Das Comeback der DDR - Gerd Glaser - E-Book

Das Comeback der DDR E-Book

Gerd Glaser

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Beschreibung

Gerd Glaser, seines Zeichens altgedienter Journalist und auf der Suche nach grundlegender beruflicher Veränderung, macht den kalten Sprung von West nach Ost, konkret nach Brandenburg. Dort passieren erstaunliche Dinge sowohl in der Redaktion als auch im Rahmen des politischen Geschehens. Wessi-Neid, Ossi-Arbeitsmoral und Medaillenwut offenbaren die immer noch währende Mentalität der DDR. Glaser eckt an, deckt auf und staunt. Was soll er tun? Zurück nach München? Oder bleiben, wundern und so weiterarbeiten? Er entscheidet sich fürs Bleiben. Die Themen Rechtsruck, Migration und nicht zuletzt der Ukraine-Krieg bestimmen den journalistischen Alltag, wo der Autor auch hier seine Beobachtungen macht und seine eigenen Schlüsse zieht.

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Seitenzahl: 140

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2025 novum publishing gmbh

Rathausgasse 73, A-7311 Neckenmarkt

[email protected]

ISBN Printausgabe: 978-3-7116-0253-4

ISBN e-book: 978-3-7116-0254-1

Lektorat: Mag. Angelika Mählich

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

Innenabbildungen: Michael Bergemann, SPD Brandenburg

www.novumverlag.com

Vorbemerkung

Jetzt brechen sie alle wieder in Jubelstürme aus, singen das Hohelied auf die deutsche Wiedervereinigung, überall Grußreden, loben den Zusammenhalt der beiden deutschen Staaten und sehen im Zusammenwachsen die Chance für ein dynamisches Deutschland der Zukunft: 30 Jahre nach der Wende wird eine Einheit Deutschland gefeiert, die es in der Realität nur in den Träumen und Phrasen irgendwelcher bestellter Festredner gibt. Die Wirklichkeit sieht völlig anders aus. Wir erleben ein zerrissenes Volk und viele Menschen in Ost und West, die nach wie vor eine Mauer im Kopf haben. Das Empfinden der Menschen unterscheidet sich bei der Mehrheit sehr deutlich und spiegelt sich letztlich auch in den sehr stark differierenden Wahlergebnissen in Ost und West nieder. 30 Jahre Einheit haben die beiden Deutschlands kaum nähergebracht, warum das so ist und wieso sich das kaum verändert hat, versucht der Autor aufgrund eigener Erlebnisse auf manchmal überzeichnende, ironische Weise aufzuzeigen, immer nah am Menschen erzählt. Fernab aller Statistiken, Einkommensstrukturen und tabellarischer Bilanzen sowie Rentenniveauentwicklung zeigt das vorliegende Buch: Die DDR ist niemals untergegangen.

1.

Die Ankunft in Brandenburg und Jobbeginn als Chefredakteur

Es war ein neblig trüber Oktobertag im Jahr 2010, mit dem Regionalzug fahre ich in Brandenburg an der Havel in den Hauptbahnhof ein. Der Grund meiner Ostreise, ich, der Wahl-Münchner, soll mich als Bewerber für den Chefredakteursposten des privaten brandenburgischen Lokal- und Regionalsenders SKB vorstellen. Auf was habe ich mich da nur eingelassen, durchzuckte es mich, als ich den maroden Bahnhof in Brandenburg erblickte und die verfallene Bahnhofsgegend sah. So was kann man doch niemandem zumuten, außer vielleicht irgendwelchen Regisseuren, die auf der Suche nach verfallenem Gemäuer eine Neuauflage von Stalingrad drehen wollen. Das war mein erster Gedanke: eine andere Welt, und das, obwohl die Einheit doch schon vor 20 Jahren verkündet wurde. Mit dem Taxi ging’s in eine Pension, direkt an der Havel, schöne Natur, die hatte ich vorher schon pflichtbewusst im Internet ausgewählt: eine hochinteressante Stadt, war mein Eindruck, aber die schönsten Hauser im Zentrum verfaulten vor sich hin, umgeben von herrlich aufgehübschten Bürgerhäusern. Warum aber, wird der geneigte Leser fragen, hat es mich überhaupt in diese brandenburgische Provinz verschlagen? Nun dafür gab es eigentlich zwei Gründe. Erstens war ich auf Jobsuche und zweitens hatte mich Ostdeutschland und das SED-Regime schon immer fasziniert. Sollte ich hier vielleicht noch jemanden finden, der bei der Stasi war, nicht auszudenken, so was noch zu erleben, die Suche nach noch lebenden Gestapo-Männern in München wäre wohl zwecklos gewesen, bestand aber hier noch die Hoffnung, lebendigen Exemplaren einer Spezies von deutschen Übeltätern plötzlich gegenüberzustehen. Wie würde ich reagieren, als ein Journalist, der bisher höchstens bei der Wehrmachtsausstellung in München oder im Museum diktaturgläubige Mithelfer erlebt habe.

