Das Denkvermögen - Annie Besant - E-Book

Das Denkvermögen E-Book

Annie Besant

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Dies Büchlein ist dazu bestimmt, dem Forscher in der Erforschung seines eigenen Wesens nach dessen intellektueller Seite hin behilflich zu sein. Wenn er die hier niedergelegten Grundsätze beherrscht, so befindet er sich in der günstigen Lage, die Natur in ihrer Entwicklungsarbeit unterstützen und sein mentales Wachstum rascher fördern zu können, als dies möglich ist, solange ihm die Bedingungen dieses Wachstums gänzlich verschlossen bleiben. Inhaltsverzeichnis Vorwort der Verfasserin Vorwort des Übersetzers zur I. Auflage Vorwort zur II. Auflage Einleitung Das Selbst als Erkenner Das Nicht-Selbst als Erkanntes Das Erkennen 1. Das Wesen des Denkens Die Kette von Erkenner, Erkennen und Erkanntem 2. Der Erzeuger der Illusion Der Mentalkörper und Manas Bildung und Entwicklung des Mentalkörpers 3. Gedanken-Übertragung 4. Die Anfänge des Denkens Die Beziehung zwischen. Empfinde nun Denken 5. Das Gedächtnis Das Wesen des Gedächtnisses Schlechtes Gedächtnis Gedächtnis und Antezipaion 6. Das Wachstum des Denkens Die Beobachtung und deren Wert Die Entwicklung der mentalen Fähigkeiten Die Schulung des Intellekts Verbindung mit Höherstehenden 7. Konzentraion Bewusstsein ist überall, wo ein Gegenstand vorhanden, auf den es antwortet Wie man sich konzentriert 8. Die Hindernisse der Konzentraion Der ruhelose Intellekt Die Gefahren der Konzentraion Meditaion 9. Die Stärkung des Denkvermögens Sorgen — ihre Bedeutung und Überwindung Das Denken und die Einstellung des Denkens Das Geheimnis des inneren Friedens 10. Hilfe, die wir durch unsere Gedanken anderen spenden können Hilfe, die wir den sogenannten Toten spenden können Gedankenarbeit außerhalb des Körpers Die Macht vereinigten Denkens Nachwort

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Das Denkvermögen

Seine Beherrschung und Ausbildung

 

 

 

Annie Besant

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Verlag Heliakon

 

Übersetzer: Ludiwg Deinhard

 

Umschlaggestaltung: Verlag Heliakon

Titelbild: Pixabay (PixxlTeufel)

 

 

2022 © Verlag Heliakon

www.verlag-heliakon.de

[email protected]

 

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Impressum

Vorwort der Verfasserin

Vorwort des Übersetzers zur I. Auflage

Vorwort zur II. Auflage

Einleitung

Das Selbst als Erkenner

Das Nicht-Selbst als Erkanntes

Das Erkennen

1. Das Wesen des Denkens

Die Kette von Erkenner, Erkennen und Erkanntem

2. Der Erzeuger der Illusion

Der Mentalkörper und Manas

Bildung und Entwicklung des Mentalkörpers

3. Gedanken-Übertragung

4. Die Anfänge des Denkens

Die Beziehung zwischen. Empfinden und Denken

5. Das Gedächtnis

Das Wesen des Gedächtnisses

Schlechtes Gedächtnis

Gedächtnis und Antezipation

6. Das Wachstum des Denkens

Die Beobachtung und deren Wert

Die Entwicklung der mentalen Fähigkeiten

Die Schulung des Intellekts

Verbindung mit Höherstehenden

7. Konzentration

Bewusstsein ist überall, wo ein Gegenstand vorhanden, auf den es antwortet

Wie man sich konzentriert

8. Die Hindernisse der Konzentration

Der ruhelose Intellekt

Die Gefahren der Konzentration

Meditation

9. Die Stärkung des Denkvermögens

Sorgen — ihre Bedeutung und Überwindung

Das Denken und die Einstellung des Denkens

Das Geheimnis des inneren Friedens

10. Hilfe, die wir durch unsere Gedanken anderen spenden können

Hilfe, die wir den sogenannten Toten spenden können

Gedankenarbeit außerhalb des Körpers

Die Macht vereinigten Denkens

Nachwort

 

Vorwort der Verfasserin

 

 

Dies Büchlein ist dazu bestimmt, dem Forscher in der Erforschung seines eigenen Wesens nach dessen intellektueller Seite hin behilflich zu sein. Wenn er die hier niedergelegten Grundsätze beherrscht, so befindet er sich in der günstigen Lage, die Natur in ihrer Entwickelungsarbeit unterstützen und sein mentales Wachstum rascher fördern zu können, als dies möglich ist, so lange ihm die Bedingungen dieses Wachstums gänzlich verschlossen bleiben.

