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Das Diadem der Königin. Der dritte Kriminalfall des Privatermittlers Achille Corso Ein ganz spezieller Fall für Detektiv Achille Corso. Es geschehen Dinge, die dem Kriminalisten nur im Traum einfallen können… Die Jagd nach dem "Grande Diadema" der Königin Margerita erweist sich als besonders schwierig, da dem Ermittler zahlreiche forensische Methoden nicht zur Verfügung stehen. Ein ungewöhnlicher Fall. Zahlreiche Abbildungen und Zusatzinformationen.
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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Eireen M. O’Brien
Alexander P. Dyle
Das Diadem der Königin
Der dritte Kriminalfall des Privatermittlers Achille Corso
Kriminalroman
Vorwort
Donnerstag, 22. März
Freitag, 23. März 1883
Ostern
Dienstag 27. März 1883
Mittwoch, 28. März 1883
Donnerstag, 29. März 1883
Freitag 30. März 1883
Giardini Reali
Sonntag 1. April 1883
Montag 2. April 1883
Der Friedhof
Die Aufklärung
Die Audienz
Die Personen
Nachwort
Impressum
Ebenfalls erhältlich
Abbildungen
Putant se in alium orbem terrarum delatos
Sie glauben, in eine andere Welt versetzt zu sein. Petronius, Satyricon, 1,2
Achille Corso, seines Zeichens Privatermittler in kniffligen und speziellen Kriminalfällen erzählte mir von diesem sehr speziellen Fall – wenn man ihn denn überhaupt als Fall bezeichnen darf. Im Hinblick für einen weiteren Kriminalfall gab dieser dritte Fall jedoch geistige Anregung, welche sich als sehr nützlich erweisen sollte. Es war im Frühjahr dieses Jahres gewesen, als Achille Corso zusammen mit seiner Verlobten Pentesilea Orsini, von ihren Freunden meist „Pen“ genannt, einige Routinefälle für die Rechtsmedizin abgeschlossen hatten. Pen war Forensikerin und die regelmäßigen Todesfälle sorgten dafür, dass ein stetes Grundeinkommen floss.
Für die wissenschaftliche Arbeiten blieb daher nur am Abend noch etwas Zeit. Achille, so erzählte er mir, befasste sich mit der historischen Entwicklung der Kriminalistik und der Anwendung neuer Methoden in Italien im Laufe des späten 19. Jahrhunderts. Die Recherche brachte Erstaunliches zutage. Obschon die Technologie da war und auch entsprechende Vorschläge von Wissenschaftlern und sogar von interessierten Romanschriftstellern, wie Sir Arthur Conan Doyle, dem Erfinder des Sherlock Holmes, gemacht wurden: Es dauerte Jahrzehnte, bis die Rechtssysteme diese neuen Methoden vor Gericht als Beweismittel akzeptierten. Corso war irritiert und sagte zu Pen, dass es für ihn ein Wunder war, dass man überhaupt Verbrecher vor Gericht bringen konnte – wenn man sie nicht direkt bei der Tat ertappte. Genetik war unbekannt, Blutgruppen nur vage erforscht und nicht als Beweis zu gebrauchen…
Pen und Achille arbeiteten bis Mitternacht, da sich die Submission im Internet länger hinzog als erwartet. Es mussten zahlreiche Coverletter und eine Erklärung zur Ethik ausgefüllt werden, ebenso eine Deklaration, dass alle Autoren wirklich an der Arbeit mitgearbeitet hatten…
Gegen Ein Uhr nachts konnten die beiden endlich die Nachtruhe genießen und fielen sofort in einen tiefen Erschöpfungsschlaf.
Achille Corso rieb sich die Augen und stellte noch immer schläfrig fest, dass bereits die Sonne durch das Fenster hineinschien. Der Vorhang war nicht richtig zugezogen gewesen. Glücklicherweise war heute ein Tag ohne Termine und Verpflichtungen, dachte Corso bei sich und tastete nach seiner Reverso-Armbanduhr, die er stets auf das Nachttischchen bei seiner Seite ablegte.
Er tastete herum, doch es war keine Uhr zu finden. Corso fuhr hoch. „Habe ich die Uhr irgendwo verloren?“ dachte er mit Schrecken bei sich. Neben seinem Ohr baumelte etwas Seltsames. Er griff sich an den Kopf. „Eine Schlafmütze?“ dachte er irritiert und zog das seltsame Ding vom Kopf.
