Das Drachentor - Jenny-Mai Nuyen - E-Book

Das Drachentor E-Book

Jenny-Mai Nuyen

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Beschreibung

Die Tochter des Elfenkönigs und der Junge mit dem Herzen eines Drachen

Seit uralten Zeiten zwingen die Menschen die Drachen zu Gehorsam und setzen sie in ihren blutigen Schlachten ein. Doch ein unheilvoller Zauber hat von den Tieren Besitz ergriffen – immer mehr von ihnen verschwinden aus der Welt, lösen sich in Nebeltoren auf oder stürzen sich in den Tod. Nur Revyn kann sie retten: der Junge mit dem Herzen eines Drachen. Gemeinsam mit der Elfe Yelanah kämpft er darum, den Untergang der magischen Wesen aufzuhalten …

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Seitenzahl: 824

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© privat

DIE AUTORIN

Jenny-Mai Nuyen wurde 1988 als Tochter deutsch-vietnamesischer Eltern in München geboren. Geschichten schreibt sie, seit sie fünf ist, und mit dreizehn verfasste sie ihren ersten Roman. Seit ihrem literarischen Debüt Nijura – Das Erbe der Elfenkrone wird sie als eine der aufregendsten Fantasy-Entdeckungen der letzten Jahre gefeiert. Nach einem Filmstudium an der New York University lebt Jenny-Mai Nuyen heute in Berlin und widmet sich ganz dem Schreiben.

Mehr über die Autorin unter www.jennymainuyen.de

Von Jenny-Mai Nuyen ist bei cbt außerdem erschienen: Nijura – Das Erbe der Elfenkrone (31223)

Mehr über cbj/cbt auf Instagram unter @hey_reader

Jenny-Mai Nuyen

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
© 2007 cbj Kinder- und Jugendbuch Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Karte und Vignetten im Innenteil: Jenny-Mai Nuyen

Covergestaltung:Carolin Liepins, München,

Covermotive: © Shutterstock (Eugene Ivanov, antart, Digital Storm, Valentyna Chuklyebova, simonekesh, Olly)

kk · Herstellung: eR
ISBN: 978-3-641-24289-3V002
www.cbj-verlag.de

www.randomhouse.de

Prolog

Es hatte viel geregnet. Woche für Woche war das Wasser gefallen, hatte die Gräser platt gedrückt und den Boden weich getrommelt. Von allen Felsen plätscherten Rinnsale und bildeten schlammige Pfützen. Die Krieger versanken bis zu den Knöcheln im Morast.
Erst heute war der Regen versiegt. Noch war der Himmel bedeckt, schwere Wolkentürme standen am Horizont und Dunst stieg aus der Erde auf. Der Wind jagte über das Land und heulte in den Reihen der Krieger. Hunderte waren es – Hunderte Reihen von Tausenden Kriegern.
Sie alle standen still. Bunte Banner flatterten. Die Nebel kräuselten sich zwischen den Fronten.
Zwei Wagen lösten sich aus beiden Kriegerscharen, gezogen von stattlichen Drachen. Die Wagenräder rollten durch den Schlamm, bis die Ornamente auf den Radkappen, glorreiche Schlachten und strahlende Sonnenkönige, darunter verschwanden. In der Mitte des Schlachtfeldes trafen die Wagen aufeinander und die Fahrer zügelten ihre Drachen einen Lanzenwurf voneinander entfernt. Unruhig tänzelten die Tiere vor den Wagen auf der Stelle. Aus ihren Nüstern drang warmer Atem. Die lederartigen Flügel waren fest an ihre schlanken Körper gebunden, damit sie nicht auf den Gedanken kamen, davonzufliegen. Nur die Spitzen der gefalteten Flügel zuckten und bewegten sich unter den Lederriemen.
Einer der Wagenlenker zog den Helm ab. Im Nebel konnte der andere sein Gesicht kaum erkennen, nur die Haare, die ihm um die Schultern fielen, leuchteten durch den Dunst wie ein Lichtkranz. Auch der zweite Fahrer nahm den Helm vom Kopf. Sein dunkles Haar war in unordentlichen Strähnen zurückgeflochten, sodass man die kantigen Gesichtszüge, die braune Haut, die tiefe Narbe auf der rechten Wange sehen konnte.
»Zieh deine Krieger aus unserem Land zurück!«, forderte er. Sein Ruf verhallte im unheimlichen Nebel. Der Drache vor seinem Wagen schnaubte und schlug mit dem Schwanz. Der König der Myrdhaner nahm die Zügel fester, kniff die Augen zusammen und horchte nach einer Antwort.
»Ihr habt uns herausgefordert!«, schrie der Blonde. Es war die Stimme eines Mannes in der Blüte seiner Jahre, dröhnend und entschlossen. »Nun ist Schluss mit eurer Dreistigkeit, wir beenden es heute, hier und jetzt!« Dumpfer Jubel schwoll hinter ihm an. »Haradonen gegen Myrdhaner, ein für alle Mal! Meine Krieger gegen die deinen, unser Mut gegen euren, Haradons Schwerter gegen eure Steine!«
»Wir erwarten eure Schwerter mit Grimm. Doch nicht Steine, sondern die Kraft von ganz Myrdhan richten wir gegen euch!«
Die Luft erzitterte von Jubelgeschrei, als beide Könige kehrtmachten und zu ihren Heeren zurückfuhren, um hinter Mauern aus Eisen und Fleisch zu verschwinden.
Schrille Schlachthörner verschlangen mit einem Mal die grölenden Rufe. Kurz dröhnte der Klang der Hörner in den Ohren der Krieger, ehe er so abrupt abriss, wie er begonnen hatte. Wieder trat Stille ein. Erwartungsvoll starrten die Männer in den Himmel, doch nur die Banner flatterten im Wind.
Dann tauchten über beiden Heeren Schatten auf. Erst zeichneten sich die Flügel ab, die die Nebel durchschnitten wie schwarze Klingen – dann erkannte man die Drachen. Sie mussten schwer darum kämpfen, in der Luft zu bleiben, und sanken auf und ab, als würden sie über unsichtbare Wellen reiten. Denn auf ihren Rücken saßen Menschen.
Kaum war das feindliche Heer in Schussweite gekommen, glühten hoch oben bei den Drachen Funken auf. Einen Augenblick später senkte sich ein Regen brennender Pfeile auf die Kriegermassen, als hätten die Drachen selbst Feuer gespuckt.
Befehle erklangen, die Schilde wurden in einer einzigen großen Bewegung erhoben. Grauenvolle Schreie zerrissen die Stille, wo die
Geschosse durch das Schutzdach der Schilde drangen. Auf dem Schlachtfeld zogen nun die Drachen beider Königreiche Kreise in der Luft. Es war einzig ein Gefecht der Windgarden – erst danach würde die siegende Armee über die Feinde herfallen.
Pfeilsalven sirrten durch den Nebel und bohrten sich in die Leiber von Tier und Mensch. Die Luft erzitterte von ihren schweren Flügelschlägen und dem Stöhnen der Tiere. Pfeile trafen auch die Windreiter und rissen sie von ihren Drachen. War der Himmel über dem Schlachtfeld zuvor von den Tieren verdunkelt gewesen, so lichtete er sich nun wieder mit jedem Drachen, der auf die Erde niederfiel.
Dann erklang von beiden Bodentruppen Kampfgebrüll. Die Krieger begannen, ihre Speere im Takt gegen die Schilde zu schlagen, schneller und schneller, heftiger und immer heftiger, bis die Erde vibrierte, und im ohrenbetäubenden Trommelklang ihrer Waffen stürmten sie aufeinander zu. In den vordersten Reihen galoppierten Krieger auf Drachen mit gefesselten Flügeln. Schreiend und mit kurzen Peitschen trieben sie ihre Tiere zu Sprüngen an, die ein rennender Mann nicht halb so schnell zurücklegen konnte. Feuerpfeile hagelten auf die Heere herab, die herunterstürzenden Drachen fielen wie Schatten aus dem weißen Himmel.
Dann stießen beide Heere aufeinander, Myrdhaner gegen Haradonen, überspülten und vereinten sich wie tosende Fluten in Gebrüll, Metall und Blut.
Es waren die Haradonen, die am Abend des Tages den Sieg davontrugen.

