Das erste Mal lieben - Das erste Mal streiten - Katja Reider - E-Book

Das erste Mal lieben - Das erste Mal streiten E-Book

Katja Reider

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Beschreibung

Viel hat sich geändert, seitdem Marie und Daniel das erste Mal miteinander geschlafen haben. Während Marie die absolute Nähe fordert, sehnt Daniel sich nach ein wenig Freiheit. Sosehr er Marie liebt, ihre Liebe erdrückt ihn. Er betrügt sie, und auch wenn er diesen Schritt bereut, kann Marie ihm nicht sofort verzeihen. Zu tief hat Daniel sie verletzt.

Als sich Marie und Daniel vor einem Jahr das erste Mal näher kamen, war es für beide eine Explosion der Gefühle. Seitdem sind die beiden ein Paar. Ein unzertrennliches, wenn es nach Marie ginge. Daniel hingegen hätte es gern etwas lockerer. Obwohl er Marie sehr liebt, fühlt er sich manchmal eingeengt. Dann tritt die ältere und erfahrenere Paula in Daniels Leben, und vom ersten Augenblick an ist er fasziniert von ihr. Marie bleibt das nicht verborgen, verzweifelt kämpft sie gegen ihre Eifersucht und dagegen, Daniel zu verlieren. Doch Daniel erliegt Paulas Reizen und betrügt Marie. – Wie wird Marie reagieren, wenn sie davon erfährt? Wird es das Ende der Beziehung zwischen Marie und Daniel sein?

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Seitenzahl: 230

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DIE AUTOREN

Katja Reider arbeitete als Pressesprecherin eines großen Jugendwettbewerbs, bevor sie zu schreiben begann. Sie lebt mit ihrer Familie in Hamburg. Mehr zu Katja Reider unter: www.KatjaReider.de

Constantin Kilian lebt als Autor und Regisseur in München. Neben Drehbüchern fürs Fernsehen schrieb er Romane und zwei Theaterstücke. Er hat einen sechzehnjährigen Sohn.

Von Katja Reider und Constantin Kilian ist bereits bei cbt erschienen:

Das erste Mal lieben

Inhaltsverzeichnis

DIE AUTORENKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Copyright

cbt – C. Bertelsmann Taschenbuch Der Taschenbuchverlag für Jugendliche Verlagsgruppe Random House

www.cbj-verlag.de

1

Was denkst du gerade?«

Kaum habe ich die berüchtigten vier Worte ausgesprochen, möchte ich sie schon zurücknehmen. Ich beiße mir auf die Lippen, weiß doch genau, dass Daniel diese Frage einfach nur ätzend findet. Garantierter Stimmungskiller. Dabei war’s bis eben so schön hier auf »unserer« Bank unter der Weide, sein Kopf in meinem Schoß, leichten Wind im Haar, die ersten warmen Sonnenstrahlen im Gesicht. Aber ich hab es mal wieder vermasselt…

Daniel richtet sich auf, blinzelt in die Sonne. »Was hast du gesagt?«

»Ich hab dich gefragt, was du gerade denkst.«

In der Wiederholung klingt es noch bescheuerter.

Daniel kratzt sich am Kopf. »Weiß nicht, ach doch: Ich hab überlegt, ob ich Toms Verstärker mal an meiner Anlage teste. Wär vielleicht gar nicht schlecht. Was meinst du?«

» Hmm.«

Was soll ich dazu sagen? Jungs denken stundenlang über irgendwelche Sachen nach, an die Mädchen keinen Gedanken verschwenden würden. Wenn sie aussehen, als grübelten sie über die Zukunft der Menschheit nach, überlegen sie meistens, wo eigentlich ihre alten Fußballschuhe geblieben sind oder ob sie sich die neue CD von Eminem kaufen sollten… Echt, das sind einfach zwei Welten! Dabei ist Daniel eigentlich nicht so. Er versteht meistens sehr gut, was in mir vorgeht, macht nicht gleich zu, wenn Gefühle im Spiel sind. Diese Sensibilität hat mir vom ersten Moment an ihm gefallen, damals, als er nach den Sommerferien zusammen mit Tom und Bill neu in unsere Klasse kam. War nur eine Frage der Zeit, bis ich Robert, den unendlich vernünftigen Robert, in die Wüste geschickt habe. Und dann… Ich lächele unwillkürlich vor mich hin.

Daniel gibt mir einen Nasenstups. »Was grinst du so?«

Ich drehe meinen Kopf weg. »Ich grinse nicht, ich lächele – das ist ein feiner Unterschied. Hab gerade an unseren ersten Kuss gedacht, damals im Schwimmbad, als du noch eine Gänsehaut gekriegt hast, wenn ich dich berührt habe.«

Daniel grinst. »Kriege ich doch heute auch noch.«

»Ja, aber nur, wenn’s zehn Grad unter Null sind.«

»Blödsinn.« Daniel greift nach mir, zieht mich so dicht zu sich heran, dass mir fast die Luft wegbleibt. »Ich find’s immer noch super mit uns.«

Wir schauen uns in die Augen. Ganz tief, ganz offen. Einer dieser Momente, die ich am liebsten tütenweise einfrieren möchte, um mich in schlechteren Zeiten dran zu wärmen.