„Vermutlich das Resultat, wenn man zu lange in der Nacht an Problemen arbeitet…“ murmelte er bei sich und stieg aus dem Bett.
Das Schlafzimmer war deutlich größer als er es in Erinnerung hatte, die Möbel kostbar, aber etwas altmodisch. Er ging zum Tisch, der gegenüber dem Bett am Fenster stand. Hier war eine Uhr. Er betrachtete sie lange und wunderte sich. „Seit wann besitze ich eine goldene Taschenuhr von Vacheron-Constantin?“ dachte Corso bei sich und begann die Uhr instinktiv aufzuziehen.
Pen war offenbar bereits aufgestanden. Daher streifte sich Corso einen Morgenmantel über und verließ das Schlafzimmer. Im Korridor begegnete er einer ihm unbekannten jungen Frau. Sie war dunkelhaarig, südländisch-temperamentvoll und trug die Kleider, welche man von Filmen aus vergangenen Epochen bei Zimmermädchen kannte.
„Guten Morgen, gnädiger Herr…“ sagte sie und knickste.
„Guten Morgen – äh was machen sie in meiner Wohnung und wer sind sie eigentlich?“ fragte Corso irritiert.
Die junge Frau kicherte, da ihr die Frage peinlich schien, dann sagte sie:
„Ich bin Maria, ihr Zimmermädchen.“
„Ach, ja richtig, ich bin heute noch nicht richtig wach…“ sagte Corso, der sich keine Blöße geben wollte.
„Falls sie die Dame Pentesilea suchen, sie ist in ihrem Boudoir und richtet sich für den Tag.“ sagte das Zimmermädchen und zeigte dem Herrn des Hauses den Weg.
Corso betrat das Boudoir, von dem er gar nicht wusste, dass es eines im Haus gab.
Das Zimmer war wertvoll und opulent eingerichtet, die Spiegel mit Goldrahmen ließen den Raum zudem grösser erscheinen.
Pen war tatsächlich hier und richtete sich für den Tag. Sie war heute Morgen besonders schön.
„Du siehst heute wunderschön aus, wie Aurora, die Morgenröte am Horizont…“
Pen küsste ihren Verlobten und sagte zärtlich in sein Ohr: „Du brauchst eine Rasur, mein Liebling.“
„Du sag mal, seit wann haben wir eigentlich ein Zimmermädchen?“ fragte Corso.
„Maria ist doch schon seit mehr als zwei Jahren in unserem Haus in Turin…“ sagte Pen mit irritiertem Unterton.
„Turin? Seit wann haben wir ein Haus in Turin?“ dachte Corso bei sich.
Er blicke sich um und sah die Türe, die zum Badezimmer führte. Auch hier erwartete ihn ein großer Raum mit teuren Spiegeln. Auf dem Marmortisch vor ihm lagen edle Flaschen mit Parfüm, Rasierseifen in Büchsen aus Porzellan und Holz, ein Lederstreifen hing an der Wand und mehrere Rasiermesser lagen bereit.
Corso suchte nach seinem Systemrasierer und dem elektrischen Rasierer, doch nirgends war eine Spur davon, ebenso wenig von der Spraydose mit Rasierschaum.
Da offenbar heute nicht sein Tag war, beschloss Corso diesen nicht mit absurden Fragen vollends zu verderben und rührte mit einem Rasierpinsel, der einen Silbergriff hatte, eine der Seifen im Tiegel an. Der Duft war elegant. Truefitts & Hill stand auf der Dose. Dann klappte Corso eines der Rasiermesser auf. Die Klinge blitzte gefährlich.
„Wird schon klappen…“ dachte Corso bei sich und begann zu rasieren. Er kam nicht weit, die Klinge schnitt ihn tief in die Wange. Er schrie vor Schmerz.
Pen und ein ihm unbekannter Mann eilten herbei.
„Was ist passiert Schatz?“ sagte Pen besorgt als sie ins Badezimmer des Herrn eilte.
Sie sah das Malheur und wandte sich an den Mann im dunklen Anzug.
„Signore Rossi, bringen sie mir den Arztkoffer von Dottore Corso.“ sagte Pen entschlossen.
„Sehr wohl Madame…“ sagte der Mann und eilte davon.