Die Einleitung dürfte einem Leser, der der hier vertretenen Weltanschauung als vollkommener Laie gegenübersteht, wohl einige Schwierigkeiten bereiten. Für ihn ist es vielleicht besser, sie beim ersten Lesen zu überschlagen. Sie ist jedoch als Grundlage für alle die absolut nötig, die das Verhältnis, in dem der Intellekt zu den anderen Bestandteilen ihrer inneren Natur und zur Außenwelt steht, kennenlernen wollen. Und die, welche die Maxime: „Lerne dich selbst kennen“ befolgen möchten, sollten vor einer kleinen mentalen Anstrengung nicht zurückschrecken; sie können doch nicht erwarten, dass ihnen die gebratenen Tauben zu ihrer mentalen Nahrung in den Mund fliegen.

Wenn das kleine Buch auch nur einigen wenigen ernsten Forschern von Nutzen sein und ihnen etliche Schwierigkeiten aus dem Wege räumen sollte, so wäre sein Zweck erfüllt.

Annie Besant

 

 

Vorwort des Übersetzers zur I. Auflage

 

 

Das vorliegende kleine Buch der berühmten Verbreiterin der Schätze altindischer Weisheit, Frau Annie Besant, gehört zu jenen in den letzten Jahrzehnten häufig und immer häufiger gewordenen literarischen Erscheinungen, denen man im großen Publikum geneigt ist, ihres „allzu mystischen“ Inhalts wegen mit ungünstigem Vorurteil zu begegnen. Und es ist wohl kaum zu leugnen, dass dieses ungünstige Vorurteil gegen alles Mystische sich gegenwärtig besonders auffallend gerade bei uns, im Heimatland eines Angelus Silesius und so vieler anderer hervorragender Mystiker geltend macht. Es scheint in der Tat, als wenn unserem deutschen Volk über all’ seinen Siegen und Erfolgen auf militärischem und industriellem Gebiet, über all’ seinen gewaltigen Anstrengungen um die Erhaltung seiner glücklich errungenen Weltmachtstellung, gerade derjenige Sinn etwas abhandengekommen wäre, der, wie seine Geschichte seit Jahrhunderten beweist, und wie seine größten Dichter und Denker bezeugen, ihm besonders eigentümlich ist, der Sinn für die nach innen, nicht nach außen gerichtete Betrachtung, kurz der Sinn für wahre Mystik, die doch etwas ganz anderes ist als ein verworrener „Mystizismus“.

 

* * *

 

Wenn man bedenkt, dass es bei uns heutzutage eine geradezu erschreckend große Zahl von Menschen gibt, die bloß nachreden, was in den Zeitungen steht, die zu glauben scheinen, die Zeitung sei ein unschätzbares Bildungsmittel, das sich zunutze zu machen ihre erste und wichtigste Menschenpflicht sei, so möchte man meinen, wir wären aus einem Volk von Denkern, als das unsere Voreltern doch unleugbar einmal gegolten haben, zu einem Volk von Zeitungslesern geworden. Bei allem Respekt vor unserer heutigen Tagespresse mit ihrem komplizierten und so emsig arbeitenden Nachrichtendienst darf denn doch nicht verschwiegen werden, dass mit dem Zeitungslesen allein für die Entwicklung des Intellekts sehr wenig geschieht, dass dieses aller inneren Sammlung entgegenwirkt und den Geist eher verflacht als vertieft.

„Lesen füllt den Menschen an“ — sagte Francis Bacon, der große englische Philosoph, und Goethe schrieb einmal an seinen Freund Zelter: „Es fällt einem doch mitunter auf, dass man durch die Kenntnis dessen, was der Tag bringt, nicht klüger und nicht besser wird. Dieses ist von größter Wichtigkeit. Denn genau besehen ist es von Privatleuten doch nur eine Philisterei, wenn wir demjenigen zu viel Anteil schenken, worin wir nicht wirken können … Also wollen wir uns nicht mit Allotrien beschäftigen.“

Aber auch unter jenen zahlreichen Gebildeten, die nicht bloß Zeitungen verschlingen, sondern sich den Geschmack an einer höheren Geisteskost zu bewahren wissen, dürfte es wohl nicht allzu viele geben, die eine richtige Vorstellung davon haben, wie man eigentlich lesen sollte, um der Gefahr zu entgehen, seinen Intellekt mit Gedankenstoff unnötig zu belasten, wie man seine Lektüre einrichten muss, um durch wirklich assimilierbare geistige Nahrung seinen Intellekt dauernd zu kräftigen.