Der Krieg

Aufbruch

Der Morgen graute. Schwere Wolken hingen über den Hügelländern, denn zu dieser Jahreszeit regnete es viel. Die Nordwinde trugen bereits den Geruch von Schnee mit sich und erinnerten Alasar daran, dass der Winter kurz bevorstand. Er fröstelte und zog sich die Fellweste enger um die Brust. Für gewöhnlich reisten im Herbst die Händler von Dorf zu Dorf, um Brennholz zu verkaufen, das man weiter nördlich in den Wäldern fand. Wagenkolonnen, über und über beladen mit Holzscheiten, hielten in den Dörfern Einzug. Dann kamen ihnen die Kinder aus den Hütten entgegen und tanzten um das duftende Holz herum, sangen den Händlern ihre Lieder vor, baten um kleine Holzstückchen, aus denen sie Puppen und Drachen schnitzen wollten, und bestaunten die echten Drachen, die die schweren Wagen zogen. So war es bis jetzt vor jedem Winter gewesen, solange Alasar zurückdenken konnte.
Er blickte zum Horizont. Nur allmählich wich die Dunkelheit dem trüben Tageslicht. Ihm war kalt, trotzdem blieb er auf seinem Aussichtsposten stehen und spähte in die Ferne. So hatte er jeden Morgen der vergangenen zwölf Tage verbracht, hoch oben auf dem Felsen, und die langsam voranschreitende Dämmerung abgewartet.
Alasar blähte die Nasenflügel und witterte die Luft wie die Steppenwölfe, die nachts um sein Dorf schlichen. Der Wind schien ihm einen Geruch von Feuer und verbranntem Fleisch entgegenzutragen, den nur er riechen konnte.
Zögerlich, fast widerwillig brachen die ersten Sonnenfäden durch die Wolkendecke. Es war Tag geworden, erkannte er halb enttäuscht, halb erleichtert, ohne dass sein Wachehalten sich gelohnt hätte. Doch er wartete nicht, wie in den vergangenen Jahren, auf die Holzhändler. Nein. Es war Krieg. Er wartete auf seine Eltern und die Eltern der anderen Kinder, die hinter ihm im Dorf schliefen. Außer ihnen und den Alten, die nicht mehr hatten kämpfen können, waren sie alle vor zwölf Tagen am nördlichen Horizont verschwunden. Die Frauen, die Männer, ja, selbst die dreizehnjährigen Jungen und Mädchen: Jeder, der eine Lanze halten und einen Stein werfen konnte, verteidigte Myrdhan. Die Männer kämpften vorne in den Kriegerreihen der Armee, die Frauen lauerten ein paar Hügel entfernt mit Pfeil und Bogen, und die Jugendlichen verbargen sich dahinter, um jeden Angreifer, der bis zu ihnen durchkam, mit Steinen zu empfangen.
Alasar hatte auch kämpfen wollen. Und sei es nur bei den Dreizehnjährigen, obwohl er sicher war, dass er genauso gut bei den Männern in der Schlacht dienen konnte. Aber Alasar war erst elf, mager und dunkel, mit den scharf geschnittenen Gesichtszügen der myrdhanischen Hügelstämme.
Schließlich atmete er tief aus und drehte sich um. Seine Eltern waren also noch immer im Kampf, ebenso wie seine beiden Brüder Ganem und Vasir. Aber um die beiden sorgte er sich nicht, denn er mochte sie kein bisschen. Sie machten sich immer über ihn lustig und nahmen ihn nicht ernst, obwohl er ihnen längst überlegen war.
Er machte kehrt, um die Felsen hinunter ins Dorf zu klettern. Doch als er schon einen Fuß auf den nächsten Steinbrocken gesetzt hatte, drängte ihn ein unbestimmtes Gefühl, noch einmal zurückzublicken – es kroch ihm den Rücken hinauf wie das Echo einer Angst, die er noch nicht empfunden hatte … Er drehte den Kopf. Der Wind heulte ihm um die Ohren und ließ die struppigen Haarsträhnen vor seinen Augen tanzen. Es dauerte einen Moment, ehe Alasar sie sah.
Ein jäher Schreck durchfuhr ihn, er rutschte mit den Füßen vom Fels und sprang sogleich wieder auf. Irrte er sich? Hoffentlich, hoffentlich täuschten ihn seine Augen … Aber es war kein Irrtum.
Da, in der Ferne, kroch eine Woge flimmernder schwarzer Punkte heran. Alasars Blick fächerte über die anschwellende Flut, doch er entdeckte nicht die roten Banner, an denen er die Myrdhaner erkannt hätte. Es waren nicht seine Eltern, nicht die Mütter und Väter und Brüder und Schwestern der umliegenden Dörfer. Es waren Haradonen.
Ihr Heer war hier. Myrdhan musste die Schlacht verloren haben! Und Alasars Eltern, die Erwachsenen … Eine brodelnde Panik schwemmte alle Gedanken fort. Alasar riss sich vom Anblick des Heeres los und kletterte die Felsen hinunter. Er zitterte, schrammte sich Hände, Knie und Ellbogen am rauen Stein auf, sprang ins Gras und ignorierte dabei den Schmerz in seinen Gelenken. So schnell er konnte, rannte er auf das Dorf zu. Die Holzpflöcke, die es zum Schutz umgaben, erschienen Alasar lächerlich wie Zündhölzer angesichts der dunklen Massen, die sich darauf zu bewegten. »Alarm! Alarm, Alarm!«
Die Kinder kamen aus ihren Hütten gerannt, manche waren auf dem Arm ihrer Großeltern, die beinahe noch ängstlicher dreinblickten als die Jungen und Mädchen.
»Die Haradonen!«, schrie Alasar und riss eine Tür nach der anderen auf, bis alle Kinder die Neuigkeit gehört hatten und auf dem Dorfplatz zusammenliefen.
Alasar stürmte in seine eigene Hütte. Tausendmal hatte er sich diesen Augenblick in den vergangenen zwölf Tagen ausgemalt und trotz seines wild pochenden Herzens empfand er eine kühle Gelassenheit. Die kleine Hütte war so dunkel, wie er sie noch vor Sonnenaufgang verlassen hatte. Glutstückchen funkelten unter dem Kessel auf der Feuerstelle.
»Alasar?«, erklang eine zarte Stimme.
Er lief an das Bett, das er im Dunkeln kaum sehen konnte, und fasste nach den Händen seiner kleinen Schwester. »Keine Angst, Magaura. Wir müssen jetzt weg, so wie ich es dir gesagt habe. Erinnerst du dich?«
Sie nickte langsam. »Alles hierlassen und schnell laufen, hast du gesagt.«
Alasar nickte ebenfalls. »Ja, ja genau das habe ich gesagt. Dir wird nichts geschehen. Bleib einfach bei mir.«
»Mach ich«, flüsterte Magaura.
»Komm.« Er hob sie aus dem Bett und zog ihr Strümpfe, Kleid und Umhang an, ohne sich die Furcht anmerken zu lassen, die ihn zu größerer Hast antreiben wollte. Dann legte er sich auf den Bauch und griff mit einer Hand unter das Bett, um ein Bündel herauszuziehen. Er hatte es heimlich gepackt, als alle Erwachsenen das Dorf verlassen hatten. Wasser, Dörrfleisch, Brot und ein langes Taschenmesser waren darin eingewickelt. Er klemmte sich das Bündel unter den Arm, mit der anderen Hand ergriff er seine kleine Schwester und sie verließen das Haus. Alasar blickte nicht zurück. Er wusste, dass sie die Hütte nie wieder betreten würden, in der sie beide geboren und aufgewachsen waren. Aber diese Gedanken erreichten nur seinen Kopf, nicht sein Herz.
Auf dem Dorfplatz war Panik ausgebrochen. Weinende Kinder drängten sich zusammen und klammerten sich an die hilflosen Alten. Ein paar Greise machten sich daran, das Dorftor zu schließen. Alasar ging festen Schrittes auf die Mitte des Platzes.
»Hört zu«, rief er. »Hört mich an und heult nicht rum!« Langsam verebbte das Schluchzen, und Alasar wandte sich an die Alten, die das Tor verriegelten.
»Lasst den Unsinn! Glaubt ihr denn, das Tor hält die Haradonen auf? Wir müssen das Dorf verlassen. Ich weiß, wo wir sicher sind.«
»Was redest du, Junge – sollen wir den Haradonen vielleicht in die Arme laufen? Wo sollten wir sicher sein, wenn nicht hier?«, riefen die anderen zurück, und Alasar wartete einen Augenblick wütend ab, während man ihn weiter beschimpfte. Dann entgegnete er so bestimmt, als hätte nie jemand sein Wort angezweifelt: »Wir verstecken uns in den Felshöhlen. Ich kenne alle Höhlen im Umkreis.
Packt Essensvorräte zusammen. Dann verlassen wir das Dorf und schließen die Tore. Wenn die Haradonen kommen, warten wir, bis sie ins Dorf einbrechen. Dann schleichen wir uns von außen an und setzen es in Brand.«
Aber noch während Alasar das sagte, wusste er, dass es nie so kommen würde. Die riesige Flut am Horizont würde das Dorf unter sich begraben und verschlingen, nicht einmal ein Bruchteil davon hätte ins Dorf gepasst.
»Wir sollen unser eigenes Dorf in Brand setzen?«, rief ein Greis, doch es klang schon viel zögerlicher.
»Der Junge hat recht«, stimmte ihm eine gebrechliche Alte zu und machte sich daran, das Tor wieder zu öffnen. »Lasst uns gehen und die Haradonen überraschen, hier drinnen sitzen wir in der Falle.«
Nun begannen einige, der Alten zu helfen und das Tor zu öffnen, während andere immer heftiger protestierten.
»Wir können unser Dorf doch nicht verlassen! Was passiert mit unseren Sachen, wenn die Haradonen alles plündern?«, schrie ein Junge in Alasars Alter.
»Kommt mit uns oder bleibt hier«, sagte Alasar. »Aber wer bleibt, wird die Nacht nicht überleben.« Die Kinder schluchzten erschrocken auf. Viele schlossen sich Alasar an, weil er von der allgemeinen Angst völlig unberührt wirkte.
Man packte so viele Vorräte, Kerzen und Fackeln zusammen, wie man tragen konnte, und sammelte sich vor den geöffneten Toren. Alasar ging mit Magaura zu den Alten vor. Auch drei schwangere Frauen wollten ihm aus dem Dorf folgen.
»Und du bist ganz sicher, dass wir uns in diesen Höhlen verstecken können?«, fragte eine Frau. Bevor Alasar antworten konnte, trat Magaura vor ihn.
»Mein Bruder kennt die Felshöhlen besser als jeder andere. Immer geht er da hin mit einer Fackel und findet Salz und Quellen und Fledermäuse.«
Die Frauen nickten langsam. Magaura lächelte, froh, Alasar bewiesen zu haben, dass sie sich an die Geschichten von Salz, Quellen und Fledermäusen erinnerte, die er ihr so oft erzählt hatte.
Schließlich verließen sie das Dorf. Ein Teil der Kinder, Alten und Schwangeren blieb zurück und verschloss die Holztore von innen.
 