Nein, solch ein Staat, so ein System war nichts für mich. Klar, auch wir mussten in Schule und Uni manche Meinung nachsingen, um weiter im Karrierespiel zu bleiben, aber Knast, Studienverbote und dergleichen gab es natürlich nicht. Und Reisebeschränkungen undenkbar für meine Generation: Es ging an einem nicht vorüber, dass Biermann, Bahro, Havemann für ihre Meinung drangsaliert wurden, man las es, aber wichtiger waren die eigenen Karriereziele. Anpassung würde ich es nicht nennen, wenn es immer ein wenig nach oben ging. Der Ehrgeiz war einfach da, Hürde für Hürde zu nehmen, auch wenn es steinig war. Zeit zum Verweilen gab es nicht, immer höher, immer weiter, DSF, ProSieben, Welt der Wunder und dann mit 50 im Karriereloch: plötzlich raus aus den materiellen Freuden des Westens, kein glamouröser Journalistenjob mehr, so ein Fall ist tief, Freunde rufen dich nicht mehr an, waren das überhaupt Freunde und Helfer in der Not: Fehlanzeige. Da fragt man sich, wie soll es weitergehen, was willst du eigentlich noch im Leben. Als Journalist was Neues entdecken oder was Altes, etwas in die Geschichte der DDR eintauchen, die Menschen dort kennenlernen, das war nochmal was, und dann las ich diese Anzeige: Redaktionsleiter im Osten gesucht und war wieder motiviert. Das konnte es sein, den anderen Teil Deutschlands studieren, was ist da anders gelaufen, wie denken die Menschen dort? Das packte mich und ich wollte den Job, so wie ich früher unbedingt als Reporter zu einer großen Fernsehanstalt wollte und es auch geschafft habe. So stehe ich nun in Brandenburg und laufe zitternd nach einer in der Pension verbrachten Nacht durch die Stadt. Was erwartet mich nun, kann ich überhaupt punkten, wenn ich mich vorstelle, lautete die bange Frage. Ein Assessment sollte ich über mich ergehen lassen. Neumodisch sind sie auch schon, wenn sie so ein Verfahren für die Auswahl der Bewerber wählen, waren die Gedanken, die mir durch den Kopf schossen. Mein Zustand war genauso holprig wie das Kopfsteinpflaster, über das ich ging. Jetzt bloß nicht angeben, was für ein toller Hecht du bisher warst, war meine Überlegung. Wollen die überhaupt einen Wessi, und haben die nicht schon längst einen anderen Kandidaten im Visier, waren meine Befürchtungen. Was ich wusste, war, dass der Chef des Unternehmens ein hochdekorierter Ingenieur in der DDR war, der neben dem Fernsehsender noch ein Traditionsunternehmen aus der ehemaligen DDR führte. Das beruhigte. Beim Gespräch zeigte sich, dass sich der Unternehmer sehr wohl mit der deutschen Medienlandschaft auskannte, aber selbst auch enttäuscht von der Entwicklung der Medien nach der Wende war. Eine hochkompetente Persönlichkeit, die es mir aber leicht machte: Er wollte frischen Wind in die Landschaft bringen und das Alte hinter sich lassen. Das gefiel mir. Wir entdeckten Gemeinsamkeiten im Laufe des Gesprächs und so musste ich nicht lange warten, bis ich von ihm grünes Licht für mein Abenteuer Ostdeutschland bekam.