Die Kunst richtigen und nützlichen Lesens kann nun der, der sich die Mühe nicht verdrießen lässt, sich durch den hier vorliegenden anfänglich etwas schwierigen Gedankengang hindurchzuarbeiten, wirklich lernen. Ja, er wird nicht bloß lernen, wie man eigentlich lesen soll, sondern er wird auch lernen, wie man sein Denkvermögen entwickeln und kräftigen kann, sofern er nur die in dieser Beziehung von der Verfasserin gegebenen Ratschläge getreulich befolgt.

„Ich soll noch denken lernen?“ — wird der Leser fragen — „Ja, kann denn dies nicht jeder Mensch, der sich eine gewisse Bildung angeeignet hat?“

Gewiss! Bis zu einem gewissen Grade kann er es allerdings. Aber bis zu welchem Grad, das eben ist die Frage. Man versuche es doch einmal, längere Zeit unausgesetzt über irgendeine ernste Frage nachzudenken und dabei alle Gedanken, die sich fortwährend herandrängen, sich in den Gedankengang einschleichen und ihn zu stören suchen, sofort abzuweisen, und man wird sich vor eine Aufgabe, vor eine Schwierigkeit gestellt finden, über die man sich vielleicht niemals richtig Rechenschaft gegeben hat.

Wie man diese Schwierigkeit überwinden lernen, auf welche Weise man dahin gelangen kann, sein Gedankenleben zu beherrschen und sein Denkvermögen kräftig auszubilden, diese keineswegs leichte Kunst zu lehren, dies ist der Zweck des vorliegenden Büchleins. Und da die hier vorgetragene Schulung des Intellekts auf dem Boden der alt-indischen Weltanschauung steht — einer Weltanschauung, für deren unvergänglichen Wert die gewaltige Ehrfurcht Zeugnis ablegt, mit der alle hervorragenden mit ihr bekannt gewordenen Denker des Abendlandes von ihr geredet haben —‚ so kann dem Leser die Aufgabe nicht erspart bleiben, sich mit dieser in der Einleitung zuerst bekannt zu machen und zur genaueren Orientierung über die hier fortwährend gebrauchten okkulten Begriffe wie Manas, Mental-Körper usw. zu irgendeinem Handbuch der okkulten Wissenschaft seine Zuflucht zu nehmen.*)

Ludwig Deinhard.

*) Z. B. „Die uralte Weisheit“ von Annie Besant.

 

 

Vorwort zur II. Auflage

 

 

Seit dem Erscheinen der 1. Auflage dieses kleinen Buches hat sich der Kreis der Interessenten für Werke derartigen Inhalts in den Ländern deutscher Zunge zweifellos ganz bedeutend erweitert, dank der überaus regen Propaganda der „Theosophischen Gesellschaft“, an deren Spitze die Verfasserin dieser Schrift inzwischen getreten ist. Und wenn ich hinzufüge, dass Mrs. Annie Besant heute bei uns keine Fremde mehr ist, nachdem viele unter uns in Deutschland inzwischen Gelegenheit gehabt haben, ihren so überaus eindrucksvollen Vorträgen zu lauschen, so darf ich Wohl annehmen, dass auch diese 11. Auflage meiner Übersetzung ihrer Schrift: „Thought-Power, its control and culture“ eine freundliche Aufnahme finden wird.

Der Übersetzer

 

 

Einleitung

 

 