Immer wieder sah Alasar zu der langen Prozession zurück, die ihm folgte. Gewiss, es waren verängstigte Kindergesichter und alte Männer und Frauen, aber trotzdem … sie folgten alle ihm.
Tief im Herzen hatte er gewusst, dass er die Menschen einmal führen würde. Aber dass seine Bestimmung ihn jetzt schon einholen sollte, in so einer Situation, das hätte er nie gedacht.
»Kommen Mama und Papa zurück?« Magaura lief mit kleinen, hastigen Schritten an seiner Seite. Alasar warf ihr einen sorgenvollen Blick zu – sie war so unschuldig und musste für das Versagen ihrer Eltern bezahlen. »Sie … weißt du, sie kommen noch nicht wieder.«
»Wann sind sie denn da?« »Wenn sie kommen, sage ich es dir. Solange bin ich für dich da. Einverstanden?« Er zwang sich zu einem Lächeln und Magaura gähnte unbeschwert.
Alasar führte sein Gefolge durch die Felsschluchten und Geröllberge, die sich zwischen den Hügeln gebildet hatten. Er wählte die verstecktesten Wege, aus Angst, das haradonische Heer könnte sie überraschen. Irgendwann erreichten sie mächtige Felsplatten, die schräg aus dem Boden ragten und zwischen denen sich Höhleneingänge gebildet hatten.
Die Kinder und Alten und Frauen folgten Alasar unsicher in die Dunkelheit. Keiner hatte sich je für die Höhlen interessiert, aber er mochte die Finsternis, den Klang des Wassers, das von den Felsen perlte, und die Einsamkeit, die jedes Zeitgefühl verschluckte.
Unter den Felsen entzündeten sie Fackeln, dann gingen sie tiefer hinab. Alasar kannte jeden Stein hier unten, sprang den anderen leichtfüßig voran und half den Schwangeren und den Kleinsten nachzukommen. Die Dorfbewohner staunten über die unterirdischen Hallen, die Grotten und die flachen Seen, in die es unaufhörlich von der Decke tropfte. Alasar führte sie durch runde Gänge und von einem Höhlenzimmer zum nächsten, bis niemand mehr glauben konnte, dass all diese schaurigen, wunderbaren Bauwerke von selbst entstanden waren. Bald vergaßen die Kinder ihre Angst. Sie tanzten um die zackigen Felszähne, die aus dem Boden stachen, hüpften durch die Pfützen, in denen winzige durchsichtige Krebse umherhuschten, und lauschten den verzerrten Echos, die die hohen Gewölbe zu ihnen zurückwarfen.
Alasar beriet sich mit den Alten und den Frauen, wo sie sich einrichten sollten. Manche von ihnen hatten Felle mitgenommen, die man auf dem Boden ausbreiten konnte. Im Nu waren Schlaflager hergestellt. Sie fanden einen schmalen Höhlenflur, der fortan ihre Speisekammer sein würde, und gleich daneben einen trockenen Platz für Fackeln, Kerzentalg und Waffen. Die Kinder beteiligten sich bald am Einrichten. Sie befestigten Fackeln an den Felswänden, füllten Eimer mit dem Wasser der Grotten, damit sie trinken und kochen konnten, und entfachten ein Lagerfeuer, um die feuchte Kälte zu vertreiben. Zuletzt begannen sie, die umliegenden Höhlen zu erkunden.
Später verließ Alasar die anderen und schlüpfte hinaus ins Freie. Der Himmel hatte sich bereits verdunkelt und violette Wolkenschlieren krochen im Norden herauf. Alasar kletterte auf die Felsen, legte sich bäuchlings hin und beobachtete mit angehaltenem Atem, wie das haradonische Heer anrückte. Es geschah alles genau so, wie er es vorausgesehen hatte. Die schwarze Woge aus klirrenden Waffen und brüllenden Männern verschlang sein Dorf.
Für eine Weile herrschte ein grauenhaftes Gewühl, wo das Dorf lag. Schreie erklangen und Feuer breitete sich aus. Etwas Ähnliches hatte Alasar schon einmal gesehen. Damals, in einem vergangenen Sommer, als vor seinen Augen Tausende und Abertausende von
Ameisen einen lebendigen Frosch bis auf die Knochen abgenagt hatten.
Dann wurde es still. Die trommelnden Schritte des Heeres ordneten sich wieder. Der flimmernde Schwarm war satt und zog weiter. Im Dorf flackerten die letzten Feuer im kalten Wind der Dämmerung und ihr Anblick und die immer leiser, immer dünner werdenden Schreie gruben sich in Alasars Gedächtnis. Unfähig aufzustehen, lag er da und beobachtete das Sterben seines Dorfes.