Wenn jemand im Westen aufgewachsen ist und zur Schule gegangen ist, hörte man ja immer nur eines: Du musst was werden, du musst besser sein als die anderen und dich in der Welt des freien Marktes durchsetzen. Dann hast du alle Chancen und findest auch einen tollen Job: Nun ja, das wird einem mit der Muttermilch eingeimpft und das setzt man dann auch um, wenn man Karriere machen will und was anstrebt: Mit 12 Jahren beschloss ich, Radiomoderator zu werden, grölte sonntags, wenn die Eltern wandern waren, im Wohnzimmer Moderatorentitan Dieter Thomas Heck nach und imitierte die Moderatoren von Radio Luxemburg mehr schlecht als recht. Meinen schwäbischen Akzent, was gebürtige Stuttgarter kaum hinkriegen, verlor ich dadurch und tatsächlich, es gelang: Schon während meines Studiums saß ich dann am Radiomikrofon professioneller Rundfunkanstalten. Die Botschaft hatte sich bei mir eingefressen, im Westen kann man alles erreichen. An die Menschen in der DDR dachte man zu dem Zeitpunkt kaum noch, wurde einem doch suggeriert, ob in Familie, Schule oder Beruf, die leisten nichts und die Menschen leiden dort unter Unfreiheit. Ein Beispiel krasser Art musste ich leider selbst erleben, als ich mit 17 Jahren auf einer Studienfahrt mit Aktion Sühnezeichen in polnische KZs im Bus von oberpflichtmässigen Grenzern gefilzt wurde. Es gab reiche Beute für die eifrigen Staatsschützer: Sie erwischten mich mit einer Ausgabe des Spiegel, der über Moskaus Rüstungswahnsinn eine Titelgeschichte verfasst hatte. Mehrere Stunden wurde ich festgehalten, der Bus durfte nicht weiterfahren. Nach Verhör und zeitweise Isolationshaft wurde ich kleingemacht von meinen Landsleuten aus dem Osten und belehrt. Bekehrt aber nicht. Sie brachten es fertig, mir einen zerfetzten Spiegel zurückzugeben, aus dem sie die in ihren Augen zersetzende Story über Moskaus Rüstungswahn herausgerissen hatten, plus weitere Artikel, die ihrer Meinung nach das System der DDR beschädigen würden. Ein Überbleibsel von Papierschnitzeln gaben sie mir zurück. Welch ein Hohn, damit war eigentlich mein Bedarf DDR erst einmal gedeckt.

Begeistert über mein Ossi-Abenteuer war in München niemand: Ehemalige Kollegen rieten mir sogar ab. Ich hörte Kommentare, wie, das würde ich nie machen, dahinzugehen, dann lieber noch mich als freier Journalist hier durchschlagen, wurde mir entgegengeschleudert.

Begeistern konnte ich mit meinem neuen Job niemanden. Sofort merkte ich, die Vorurteile gegen die Ostdeutschen waren allesamt noch da, und was mich regelrecht schockte: Keiner meiner Freunde, Bekannten und Kollegen wäre so flexibel gewesen, mal in den Osten zu ziehen und ein anderes Kapitel Deutschlands aufzuschlagen. Das waren doch auch Journalisten, wo blieb deren Neugier, ach ja, man hatte es sich ja bequem eingerichtet und betrachtete München als den Nabel der Welt. Manche gaben sogar damit an, wie viel Miete sie im Monat bezahlen mussten, damit jeder merkte, wie gut es ihnen ging. Meine Welt war das nicht mehr, manchmal tun ein paar Monate Arbeitslosigkeit auch ganz gut, dann denkt man neu über das Leben nach. Meine Frau war erst mal froh, dass ich wieder einen neuen Job hatte, und unterstützte meinen Transfer in den Osten, suchte die Wohnung, eilte dann aber sofort wieder nach München, wo nach Beendigung ihres Studiums ein gutbezahlter Job auf sie wartete. Nun war ich also angekommen in Brandenburg und wurde dann als neuer Leiter der Redaktion meinen Mitarbeitern vorgestellt. Die Begeisterung über den neuen Chef hielt sich in Grenzen, ja, ich spürte eher Ablehnung, in mir schlich sich sogar ein Gefühl hoch, ja, so empfand ich es, als würde hier ich tatsächlich nur stören. Formatierung, ja, eine ernstzunehmende Struktur kannte der Laden nicht, war seit 1996 am Senden, warum eigentlich? Den Grund erfasste ich dann schnell. Der Eigner des Unternehmens, der kluge Ingenieur, war mit der Oberbürgermeisterin verheiratet, beide CDU-Mitglieder und natürlich half es, wenn das Fernsehen immer wieder frische Bilder von ihr servierte, um ihren Bekanntheitsgrad zu steigern.

So wurde aus der ehemaligen Bauunternehmerin eine Oberbürgermeisterin, die Karriere machte und sich auch zu verkaufen wusste.