Der Wert der Erkenntnis erprobt sich an ihrer Kraft, das Leben zu läutern und zu veredeln. Alle ernsten Forscher1 dürften wohl den Wunsch hegen, die bei ihren theosophischen Studien erlangte theoretische Erkenntnis dazu verwenden zu können, die Entwicklung ihres Charakters zu fördern und ihren Nebenmenschen hilfreich zu sein. Für Forscher dieser Art ist dieses kleine Buch geschrieben worden, in der Hoffnung, dass ein besseres Verständnis für das Wesen ihres Intellekts zu einer zweckdienlicheren Ausbildung dessen dienen dürfte, was an ihm gut, und zu einer Ausrottung dessen, was an ihm schlecht ist. Alle Regungen des Gemüts, die zu einer richtigen Lebensführung antreiben, gehen zur Hälfte verloren, wenn nicht das klare Licht des Intellekts den Pfad des Verhaltens erleuchtet; denn wie der Blinde vom Weg abirrt, bis er in den Graben fällt, so wendet sich das von Unwissenheit geblendete Ego vom Pfad der rechten Lebensführung ab, bis es in den Abgrund schlimmer Handlungsweise fällt. Avidya, der Mangel an Erkenntnis, ist tatsächlich der erste Schritt, der aus der Einheit heraus zur Absonderung führt, und nur in dem Maße, als dieser Mangel sich vermindert, verringert sich auch die Absonderung, bis endlich ihr gänzliches Verschwinden den ewigen Frieden wieder herstellt.

 

Das Selbst als Erkenner

Wenn wir die menschliche Natur untersuchen wollen, dann müssen wir den Menschen von den von ihm benutzten Vehikeln, das lebendige Selbst von den Hüllen trennen, in die es gekleidet ist. Das Selbst ist eine Einheit, wie verschieden auch die Formen sein mögen, in denen es sich manifestiert, wenn es durch die verschiedenen Arten von Materie und vermöge derselben in Wirkung tritt. Es ist selbstverständlich durchaus wahr, dass es im vollen Sinne des Wortes nur Ein Selbst gibt, dass ebenso, wie von der Sonne Strahlen ausgehen, die einzelnen, die wahren Menschen darstellenden Selbste nichts als Strahlen des höchsten Selbst sind, und dass jedes einzelne Selbst von sich sagen kann: „Ich bin das höchste Selbst“. Für unseren gegenwärtigen Zweck aber möchten wir darauf hinweisen, dass jeder einzelne dieser Strahlen auch in seiner Absonderung eine eigene ihm innewohnende Einheit besitzt, wenn diese sich auch hinter seinen verschiedenen Hüllen verbirgt.

Das Bewusstsein stellt eine Einheit dar, und seine Zerlegung in Teile geschieht entweder zum Zweck des Studiums, oder diese Teile sind nur Illusionen, die dem begrenzten Wahrnehmungsvermögen unserer Organe zuzuschreiben sind, durch die es in den unteren Regionen der Welt wirkt. Die Tatsache, dass die einzelnen Kundgebungen des Selbst von seinen drei Aspekten des Erkennens, Wollens und Wirkens ausgehen — aus denen die einzelnen Gedanken, Wünsche und Handlungen entstehen — darf uns nicht für die andere Tatsache blind machen, dass eine Teilung der Substanz nach nicht existiert, denn das ganze Selbst erkennt, das ganze Selbst will, das ganze Selbst handelt. Und ebenso wenig sind auch die Funktionen des Selbst untereinander getrennt; wenn es erkennt, dann handelt und Will es auch; wenn es handelt, dann will und erkennt es auch; und wenn es will, dann erkennt und handelt es auch. Immer ist eine dieser drei Funktionen vorherrschend, und zuweilen in einem solchen Grad, dass dadurch die andern gänzlich verschleiert werden. Aber auch bei der intensivsten Konzentration des Erkennens — also bei derjenigen Funktion, die sich am meisten absondert — ist stets doch auch ein latentes Wirken und ein latentes Wollen vorhanden, die sich deutlich unterscheiden lassen, wenn wir eine sorgfältige Analyse vornehmen.

Wir haben diese drei Funktionen „die drei Aspekte des Selbst” genannt; eine etwas genauere Erklärung wird uns dem Verständnis näher bringen. Wenn das Selbst ruhig ist, dann gibt sich der Aspekt der Erkenntnis kund, der sich zum Abbild jedes Gegenstandes macht, der sich ihm darbietet. Wenn das Selbst sich konzentriert, begierig, seinen Zustand zu ändern, dann tritt der Aspekt des Willens auf. Wenn das Selbst in Gegenwart irgendeines Gegenstandes Energie ausstrahlt, um mit dem Gegenstand in Berührung zu kommen, dann zeigt es den Aspekt der Handlung. Es geht daraus hervor, dass diese drei Aspekte nicht untereinander abgetrennte Teile des Selbst, nicht drei Dinge sind, die sich zu einem zusammengesetzten Ganzen vereinigen, sondern dass wir ein unteilbares Ganzes vor uns haben, das sich auf dreifach verschiedene Weise offenbart.