Tochter des Friedens

Ardhes wachte auf, als es Morgen wurde. Wie so oft, wenn sie im Dunkeln aus einem Traum schrak, setzte sie sich mit Furcht im Bett auf und starrte eine Weile durch ihr Zimmer, bis ihre Augen sich an das unruhige Licht der Fackeln gewöhnt hatten und sie sich sicher war, dass kein Ungeheuer in den schattigen Ecken lauerte. Auf einer Matte neben ihrem Himmelbett schlief Candula, ihre Amme, mit offenem Mund und schnarchte. Obwohl sie dick und rund war, hatte sie sich auf ihrer Matte klein gemacht, ja geradezu eingerollt; in den vielen Jahren als Dienerin hatte sie gelernt, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten, selbst wenn sie schlief. Nur das Schnarchen konnte sie nicht verhindern, denn sie wusste nicht, dass sie es tat, und Ardhes brachte es nie über das Herz, ihrer Amme davon zu erzählen. Wenn sie es täte, würde Candula beim Einschlafen wahrscheinlich die Luft anhalten und versuchen, nicht mehr zu atmen.
Ardhes störte es aber nicht, dass Candula Nacht für Nacht so geräuschvoll mit der Luft in ihrem Hals kämpfte, im Gegenteil; die Geräusche versicherten ihr, dass sie nicht alleine war, und das war wichtig. Zu groß war das Schloss ihrer Eltern und zu oft fühlte man sich in den steinernen Hallen und Fluren verlassen.
Eine Weile saß Ardhes reglos in ihrem Bett und beobachtete die weißen Leinenvorhänge vor ihrem Balkon, die sich leicht im Wind wiegten. Alles schien vollkommen friedlich … Ardhes grub die Zehen in die weichen Bettlaken. Sie wusste, dass dieser Frieden trügerisch war. Seit Wochen herrschte im ganzen Schloss Anspannung. Die Dienerschaft schien stiller als früher, die Soldaten machten keine derben Scherze mehr und Ardhes’ Mutter – ihre Mutter war die Merkwürdigste von allen. Natürlich wusste Ardhes auch, wieso: Es herrschte Krieg zwischen Haradon und Myrdhan, und ihre Mutter, die die Cousine des haradonischen Königs war, fand vor Sorge und einem gewissen Ehrgeiz kaum Schlaf. Wenn Haradon siegte, dann würde auch Awrahell profitieren – und wenn Haradon fiel, war Awrahell der Gnade der myrdhanischen Barbaren überlassen.
Nach kurzem Zögern beschloss Ardhes aufzustehen. Sie schlüpfte in ihre Schuhe und zog sich umständlich ihr Kleid über das Nachthemd, ohne es richtig zu schließen, denn normalerweise kleidete Candula sie an. Dann schlich sie an ihrer schlafenden Amme vorbei und hinaus auf den Balkon.
Von hier oben aus hatte man einen atemberaubenden Blick auf das Land. Bis zum Horizont, wo sich der Himmel bereits metallblau zu färben begann, erstreckten sich die felsigen Hügel und Schluchten von Awrahell. Es war eine kahle Landschaft, kaum Grün schmückte die Umgebung, und doch war Awrahell in den Augen seiner jungen Prinzessin schön und prächtig – ein Land, das aussah wie ein zu Stein gewordener Ozean im Sturm, mit tiefen Hängen und riesigen Wellenbergen … Und zugleich ein Land, das sich wie zartes, gefaltetes Papier über das Gesicht der Erde zog.
Ardhes raffte Kleid und Nachthemd zusammen und lief eine Treppe hinab. Die Stufen umschmiegten die Außenwand des großen Turms, in dem ihr Gemach lag, und führten zu einem Eingang an der östlichen Wehrmauer. Wachen standen vor dem Eingang und folgten Ardhes mit verwunderten Blicken, als sie so ungeschickt gekleidet durch das Dämmerlicht eilte.
Die Halle, in die Ardhes kam, war Treffpunkt vieler verzweigter Gänge und Treppen. Zielsicher nahm sie einen der langen Gänge, bis sie eine Treppe hinunterstieg und eine große, runde Doppeltür vor ihr erschien. Zwei Wachen öffneten ihr. Es erstaunte sie nicht, dass die Prinzessin zu dieser Uhrzeit auftauchte. Ardhes sah ihren Vater immer nur in den heimlichen Dämmerstunden, außer wenn es eine offizielle Zeremonie oder einen Empfang gab und die Anwesenheit des Königs vonnöten war, und das kam selten vor.
Ardhes betrat ein geräumiges Gemach. Obwohl das herbstliche Wetter in Awrahell warm und freundlich war, flackerte ein Feuer im Kamin und tauchte die Deckengewölbe in gespenstisches Rot. Das Himmelbett des Königs war leer. Die Decken waren unberührt, denn niemand hatte diese Nacht darin geschlafen, und auch in der vorigen Nacht nicht und in der Nacht davor – der König hatte sich nie an die Betten der Menschen gewöhnen können. Stattdessen lag er auf seinem Balkon, der sich dem Land entgegenstreckte wie die vorgeschobene Unterlippe eines Riesen. Ardhes lief hinaus. Auf dieser Seite des Schlosses sah man den nördlichen Horizont und am dunklen Firmament glommen noch die Sterne.
»Vater?« Ardhes trat vorsichtig um das weiße Fell herum, auf dem der König mit ausgebreiteten Armen lag. Er öffnete die Augen, und sein Blick fiel sofort auf seine Tochter, ohne sie erst suchen zu müssen. Es schien fast, als habe er auf sie gewartet.
»Gute Nacht und guten Morgen, kleine Ardhes-ayen.«
Ardhes blieb so vor ihm stehen, dass er sie gut sah und sie wiederum sein Lächeln betrachten konnte. »Du sollst mich nicht so nennen. Mutter will es nicht.«
Der König richtete sich auf. Sein weißes Haar goss sich über seine Schultern wie fließendes Silber, dabei war sein Gesicht jung – statt Falten umtanzten seine Augen lediglich zarte Linien. Für ein zehnjähriges Mädchen aber scheint jeder alt, der kein Kind mehr ist, und so dachte Ardhes nie darüber nach, wieso ihr Vater weißes Haar und ein junges Gesicht hatte. Außerdem kannte sie die Antwort auf seine Sonderbarkeiten sowieso schon.
»Ich darf dich nicht Ardhes-ayen nennen, meine Ardhes-ayen? Wieso nicht?« Der König runzelte die blasse Stirn. Ardhes beobachtete seinen Gesichtsausdruck sehr genau, denn er konnte sich erstaunlich verändern und schien ihren Vater in ganz verschiedene Männer zu verwandeln.
»Das weißt du«, erwiderte Ardhes. »Es ist …«
»… elfisch?« Ihr Vater lächelte. Ardhes konnte nicht sagen, ob es ein trauriges oder amüsiertes Lächeln war. Vielleicht wusste der König es selbst nicht.
Ardhes nickte.
»Nun, du bist doch selbst eine halbe Portion Elfe, san alyúren, meine Tochter. Darf ich denn nicht, wenn du schon einen Menschennamen hast, wie deine Mutter es wollte, deinen Kosenamen auf Elfisch sagen?«
Ardhes kaute eine Weile auf ihrer Unterlippe und dachte darüber nach. Dann ließ sie sich auf die Knie sinken und rutschte neben ihren Vater. Er kreuzte die Beine, um ihr Platz zu machen.
»Ich bin gerade so aufgewacht, Vater«, erzählte Ardhes, »und habe mir gedacht, diese Nacht passiert etwas. Oder ist schon was passiert.«
Der König betrachtete sie mit seinem rätselhaften Lächeln. Schließlich streckte er die Hand aus und tippte mit dem Finger auf ihre Nasenspitze. »San alyúren, danuh a yor eliam mior nahéd tâloree elyén mior …«
»Ich verstehe dich nicht.«
»Kannst du meine Sprache nicht mehr?« Die Stimme des Königs war so leise wie ein Atemzug.
»Nein.«
Der König seufzte. »Ich habe gesagt … dass so viel von mir in dir ist.«
Ardhes dachte daran, was ihre Mutter immer behauptete: dass sie überhaupt nichts mit ihrem Vater gemeinsam hätte. Und wirklich, das Gesicht, das Ardhes täglich in ihrem Spiegel sah, war dem des Königs überhaupt nicht ähnlich. Ihr Vater hatte helle Augen voller trauriger Lichter; Ardhes hatte dunkle, stille Augen, in die sich selten ein Ausdruck von Gefühl verirrte. Sie hatte blondes, farblos wirkendes Haar und eine kleine Nase, die gerade von der Stirn hinabführte. Ihr Mund war ebenfalls klein, die Lippen machten einen trotzigen Eindruck. Nein, sie sah wirklich ganz anders aus als der König, dessen Gesicht wie ein Muster von tanzenden, bewegten Sonnenstrahlen war. Selbst Ardhes’ Ohren waren vollkommen rund und zeigten keine Spur von der Gespitztheit der seinen …
»Du hast manche Dinge im Gespür, nicht wahr?«, bemerkte der König, obwohl er die Antwort natürlich kannte. »Siehst du, ein winziges bisschen hast du doch von mir und deinem Volk.«
Ardhes wollte sagen, dass er sich irrte, dass sein Volk nicht ihres war; doch sie verkniff sich die Bemerkung, die ihre Mutter so oft wiederholte, denn sie wollte hören, was der König ihr zu erzählen hatte und weswegen sie schließlich zu ihm gekommen war.
»Ich spüre es auch, kleine Ardhes-ayen.« Einige Augenblicke lang sah er zu den Sternen auf, als sei er selbst einer von ihnen gewesen und überlege nun sorgenvoll, wie er wieder dort hinaufkäme. »Sie haben gewonnen. Die Haradonen haben gewonnen in ihrem riesigen Menschenkrieg. Und sie sollen die Sieger bleiben, zumindest so lange, wie sie sich ihres Sieges ganz sicher sind. Und wenn die Jahre vergehen … Niemand wird Sieger bleiben.« Er sah Ardhes an, mit seinem wissenden, verlorenen Blick, und sie hatte wie immer keine Ahnung, ob er hoffnungsvoll oder völlig niedergeschlagen war. »Wer heute siegt, wird in Jahren verlieren, wer heute lebt, wird in Jahren tot sein, und wer heute die Welt regiert, wird in Jahren vergessen sein, als hätte es ihn nie gegeben.«
Ardhes erwiderte nichts, obwohl sie die Worte ihres Vaters verwirrten. Aber was hatte sie erwartet? Ihr Vater sprach immer in Rätseln.
Sie sah zu den Sternen auf, die fast schon im Dämmerlicht verschwunden waren, und überlegte, dass ihr Vater tatsächlich zu ihnen gehören musste – er gehörte in eine verblassende, unwirkliche Welt der Träume und nicht auf den Balkon eines Schlosses. Nicht in einen Krieg. Und schon gar nicht an die Seite einer Frau wie Königin Jale.
 
