“ Was `ne Affenhitze. Ach ne, guck mal, wer da läuft. Unser Tschusch.“ Tschusch war ein diskriminierendes Schimpfwort gegen Ausländer und kam aus Österreich. Thilo hatte es einmal von Touristen aus diesem Land aufgeschnappt und verwendete es seit dem, da es kaum einer kannte und er sich dabei cool vorkam. Dabei wusste er ganz genau, dass diskriminierende Ausdrücke gegen Ausländer verboten sind. Tschusch war ein Junge, der mit seinen Eltern aus Südafrika hier her- gezogen war und John hieß. Genau gesagt: John Waikinga. „Jens, den schnappen wir uns. Der hat bestimmt Kohle. Die Alten haben doch auch genug. Dann können wir uns `ne Tüte holen.“ Die beiden kifften regelmäßig und das ging ins Geld. John hatte die beiden schon entdeckt und begann zu laufen. Zu oft schon hatten sie ihn geärgert. „Hi Tschusch,“ riefen sie ihn manchmal, “ bleib stehen. Wir putzen dir deine Schuhcreme ab. Dann wirst weiß und siehst wie ein Mensch aus“. So und ähnlich moppten sie ihn ständig. Thilo und Jens liefen jetzt auch schneller, um John einzuholen. In einer kleinen Seitenstraße, die von Büschen und Bäumen umgeben fast nicht einsehbar war, schnappten sie ihn. „Her mit dem Cash“, schnauzte Thilo ihn an. John war den Tränen nahe. „Ich habe nichts,“ stammelte er. „Das müsst ihr mir glauben.“ Thilo und Jens waren weit davon entfernt, ihm irgendetwas zu glauben.

„Los - mach deine Taschen leer und wehe wir finden nicht einen Cent. Dann schrubben wir dir die Haut ab“. John brach in Tränen aus und leerte seine Taschen. Die beiden Rabauken sahen sich an. „Ja denn - dann wollen wir dich mal reinigen“, riefen sie feixend. Doch bevor sie eine Hand an ihn legen konnten, stand plötzlich ein riesiger Mann vor ihnen und schaute sie aus scharfen Augen an. Er war schwarz wie John und sein Vater. „Na, ihr Helden, dann will ich euch mal reinigen-nämlich eure verkorksten Seelen. Bleibt schön stehen“.

Doch Thilo und Jens dachten nicht daran, stehen zu bleiben. Sie nahmen die Beine in die Hand und liefen mit einem Tempo los, das jeder Sprinter blass vor Neid geworden wäre. Schwitzend und keuchend kamen sie an ihrem Platz an. „Scheiße, sagte Thilo, wo kam der denn so plötzlich her. So ein Mist. Das war wohl nichts mit einer schönen Tüte im Sonnenschein“. „Jou“, antwortete Jens, „Diese Ausländer sind doch überall. Was macht denn dieser Tschusch-Vater hier?“ „Der arbeitet in der Landes-Regierung“, wusste Thilo. „Musste dir mal vorstellen, wir werden von Tschusch‘s regiert. Was ist das für ein Deutschland. Alles Scheiße.“ Die beiden saßen schweigend und ihre Zigarette rauchend da und starrten auf die Werft gegenüber am Ufer der Trave. Die Niethämmer und Hauer-Kolonnen drangen mit ihrem Lärm zu ihnen herüber. Auf der Helling lag ein großer Neubau und an der Ausrüstungspier ein fast fertiges Schiff. Es wartete nur noch auf den Rest der Fertigstellung, um dann auf große Fahrt zu gehen. Und die Möwen kreischten, als wenn sie die beiden Jungs verspotten wollten. „Scheiß Emmas“, rief Thilo, „mal sehen, ob ich euch treffe.“ Er hob Steine auf und versuchte die Möwen damit ab zu schießen. Doch die kreischten nur noch lauter und spotteten über seine Anstrengungen. Endlich brach Jens das Schweigen. „Sag mal, was macht eigentlich dein Alter?“ frug er.“ Och“, antwortete Thilo, meiner blieb auf See als ich 5 Jahre war. Nun leb ich mit meiner Mutter zusammen. Die arbeitet übrigens dort drüben auf der Werft. In der Werft-Kantine. Und hat nie Kohle für mich“. „So ein Mist“, antwortete Jens, „ist bei mir auch nicht besser. Ich kenne meinen Alten auch nicht. Als ich drei war, hatte er einen Autounfall und war weg vom Fenster. Und meine Mutter arbeitet auch dort drüben in der Werft-Kantine. Da haben wir wieder was gemeinsam“. Die beiden guckten sich an und lachten.