Es ist nicht leicht möglich, das Wesen des Selbst begrifflich klarer zu machen als dadurch, dass wir es einfach bei seinem Namen nennen. Das Selbst ist das bewusste, fühlende, stets existierende Eine, das in jedem von uns sich als existierend erkennt. Kein Mensch kann jemals sich selbst als nicht existierend denken oder zu sich selbst mit Bewusstsein sagen: ich bin nicht. Wie Bhagavan Das es ausgedrückt hat: „Das Selbst ist die unersetzliche erste Grundlage des Lebens“. Und er fährt fort: „In Vachaspati-Mishra’s Kommentar (Bhamati) zur Shariraka-Bhashya des Shankaracharya heißt es: „Niemand zweifelt: Bin ich? oder bin ich nicht?2

Die Selbst-Bejahung „ich bin“ kommt vor allen übrigen Dingen und steht über und jenseits aller Beweise. Sie kann durch keinen Beweis verstärkt, durch keine Widerlegung geschwächt werden. Beweis und Widerlegung treffen im „ich bin“, diesem nicht weiter auflösbaren Fühlen der eigenen Existenz, zusammen, von dem wir nur aussagen können, dass es zunehmen und abnehmen kann. „Ich bin mehr“ ist der Ausdruck der Lust; „ich bin weniger“ ist der Ausdruck der Unlust.

Wenn wir dies „ich bin“ näher betrachten, dann finden wir, dass es auf dreierlei Weise zum Ausdruck gelangt:

a) als die innere Zurückstrahlung eines Nicht-Selbst, die Erkenntnis, die Wurzel des Denkens;

b) als die innere Konzentration, der Wille, die Wurzel des Verlangens;

c) als das Hervortreten nach außen, die Energie, die Wurzel des Wirkens; „ich erkenne“ oder „ich denke“; „ich will“ oder „ich verlange“; „ich strahle Energie aus“ oder „ich wirke“.

Dies sind die drei Bejahungen des unteilbaren Selbst oder des „ich bin“. Alle Kundgebungen des Selbst lassen sich unter die eine oder die andere dieser drei Überschriften einteilen; das Selbst manifestiert sich in unseren Welten nur in diesen drei Arten. Wie alle Farben aus den drei Primärfarben entstehen, so entstehen auch die zahllosen Manifestierungen des Selbst aus Erkenntnis, Wille und Energie.

Das Selbst als Erkenner, das Selbst als Woller, das Selbst als Wirker, — dies ist das in Ewigkeit Eine, die Wurzel der Individualität in Zeit und Raum. Das Selbst in seinem Denk-Aspekt, das Selbst als Erkenner ist das, was wir hier zu untersuchen haben.

 

Das Nicht-Selbst als Erkanntes

Das Selbst, dessen „Wesen Erkenntnis ist“, findet in sich abgespiegelt eine große Zahl von Formen vor und lernt durch Erfahrung, dass es in diesen und durch diese nicht erkennen, nicht wirken und nicht wollen kann. Es macht die Entdeckung, dass es diese Formen nicht beherrschen kann, wie dies mit der Form der Fall ist, deren es zuerst bewusst wird und mit der es sich irrtümlicher und doch notwendigerweise identifiziert. Es erkennt, und diese Formen denken nicht; es will, und sie zeigen kein Verlangen; es sendet Energie aus, und sie rühren sich nicht.

Es kann nicht in ihnen sagen: „ich erkenne“, „ich Will“, „ich wirke“; und so kommt es schließlich dazu, sie als andere Selbste3 zu betrachten, die in mineralischen, vegetabilischen, animalischen, menschlichen und übermenschlichen Formen eingeschlossen sind, und sie alle zusammen unter dem Begriff des Nicht-Selbst zusammenzufassen, in welchem es als ein für sich bestehendes Wesen nicht enthalten ist, in welchem es nicht erkennen, nicht wollen und nicht wirken kann. Und es wird von nun an auf die Frage: „Was ist das Nicht-Selbst?“ für lange Zeit die Antwort bereit haben: „Alles das, in dem ich nicht erkennen, nicht wollen und nicht wirken kann“.

Und obwohl es bei genauer Untersuchung tatsächlich finden wird, dass auch alle seine Vehikel oder Hüllen mit Ausnahme der zartesten Hülle, vermöge deren es zu einem Selbst wird, Teile sind des Nicht-Selbst, Gegenstände sind der Erkenntnis, das Erkannte sind und nicht das Erkennende, so ist doch für alle praktischen Zwecke obige Antwort durchaus zutreffend.