Ardhes war auf dem Weg zurück, als ihr Candula schon im Flur entgegeneilte. Die alte Amme hatte offenbar nicht einmal Zeit gehabt, ihre Haare hochzuflechten, denn sie standen um ihr pausbäckiges Gesicht ab wie Draht.
»Prinzessin«, rief sie atemlos. »Prinzessin … Ardhes! Eure Mutter die Königin will Euch in ihrem Gemach, sofort!«
Ardhes, die es gar nicht wunderte, dass ihre Mutter so früh am Tag nach ihr verlangte – zumal sie ja von ihrem Vater schon erfahren hatte, dass Haradon den Krieg gewonnen hatte -, ging gelassen an Candula vorbei in ihr Zimmer. »Aber ja, Candula, dann kleide mich an.«
Die Amme holte ein Kleid aus der Truhe am Bettende und zog Ardhes an. Sie wusch ihr das Gesicht und flocht ihr die Haare zu einem kunstvollen runden Kranz um den Hinterkopf. Dann machten sie sich auf den Weg zu den Gemächern der Königin, und Candula versuchte währenddessen, ihr eigenes Haar so gut wie möglich zu ordnen.
Die Gemächer des Königs lagen abgeschieden an der Nordseite des Schlosses, doch die Königin von Awrahell hatte sich im Mittelpunkt des Schlosses eingerichtet, und statt großer Balkone und schöner Aussichten auf das felsige Land, das sie so hasste, war es ihr wichtiger gewesen, den Empfangssälen und den königlichen Hallen nahe zu sein. Sie beanspruchte viele Gemächer für sich: zwei zum Schlafen, sieben zum Sticken, Weben und Teetrinken, vier zum Beraten und Besprechen, obwohl sie alle Beratungen und Besprechungen ohnehin in den Empfangssälen abhielt, und drei Zimmer zum Speisen. Die Magd, die nach Ardhes geschickt worden war, hatte Candula gesagt, in welchem der vielen Räume die Königin auf ihre Tochter wartete. So steuerte die Amme zielsicher eines der Schlafzimmer an. Eine Magd empfing sie schon davor und öffnete Ardhes die Tür.
Sobald sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, drehte sich die Königin um. »Ardhes!«
Ardhes neigte den Kopf. Sie verbeugte sich nicht, denn ihre Mutter hatte ihr beigebracht, dass sie sich vor niemandem tiefer zu verneigen hatte als mit einem leichten Kopfnicken. »Guten Morgen, Mutter.«
Ein Strahlen lag auf Königin Jales hagerem Gesicht. Vor vielen Jahren musste sie Ardhes sehr ähnlich gesehen haben; sie hatte denselben Mund und dasselbe spitze Kinn und ihr dickes, glanzloses Haar war von derselben Sandfarbe. Doch Königin Jale war eine verbissene Frau, die mehr hasste als liebte und sich öfter ärgerte als freute. Diese Eigenschaften hatten sich in ihren Blick geschlichen.
»Meine Liebe, komm her, komm her!« Königin Jale winkte Ardhes zu sich. Sie stand vor ihrem großen Spiegel und ließ sich von einer Magd in ihr Kleid helfen. Die Wahl ihrer Garderobe verriet ihre gute Laune: Statt der grauen und schwarzen Kleider, die sie sonst trug, wenn kein Gast ihr Schloss beehrte, hatte sie sich für ein wunderschönes grünes Samtkleid entschieden, dessen Borten blutrot waren.
»Was gibt es denn?«, fragte Ardhes.
Königin Jale betrachtete ihre Tochter einen Moment mit einem nachdenklichen, fast zärtlichen Blick. »Mein Engel, ich habe soeben von einem Boten die beste Nachricht bekommen, die du dir vorstellen kannst: Haradon …« Sie schluckte und lächelte gerührt. »Haradon hat gesiegt! Die Barbaren aus Myrdhan sind vernichtet worden. Und in ein paar Wochen wird der König von Haradon uns besuchen! König Helrodir … dein Großcousin, fast dein Onkel, mein Engelchen.«
Ardhes lächelte. Königin Jale lächelte ebenfalls, und nicht einmal die Magd, die ihr die Kleiderschnüre festzog, konnte sie wie sonst in Rage bringen.
»Soll das heißen«, fragte Ardhes, »dass jetzt auch alle Elfen in Myrdhan sterben müssen?«
»Himmel, nein!« Königin Jale blickte in den Spiegel und zupfte an ihren Haaren herum. »In Myrdhan gibt es keine Elfen. Es ist ein Königreich der Menschen – ausschließlich der Menschen. Myrdhan ist nicht so wie die Inselreiche oder die westliche Wildnis, wo es Elfenstämme gibt und Menschen, ohne dass jemand weiß, wem das Land nun gehört. Aber was du wahrscheinlich meinst, ist, was wir davon haben, dass Haradon gewonnen hat?« Sie warf Ardhes einen tadelnden Blick zu. »Benutze deinen Kopf! Dein Kopf ist das Beste, was du im Leben hast, vergiss das niemals.« Mit einem missbilligenden Schnaufen drückte sie ihre Magd weg und strich sich selbst das Kleid glatt. Dann musterte sie sich skeptisch von allen Seiten im Spiegel. »Haradon hat Myrdhan besiegt und ist nun das mächtigste Menschenreich, richtig? Und wer ist von haradonischer Herkunft? Ich, deine Mutter! Und du, weil du meine Tochter bist. Awrahell steht, deinem Großcousin sei’s gedankt, unter dem Schutz von Haradon. Wenn Haradon mächtig ist, ist Awrahell das auch. Abgesehen davon«, fügte Königin Jale in einem Ton hinzu, der Ardhes aufhorchen ließ, »ist Haradon wie gesagt ein Menschenreich … und mein Cousin fühlt sich den Menschen von Awrahell verpflichtet. Nicht den Elfen.« Wieder lächelte Königin Jale sie an. Die Magd hatte sich inzwischen mit den Schuhen der Königin niedergekniet und half ihr hinein. »Wo hast du überhaupt gesteckt? Meine Magd hat mir gesagt, dass du nicht bei deiner Amme warst.«
Ardhes ging an eines der Fenster, durch die inzwischen bleiches Tageslicht fiel, und lehnte sich hinaus. Von hier aus konnte man die beiden kleinen Städte sehen, die nahe dem Schloss lagen, und die Dörfer, die sich über die felsige Landschaft zogen wie brauner Körnerstaub. Die Städte gehörten den Menschen. Es gab hier nur wenige Dörfer, die den Elfen gehörten – sie lebten zurückgezogen in den Bergen. »Ich war bei Vater.«
Königin Jale trat laut mit ihrem Schuh auf und drehte sich um. »Wieso?« Als Ardhes ihr einen Blick zuwarf, war das Gesicht der Königin hart geworden.
»Ich … hatte so eine komische Ahnung, dass etwas geschehen ist. Wegen des Boten, der die Nachricht vom Sieg gebracht hat. Ich wollte ihn fragen, was passiert sein könnte, denn da wusste ich es ja noch nicht.«
Eine Weile musterte die Königin ihre Tochter, unentschlossen, ob sie wütend oder belustigt sein sollte. Endlich entschied sie sich für ein schnaubendes Auflachen und kam auf Ardhes zu. Ardhes nahm die Arme vom Fenstersims. »Ihn fragen, was passiert sein könnte … hah! Dieser Dummschwätzer hat doch keine Ahnung.« Dicht vor ihr blieb die Königin stehen. Sie war eine große Frau. Sie beugte sich zu Ardhes herab und nahm ihr Gesicht in die Hand. »Ich will nicht, dass du zu ihm gehst und dir Flausen in den Kopf setzen lässt. Verstanden?«
Ardhes holte tief Luft, um ihre Würde nicht zu verlieren, während ihre Mutter ihr Gesicht drückte. Sie nickte.
»Hm.« Die Königin ließ sie los. »Hat er versucht, dir irgendwelche albernen Geschichten zu erzählen? Hat er diese scheußliche Sprache gesprochen?«
»Ja.«
»Wie hast du reagiert?«
»Ich habe ihn nicht verstanden. Und ich habe ihm gesagt«, fügte Ardhes hinzu, »dass er aufhören soll.«
Die Königin wandte sich ab und trat wieder vor den Spiegel, um ihre Frisur zu richten. »Geh einfach nicht mehr zu ihm, dann musst du ihm auch nicht sagen, dass er mit seinem Gefasel aufhören soll.«
Ardhes rieb sich die Wangen, in denen die Fingernägel der Königin leichte Abdrücke hinterlassen hatten. »Mutter?«
»Ja?«
»Nun … Hasst er dich eigentlich auch?«
Königin Jale stieß ein so plötzliches Lachen aus, dass Ardhes zusammenzuckte. »Es war eine Zweckehe, mein Liebes«. Dann ließ sie die Hände sinken und drehte sich Ardhes zu. »Der König kann uns beide nicht leiden, dich und mich. Aber ich liebe dich. Du hast gar nichts von ihm.«
 
Solange Ardhes denken konnte, hatten die Leute ihr gesagt, sie sei eine Tochter des Friedens. Sie erkannte natürlich erst viel später, was die Leute damit meinten: Sie meinten, dass sie den Frieden zwischen Menschen und Elfen in Awrahell sichern würde, denn sie war eine Tochter gemischten Blutes, und eines Tages würde sie über zwei Völker herrschen und sie vereinen, so wie sie in ihr vereint waren.
Aber Ardhes wusste, dass ihr Schicksal nur scheinbar so aussah. In Wirklichkeit spielte sie eine weitaus größere Rolle für die Zukunft der Menschen und Elfen. Viele verschiedene Hoffnungen und Wünsche hatten zu ihrer Geburt geführt, doch es gab nur einen Wunsch, den Ardhes erfüllen würde. Es war der Wunsch der Menschen.
Seit Urzeiten hatten die Elfen und Menschen um Land und Macht gestritten – sie waren sich zu fremd, um in Frieden zu leben, und zu ähnlich, um sich aus dem Weg gehen zu können. Im Verlauf der Jahrhunderte hatten die Menschen zusehends an Einfluss gewonnen, während die Kräfte des Elfenvolkes schwanden. Es war schon lange her, dass alle Elfen unter einem mächtigen König gestanden hatten, und als Ardhes’ Mutter geboren wurde, war das Elfenvolk bereits in viele kleinere Königreiche, Stämme und Dörfer zersplittert gewesen.
Awrahell war ein elfisches Königreich. Die felsigen Berge und Klippen waren lange von den Menschen gemieden worden, denn der Boden eignete sich nicht für den Ackerbau. Obwohl Awrahell so unbedeutend war wie ein Stein in einem Gebirge, war es doch eines der größten Königreiche der Elfen, das noch existierte. Und wie alle Elfenreiche drohte es von den Menschen übernommen zu werden.
Seit einigen Jahrzehnten hatten sich auch Menschen in den Bergen niedergelassen, als hätte das Land nie jemand anderem gehört. Wüste Kriege brachen bald zwischen ihnen und den Elfen aus. Beide beanspruchten das Land für sich. Die Elfen wollten die Städte bewohnen, da es Städte ihres Reiches waren, obwohl die Menschen sie erbaut hatten. Und die Menschen wollten den König von Awrahell nicht anerkennen, da er ein Elf war … Dem Land drohte der Bürgerkrieg, dem elfischen Königshaus der Untergang.
Da hatte der König von Awrahell eine Idee, um sein Reich vor der Übernahme der Menschen zu sichern. Würde ein elfischer König eine Prinzessin menschlichen Blutes heiraten, würde ihr Kind, der Thronfolger, beide Völker in sich verbinden und den Menschen wie den Elfen ein Herrscher sein. So wäre Awrahell das allererste Reich, das den Menschen und den Elfen gleichermaßen gehörte.
Eine Prinzessin aus Haradon, dem Nachbarland der Menschen, wurde Königin von Awrahell und schenkte dem Kind das Leben, das den Frieden gewähren sollte. Seit ihrer Geburt war Ardhes dazu erzogen worden, einst eine wichtige Rolle in der Welt zu spielen, auch wenn Awrahell klein war.
»Denn du wirst nicht die Königin sein, die Elfen und Menschen vereint«, erklärte ihre Mutter ihr oft, wenn sie abends vor dem Kamin saßen, »sondern die Königin, die den Sieg der Menschen über die Elfen bringt!«
Die Menschen waren listig und klug. Nicht um des Friedens willen in irgendeinem bedeutungslosen Elfenreich hatte eine Prinzessin der Menschen einen Elfenkönig geheiratet. Es war ein Krieg, den die Menschen führten. Und der Feind würde in seinem eigenen Lager vergiftet.
Oft sprach ihre Mutter über Ardhes’ Schicksal und die Pflicht, die sie für die Menschheit erfüllen musste. »Eines Tages wirst du einen Menschen heiraten«, sagte Königin Jale oft mit leiser, eindringlicher Stimme. »Wenn du einen Menschen heiratest, wird Awrahell einen Menschenkönig haben, und dein Kind … dein Kind wird längst vergessen haben, dass es je elfische Ahnen hatte! So fällt das Reich uns Menschen zu, mein Engel, ganz ohne Blutvergießen.« Wenn die Königin von diesen Dingen sprach, dann lächelte sie, und ihre dunklen Augen begannen zu leuchten, so als habe sie die Kraft, ihr Leben noch hundertmal an der Seite eines Elfenkönigs zu verbringen, nur um die Zukunft den Menschen zu schenken.
Ardhes’ Vater sagte wenig zu diesen Dingen. Nur einmal hatte er Ardhes anvertraut, dass er die Menschen kannte, die die Welt einmal verändern würden. Doch er gab ihr nie ein Zeichen, dass sie damit gemeint war, und so glaubte Ardhes bald, dass er gelogen hatte.