Pen begann damit, ihren Verlobten zu verarzten und tupfte mit dem Alaunstift auf die Wunde.
Corso litt, versuchte aber tapfer zu sein.
Der Mann kam mit einem Koffer zurück und übergab ihn der Dame des Hauses. Pen wühlte im Koffer entnahm ein Desinfektionsmittel und säuberte die Wunde, dann verklebte sie die Wunde.
„Möchten der Herr, dass ich für sie die Rasur zu Ende führe?“ fragte der Mann im Anzug.
Corso nickte mit schmerzverzerrtem Gesicht.
„Bitte setzen Sie sich und lehnen sie sich in die Kopflehne zurück.“ sagte der Mann.
Dann schritt er zum Lederstreifen und zog die Klinge mit grossem Geschick ab. Er legte Corso ein warmes, feuchtes Tuch auf den Hals und das Kinn und schlug die Rasierseife noch einmal auf. Dann pinselte er Corso ein und begann mit grossem Geschick, rund um die Wunde sorgfältig zu rasieren, zuerst mit der Wuchsrichtung der Haare. Danach schäumte er erneut ein und rasierte nun gegen den Wuchs. Ein drittes Mal einseifen und er rasierte alle Problemstellen erneut.
„Fertig der Herr…“ sagte er und verneigte sich. Corso prüfte das Kinn, es war sehr glattrasiert.
„Danke, äh… Signore Rossi.“ sagte Corso.
„Falls der Herr mir folgen möchte…“ sagte der Mann und wies mit weißen Handschuhen den Weg ins Ankleidezimmer.
Der Kleiderschrank war zu einem kompletten Zimmer geworden, als Corso den Raum betrat. Reihen von Schubladen und Schränken, Gestelle mit edlen Lederschuhen und Stiefeln. Eine ganze Galerie von Hüten wartete darauf, ausgewählt zu werden.
„Der dunkelbraune Anzug und die Lederschuhe liegen bereit.“ sagte der Mann und zog sich vornehm zurück.
Der Anzug war etwas altmodisch, der Hemdkragen sehr steif, aber alles von ausgesuchter Qualität…
Nachdem sich Corso angezogen hatte, führte ihn der Hausdiener in das Frühstückszimmer.
„Gibt es für alles ein separates Zimmer?“ fragte Corso nur aus Neugierde.
„Selbstverständlich, Dottore Corso.“ sagte der Mann.
Pen war bereits am Frühstückstisch, erst jetzt fiel Corso auf, dass sie nun wirklich seltsam gekleidet war, wie in einem Kostümfilm des viktorianischen Zeitalters. Ihre blonden Haare waren kunstvoll hochgesteckt, das Gesicht gepudert. Sie trug ein Mieder und ein Korsett, obschon sie das eigentlich gar nicht brauchte, denn Pen hatte schon immer eine Wespentaille gehabt – soweit sich Corso erinnern konnte. Zudem trug sie einen Rock mit Tournüre, einer seltsamen Auspolsterung des Gesäßes.
An ihrer Brust hing an einer kurzen Kette eine Broschenuhr.
„Du bist heute phantastisch aufgemacht…“ sagte er.
„Danke, du bist ebenfalls sehr elegant gekleidet.“ antwortete sie.
„Möchte der Herr Kaffee oder Tee?“ fragte der Hausdiener.
„Könnten sie mir einen Cappuccino bringen?“sagte Corso.
„Sehr wohl der Herr, die Speisen sind auf dem Buffet angerichtet.“ sagte Signore Rossi und eilte aus dem Raum in die Küche.
Corso ging mit dem Teller zum Buffet. Silberne Behälter boten verschiedene Brote, Cornetti und Rührei an, ebenso Torte und Konfitüren.
„Was darf ich dir bringen, Schatz?“ fragte Corso.
„Bitte bring mir zwei Cornetti, ein Brot und wenig Rührei.“ sagte Pen.
Corso tat, wie er gebeten wurde. Bei dieser Gelegenheit sah er sich genauer im Raum um. Diese repräsentativen Räume waren noch kostbarer eingerichtet. Marmorsäulen und echte Ölgemälde verzierten die Wände.
Corso brachte Pen die Speisen und holte sich dann ebenfalls sein Frühstück.