Es kann in der Tat diese zarteste Hülle, die es erst zu einem abgetrennten Selbst macht, niemals als etwas von ihm Abtrennbares erkennen, da deren Gegenwart zu dieser Abtrennung notwendig ist, und weil sie als das Nicht-Selbst zu erkennen, einem Untertauchen in das All gleich käme.

 

Das Erkennen

Damit das Selbst zum Erkenner und das Nicht-Selbst zum Erkannten wird, muss zwischen ihnen eine gewisse Verwandtschaft bestehen. Das Nicht-Selbst muss auf das Selbst, und das Selbst muss auf das Nicht-Selbst einwirken. Es muss zwischen den beiden eine Wechselwirkung bestehen. Erkennen ist eine Beziehung zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst, und die Natur dieser Beziehung muss den nächsten Gegenstand bilden, den wir hier zu behandeln haben. Zunächst haben wir uns jedoch die Tatsache klar zu machen, dass Erkennen eine Beziehung bedeutet. Das Erkennen involviert zwei Dinge: das Bewusstsein eines Selbst und die Anerkennung eines Nicht-Selbst — und es ist das Vorhandensein dieser beiden einander entgegentretenden Dinge erforderlich, damit Erkenntnis stattfinden kann.

Der Erkenner, das Erkannte und das Erkennen — dies sind die drei in eins zusammenfallenden Dinge, welche verstanden werden müssen, wenn das Denkvermögen seinen eigentlichen Zweck, der Welt nützlich zu sein, erfüllen soll. Nach der Terminologie des Westens ist der Intellekt das Subjekt, welches erkennt; das Objekt ist das, was erkannt wird; die Beziehung zwischen beiden ist das Erkennen. Wir müssen also das Wesen des Erkenners verstehen lernen und ebenso das Wesen des Erkannten, und endlich auch das Wesen der zwischen ihnen bestehenden Beziehung und wie diese Beziehung entsteht.

Gelingt es uns, alle diese Dinge verstehen zu lernen, so werden wir in der Tat der Selbsterkenntnis, d. h. der Weisheit, einen Schritt näher kommen. Dann erst werden wir in der Tat der uns umgebenden Welt uns hilfreich erweisen, sie vorwärtsbringen und sie erlösen können; denn dies ist ja das eigentliche Ziel, das die Weisheit im Auge hat: mit dem Feuer der Liebe die Welt aus der Trübsal heraus zur Erkenntnis emporzuheben, in der alles Leid für immer verstummt. Dies ist der Gegenstand unserer Untersuchung, und es steht in den Büchern jenes Volkes, welches die frühesten und gleichzeitig auch die genauesten Kenntnisse in der Psychologie besaß, mit Recht, dass es der Endzweck aller Philosophie sei, dem Leid ein Ende zu setzen. Darum denkt der Erkenner, darum suchen wir beständig nach Erkenntnis.

Denn Leid ein Ende zu setzen, dies ist der finale Urgrund aller Philosophie, und nur die Weisheit kann die wahre sein, die dazu führt, den Frieden zu finden.

 

1 Der in dieser Schrift häufig vorkommende Ausdruck „Forscher“ (englisch: Student) bezieht sich, dem hier behandelten Thema entsprechend, auf rein geistige Forschung. An einigen Stellen am Ende des Buches ist das Wort Forscher durch „Aspirant“ ersetzt werden. Der Übersetzer.

 

2 „The Science of Emotions“ (p. 20) von Bhagavan Das, M. A., einem in Benares lebenden Brahmanen, der in England seine Universitätsstudien gemacht hat. Erschienen ist dieses Werk im Jahre 1900 bei der Theosophical Publishing Society‚ London. Der Übersetzer.

 

3 Das Wort Selbst in der Mehrzahl zu gebrauchen, ist allerdings im Deutschen nicht üblich, lässt sich aber hier nicht umgehen. Statt der Worte: Selbst und Nicht-Selbst, die im Deutschen gebräuchlicheren Ausdrücke: Ich und Nicht-Ich anzuwenden, lag für den Übersetzer sehr nahe. Nur wäre dann die Gefahr einer Verwechselung des Selbst, von dem im Text die Rede ist, mit dem individuellen Ich eingetreten. Der Übersetzer.

 

 

1. Das Wesen des Denkens