Die Felshöhlen

Die ganze Nacht suchte man Alasar vergebens in den Höhlen. Erst als es heller wurde, kehrte er zurück und ließ sich von Magaura umarmen, die sich ohne ihn gefürchtet hatte. Sein Gesicht schien stumpf wie eine Maske.
»Was ist passiert?«, fragte ein alter Mann mit sorgenvoller Miene. »Hast du gesehen, was mit dem Dorf geschehen ist?«
Alasar vermied den Blick des Alten. Gedankenverloren sah er zu, wie Magaura sich um seinen Arm schlang und ihn so fest hielt, als könne er ihr plötzlich davonrennen.
»Ich werde zu den anderen Dörfern gehen«, erklärte er plötzlich. »Die Haradonen haben sie sicher auch überfallen und es wird Verwundete geben. Wir sollten sie herbringen, außerdem gibt es dort noch mehr Vorräte für uns.«
Da die Alten und die Schwangeren nicht gut laufen konnten, ging Alasar nur mit einer Gruppe Kinder los. Sie wanderten den ganzen Morgen durch, bis sie das nächstliegende Dorf erreichten. Still lag es vor ihnen, ein verkohltes Gerippe, genau so, wie Alasar sein Dorf das letzte Mal gesehen hatte.
Schweigend trat die Gruppe durch das Tor. Rauchsäulen stiegen aus den Trümmern. Getötete Krieger, Dorfbewohner, auch Pferde- und Drachenkadaver übersäten den Boden. Umgeknickte Fahnen flatterten. In der Glut schmolzen Helme zu schaurigen Totenköpfen.
Alasar blieb stehen und ließ die Augen über die Zerstörung wandern. »Durchsucht die Hütten. Nehmt alle Vorräte und Waffen mit, die ihr finden könnt, und bringt die Verwundeten her.«
Zögerlich begannen die Kinder, in den Trümmern zu suchen. Alasar zückte sein Messer und ging selbst in das nächste Haus. Die Wände waren vom Feuer schwarz gestrichen. Alasar stolperte über einen niedergestürzten Balken. Asche wirbelte auf und er musste husten. Seine Augen begannen zu tränen. Es dauerte einen Moment, bis er in der Dunkelheit etwas erkennen konnte.
Langsam bahnte er sich einen Weg durch die Kammern. Er hob zerbrochene Töpfe und Schüsseln auf, schob sich an umgekippten Betten vorbei und tastete mit dem Fuß den Boden ab. Schließlich fand er einen ganzen Haufen kostbares Holz, das wie durch ein Wunder vom Feuer unberührt geblieben war. Er zerrte eine halb verbrannte Decke unter einem Kessel hervor und schichtete die Holzscheite darauf auf, um sie hinauszuziehen. Er atmete Asche ein und hustete. Rasch arbeitete er weiter. Der Schweiß malte helle Streifen auf sein verrußtes Gesicht. Er war so beschäftigt, dass er nicht das leise Ächzen hörte …
Plötzlich knarrten die Bodendielen. Alasar fuhr herum. Das Herz blieb ihm stehen – nicht einmal zu einem Schrei war er fähig. Vor ihm hatte sich ein haradonischer Krieger aufgebaut. Sein Atem ging schwer und rasselnd. Blutige Rinnsale verkrusteten das Gesicht und in seinen Augen glänzte bereits der Tod. Alles ging zu schnell – mit beiden Händen hob der Haradone die Axt über Alasar. Gelähmt vor Schreck, erwartete er den Schmerz.
Die Axt kam auf ihn zu, da stieß der Krieger ein Keuchen aus, taumelte zur Seite und fiel der Länge nach zu Boden. Die Axt sauste um Haaresbreite an seinem Kopf vorbei. Endlich konnte Alasar sich wieder bewegen – er strauchelte und wich keuchend zurück. Ein langer Holzsplitter steckte dem Mann im Rücken. Japsend wie ein erstickender Fisch lag er auf dem Bauch und versuchte, seine Axt zu ergreifen.
»Alles in Ordnung?«, fragte eine zitternde Stimme. Vor Alasar stand ein Junge aus seinem Dorf.
Bevor Alasar antworten konnte, hatte der Haradone seine Axt gepackt und sich umgedreht. Alasar hob sein Messer auf und stieß es ihm bis zum Heft in den Hals. Der Krieger würgte und ließ die Axt fallen. Dann sank er zurück. Er war tot, noch bevor er die Augen schließen konnte.
Starr blickte Alasar dem toten Mann ins Gesicht. »Du hast mir das Leben gerettet«, murmelte er zerstreut und sah zu dem Jungen auf. Er war zwei oder drei Jahre jünger und hieß Rahjel. »Ich … Danke.«
Ein unsicheres Lächeln huschte über Rahjels Gesicht. Vorsichtig machte er einen Bogen um den Toten und kam auf Alasars Seite. Sie blickten sich an, verwirrt und erleichtert und entsetzt.
Schweigend zogen sie die Holzscheite aus dem Haus und auch später schwiegen sie über den haradonischen Krieger. Alasar aber vergaß es niemals, weder das Blut, das an der Klinge seines Messers trocknete, noch den Jungen Rahjel, dem er sein Leben zu verdanken hatte.
 
Die Kinder durchsuchten drei weitere Nachbardörfer und gewöhnten sich allmählich an das leise Wimmern der Sterbenden, das Klagen der Verwundeten und den Gestank des Krieges. Mechanisch durchwühlten sie die Trümmer, und als sie zur Abenddämmerung heimkehrten, zog jeder von ihnen lange Planen und Decken hinter sich her, die mit Feuerholz, Nahrung, Fellen und Waffen beladen waren. Auch die fremden Kinder, die sie zusammengekauert und versteckt in den Dörfern gefunden hatten, mussten mit anpacken und die Beute zu den Felshöhlen schleppen. Stumm hoben sie die Körbe hoch, die getragen werden mussten, und folgten Alasar.
So war er mit zwanzig Kindern gegangen und kehrte mit sechzig zurück. Als sie die Felshöhlen erreichten, hatten die anderen bereits gekocht. Es gab Hafersuppe, die mit allen Neuankömmlingen geteilt werden musste, sodass die einzelnen Portionen kaum satt machten. Die Schlaflager wurden um eine große Halle erweitert, damit die Verwundeten sich hinlegen konnten. Es mussten mehr Fackeln angezündet werden und bald erfüllte Rauchgeruch die Höhlen.
Alasar strich durch die Gewölbe ihres großen Verstecks, musterte die Verwundeten, um die sich die Schwangeren und Alten kümmerten, und erkannte, dass die meisten von ihnen nicht überleben würden.
Einige starben noch in der Nacht. Am nächsten Morgen hoben die Kinder Gräber aus, denn für die Verbrennungszeremonien war das Holz jetzt zu kostbar. Sie gaben den Toten auch keine Holzfiguren und Spielsachen mit in die Andere Welt, wie man es bei Kindern sonst machte, denn keiner wollte sich von seinem letzten Besitz trennen. Es war alles, was sie noch von der Vergangenheit hatten.
 