»Ich hab dich lieb«, sage ich leise.

Als Antwort küsst er mich, heftig und intensiv. Seine Hände gleiten meinen Rücken herunter, umfassen meine Hüften. Mein Körper reagiert sofort, drängt sich wie von selbst an ihn heran, schon wird mir weich und wattig im Bauch, schon spüre ich das vertraute angenehme Ziehen im Unterleib.

Daniels Hand ist unter meine dicke Jacke geschlüpft, versucht, das Shirt aus meiner Hose zu ziehen.

Ich grinse. »Geht nicht, das ist ein Body.«

»Scheiße, immer diese komplizierten Klamotten.«

Ich schmiege mich in seinen Arm. »Hier draußen hätten wir doch sowieso nicht rummachen können.«

»Wieso denn nicht?« Daniel hat sein Tabakpäckchen aus seiner Jacke gezogen und fängt an, eine Zigarette zu drehen. »Hier kommt doch sowieso kein Schwein vorbei. «

Ich rücke meine Klamotten zurecht. »Das kann man nie wissen. Die Leute sind doch heilfroh, dass nach diesem ewig langen Winter endlich der Frühling kommt, und rennen gleich nach draußen.«

Daniel hat sich seine Zigarette angezündet, nimmt den ersten tiefen Zug. »Ja, endlich kann man wieder raus, ohne sich den Arsch abzufrieren. Immer nur drinnen rumhocken nervt doch langsam.«

Ich fühle einen Stich, bemühe mich aber, meiner Stimme einen beiläufigen Klang zu geben. »Wieso, wir hatten es doch sehr gemütlich, oder etwa nicht…?«

Fast jeden Nachmittag dieses langen Winters haben wir bei Daniel zu Hause verbracht. Sein Vater ist Regisseur an unserem kleinen Stadttheater und war meistens bis in den Abend hinein bei Proben. So hatten wir die ganze Wohnung für uns, haben stundenlang Musik gehört, geredet, geträumt – und uns geliebt, bis wir wunde Lippen hatten. Und diese wunderbare, kuschelige Zweisamkeit »nervt ihn langsam«?

Der Aprilwind fährt mir durch die Jacke, ich fröstele, bin wohl doch zu dünn angezogen.

»Was ist denn los?«, fragt Daniel. Anscheinend hat er meinen Stimmungsumschwung bemerkt.

Ich starre aufs Wasser, als wären die dümpelnden Enten superinteressant. Vier Monate sind wir jetzt zusammen. Daniel und Marie. Marie und Daniel. Auch wenn’s blöd klingt: Für mich waren das die bisher schönsten Monate meines Lebens, kann mich nicht erinnern, jemals so glücklich gewesen zu sein. Daniel war der Erste, mit dem ich geschlafen habe. Ich glaube, wir haben uns ziemlich dämlich angestellt am Anfang, waren einfach total unsicher. Sexuell war das erste Mal wirklich nicht der Hit. Aber wir waren beide froh und irgendwie auch ein bisschen stolz, dass wir es »erfolgreich« hinter uns gebracht hatten. Inzwischen ist es total schön…

»Musst du wirklich schon los?« Zärtlich legt Daniel seine Hand an meine Wange, sieht ein bisschen schuldbewusst aus. Er ist ja schließlich kein Idiot. Sicher weiß er, dass mich seine Bemerkung gekränkt hat. Aber er spricht es nicht an und ich tue es auch nicht. Da käme ich mir echt zu blöd vor. Überhaupt wollte ich doch endlich aufhören, jedes seiner Worte auf die Goldwaage zu legen. Das gehörte zu meinen guten Vorsätzen fürs neue Jahr. Hat aber leider genauso wenig geklappt wie der Vorsatz, mindestens zweimal die Woche joggen zu gehen…

Marie ist nun doch noch neben mir sitzen geblieben. Ich streichle ein wenig über ihre Wange. Dicht aneinander gekuschelt sitzen wir auf der Bank und lassen unsere Blicke über den kleinen, ruhigen See wandern.

Überall blüht und sprießt es, es ist ein herrliches Gefühl, endlich diesen muffigen Winter aus den Gliedern zu schütteln und etwas Neues anzugehen. Mein Arm liegt um ihre Schulter, mit der anderen Hand vergewissere ich mich der zwei Eintrittskarten in meiner Hosentasche. Marie wird Augen machen. Ich will sie damit überraschen. Aber für so was muss man den richtigen Augenblick abwarten.