„Weißt du was“, ließ sich Thilo vernehmen, ich hätte Bock mal wieder `ne Karre auf zu machen und dann ab und `ne Spritztour. Was hältst du davon?“ „Alter-das wäre ja oberaffengeil. Ab und an den Strand. Aber wo kriegen wir die Karre her“? „Ach, lass uns mal gucken, was hier so rumsteht. Sind viele Touristen-Karren dabei. Die Fahrer dösen jetzt in der Sonne und wenn sie wach werden, ist die Kutsche abgefahren“. Die beiden lachten wieder und machten sich auf den Weg. Und tatsächlich-an einem schönen Uferstreifen mit Sandstrand standen Autos, deren Besitzer in der Sonne dösten. Thilo nahm sich eine VW-Golf vor und knackte ihn gekonnt auf. „Los-rein ins Vergnügen. Steig ein, wir starten“. Thilo setzte sich ans Steuer und hatte Ruck-Zuck den Wagen kurzgeschlossen. Der Motor brummte auf und Thilo lenkte geschickt aus der Strandbucht hinaus. Sie düsten über die Bundesstraße Richtung Ostsee. Bald lagen vor ihnen die Dünen und Thilo suchte nach einer Durchfahrt. „Hier kannste rein“, rief aufgeregt Jens. „Jou-da fahren wir rein und dann ab ins Wasser“. Thilo steuerte auf den Strand und ließ den Wagen im weichen Sand schleudern. Doch plötzlich standen sie. Die Räder drehten durch - nichts ging mehr. „Scheiße“, rief Jens, „was machen wir jetzt?“ „Och-wir gehen erst mal baden und lassen die Karre hier stehen.“ „Und dann müssen wir zu Fuß nach Hause“, stellte Jens fest. „Wir machen einen auf Anhalter“, ließ sich Thilo vernehmen. „Wird schon klappen.“ Gesagt-getan-die beiden sprangen ins Wasser und tauchten in die rauschende Brandung. Bei der Gluthitze eine Wohltat und genossen den Tag.

Doch inzwischen hatten andere Strandbesucher das festgefahrene Auto inspiziert und konnten nicht so recht schlau draus werden. „Am besten die Polizei rufen“, meinte einer. „Hier stimmt was nicht“. Das sahen andere auch so und es dauerte nicht lange, da erschien auch ein Streifenwagen. Die Beamten besahen sich den Fall und machten eine Halterabfrage. „Oh ha“, sagte ein Polizist, „der ist als gestohlen gemeldet worden“. Thilo und Jens hatten dieses Schauspiel längst mit verfolgt und kamen zu dem weisen Entschluss, diese Szene schnellstens zu verlassen. „Na - dann wollen wir mal winke-winke machen,“ rief Thilo und wischte sich den neuen Schweiß von der Stirn. Beide standen bald darauf am Straßenrand und winkten unermüdlich und ohne Erfolg. Niemand hielt an-niemand wollte die verschwitzten Jungen in sein Auto lassen. „Verdammter Mist“, maulte Jens. „Das haben wir von deiner tollen Idee. Weiß du, wann wir zu Hause ankommen? Ganz toll. Kein Drink-keine Fluppe-keine Tüte und laufen-laufen-laufen. Haste toll hingekriegt“. „Mensch halt doch dein Maul. Kannst ja hierbleiben, wenn de keine Lust zum Laufen hast.“ Beide setzten schweigend ihren Marsch fort. Wie viele Stunden sie unterwegs waren, konnten sie hinterher beide nicht mehr sagen-nur das sie fertig waren und mit schmerzenden Beinen und Blasen an den Füssen zu Hause ankamen.