An den folgenden Tagen zogen Alasar und seine Gefährten aus, um weitere Dörfer abzusuchen. Alle waren von den Haradonen zerstört worden, und Alasar begann zu glauben, dass es in ganz Myrdhan kein unversehrtes Dorf mehr gab. Er versuchte, sich auszurechnen, wie viele Kinder dann heimatlos waren. Es waren bestimmt mehr als tausend, denn jeden Tag, an dem er durch die Dörfer kam, schlossen sich ihm zwanzig, dreißig oder fünfzig Kinder an.
Die Höhlen waren bald überfüllt, sodass Alasar neue Gebiete unter der Erde finden musste. Nachts, wenn alle um ihn herum schliefen und die Gewölbe vom Atmen der Kinder erfüllt waren, stand Alasar auf und zog mit einer Fackel und einer Schnur in die Finsternis, damit er sich nicht verirrte. Er prüfte, welche Teile bewohnbar waren und wo sie ihre Hallen erweitern konnten.
Eines Nachts wachte Magaura auf, die dicht an ihn gekuschelt geschlafen hatte, bevor er zu seinen Wanderungen aufbrach.
»Geh nicht!«, flüsterte sie, strich sich die Locken aus dem Gesicht und kam auf die Beine. »Wo willst du hin?«
»Ich gehe in die Höhlen.«
Da hatte Magaura seine Finger schon mit ihren Händen umschlossen. Selbst wenn er ihr gesagt hätte, er sei auf dem direkten Weg ins Lager der Haradonen, wäre sie ihm gefolgt.
Nun wanderten sie gemeinsam durch die Dunkelheit, staunend über die unentdeckten Wunderhöhlen voll glitzernder Kristallgebilde und spiegelglatter Gewässer, die noch nie zuvor ein Mensch erblickt hatte. Sie lauschten, wie der Wind in den Grotten heulte, als klagte er über die Einsamkeit, und begegneten unruhigen Schatten, versteckt in den Falten des Gesteins. Beim Anblick all dieser schaurigen Schönheit durchströmten sie Angst und Freude, und sie drückten sich an den Händen, um einander zu versichern, dass sie dasselbe fühlten. Später erinnerte Alasar sich an diese Momente als die schönsten in seinem Leben.
 
Eines Morgens hatte sich etwas verändert. Alasar fühlte es, sobald er erwachte. Er richtete sich auf, wobei er Magauras Arm behutsam beiseiteschob, und sah sich um. Die Kinder schliefen rings um ihn auf dem Boden, auf Felserhöhungen und in den Kuhlen zwischen dem Gestein. Es roch nach dem Moder, der nicht aus den Felshöhlen zu vertreiben war, und nach dem Rauch der niedergebrannten Fackeln. Alles schien wie gewohnt.
Alasar stand auf, schlüpfte in seine Stiefel und zog sich sein Wams über. Dann lief er aus der Halle. Er huschte durch die Schatten und Lichter der Fackeln, bis er mehrere Felsbrocken erreichte, die vor langer Zeit eingestürzt waren, und kletterte sie behände hinauf. Durch einen schmalen Riss blitzte ihm der Morgenhimmel entgegen.
Alasar schlüpfte durch den Riss und richtete sich auf. Er war auf den Felskuppen angekommen, die sich weit über den Grashügeln erhoben. Frost bedeckte den Boden. Er sog die Luft ein, die hier draußen so viel klarer und frischer war als unter den Felsen, und begriff endlich, was er beim Erwachen gespürt hatte: Es roch nach Schnee.
Noch immer tief atmend, wandte Alasar sich um und entdeckte etwas abseits jemanden, der auf den Felsen stand. »Rahjel!«
Der Junge drehte sich um und lächelte Alasar an, als er ihn erkannte. Eilig kam er ihm entgegen. In den letzten Wochen waren sie enge Freunde geworden. Alasar mochte den stillen Jungen, in dessen Augen so viel Wärme lag. »Was machst du hier oben?«
Alasar wandte das Gesicht wieder dem Wind entgegen. »Es wird schneien.«
Rahjel nickte. Der Wind spielte mit seinen braunen Haaren und wehte sie ihm aus der Stirn. »Ich habe es auch gemerkt. Meine Mutter sagt immer, sie könne es in den Knochen spüren, den Schnee, meine ich. Ich glaube, ich kann es jetzt auch.«
»Ich rieche es.« Alasar witterte wieder die Luft und Rahjel lachte. »Du siehst wirklich aus wie ein Wolf, wie du so schnüffelst, hat dir das schon mal jemand gesagt?«
»Vielleicht kann ich auch so beißen!« Als Alasar nach ihm schnappte, wich Rahjel zurück. Sie grinsten.
»Willst du gegen mich wetten? Deine Nase gegen meine Knochen.«
Alasar runzelte die Stirn. »Gut, ich wette, dass es heute Mittag schneit.«
Rahjel schüttelte den Kopf. »Du hast es viel zu eilig, Alasar. Du hast keine Geduld! Aber der Schnee und die Wolken lassen sich Zeit. Ich sage, es schneit erst diese Nacht, und morgen früh ist alles weiß.«
Sie gaben sich feierlich die Hände. »Um was wetten wir?«, fragte Rahjel dann. »Um unsere Abendration? Ein paar Jungs haben eine Hasenjagd veranstaltet. Ich denke, heute Abend wird es gutes Essen geben, und einer von uns kann sich gleich zweimal drüber freuen.«
Alasars Gesicht hatte sich versteinert. »Wer hat eine Hasenjagd veranstaltet? Wir haben noch genug Vorräte und die Haradonen sind überall!«
Rahjel lächelte unsicher. »Na ja … du hast recht. Aber wenn ich dir verrate, wer es war, wirst du nur mit ihnen böse sein, obwohl sie doch nicht mit Absicht etwas falsch gemacht haben.«
Alasar musste über Rahjels Worte nachdenken und blickte wieder ins weite Land hinaus. »Abgemacht, es geht um unser Abendessen.«
 
An diesem Abend stellte Alasar sich auf den höchsten Vorsprung der Schlafhalle. »Hört mich an!« Seine Stimme wurde von der hohen Decke zurückgeworfen, sodass er weitaus lauter und durchdringender klang als sonst. Die Kinder sammelten sich neugierig unter ihm.
»Es ist gefährlich, die Höhlen zu verlassen. Wir könnten von Haradonen entdeckt werden. Von nun an muss jeder bei mir um Erlaubnis bitten, bevor er ins Freie geht. Wer einmal gegen das Gesetz verstößt, bekommt einen Tag lang kein Essen. Wer ein zweites Mal gegen das Gesetz verstößt, ist eine Gefahr für uns alle und wird verbannt!«
Die Kinder begannen, wild durcheinanderzureden, und wütende Rufe wurden laut, während Alasar den Felsen wieder hinabkletterte. Als er auf den Boden sprang, fasste ihn ein alter Mann am Arm. Tief beugte er sich über ihn. »Meinst du nicht, dass du ein wenig zu streng bist?« Der Blick des Alten suchte eine Antwort in Alasars Augen, doch er fand nichts außer einem erbosten Glühen.
»Versuch doch, hochzuklettern, um dein Wort gegen meins zu erheben, wenn deine Knochen es zulassen!«, zischte Alasar zurück und riss sich los. Der Alte blickte ihm verdutzt nach.
 
Rahjel behielt recht. Kurz bevor das Essen von den Frauen ausgeteilt wurde, stiegen er und Alasar noch einmal zu dem Riss im Fels hinauf. Sie mussten nicht lange warten, da fing es an zu schneien; erst in kleinen, nassen Flöckchen, dann immer stärker, bis es aussah, als würden Tausende und Abertausende Daunenfedern aus dem Himmelschwarz schweben. Rahjel lächelte zufrieden. »Siehst du, Alasar? Manche Dinge brauchen ihre Zeit.«
Alasar blickte in die Dunkelheit. Er war sich selten der Stille so bewusst gewesen wie jetzt, und es kam ihm vor, als sei die ganze Welt verstummt.
»Du hast heute eine gute Regel aufgestellt«, sagte Rahjel plötzlich. »Eine strenge Regel … aber eine gute. Die anderen fühlen sich bei dir sicher, weißt du. Du kannst Menschen dazu bringen, dir zu glauben.«
Alasar nickte gedankenverloren. Dann änderte sich sein Blick und seine Hände schlossen sich unbemerkt zu Fäusten. »Weißt du, wie weit uns das bringen kann – wenn die Menschen an mich glauben und du ein Gespür dafür hast, was geschehen wird?«
Rahjel verzog den Mund zu einem verwunderten Lächeln. »Weit bringen? Was meinst du damit …«
Alasar sah wieder in die Dunkelheit, heimlich enttäuscht, dass Rahjel ihn nicht verstand und nicht wie er an Rache gedacht hatte.
Seit dem Tag, an dem er die Kinder in die Höhlen geführt hatte, war der Wunsch nach Vergeltung in ihm gewachsen. Er erfüllte sein Denken, wenn er nachts wach lag. Er bedrängte ihn, wenn er tagsüber die anderen beobachtete, die denselben Funken in sich trugen wie er, den man bei ihnen nur entzünden musste, um den Zorn in Hunderten Herzen aufleben zu lassen.
Alasar fühlte sich einsam, als Rahjel seine Bemerkung nicht verstand, die doch seine geheimsten Gedanken preisgab. Und er erkannte umso deutlicher, dass er niemandem trauen konnte. Nein, er würde, wenn es so weit war, ganz alleine tun, was getan werden musste.