Ich weiß gar nicht, warum sie gerade wieder so schnell eingeschnappt war. Muss irgendwas Falsches gesagt haben. Manchmal sage ich etwas dahin, ohne lange zu überlegen, und gleich wird einem das Wort im Mund umgedreht. Alles bezieht Marie persönlich auf sich, und dann muss ich ihr erklären, dass es gar nicht so gemeint war, und schon ist der Wurm drin. Also diese Pedanterie geht mir ganz schön auf den Nerv. Krumm genommen hat sie vielleicht den Satz mit dem »immer drinnen hocken nervt doch langsam«. Der war aber überhaupt nicht persönlich gemeint. Sei’s drum, ich bin es leid, mir jeden Satz vorher dreimal zu überlegen.

»Schau mal, die Ente da, die landet gleich…«, sage ich und deute nach oben.

Marie folgt meinem Blick. Und tatsächlich, zwei Sekunden später setzt die Ente nur ein paar Meter von uns entfernt im Wasser auf und landet dicht neben einer anderen Ente. Die zwei Enten beschnabeln sich freundlich, es scheint ein Pärchen zu sein.

»Wusstest du, dass Enten ein Leben lang beim selben Partner bleiben und sich treu sind?«, fragt Marie.

Ich schüttele den Kopf. Finde aber auch, dass Enten ziemlich doofe Viecher sind. Innerlich muss ich über meinen Gedankenschluss kichern, halte mich aber lieber zurück, sonst fragt sie mich wieder, was ich gerade denke.

Ich linse zu ihr hinüber, aber Marie hat die Augen geschlossen, lässt die Sonnenstrahlen ihr Gesicht wärmen. So kann ich sie in Ruhe betrachten. Ich bin immer noch verliebt in ihr schönes Profil mit den leicht vorstehenden Wangenknochen, ihrer schmalen, geraden Nase und den schön geschwungenen Lippen.

An ihrem sechzehnten Geburtstag hat Marie zum ersten Mal mit mir geschlafen, oder besser gesagt, an diesem Tag hat sie sich mir »geschenkt«. Ich meine, das klingt doof altmodisch, aber genau so war es. Sie hat sich mir zu ihrem Geburtstag versprochen. Ich hatte für den großen Tag alles vorbereitet, und als ich dann endlich zur Sache kommen wollte, wurde ihr schlecht von meinem leckeren Krabbencocktail. Und dann hat sie mich angefaucht, wie ich, wenn es ihr so schlecht gehe, nur an »das Eine« denken könne.

Der Abend war natürlich gelaufen. Nichts war gegangen. Und wir waren zerstritten. Aber zwei Tage später war zum Glück alles wieder im Lot. Als ich es überhaupt nicht erwartete, bei ihrer Freundin Sara, ist es dann passiert, mit Marie und mir. Und seitdem haben wir ganz schön oft geübt.

Marie ist meine erste feste Freundin, so mit Sex und allem. Es ist toll. Wir gehen in dieselbe Klasse. Obwohl ich fast eineinhalb Jahre älter bin als sie – in fünf Monaten werde ich achtzehn –, weil ich halt voriges Jahr durchgerasselt bin und jetzt die Klasse wiederhole. Scheiß-Schule, bin schon wieder ziemlich schlecht. Ich glaubte, die Ehrenrunde würde einfacher werden, aber denkste. Doch ich hab jetzt keinen Bock, über die Schule nachzugrübeln.

Ah, ich Doofmann, vor lauter Grübeln habe ich das Wichtigste fast vergessen. Schnell fasse ich in meine Hosentasche und taste nach den zwei Konzertkarten.

»Ey, Marie, willst du nach Köln?«

»Hm, wieso? Was ist in Köln?«

»Schon mal was von der Kölnarena gehört?«

»Ja klar, die große Halle, wo die Stars auftreten…«

Jeder, der sich ein bisschen in der Musikszene auskennt, weiß, dass in der Kölnarena die großen Musik-Events laufen.

»Tja, ich meine, da spielt Madonna am Freitag…«

»Ah ja«, murmelt Marie, »schön für sie.«

»Tja, finde ich auch schön…«, sage ich und lasse mir viel Zeit für den nächsten Satz. »Noch schöner finde ich allerdings, dass ich dabei sein werde…« Ich lasse Marie nicht aus den Augen.

»Was?« Endlich öffnet sie die Augen und schaut mich an.

Ohne zu antworten, strecke ich ihr eine der Eintrittskarten hin. Sie liest die Aufschrift: »Hey, geil !«, Wo hast du denn die her?!«

»Tja, Beziehungen muss man haben…«, sage ich leichthin.

»Irre! Und die gehört wirklich dir?!«

»Logo. Wem sonst.«

»Toll«, sagt Marie und richtet sich auf.

»Und am allerschönsten finde ich, dass du auch dabei sein wirst.« Ich reiche ihr die zweite Karte.

»Das gibt’s doch nicht. Ist das echt wahr?«

»Echt wahr. Kein Scheiß. Mein Dad hat sie mir geschenkt, wegen dem abgesagten London-Trip. Und eine Wohnung, wo wir pennen können, haben wir auch in Köln, der Freund von Dad ist nicht da.«

»Du meinst mit Übernachten und so?«

Jetzt hat sie es gerafft.