Thilo‘s Mutter empfing ihren Sohn schon ganz aufgeregt: „Thilo-wo in aller Welt warst du? Und was hast du wieder angestellt? Herr Waikinga war da und hat mir erzählt, was ihr mit dem kleinen John gemacht habt. Übrigens hat er dir ein Buddelschiff mitgebracht und gesagt, das wäre aus seiner Heimat und du sollst es dir ansehen, wenn es dir nicht gut geht. Er meinte du würdest mit diesem Schiff deine dummen Streiche vergessen können und in Zukunft auch keine mehr begehen. Ist das nicht nett von ihm? Er möchte, dass du ein anderer Mensch wirst. Aber sag mal, schämst du dich überhaupt nicht? Ich reiße mich für dich auf und du machst nur Scheiße“. „Ach ja -und du hörst auf diese Ausländer, die unser Land kaputt machen.“ „Thilo - jetzt reicht`s. Du hast jetzt eine Woche Stubenarrest und kannst mal über dein Verhalten nachdenken.“ Thilo sah seine Mutter an, holte aus und schlug ihr ins Gesicht. „Du hast mir gar nichts mehr zu sagen, du alte Hexe. Du hast noch nicht mal Kohle für mich.“ Er drehte sich um und ging in sein Zimmer. Seine Mutter blieb starr vor Entsetzen zurück und leise rollten ihr die Tränen die Wangen hinunter.

Thilo saß unterdessen in seinem Zimmer und starrte auf das Buddelschiff des Herrn Waikinga. Was hatte der gesagt? Es würde ihm gut gehen, wenn er es ansah? Das wollte er dann auch mal ausprobieren und besah es sich genau. Eine seltsame Faszination ging von ihm aus. Er bestaunte die schlanke Form des Schoners-den glänzend weißen Rumpf, nur unterbrochen von der grün abgesetzten Wasserlinie-die braunen Holzmasten, an denen die weißen Segel hingen. Oben endeten sie an einer ebenso braunen Holzgaffel. Thilo meinte auch Menschen auf diesem Schiff zu erkennen und starrte noch angestrengter darauf. Und plötzlich wurde ihm ganz schwummerig. Was war los mit ihm? Waren seine Augen überanstrengt oder war er übermüdet? Das Schiff vor ihm wurde größer und größer. „Alter“, sagte er zu sich selber, “was ist hier los? Hast doch gar keine Drogen intus.“ Er wehrte sich gegen das Gefühl einer Halluzination-aber vergeblich. Das Schiff saugte ihn unbarmherzig auf. Plötzlich fand Thilo sich an Deck des Schoners wieder. Hart auf der Seite liegend hob und senkte es sich im Rhythmus der Wogen. Der Wind pfiff ein Lied zwischen den Masten- Stagen und Pardunen. Das Meer rauschte eine Jahrtausende alte Melodie. Thilo staunte und konnte sich in dem Geschaukel kaum halten. Er klammerte sich an der Nagelbank fest. Sein Blick schweifte umher. Über ihm blähten sich die Segel im Wind-Fallen und Tauwerk klapperten im Takt - und dann wurde sein Blick starr. Potz-Blitz, fuhr es ihm durch den Kopf. Das gibt es doch nicht. Achtern am Ruder stand Herr Waikinga und um ihm herum waren lauter schwarze Seeleute.

Kapitel 2

„Herr Waikinga“, brüllte Thilo, „was mache ich hier zwischen den ganzen Tschsch‘s?“ Thilo hatte das Wort noch nicht ganz ausgesprochen, da holte der Schoner über und eine Welle klatschte über das Schanzkleid und ihm mitten ins Gesicht. Alle Seeleute um ihm herum lachten. „Thilo,“ ließ sich Kapitän Waikinga vernehmen, „solche Ausdrücke mögen weder die Seeleute noch die See. Glaube nur nicht, dass wir dieses Wort für Menschen aus anderen Ländern nicht kennen. Ich rate dir gut in Zukunft respektvoller mit uns zu reden. Zu deiner Frage: du bist hier um zu lernen. Du wirst lernen ein anderer Mensch zu werden.“ Thilo drehte sich trotzig um und wieder krampfte sich sein Magen zusammen. Vor ihm stand John. „Hi, sprach John, willkommen an Bord. Ich bin der Bootsmann“. „Was bist du?“ lachte Thilo, „ein schwarzer Tschusch will hier befehlen? Ich lach mich tot.“ Erneut holte das Schiff über und eine noch gewaltigere Sturzsee ergoss sich über das Deck. Thilo stand bis zum Hals im Wasser und japste nach Luft. Das Wasser floss ab und eine Lachsalve schlug an sein Ohr. „Ja Thilo-wer nicht hören will muss fühlen. Ich habe dich gewarnt,“ rief Kapitän Waiginga. „Hier gibt es keine Tschusch’s, -hier gibt es nur eine Rassenämlich die Rasse Mensch. Es gibt gelbe Völker-es gibt rote Völker-es gibt weiße Völker und es gibt schwarze Völker. Und alle entsprangen einmal dem schwarzen Volk. Auch deine Ur-Vorfahren kamen einmal aus Afrika, Thilo.“ „Ja“, rief John, „und wenn du das nicht glauben willst, dann sei vorsichtig mit dem, was du sagst. Weißt du warum unser Schiff Merlin heißt? Benannt nach dem alten bekannten Zauberer? Er beschützt uns und wird dich bestrafen, wenn du nicht einsichtig wirst“. „Ja“, ergänzte Kapitän Waikinga, „und auch unserer uralter afrikanischer Gott Ng’ai, der allwissend und gütig ist, hält seine schützende Hand über uns.“ „Ha-ha“, lachte Thilo,“ selten so ein- en Quatsch gehört. Mein Vater war auch kein Tschusch und ich werde niemals einer sein. Du redest Mist“. Thilo war mit seiner Rede kaum am Ende, da weiteten sich seine Augen vor Entsetzen. Der Wind schlief plötzlich ein, das Schiff verlor an Fahrt. Es hob und senkte sich nur noch im Fluss der rollenden Wogen.