Der König von Haradon

Ardhes!« Candula kam schwer schnaufend über die Felsen geklettert. »Ardhes!« Ardhes stand auf und drehte sich um. Der frische Wind, der hier draußen wehte, ließ Candulas Rock aufflattern, und die alte Amme schlug erschrocken die Hände auf den Stoff. »O ihr Götter! Ardhes, kommt … zurück! Hier draußen … brecht Ihr Euch noch das … Genick!«
Ardhes drehte gelassen einen flachen Stein in den Fingern. Sie war oft draußen vor dem Schloss und konnte so flink und geschickt klettern wie die Bergziegen. Was sich von Candula nicht gerade behaupten ließ. Sie bewegte sich mehr wie ein dicker alter Bär. »Was willst du denn, Candula?«
Candula stützte sich mit einer Hand an den Felsen ab, als könne der Wind sie von den Füßen reißen. Dabei wog sie viel zu viel, um diese Angst zu hegen. »Der König von Haradon! Er kommt! Eure Mutter die Königin ist rasend, weil Ihr den ganzen Vormittag verschwunden wart!«
Ardhes warf den Stein weg und sprang geschickt über die Felsen hinweg zu ihrer Amme. »Ich weiß längst, dass die Haradonen kommen. Ich habe sie von hier aus beobachtet. Da sind sie, siehst du, Candula?« Candula kniff die Augen zusammen und spähte in die Richtung, in die Ardhes wies. Klein und fast nicht zu erkennen, zogen der König und sein Gefolge in der Ferne über eine Steinbrücke.
»Ja, und – Ihr steht einfach da und guckt, wie sie kommen?«, empörte sich Candula gerade so laut, wie sie es wagte. »In einer Stunde sind sie hier angekommen! Sie reiten auf Pferden und Drachen.«
Ardhes seufzte und ging an Candula vorbei. »Na gut, dann komm jetzt.«
Nach einem Moment riss Candula sich vom Anblick des näher rückenden Heerzuges los und folgte ihrer Herrin mit unsicheren, ängstlichen Schritten. Sie erreichten das Schlosstor, gingen unter dem offenen Fallgitter hindurch und überquerten den Hof. Soldaten zogen sich ihre Uniformen zurecht, Stallburschen striegelten ihre Pferde und Mägde kehrten das letzte Heu vom Boden auf.
Candula nahm, wie von der Geschäftigkeit angesteckt, Ardhes an der Hand und führte sie in ihr Schlafgemach. Ein ockerfarbenes Kleid mit Goldstickereien und Futter in Tannengrün lag auf dem Bett. »Damit seht Ihr aus wie eine Porzellanpuppe, so fein und blass«, versprach Candula mit fröhlichen Augen und half Ardhes aus ihrem Kleid. Als Ardhes umgezogen war, flocht Candula ihr die Haare zu einem kunstvollen Kranz, der auf ihrem Kopf saß wie eine Krone. Das Ganze dauerte beinahe eine Stunde.
»Nun aber rasch«, sagte die Amme und schob sie sanft auf die Tür zu. »Die Königin erwartet Euch bereits.«
Candula begleitete Ardhes durch die Flure des Schlosses, bis sie die Empfangshalle erreichten, die über eine weite Treppe direkt mit dem Hof verbunden war. Der dunkle Steinboden war auf Hochglanz poliert, und neben dem Wappen von Awrahell, das über der Thronempore hing, schmückte das gelbe Löwenwappen von Haradon die Wand.
Die Königin stand vor der Empore und begutachtete ihre Zofen, die sich in einer Reihe aufgestellt hatten. »Was soll das sein?«, fragte sie streng und riss ungeduldig am Kleid einer Zofe. »Willst du wie eine Hure aussehen, wenn der König von Haradon kommt? Zieh dir gefälligst das Kleid hoch oder wirf dir ein Tuch über!«
Die Zofe tat, wie ihr geheißen, und machte einen Knicks. Ardhes musterte Königin Jale. Sie trug ein prachtvolles karmesinrotes Kleid mit gelben Stickereien, das gewiss nicht züchtiger war als das der Zofe. Dazu war ihr Haar aufgesteckt und eine schmale goldene Krone glänzte auf ihrer Stirn.
»Mutter«, sagte Ardhes.
Königin Jale musterte sie aufmerksam und kam schließlich auf sie zu. »Endlich! Hast du dich noch waschen lassen? Zeig deine Hände!« Bevor Ardhes gehorchen konnte, hatte ihre Mutter bereits ihre Hände genommen und drehte sie nach oben und nach unten. Als sie einen kleinen Kratzer entdeckte, den Ardhes sich vor einigen Tagen draußen bei den Felsen geholt hatte, schabte sie die Kruste ab. »Au!«
»Reiß dich zusammen, Liebes.« Ihre Mutter ließ ihre Hände wieder los und streichelte ihr Gesicht. »Komm, der König wird gleich eintreffen.« Damit zog sie Ardhes die Empore hinauf. Drei Stühle standen bereit – zwei große mit Lehnen aus Eichenholz und ein kleinerer Hocker.
»Und vergiss nicht, mein Herz, wenn der König eintrifft, stehst du auf und machst einen Knicks, aber nur einen sehr kleinen, und achte darauf, den Kopf nicht zu tief zu neigen.« Sie hatten die Stühle erreicht und Königin Jale drückte Ardhes sanft auf den Hocker. »Zeig mir, wie du aufstehst und deinen Großcousin begrüßt, mein Engel.« Ardhes gehorchte. Sie erhob sich, machte einen sehr kleinen Knicks und neigte den Kopf nur leicht.
»Wunderschön«, lobte Königin Jale. »Aber starr ihn nicht so an, wie du mich jetzt anstarrst, er soll nicht denken, dass du eine Kuh bist, oder? Halte den Blick ein wenig gesenkt. Und platze nicht mit irgendwelchen Fragen heraus, hast du verstanden? Königen fällt man nicht ins Wort. Wenn du etwas gefragt wirst, antworte höflich und kurz und erzähl keine langen Kindergeschichten, die erwachsene Leute langweilen, ja?« Ardhes musste darauf nichts erwidern. Sie erzählte nie irgendwelche Geschichten und würde gewiss nicht aus heiterem Himmel damit anfangen.
Königin Jale drehte sich einmal im Kreis und betrachtete die Halle unter ihr. »Ach, wo bleibt denn nur dieser … – Valja, sieh nach, wo der König steckt!«, rief sie einer ihrer Zofen zu.
Die junge Frau zögerte. »Welchen König meint Ihr, Herrin?« »Welchen wohl, meinen Gatten, du Gans!«, fauchte Jale. Die Zofe machte einen Knicks und verschwand.
»Mutter?«, fragte Ardhes. »Bringt der König von Haradon denn seine Familie mit? Er hat doch zwei Töchter, die nur ein bisschen älter sind als ich.«
Ein Zucken ging um den Mund der Königin, als sie Ardhes anlächelte. »Nein, Schatz, seine Familie ist nicht dabei. Du hast wohl vergessen, dass er aus dem Krieg kommt!« Ardhes fuhr bei dem scharfen Tonfall der Königin zusammen und beschloss ab jetzt zu schweigen. Während ihre Mutter unruhig auf der Empore auf und ab ging und abwechselnd ihren Zofen Befehle und Beschimpfungen zurief, saß sie wartend auf ihrem Hocker.
Dann erschien ihr Vater aus einem Seitengang. Königin Jale setzte das Lächeln auf, das sie in Gegenwart ihres Gatten immer zur Schau trug, und stützte eine Hand auf die Hüfte.
»Octaris. Wie freundlich von dir, uns mit deiner Anwesenheit zu beehren.« Irgendetwas in Jales Stimme widersprach ihren schmeichelnden Worten, fand Ardhes. König Octaris stieg mit gleichmütiger Miene die Stufen zur Empore hinauf. Auch wenn sein Auftritt wirkte, als schere er sich nicht um den bevorstehenden Empfang, strafte seine Garderobe ihn Lügen: Er trug ein feines, hellblaues Wams und einen kurzen Umhang mit aufwendigen Silberstickereien, die gut zu seinem offenen Haar passten. Königin Jale stieß ein amüsiertes Schnauben aus, als sie bemerkte, dass er keine Krone trug, sondern lediglich ein dünnes Flechtband.
»Du siehst gut aus, Jale«, bemerkte er mit einem undurchschaubaren Lächeln. »So hergerichtet habe ich dich selten zu Gesicht bekommen.«
»Nun.« Jale kämpfte gegen die kleine Zornesfalte zwischen ihren Augenbrauen an und glättete mit den Händen eine Falte in ihrem Kleid. Verglichen mit dem König, wirkte sie so impulsiv, als könne man ihre Gedanken in ihren Augen ablesen. Vielleicht konnte Octaris es sogar und lächelte aus diesem Grund.
»Willst du Platz nehmen? Der König von Haradon muss jede Minute hier eintreffen.«
König Octaris trat sehr nah an ihr vorbei, setzte sich aber nicht, sondern ging vor Ardhes in die Hocke. »Hallo, meine Ardhes-ayen.«
Ardhes warf ihrer Mutter einen hilflosen Blick zu, die sie wütend anfunkelte.