Ich grinse sie an, als ob dies das Normalste auf der Welt wäre.

»Himmel, und wenn meine Eltern mich nicht weglassen? «, fragt Marie.

»Die alten Spießer werden einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. So wird’s gemacht, bingo!«

2

Daniel stellt sich das immer so easy vor: »Die alten Spießer vor vollendete Tatsachen stellen…« Als wäre das so einfach und ich einfach nur zu brav und zu ängstlich, um mich gegen meine Eltern durchzusetzen. Klar ist bei ihm alles »easy«. Daniels Vater ist so sehr mit sich und seinem megawichtigen Theater beschäftigt, dass er im Grunde froh ist, wenn Daniel seinen Kram alleine macht. Hin und wieder sitzen sie dann bei einem Glas Rotwein locker in der Küche zusammen, diskutieren über Bücher und Theaterstücke und machen einen auf gleichberechtigte Vater-Sohn-Beziehung, aber das war’s dann auch schon.

Daniels Mutter jettet seit der Scheidung als erfolgreiche Immobilienmaklerin durch die Gegend, schaut alle paar Monate mal rein und fängt dann urplötzlich an, Daniel »erziehen« zu wollen, und das findet er natürlich super- ätzend.

Wir reden nicht sehr viel über unsere Eltern. Ist ein bisschen heikles Thema. Ich weiß natürlich, dass er meine Eltern spießig findet. Und irgendwie sind sie das ja auch. Aber es sind eben meine Eltern, und ich kann es nicht gut ab, wenn Daniel über sie herzieht. Aber wenn ich dran denke, was für ein Eiertanz mir jetzt wegen dieses Trips nach Köln bevorsteht, kriege ich echt die Krise.

Ich sehe schon die erschrocken aufgerissenen Augen meiner Mutter vor mir, die gerunzelte Stirn meines Vaters … Das wird mit Sicherheit der Horror! Ich muss mir einen günstigen Moment aussuchen, um das Thema anzuschneiden. Am besten, wenn Ricky, meine neunjährige Schwester, oben auf ihrem Zimmer ist.

Ist das jetzt ein günstiger Moment? Abendessen beendet, Tagesschau fängt in zehn Minuten an. Ich hole tief Luft und sage beiläufig: »Daniel ist ziemlich enttäuscht. Sein Vater hatte ihn eigentlich zu einer London-Reise eingeladen, über Pfingsten. Und jetzt muss er doch mal wieder arbeiten, ganz schön doof… Aber immerhin hat er ihm heute, quasi als Ersatz, ein super Geschenk gemacht. Das heißt… «, ich mache eine Kunstpause, » eigentlich ist es ein Geschenk für uns beide.«

»So, was denn?«, fragt Mama, mit einem Mal etwas wachsamer.

Am besten, ich schiebe alles auf Daniels Vater, das hat dann so einen »offiziellen« Charakter. Also los: »Daniels Dad hat uns zwei Karten zu einem Konzert geschenkt. Stellt euch vor: für Madonna. Die wollen wir natürlich unbedingt sehen und…«

Mama unterbricht mich. »Das ist ja nett von ihm.«

Läuft gar nicht schlecht. Jetzt nicht nachlassen. »Ja, nicht wahr? Das Konzert findet in… äh… in Köln statt, in der Musikhalle. Ist ja klar, ein Superstar wie Madonna spielt natürlich nicht in unserem Kaff… äh, in unserer Kleinstadt.«

Papa hat die Zeitung sinken lassen, schaut mich jetzt aufmerksam an. Ich weiß genau, dass er am Ton meiner Stimme hört, dass das Konzert nicht der eigentliche Knackpunkt ist, dass es um was ganz anderes geht.

Ich lasse die Katze aus dem Sack:

»Wir können sogar in Köln übernachten, in der Wohnung von einem Freund von Daniels Vater, der ist zurzeit nicht da.«

Blöd, diesen letzten Hinweis hätte ich mir schenken können.

»Ist doch super, oder?«

So, jetzt habe ich mein Pulver verschossen. Jetzt sind sie am Drücker.

Meine Mutter lässt sich aufs Sofa sinken. Himmel, sie kriegt schon wieder diesen leidenden Blick!

Mama schluckt. »Aber Marie, ihr könnt doch nicht in der Wohnung eines wildfremden Mannes ein Wochenende verbringen!«

»Aber ich sagte doch schon: Der Typ ist gar nicht da. Außerdem ist er kein Wildfremder, sondern ein Freund von Daniels Vater. Er ist übrigens Arzt.«

Diese ehrbaren Berufe ziehen bei meinen Eltern doch immer!

