Das Eiland der Toten - Walther Kabel - E-Book

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Walther Kabel

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Beschreibung

Über und über flimmerte das ausgestirnte Firmament in all seiner stillen, erhabenen Pracht …
Um uns her war das Schweigen der Wüste …
Nur aus weiter Ferne drangen zuweilen heisere, kläffende Töne, vom sanften Nachtwind bis zu unserem Lagerplatz geleitet, wie häßliche Geisterstimmen herüber …
Von dorther, wo Harald nachmittags am Rande des ausgetrockneten Flußbettes den stämmigen Samba-Hirsch mit sicherer Büchsenkugel niedergestreckt hatte, dessen eine Keule nun kunstgerecht am Spieß über dem Feuer schmorte, häufig gedreht von Doktor Amalgis kundiger Hand …

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Der Detektiv

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

Band 184

Das Eiland der Toten

© 2023 Librorium Editions

ISBN : 9782383839163

 

 

Inhalt

Das Eiland der Toten

Der Thar-Trapper.

Der Cholerafriedhof.

Einer von den Eingeweihten.

Der Steinwall.

Im Afghanendorf.

Auf dem See des Schweigens

Die Kamelreiterstation.

Die unsichtbare Insel.

Flucht.

Auf der Insel.

Das große Grab.

Das Eiland der Toten

1. Kapitel.

Der Thar-Trapper1.

Über und über flimmerte das ausgestirnte Firmament in all seiner stillen, erhabenen Pracht …

Um uns her war das Schweigen der Wüste …

Nur aus weiter Ferne drangen zuweilen heisere, kläffende Töne, vom sanften Nachtwind bis zu unserem Lagerplatz geleitet, wie häßliche Geisterstimmen herüber …

Von dorther, wo Harald nachmittags am Rande des ausgetrockneten Flußbettes den stämmigen Sambar2-Hirsch mit sicherer Büchsenkugel niedergestreckt hatte, dessen eine Keule nun kunstgerecht am Spieß über dem Feuer schmorte, häufig gedreht von Doktor Amalgis kundiger Hand …

Wir lagen auf unseren Decken um das knisternde Feuer herum … Wir waren vorgestern abend zu fünfen von der Stadt Amber am Südostrande der indischen Thar-Wüste3 hoch zu Dromedar und mit zwei Lastkamelen aufgebrochen, um in kürzester Zeit den Großen Salzsee zu erreichen, in dessen Mitte sich einige kahle, felsige, zerklüftete Inselchen erheben, von denen die eine das Geheimnis barg, dessenwegen Miß Honoria Goord zwölf Jahre im Kerker geschmachtet hatte, wie ich bereits im vorigen Bande angedeutet habe.

Außer Harald, Doktor Amalgi und mir zählten zu unseren Gefährten noch Miß Goord und Amalgis Diener Hubert Enoch, ein buckliges Männchen mit dünnem Bart- und Kopfhaar und einem verwitterten, einem verschrumpelten Bratapfel nicht unähnlichen Gesicht.

Amalgi hatte mit seiner Hirschkeule genügend zu tun. Harald rauchte bereits in tiefem Sinnen die fünfte Mirakulum, und Miß Goord, die in ihrem Herrensportanzug und mit dem sonngebräunten, früh gealterten Antlitz vollkommen einem schlanken, sehnigen Manne glich, ließ in zerstreutem Spiel den feinen, gelblichen Wüstensand immer wieder durch die Finger gleiten und beobachtete ebenso zerstreut den alten Hubert, der einen Sattelriemen flickte.

Ich selbst äugte bald hierhin, bald dorthin in die Wüste hinaus. Unser Lagerplatz befand sich inmitten einer Menge von Felsen, die sich nach Süden zu im Halbkreise öffneten und uns nicht nur den Vorteil einer Rückendeckung, sondern auch die Annehmlichkeit einer kleinen Quelle boten, deren Wasser freilich schon nach wenigen Metern im Sande versickerte. Immerhin genügte diese Bodenfeuchtigkeit, hier in diesem Halbrund von Felsen Sträucher, Büsche, und Gras in frischer Üppigkeit hervorschießen zu lassen, so daß auch unsere sieben Dromedare sich nach Herzenslust stärken konnten.

Mit einem Male brach Harald das bisherige Schweigen und wandte sich an Miß Goord …

»Da Amalgi nicht zum Reden zu bewegen ist, Miß Goord,« sagte er mit leichter Gereiztheit im Ton, »könnten Sie uns jetzt schildern, wie und was Sie auf der Insel im Salzsee vorfanden …«

Amalgi rief sofort: »Miß Goord, lassen Sie sich nicht durch Harst dazu bewegen, ihm, seinem Freunde Schraut und meinem alten Hubert die Überraschung zu vereiteln, die das Geheimnis der kleinen Insel jedem bietet … Mag Harst doch mit eigenen Augen sich überzeugen, wie schlau der Radscha Gadwuri von Jaisulmir die Goldader oder besser den Zugang zu ihr für jeden Blick verborgen hat …! Mag Harst doch der geringen Mühe sich unterziehen, die richtige Insel und den Eingang zu den Grotten selbst herauszusuchen … — Nicht wahr, bester Harst, — es hieße Sie doch geradezu einer Gelegenheit, Ihren Spürsinn aufs neue zu beweisen, leichtfertig berauben, wenn …«