Aber was waren meine Gedanken? Erneut, wie so oft im Osten, wo bist du denn hier schon wieder hineingeraten? Gibt’s denn so was: Mein Chef besitzt einen Fernsehsender und seine Gattin ist Oberbürgermeisterin. Soll ich jetzt sofort wieder packen, ist meine journalistische Unabhängigkeit in Gefahr, all diese Fragen schossen mir natürlich durch den Kopf. Was sollte ich nur tun, erstmal abwarten und die Lage sondieren, dachte ich mir, und das Ganze näher anschauen.

Der Redaktion war ohnehin alles gleichgültig, die machten das, was man ihnen an Themen vorgab, setzten es mal nach Lust und Laune liebevoll um oder auch lieblos, wie sie gerade drauf waren. Impetus und Motivation: Fehlanzeige. Nur eine Kollegin, die moderierte und früher selbst die Redaktion führte, zeigte echtes journalistisches Interesse, doch die war inzwischen kaltgestellt.

Nicht ganz ohne Grund: Die nette, hübsche, junge Dame hatte eines Nachts mit einem guten Bekannten eine Horrorautofahrt in der Innenstadt hingelegt: das Resultat: Sie war mit dem Fahrzeug in eine In-Pizzeria reingefahren, diese wurde demoliert und die beiden hatten danach Fahrerflucht begangen. Klar, dass sie dadurch Stadtgespräch wurde, sie war die Ikone des Senders. Wie schon erwähnt, die anderen Kollegen, bis auf einen freien Sportreporter, interessierte es null, woher ich kam. Die hätten es auch regungslos akzeptiert, wenn ich aus Wladiwostok gekommen wäre, keiner bis auf die Dame mit der unglücklichen Autofahrt sprach mich auf meine bisherigen Erfahrungen an. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Wenn bei ProSieben ein neues Gesicht auftauchte, hatte der Flurfunk Hochkonjunktur und jeder wollte wissen, was der oder die vorher gemacht hat. Da wurde jedes Detail recherchiert, hier war’s anders, nun gut, ich selbst wunderte mich zwar, aber hatte ja auch anderes zu klären. Die Frage wurde für mich spannend: Kann ich hier noch unabhängig arbeiten oder bin ich nicht gleichzeitig Pressechef der Oberbürgermeisterin?

Doch es gelang ihr sogar gegen breiten Widerstand, das vergammelte und völlig heruntergekommene Bahnhofsviertel zu sanieren. Heute ist es ein würdiges Tor zur Stadt, ein völlig restaurierter Hauptbahnhof lädt die Gäste ein, ein modernes Gesundheitszentrum hübscht das ganze Bahnhofsgelände auf.

In der folgenden Stadtverordnetenversammlung war in der Tagesordnung eine persönliche Erklärung eines unabhängigen linken Angeordneten angemeldet.

Während der Sitzung sickerte durch, dass es dabei um meine Person gehen sollte, eigentlich verwunderlich, denn ich gehörte diesem ehrenwerten Hause doch gar nicht an. Es kam, wie es kommen sollte. Der schwergewichtige Stadtverordnete ging beim Punkt Öffentliche Erklärungen schwer schnaufend ans Rednerpult und fing an zu poltern.

Wie ich dazu kommen würde, diese ehrwürdige Versammlung und auch ihn so zu kritisieren, das ginge ja gar nicht, eine Medienschelte vom Allerfeinsten lieferte der werte Herr da ab.

Ich konnte nur noch BAUKLÖTZE STAUNEN, WAS HIER MÖGLICH IST: Keiner der anderen Stadtverordneten empörte sich oder stoppte seinen Redeschwall gegen die freie Presse. Doch dann lief er zur Hochform auf: Er sprach die Oberbürgermeisterin direkt an und forderte diese auf, ihren Einfluss geltend zu machen, damit ich entlassen werden kann. Wörtlich schwadronierte er ins Mikrophon: Sie, Frau Oberbürgermeisterin, haben doch gute Kontakte zum Chef dieses sogenannten Journalisten, sorgen Sie dafür, dass er rausgeworfen wird.

Es folgte keine Entrüstung für diese Idee in dieser Kammer, nein, man ging auseinander, als sei nichts gewesen. In der linksorientierten Tagespresse wurde dieser Vorfall übrigens mit keiner Zeile erwähnt.