Mein Vater schüttelt den Kopf. »Marie, du bist gerade mal sechzehn, und dann ein Wochenende allein in Köln – auf so einem Konzert, wo mit Sicherheit jede Menge Hasch und irgendwelche Glückspillen angeboten werden… Nein, das können wir wirklich nicht zulassen.«

Meine Stimme wird lauter, unkontrollierter. »Aber verdammt, ich bin doch nicht allein. Daniel ist bei mir und der wird immerhin bald achtzehn!«

Wie eine heiße rote Welle schießt die Wut in mir hoch. Wie ich es hasse, diesen Affentanz hier abziehen zu müssen! Warum kann ich nicht einfach wie die anderen in meiner Klasse locker erzählen, was ich am Wochenende vorhabe, und fertig…! Das hier hält echt kein Schwein aus.

Meine Mutter erkennt die drohenden Vorzeichen einer Familienkatastrophe und versucht die übliche Versöhnungstour: »Pass mal auf, Marie. Ich hätte da einen Vorschlag : Papa und ich fahren euch an diesem Freitag nach Köln und wir machen uns da selbst einen netten Abend. Gehen mal wieder richtig schön essen, ins Theater oder so was. Und dann holen wir Daniel und dich vor der Konzerthalle wieder ab. – Na, was sagst du dazu?«

Ich könnte kotzen! Ich könnte schreien! Das ist ja wohl der allerletzte, mieseste Vorschlag überhaupt! Ich spüre, dass mir vor Wut die Tränen kommen. Nee, bloß nicht heulen jetzt. Ich springe auf und renne zur Treppe, dann drehe ich mich noch mal um, werfe mit einer dramatischen Geste meine langen blonden Haare zurück.

»Ihr könnt machen, was ihr wollt. Ich werde nach Köln fahren! Hört ihr? Ich lasse mir dieses Wochenende nicht kaputtmachen. Da könnt ihr Gift drauf nehmen.«

Fast körperlich spüre ich Mamas traurige Augen in meinem Rücken, Papas Hilflosigkeit, seine väterliche Empörung. Manchmal könnte ich sie umbringen.

Im Vorbeigehen habe ich mir das Telefon gegriffen und mit nach oben genommen.

Mit zitternden Fingern tippe ich die Nummer von Sara ein. Ich glaube, wenn sie nicht zu Hause ist, drehe ich durch. Aber ich habe Glück, sie ist gleich dran.

Bei Sara brauche ich keine Einleitung:

»Du glaubst nicht, was meine Eltern sich eben geleistet haben…!«

Ich erzähle ihr die ganze Story wortwörtlich. Sara unterbricht mich nur, um bestätigende oder verständnisvolle Laute einzuwerfen, sagt »unglaublich« oder »fass ich nicht«. Sara kennt die Situation bei uns zu Hause total gut, wir sind schon seit Ewigkeiten befreundet. Ich erzähl ihr einfach alles und nie ist mir was peinlich.

»Und was willst du jetzt machen?«

Ich puste mir eine Haarsträhne aus der Stirn. Mir ist richtig heiß vor Aufregung. »Was wohl? Ich fahre mit Daniel nach Köln. Ist mir völlig egal, was danach hier los ist.«

»Würde ich auch machen. Irgendwann müssen sie ja mal schnallen, dass du keine zehn mehr bist.«

Ich nicke. »Allerdings! Mensch, Sara, endlich mal neben Daniel einschlafen, aufwachen, zusammen frühstücken… Nicht ständig befürchten müssen, dass sein Vater doch früher nach Hause kommt und uns im Bett erwischt… Was ist dagegen schon ein Krach mit meinen Eltern?«

Sara schweigt einen Moment. »Aber sag mal, dann seid ihr ja dieses Wochenende gar nicht zum Klassenfest da!«

Stimmt. Ich beiße mir auf die Lippen. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Dabei laufen die Planungen für diese Nacht seit Wochen auf Hochtouren. Rust, unser Deutschlehrer, hatte nämlich die Idee einer »Lesenacht«. Er hat zwei Autoren eingeladen, abends in unserer Schule aus ihren Büchern zu lesen. Und wir haben durchgesetzt, dass anschließend eine Fete gefeiert wird mit Essen, Trinken, Tanzen… allem Drum und Dran eben. Für den nötigen Sound soll die Schulband The Fame sorgen.

»Mensch, Marie, das Fest dürft ihr doch nicht verpassen. Könnt ihr nicht ein Wochenende später nach Köln fahren?«

Ich wickele eine Haarsträhne um meine Finger. Das ist ja zum Verrücktwerden. Jetzt kriege ich auch noch von Sara Druck.

»Aber wir haben doch schon die Karten für das Konzert … ! Und ein Wochenende später ist bestimmt dieser Freund von Daniels Vater wieder zurück.«

»Wär das denn so schlimm?« Sara klingt ein bisschen verschnupft, ihre Stimme ist einen Grad kühler.

»Wir wollen eben wirklich mal ganz allein sein, verstehst du das nicht?«

Sara holt tief Luft. »Ich finde, ihr seid ziemlich viel allein in letzter Zeit. – Aber okay, wenn dir die Köln-Tour wichtiger ist…« Sie lässt den Rest des Satzes in der Luft hängen.