Harst fiel ihm hier ins Wort …

»Das alles haben Sie schon einmal erklärt, Doktor … Genau wie ich Ihnen darauf erwidert habe, daß Umstände eintreten könnten, die es ratsam erscheinen lassen, wenn Hubert, Schraut und ich nicht erst nach der Insel und den Grotten umständlich zu suchen brauchen …«

»Umstände?! Welche?!« meinte Amalgi achselzuckend. »Wir haben hier in der Thar zu fünfen und tadellos bewaffnet, nichts zu fürchten, und …«

»Gestatten Sie, Doktor,« sagte Harald da mit einer sehr energischen Handbewegung, »— Sie sind nicht ganz im Bilde …!« Seine Hand reckte sich nach Südost, wo im Dämmerschein der Tropennacht etwa tausend Meter entfernt aus der flachen Sandtenne der Thar der Dschebel Hammak herauswuchs, jenes ungeheure Felsmassiv, in dessem hohlen Innern die Tochter des Radscha Gadwuri als von den Behörden mit allem Eifer gesuchten Flüchtling mit wenigen Getreuen längere Zeit gehaust hatte und wo diese für eine Inderin berückend schöne Frau ihre Liebhaber und auch Miß Honoria Goord eingekerkert gehalten hatte …

Wie die Rani Arowa, diese vertriebene Fürstin von Jaisulmir, im Innern des Dschebel Hammak infolge übergroßen Schreckes tot umgesunken, ist meinen Lesern und Freunden aus dem vorigen Bande bekannt. Wir hatten die junge, gewissenlose Fürstin, der man mit Recht den Namen einer Semiramis der Thar beigelegt hatte, im Dschebel Hammak begraben, bevor wir mit den Befreiten nach Amber aufgebrochen. Als wir dann heute beim Abendgrauen den Felskoloß erreicht hatten, war Harald allein in das Innere dieses seltsamen Felsgebildes eingedrungen und erst nach anderthalb Stunden wieder zu uns gestoßen. Als Amalgi ihn dann gefragt hatte, ob er im Dschebel Hammak alles in Ordnung gefunden, war seine Antwort gewesen:

»Ja — alles in Ordnung …!«

Und damit war das Thema scheinbar erledigt.

Nun aber fügte er nach kurzer Pause hinzu:

»Nicht ganz im Bilde, Doktor … Wenn ich vor zwei Stunden Ihnen antwortete, es sei im Dschebel … alles in Ordnung, so hieß das nur, daß ich dort alles so vorgefunden habe, wie ich’s erwartet hatte …«

Wir schauten Harst neugierig an …

Wir ahnten ja, daß das, was er uns jetzt mitteilen würde, nur etwas Unangenehmes sein könnte …

Und ich, der ja schließlich durch meinen langjährigen Verkehr mit Harald ein wenig von ihm gelernt hat, rief hastig:

»Die … Leiche der Rani Arowa ist verschwunden!«

Er nickte ernst …

»Ja … — Äußerlich war das Grab unberührt. Aber bei genauerem Hinsehen merkte ich, daß die Felsplatte, die wir über das Grab gelegt hatten, nicht mehr in derselben Richtung mit dem spitzen Ende lag. Ich hob sie empor, schaufelte mit den Händen den losen Sand weg und stieß … auf eine Leiche, die in die Gewänder der Rani gehüllt war. Es war jedoch einer der erschossenen Diener der Fürstin, die wir nebenbei in eine gemeinsame Gruft gelegt hatten. Hätte ich mich nicht der Mühe unterzogen und das Gesicht gleichfalls freigemacht, würde ich mich haben täuschen lassen …«

Miß Goord sagte da achselzuckend:

»Was tut’s, wenn ein paar der ehemaligen Untertanen der Fürstin die Tote mit sich genommen haben!«

Harald warf ihr einen eigentümlichen Blick zu … Bevor er jedoch noch etwas erwidern konnte, meinte Doktor Georg Amalgi mit Nachdruck:

»Ich glaube Harsts weitere Gedanken zu erraten … Und wenn das zutrifft, was ich nun ebenfalls vermute, dann …«

Schwieg plötzlich …

Hinter den Büschen hervor eine fremde Stimme — in tadellosem Englisch:

»Gestatten Sie, daß ich nähertrete …?«

Unsere Köpfe fuhren herum …

Wir sahen nur den Oberkörper eines blondbärtigen Mannes, der einen jener breitrandigen Lederhüte trug, wie die Tharhirten sie noch als Sonnenschutz über ihren leichten Turbanen zu tragen pflegen …

»Bitte — Sie sind uns willkommen,« erklärte Harald …

Worauf der Mann um die Sträucher herumkam und sich uns in seiner ganzen verblüffenden Länge und Magerkeit repräsentierte.

Wenn wir hier nicht in Indien gewesen wären, hätte ich und jeder andere bestimmt geglaubt, dieser Fremde sei einer jener nordamerikanischen Trapper, die sich ihre Kleidung aus gegerbten Hirschhäuten selbst herstellten …

Tatsache: dieser John Wiscont, wie er sich nannte, war ganz in Leder gekleidet, trug Jagdtasche, einläufige Büchse, Rucksack, Revolver, langes Messer in Lederscheide — — kurz: er war wirklich Jäger und verdiente sich seinen Lebensunterhalt dadurch, daß er die Tharhirten mit Fleisch versorgte …