In diesem Moment kamen der Hausdiener und das Zimmermädchen mit Kaffee für Pen und Cappuccino für Corso herein.
Die beiden wurden bedient, dann zog sich das Personal diskret zurück.
Sie begannen mit dem Frühstück und Corso überlegte, wie er das Problem von heute Morgen ansprechen sollte. Irgendwie hatte er das Gefühl, in der falschen Epoche zu sein. Doch wie sollte er das formulieren?
Pen nahm ihm das Problem ab, indem sie das Gespräch begann:
„Achille, morgen wird Alexander Dyle, Esquire und Gentleman für die Ostern zu Besuch kommen. Er hat uns ein Telegramm geschickt, dass er komme. Offenbar hat er den Edelsteintransport für Tiffany & Co. an den Turiner Juwelier Musy abgeschlossen. Wir müssen daher heute noch zusätzliche Einkäufe machen.“
„Was hat Dyle mit Edelsteintransporten zu tun?“ fragte Corso erstaunt.
„Eigentlich ist es eine politische Sache…“ sagte Pen.
„Wieso ist Schmuck politisch?“ sagte Corso.
„Weil die Edelsteine in ein großes Diadem eingesetzt werden, welches Umberto seiner Margherita schenken muss…“ erklärte Pen.
„Wieso ist ein Geschenk von Umberto politisch?“ fragte Corso.
„Weil es König Umberto I. ist und weil die Ehe nach einem Seitensprung mal wieder in der Krise ist…“ sagte Pen.
„Wäre es denn so schlimm?“ sagte Corso.
„Italien ist der Wackelstaat im Dreibund und nun will Rumänien dem Bund beitreten. Wenn Italien fällt, dann fällt Zentral- und Osteuropa.“ gab sich Pen wissend.
„Äh, bei der Gelegenheit. Wo ist eigentlich mein Mobiltelephon geblieben?“
Pen kicherte und dann sagte sie:
„Du freust dich also auch auf unseren neuen Telephonanschluss? Er kommt nächsten Monat, wenn in unserem Quartier die Leitungen verlegt sind.“
„Was für ein Telephon?“ fragte Corso sichtlich nervös, welcher unter Smartphone-Entzugserscheinungen zu leiden begann.
„Was streichst du mit dem Finger kontinuierlich über den Teller? Ist er nicht korrekt abgewaschen?“ fragte Pen.
„Nein, nein. Es ist alles in Ordnung…“ sagte Corso.
„Für das Jahr 1884 hat Ericson ein total schönes Tischtelephon angekündigt und ich habe es bereits bestellt. Bis dahin haben wir ein älteres Modell, das bereits auf dem Markt ist. Telephonieren ist ja so einfach geworden…“ schwärmte Pen.
„Inwiefern?“ fragte Corso.
„Immer mehr Leute haben ein Telephon und nun muss man nur noch mit der Handkurbel die Verbindung zum Telephonamt herstellen und die verbinden einem danach mit dem gewünschten Anschluss…“ sagte Pen begeistert.
„Und wo ist das WhatsApp?“ fragte Corso.
„Du meinst die Was-ist-los-Tratschecke?“ sagte Pen und fuhr fort: „Die findest du auf dem Markt, an der Theke des Kaffeehauses und im Krämerladen…“ kicherte Pen.
„Die Tageszeitung findest du auf dem Tisch links neben dir… und ich organisiere inzwischen die Einkäufe für Ostern.“ sagte Pen.
Sie standen auf, Corso nahm sich die Zeitung und sie gingen in den Vorraum, dort warteten bereits der Butler, Signore Rossi, das Zimmermädchen Maria, ein junger Mann und ein Mann im mittleren Alter mit grossem Schnauz und einer Kleidung, welche auf einen Kutscher schließen ließ.
„Lass dich nicht beim Zeitungslesen stören, mein Schatz…“ sagte Pen.
„Soll ich sie ins Arbeitszimmer führen…“ sprang Rossi ein, der bemerkte, dass der Herr des Hauses nicht wirklich auf der Höhe war. Er ging zu einer Tür und öffnete sie.
„Bitte der Herr, das Arbeitszimmer ist am Ende des Korridors.“ sagte der Butler.
Corso ging den Korridor entlang und öffnete die Türe. Ein prachtvolles Arbeitszimmer mit Bibliothek erwartete ihn. Auf dem Tisch stand eine grosse, eindrucksvolle Schreibmaschine von Remington und zahlreiche Unterlagen, an denen offenbar letzte Nacht gearbeitet worden waren.