Scheiße.

»Mensch, Sara, was soll ich denn sonst machen?«

»Schon gut, aber die anderen werden ganz schön sauer sein.«

Ich seufze. Warum muss eigentlich immer alles so verdammt kompliziert sein?

Mist, ich bin spät dran, schon fünf vor acht, hab verpennt. Ich sause mit meinem Rad den kleinen Abhang hinunter. In den ersten zwei Stunden haben wir Sport, das einzige Fach, das ich mag und in dem ich nicht zu spät kommen möchte. In der letzten Stunde haben wir Mathe. Wahrscheinlich kriegen wir heute die Mathearbeit zurück. Ich glaub, ich hab eine Drei oder schlechtestenfalls eine Vier, meinem Gefühl nach ging’s nicht so schlecht. Ich fetze an dem Eck vorbei, an dem Marie immer mit dem Rad auf mich wartet. Aber sie ist nicht da. Ich schaue auf die Uhr. Noch drei Minuten, sie ist sicher schon weitergefahren.

Marie mag das, wenn wir uns vor der Schule sehen, in der Schule, nach der Schule und dann auch noch am Nachmittag. Mir wird das manchmal fast zu viel, weil andere Sachen darunter leiden. Die Treffen mit Tom und Bill werden immer seltener, die Männer-Action geht mir irgendwie ab und über das häufige Fußballtraining hat sie sich auch schon beschwert.

Und jetzt macht sie Stress wegen Köln. Marie hat Angst vor ihren Alten, glaubt, dass es Zoff gibt, wenn sie trotz Verbot zum Konzert mitkommt. Ich fahre auf jeden Fall, lass doch die Wahnsinnskarten nicht verfallen. Und ihre Freundin Sara nervt zusätzlich wegen dem Klassenfest am Wochenende. Aber solche Feten sind zwei-, dreimal im Jahr, da kann man schon mal fehlen – alles halb so wild.

Viertel nach zwölf, jetzt gilt’s. Mathe steht an. Ich sitze im Klassenzimmer in der vorletzten Reihe neben meinem Freund Tom und die Lehrerin geht gleich in die Vollen. Bei der alten Schostak habe ich stets das Gefühl, sie hat mich auf dem Kieker. Sie gibt die Arbeiten nach der Notenqualität raus, zuerst die guten, dann die schlechten, fies wie immer. Jetzt ist sie schon bei den Dreien. Es gab nur zwei Einsen und drei Zweien. Die Schostak geht stets auf den Betroffenen zu, baut sich auf, wartet zwei Sekunden und dann gibt sie ihren Kommentar ab:

»Marie Färber… Drei plus. Schade, Marie, Sie können mehr, Ihnen fehlen nur zwei Punkte, dann hätten Sie eine Zwei. Aber momentan scheint es für Sie ja wichtigere Dinge zu geben als die Mathematik…«

Dabei blickt sie kurz zu mir herüber. Nicht lange genug, dass es penetrant wirkt, aber doch eindeutig genug, dass jeder aufmerksame Beobachter merken kann, dass sie mich meint, dass sie uns beide meint. Blöde Kuh, diese Schostak. Versucht, sich mit ihren wasserstoffblond gefärbten Haaren jünger zu machen, dabei wirkt sie dadurch noch älter. Sie ist mindestens fünfzig und ihren Atombusen steckt sie stets in zu eng geschnittene Kostüme, einfach abartig. Sie gibt noch weitere vier Dreien zurück, dann kommt sie schon zu den Vieren. Mist, jetzt wird’s aber Zeit, rück endl ich mei ne Arbeit raus!

Es folgen sieben Vieren, dann macht sie eine kleine Pause und wendet den Blick zu den hintersten Reihen, in denen Tom, Bill und ich sitzen.

»So, und nun zu unseren sich so erwachsen dünkenden Sportskanonen…«

Oh Mann, was soll denn dieser überhebliche Ton? Ich könnte sie erwürgen. Das darf doch nicht wahr sein. Hab ich vielleicht nur eine beschissene Fünf?

»Nun kommen wir zu den Vier-Minus-Arbeiten… Tom Strecker, gerade noch mal Glück gehabt, Vier minus… für einen Wiederholer wahrlich keine Glanzleistung.«

Dann geht sie zu Bill, auch er hat eine schwache Vier. Nun kommen die Fünfer. Mein Hals ist total trocken, im Bauch spüre ich eine unangenehme Leere.

Es folgen drei Fünfen, die letzte ist eine Fünf minus und ich bin immer noch nicht dabei.

Mathe-Hölle, tu dich vor mir auf!

Ich glaube, sie hat bloß noch zwei Arbeiten in ihrer Hand, fast alle waren schon dran…

Wenn ich ’ne Sechs hab, kann ich einpacken, das war’s dann mit meiner Schulkarriere. Das darf nicht sein, was soll ich bloß machen?