Doch plötzlich-plötzlich-Thilo wurde blass, alles Blut wich aus seinem Gesicht, erhob sich neben ihm eine Wassersäule. Sie wuchs und wuchs-begann Gestalt an zu nehmen, bekam einen runden Kopf, der auf einem langen Hals saß und hatte kugelrunde Augen. Die Nase fehlte, doch ein riesiger Mund, aus dem eine lange Zunge aus Gischt und Schaum trat, vermischt mit schleimigem Seetang und Seegras, drehte sich ihm zu. Thilo bekam weiche Knie. Er wusste nicht mehr, was um ihn herum geschah. Die unheimliche Wassergestalt ließ ihre Zunge weit ausholend kreisen und mit einem Schwung klatsche sie ihm Wasser und Schaum rechts und links um die Ohren. Thilo kreischte vor Entsetzen auf und hatte im gleichen Moment auch noch den Mund voll von diesem schleimigen Gemisch. Er würgte und spuckte, die Ohren brannten ihm wie Feuer. Doch plötzlich war der Spuk so schnell, wie er gekommen, auch wieder verschwunden. Es rauschte noch einmal kurz und kräftig auf, dann war alles wieder so wie vorher. Das Schiff legte sich auf die Seite, der Wind pfiff in den Masten und die Seeleute standen um ihn herum und starrten ihn an. „Na Thilo“, rief John, „glaubst du es jetzt, dass wir ein Zauberschiff sind? Das war Aqui, der Wächter des Meeres der Erziehung, durch das wir jetzt fahren. Der Käpten hat dich gewarnt, dieses Meer mag solche Sprüche nicht, wie du sie hier von dir gibst.“ „Ach ihr könnt mich mal, ächzte Thilo, macht doch was ihr wollt“.

„John“, rief Kapitän Waikinga, „bringe Thilo unter Deck und zeige ihm seine Koje. Danach kann er sich fertig machen zur Seewache.“ „O.K.“ Papa. Thilo, komm jetzt mit. Ich zeige dir alles unter Deck.“ Thilo stakste auf dem schräg liegenden und schaukelnden Deck hinter John her, wie ein begossener Pudel. Durch ein geräumiges Schott traten sie in einen durchgehenden Mittelgang, der auf der anderen Seite auch wieder auf das Deck hinaus führte. Sie kamen an einen breiten Niedergang, der rechts und links Handläufer hatte. Daran konnte sich Thilo krampfhaft festhalten, denn seine schwankende Umgebung war für ihn ungewohnt und nicht leicht zu begehen. Die Seitenwände bestanden aus edlem Mahagoni-Holz und ein Geruch von Teer-Tauwerk- Salzluft und eben diesem Holz um waberte ihn warm und unbekannt und Ekel erregend. Er torkelte- sich um Halt bemühend- hinter John her und sie gelangten in ein geräumiges Deck mit hölzernen Planken. Es war ausgestattet mit Tischen und Bänken, mit an den Seiten angeordneten Schränken, Kojen und Hängematten für die Nacht. Durch die Bullaugen fiel Sonnenlicht ein und erhellte die Umgebung. Thilo setzte sich. „So,“ begann John, „du bist in meiner Wache und wenn du dich hier eingerichtet hast, kannst du dich fertig machen für die Seewache.“ „Nee,“ antwortete Thilo, “das mach mal schön alleine und ohne mich.“ „Wie du willst. Aber ohne Arbeit oder Wache gehen gibt es auch kein Essen. Lass dir das gleich gesagt sein,“ antwortete John. Thilo, bleich im Gesicht, grunzte nur: „Essen? Hast du von Essen geredet?“ Er stürmte den Niedergang hinauf an Deck und rannte an die Reling. „Geh nach Lee,“ versuchte John ihm noch zu zurufen. Doch es war zu spät. Thilo riss die Arme in die Luft, röhrte wie ein Hirsch und entleerte seinen Mageninhalt-gekonnt gegen den Wind. Im gleichen Moment spürte er den Fehler, nicht nach Lee gegangen zu sein. Alles schlug zurück in sein Gesicht. Er sah aus wie mit Pusteln übersäht. John verkniff sich ein Grinsen und sagte tröstend:“ so eine Seekrankheit ist nach drei Tagen vorüber. Bis dahin musst du da durch, am besten mit Arbeit. Bist du jetzt bereit für deine Seewache?“ „Wenn es sein muss,“ brummte Thilo, „mache ich es halt.“ Sprachs und flitze rüber auf die Leeseite um noch mal über die Reling zu röhren.