Corso setzte sich und überlegte, was eigentlich los war. Alles schien vollkommen stimmig zu sein, zumindest für alle anderen.
„Vielleicht erklärt die Zeitung, was los ist.“ dachte er bei sich und begann, sich mit der Zeitung zu beschäftigen.
Sie war gebügelt und druckfrisch. Das Datum auf der Titelseite war der 22. März 1883.
Corso überflog die Schlagzeilen: Er erfuhr, dass der Dreibund sich tatsächlich am 30. Oktober 1883 mit Rumänien erweitern werde, um dem feindseligen Bündnis bestehend aus der Tripple Entente der Russen, Franzosen und dem British Empire etwas entgegenstellen zu können.
„Die Russen in der Allianz? Und wo ist die Europäische Union geblieben?“ dachte Corso bei sich.
Corso sprang zum nächsten Thema: Die Mahdisten im Sudan rückten weiter vor nachdem sie am 19. Januar die Stadt Al-Ubayyid nach viermonatiger Belagerung erstürmt hatten.
„Das Chaos im Sudan ist mir doch ganz vertraut…“ dachte Corso und las weiter: Der Premierminister Gladstone beauftragt General Charles George Gordon im Auftrag des ägyptischen Khediven Tawfiq, den Aufstand niederzuschlagen.
Vom Gang her konnte Corso hören, wie die Dame Pentesilea Orsini den Haushalt kommandierte. Sie ordnete an, zusätzliche Einkäufe zu machen.
Corso setzte sich an das seltsame stählerne Ding und begann instinktiv nach der Computermaus zu suchen. Da er sie nicht fand, beschloss er, zuerst an seien handgeschriebenen Notizen weiterzuarbeiten.
Er klappte die Maschine zu, die als Remington 1878 Modell 2 angeschrieben war.
Die Blätter lagen vor ihm auf dem Schreibtisch. Das Papier war von ausgesuchter Qualität und ein prachtvoller Füllfederhalter mit dunklem Holz und Silberteilen wartete darauf, gebraucht zu werden.
Corso begann damit, seine Notizen weiter zu bearbeiten. Er las noch einmal, was er am Abend zuvor geschrieben hatte. Es ging um seine Idee, die Art der Schreibmaschine und persönlichkeitsbezogene Merkmale der Tipp-Charakteristik von Schreibmaschinen in der Kriminologie einzusetzen. In den vergangenen Jahren waren mit der zunehmenden Verbreitung von Schreibmaschinen immer mehr Erpresserschreiben und Bekennerbriefe aufgetaucht. Die Täter wähnten sich in Sicherheit, da keine Handschriftenvergleiche mit ihrem Erpresserbrief möglich wären.
Dieser Annahme wollte Corso entgegentreten. Die Kriminellen hinterließen auch so interessante Spuren. Wenn die Strafverfolgungsbehörden Tipp-Proben von zahlreichen Maschinen erstellen würden, könnten Fahnder leicht herausfinden, auf welchem Maschinentyp ein Brief geschrieben worden war.
Auch die ausgetippten Buchstaben auf Farbbändern, kleine Fehler bei Buchstaben von individuellen Maschinen und für jede Person unterschiedliche Anschlagscharakteristiken und häufig wiederkehrende Fehler würden nach Meinung von Corso fast ebenso viel über einen Täter verraten, als seine Handschrift. Wenn man die zum Erpresserbrief korrespondierende Schreibmaschine in einem Haus finden sollte, hätten die Strafverfolgungsbehörden zudem einen Sachbeweis.
Im Hintergrund hörte er ein Räuspern. Es war der Butler.
„Entschuldigen sie, ein wichtiges Schreiben wurde soeben für sie abgegeben.“ sagte er und reichte Corso einen Brief auf dem Silbertablett.
„Wissen sie zufällig, wo die Maus hingekommen ist?“ fragte Corso gedankenverloren.
„Eine Maus? Ich werde umgehend den Kammerjäger verständigen.“ antwortete der Butler.
Corso nahm den Brief entgegen und öffnete ihn. Es war ein Schreiben der Polizei.
„Vielleicht ein Fall für mich?“ dachte Corso bei sich und las weiter.