Nun steht sie vor mir. Schaut mich an wie einen Delinquenten vor der Hinrichtung.

In diesem Moment muss ich plötzlich an meinen Kater Woody denken. Weiß auch nicht, warum, zu gerne würde ich jetzt mit ihm auf meinem Bett liegen und kuscheln und die ganze Welt von mir abschütteln.

»So, und nun zu Ihnen, Daniel Gering… Sie wissen wohl nicht, wie ernst die Lage ist, oder?«

Und dann legt sie eine Pause ein, als ob sie ihre Frage tatsächlich ernst meint. Was soll man auf so eine beschissene Frage nur antworten?

»Doch, eigentlich schon…«, sage ich und winde mich herum.

»Tja, junger Mann, eigentlich reicht aber nicht. Fünf minus, mit einem Stern. Sie können von Glück sagen, dass ich Ihnen keine Sechs gegeben habe, denn dann wär’s wohl jetzt schon aus. Wo haben Sie nur die ganze Zeit Ihre Gedanken? Ich kann Ihnen nur eins sagen, so kann es nicht weitergehen, setzen Sie sich endlich hin und büffeln Sie Mathe, nehmen Sie Nachhilfe oder lassen Sie sich irgendwas anderes einfallen, sonst schaffen Sie das Klassenziel nie. In jedem Fall müssen Sie etwas unternehmen, da beißt die Maus keinen Faden ab.«

Diesen beknackten Spruch mit der Maus liebt sie, jeden zweiten Tag müssen wir uns den anhören.

Fünf minus, was für eine Scheiße!

»Herrgott noch mal, Daniel! Sie sind doch nicht so dumm, dass Sie das nicht besser hinkriegen. Sie sind ein ganz fauler Hund. Schon im Halbjahreszeugnis hatten Sie in Mathe und Physik eine Fünf. Und noch mal sitzen bleiben ist nicht drin, dann können Sie die mittlere Reife vergessen, vom Abitur ganz zu schweigen.«

Ich weiß nicht, wie ich die Stunde überstehe. Irgendwann ist es endlich vorbei. Erlösung durch die Glocke. Ich kann mich nicht erinnern, jemals in der Schule so gedemütigt worden zu sein. Nach der Stunde kommt Marie zu mir, legt mir vor allen Leuten den Arm um die Schultern und meint: »Schatz, das kriegen wir zusammen hin, ich helf dir, okay?«

Das gibt mir den Rest.

3

Fast grob schüttelt Daniel meinen Arm ab, schnappt sich seinen Rucksack und rennt nach draußen. Hinter mir höre ich ein leises Kichern. Angie, eindeutig.

»Tja, Marie, alles kann Mami auch nicht richten… Da muss der Kleine jetzt alleine durch.«

Ich fahre herum. »Halt bloß den Mund! «, zische ich.

Angie, die Schlange, hat selber nur eine knappe Vier minus abgegriffen und reißt hier das Maul auf. Ständig macht sie hämische Bemerkungen über unsere Beziehung, kann einfach nicht ertragen, dass Daniel und ich zusammenhalten und ganz einfach glücklich sind. Während ihre eigene kleine Fetenknutscherei mit Daniel vor ewig und drei Tagen für ihn nur ein suffbedingter Ausrutscher war.

Angie ist so eine Art Klassen-Vamp: jede Menge Kurven, scharfe Outfits, scharfe Sprüche und ansonsten viel heiße Luft… Leider gibt’s immer noch jede Menge Kerle, die genau darauf abfahren! Dass Daniel da überhaupt mal schwach geworden ist… nicht zu fassen!

Ich schiebe die Gedanken an Angie weg. Kann mir doch egal sein, was die Kuh zu lästern hat. Jetzt muss ich erst mal Daniel finden. Ich rase die Treppen runter, im Laufschritt zu den Fahrradständern. Aber Daniels Rad ist schon weg. Ich spüre die Enttäuschung wie einen Schlag in die Magengrube. Warum hat er nicht auf mich gewartet ? Warum will er sich nicht von mir trösten lassen?

Diese Fünf minus hat Daniel getroffen wie ein Hammer. Und das ausgerechnet heute, wo »unser Wochenende« beginnt und wir zusammen nach Köln fahren wollen. So ein Mist! Daniel hatte eindeutig mit einer besseren Note gerechnet. Dabei ist es einfach Fakt, dass wir beide total wenig für die Schule machen im Moment. Die Zeit fürs Pauken scheint pure Verschwendung zu sein.

Während ich aber versuche, nach den Treffen mit Daniel wenigstens noch das Notwendigste für die Schule zu erledigen, macht Daniel konsequent gar nichts mehr. Stattdessen fährt er durch die Gegend, geht zu seinem blöden Fußballtraining, liest ellenlange Romane oder hängt mit Bill und Tom ab.