Der Schoner lag gut am Wind und preschte Lage schiebend, rauf und runter springend wie ein Rennpferd, durch die rauschenden Wogen. Die hölzernen Verbände knarrten-Blöcke quietschten-Fallen schlugen und der Wind sang in der Takelage ein uraltes Lied von Ferne und Freiheit. Thilo befand sich mit der Seewache-die im Moment nicht viel zu tun hatte, an Deck. „Ich mit Tschusch’s aus Afrika zusammen, „dachte er bei sich. „Das müsste Jens sehen.“ Laut sprach er es aber nicht aus-in Erinnerung an seine Erlebnisse mit diesen Sprüchen. Die Tage vergingen, mal grau und stürmisch, die Wellen türmten sich und rollten wie weiß geifernde Ungeheuer an ihnen vorbei und ließen den Schoner wie eine Alpengemse Wellenberge hinauf und hinunter klettern. Dann kamen Tage mit blauem Himmel und sanft rollenden Wogen, in denen der Schoner wie eine Wiege sanft geschaukelt wurde. Thilo hatte, wie von John vorhergesagt, seine Seekrankheit nach drei Tagen überwunden. Er arbeitete jetzt sogar mit, zog an den Schoten, bediente die Fallen und Segel, schrubbte das Deck und aß mit den anderen gemeinsam am Tisch. Allmählich fand er sogar Gefallen an der Arbeit auf dem Schiff. Seine innere Einstellung zu den Tschusch‘s, wie er die schwarzen Seeleute insgeheim immer noch nannte, wurde immer zwiespältiger. Im Grunde fand er sie gar nicht mal so verkehrt und eigentlich auch nicht anders, als er es war oder andere weiße Menschen. Aber so recht Eingestehen wollte er es sich noch nicht.

Und dann kam der Tag, an dem Kapitän Waikinga den Befehl gab:“ Klar zur Wende. Wir nehmen Kurs auf die Insel des sprechenden Vogels.“ Alle Seeleute stürmten an die Schoten. Langsam drehte der Schoner sich im Wind, bis der Ruf kam:“ über die Schoten. Setzt die Fallen durch.“ Das Schiff legte sich jetzt auf die andere Seite und nachdem die Seeleute alles ausgetrimmt hatten, nahm es wieder Fahrt auf. Thilo begann zu grübeln: Insel des sprechenden Vogels? Was ist denn das nun wieder? Ist das wieder so ein Zauberkunststück von den angeblichen Göttern hier? Thilo kam zu keinem Ergebnis und wen er auch frug, er bekam immer nur die gleiche Antwort. „Warte es ab. Du wirst es schon erleben. Nur keine Ungeduld“. Das Wetter wurde immer besser, die Luft immer wärmer und Thilo schwitzte schon, wenn er nur an Deck kam. „Hör mal, Thilo,“ riet ihm John, „bei den Temperaturen kannst du auch an Deck schlafen. Die Nächte sind hier angenehmer, als in der stickigen Luft unten.“ Thilo sah ihn schweigend an. Ist eigentlich kein übles Kerlchen, dachte er bei sich. Warum haben wir den eigentlich immer ärgern müssen? Er