Nach HAUSE, DAS war München für mich ja eigentlich immer noch, funkte ich diese Nummer natürlich sofort: Meine Frau bat mich, den Job sofort aufzugeben und zurückzukehren; ehemalige Kollegen meinten, wir haben es dir doch gleich gesagt, das ist ja der Wahnsinn, so was kann man doch nicht aushalten. Ein guter Freund, der auch Journalist ist, merkte an, das Ganze erinnere ihn an finstere Jahre, zu DDR-Zeiten wurde ja auch sofort den BRD-Korrespondenten in Ostberlin nach einem kritischen Bericht die Akkreditierung entzogen. Lothar Loewe lässt grüßen. Doch personelle Konsequenzen gab es für mich keine, stand ich doch unter dem Schutz des Medienpatriarchen, der sich

Ewiggestrigen mit einem sehr bekannten Medienanwalt in Position gebracht hatte.

Das war auch nötig und wurde in den folgenden Jahren noch wichtiger; denn das Linksbündnis ließ nicht locker. Besonders in den weiteren Stadtverordnetenversammlungen ging es weiter heiß her. Als ich wegen der unerträglichen Monologe bei einer Sitzung ein wenig einnickte, hatte ein sozialdemokratischer Stadtverordneter nichts Besseres zu tun, als diese Momentaufnahme fotografisch für die Ewigkeit festzuhalten. Doch nicht genug damit. Er jubelte das Foto auch noch einem Redakteur des stadtbekannten Wochenblattes unter, der es prompt online veröffentlichte.

Erst nach stundenlanger Intervention beim Verleger in Köln konnte ich verhindern, dass das fotografische Dokument auch noch in der Printausgabe Platz fand.

Es wurde noch gruseliger, auf Antrag einiger linker Stadtverordneter wurde mein Ausschluss als Berichterstatter in der SVV vorbereitet. Sie hatten erkannt, dass bereits ein einziger Abgeordneter laut der Geschäftsordnung Ton­ und Bildaufnahmen verhindern kann. Diese unglaubliche, völlig undemokratische Satzung benutzten sie dann, um meinen Kameramann in der nächsten Sitzung aus dem Saal zu jagen. Dass ich dann auch ging und mich mit dem Kollegen solidarisierte, versteht sich von selbst.

Inzwischen ist diese Satzung in der ursprünglichen Form nicht mehr existent, man braucht eine Mehrheit der Stadtverordneten für den Ausschluss von Ton- und Bildaufnahmen, aber bis heute gibt es mindestens vier verbohrte Stadtverordnete, die Sitzung für Sitzung den Arm gegen die Pressefreiheit erheben.

Dass ich nach solchen Maßnahmen der sozialistischen Einheitsfront plötzlich kein Problem mehr damit hatte, dem Kurs der Oberbürgermeisterin zu folgen, das wird sicher ein Großteil der Leser verstehen. Zumal sie es auch nicht leicht hatte: Sie musste sich ständig neue Mehrheiten suchen, um ihre Politik der Stadtentwicklung durchzubekommen.

Meine Aufgabe war vom Chef klar umrissen, die Medienlandschaft in der Brandenburger Region bis nach Potsdam zu verändern. Ein besonderes Ärgernis in seinen Augen war die örtliche Tageszeitung, die Märkische, die völlig einseitig im Sinne der rot/roten Regierung infiltrierte. Das passte dem Medienunternehmer nicht, zumal auch seine Frau von dieser Presse ständig niedergemacht wurde. Zunächst einmal interessierte mich, was ist das für eine Frau, die vom Unternehmertum die höchsten Weihen der Kommunalpolitik erklommen hat. Ihr eilte ein Ruf wie Donnerhall voraus. Die Herzen der Brandenburger eroberte sie dadurch, wurde mir geschildert, dass sie ein Loch am Neustädtischen Markt, eine bundesweit bekannte Drecksöffnung, die hier monatelang wegen einer erhofften Investition ein Schandfleck war, eigenhändig zumachte. Sie besorgte als Bauunternehmerin den notwendigen Sand, scharte ein paar Getreue um sich und machte das Loch eigenhändig zu. Schwupps, ein Jahr später war sie Oberbürgermeisterin. Sehr zum Unwillen der DDR-Verklärer und Sozen, die plötzlich in der roten Stadt Brandenburg eine CDU-Frau als Stadtchefin ertragen mussten. Ein Schock auch für die rot/rote Regierung in der Landeshauptstadt. Die Frau sollte denen in Potsdam noch weiteren Kummer bereiten. Dazu später. Also das gefiel mir schon mal, denn spektakuläre Aktionen haben mich schon immer fasziniert. Für mich als Wessi war es ohnehin unverständlich, dass eine Partei, die für das Unrecht in der DDR mitverantwortlich war, hier sogar mit in der Landesregierung saß. Zur Vorbereitung auf diese Partei hatte ich mich schon mal