Ein paarmal habe ich versucht, ihm ins Gewissen zu reden, kam mir aber total bescheuert vor und hab’s schnell wieder aufgegeben. Wenn ich ehrlich bin, befürchte ich, dass Daniel nicht bereit ist, die Zeit mit Tom und Bill einzuschränken, sondern… ja, dass es darauf hinauslaufen könnte, dass wir uns weniger sehen – und das würde ich echt nicht aushalten.

Ich bin ganz schön egoistisch!

Vielleicht können wir dieses Wochenende in Köln endlich mal in Ruhe über alles reden. Diese Reise ist so wichtig für uns… Endlich mal weit weg von allem, was uns das Leben schwer macht.

Ob ich noch rasch bei Daniel vorbeifahre? Ich schaue auf die Uhr. Nee, lieber nach Hause und das nötige Maß an Normalität an den Tag legen. Meine Eltern sind schon wachsam genug. Das heikle Thema »Köln« wurde zwar in den letzten Tagen nicht mehr angesprochen, aber sie beäugen mich ständig. Natürlich rechnen sie nicht wirklich damit, dass ich meine Drohung wahr mache und einfach verschwinde. Das trauen sie ihrer braven, kleinen Marie nicht zu.

Himmel, sie werden vielleicht Augen machen heute Abend, wenn nur noch ein Zettel auf meinem Kopfkissen liegt…! Ich bin nämlich wild entschlossen zu fahren. Nach dieser Nummer in der Schule eben sogar noch viel mehr als vorher. Es gibt kein Zurück. Ich habe Daniel mein Wort gegeben: Wir treffen uns um viertel nach sechs am Bahnhof und dann geht’s ab nach Köln.

Immer wieder schaue ich auf die Uhr. Viertel nach fünf, in einer halben Stunde muss ich los. Der Rucksack liegt schon fertig gepackt unter dem Bett. Habe ich auch alles? Zahnbürste, Parfüm, Jeans und Unterwäsche, Pulli zum Wechseln… Verdammt, fast hätte ich meine Pillenpackung vergessen. Das wäre ja ein Müll gewesen!

Ungeschickt stopfe ich die kleine weiße Schachtel in die vordere Rucksacktasche. Meine Hände sind eiskalt und ich spüre jeden einzelnen Herzschlag. Dabei habe ich vor Sara vorhin am Telefon noch getönt, wie lässig ich das hier managen würde.

»Marie, kommst du mal runter, bitte?«

Himmel, was will Mama denn jetzt?

»Was gibt’s denn?«, rufe ich zurück.

»Kleine Überraschung, nun komm schon.«

Schnell verstaue ich den Rucksack wieder unter dem Bett und laufe die Treppe runter. Meine Mutter steht mitten in der Küche und hält mir eine kleine Esprit-Tüte entgegen.

Sie lächelt. »Pack mal aus. Du wirst staunen…«

Meine kalten Finger fummeln in der Tüte herum, ziehen schließlich ein hellblaues T-Shirt mit kleinen aufgestickten Blüten, Strass und Federn heraus.

Sprachlos starre ich auf das Shirt. Das Teil hat über vierzig Euro gekostet, weiß ich genau. Ich hatte es Mama vor Wochen in einem Katalog gezeigt und dabei nie damit gerechnet, dass sie es mir kaufen würde.

»Ich bin durch die halbe Stadt gelaufen, bis ich es endlich hatte«, erzählt Mama stolz. »Aber ich wollte dir so gern eine Freude machen.«

Sie geht an mir vorbei ans Fenster und zupft unsicher an den aufgereihten Küchenkräutern herum. Sie schaut mich nicht an, als sie weiterspricht. »Ich weiß doch, dass du furchtbar sauer auf uns bist, weil wir dir die Köln-Reise verboten haben, Marie. Und…«, sie zögert, »mir tut das auch sehr Leid. Vielleicht sind wir wirklich in manchen Dingen zu ängstlich oder zu spießig, wie du sagen würdest. Aber weißt du, wir können nicht so schnell über unseren Schatten springen.« Sie dreht sich um, lächelt. »Du musst ein bisschen Geduld mit uns haben, ja? Wir müssen uns eben auch erst dran gewöhnen, dass du kein kleines Mädchen mehr bist.«

Ich stehe da mit hängenden Armen, schlucke schwer, mache drei Schritte auf meine Mutter zu, bereit, mich in ihre Arme zu werfen, noch einmal um Erlaubnis zu bitten, nach Köln zu fahren. Ich…

Da klingelt das Telefon.

Mama läuft nach draußen. Ich horche angespannt. Ob sich Daniel noch mal meldet? Vielleicht ist ihm ja was dazwischengekommen? Nein, es ist die Kinderarztpraxis, in der meine Mutter seit einiger Zeit aushilfsweise arbeitet. Anscheinend fragen sie, ob sie heute Abend einspringen könne. Ich höre, wie meine Mutter zusagt und verspricht, sich sofort auf den Weg zu machen.

Sie steckt nur noch mal kurz den Kopf in die Tür. »Hast du’s mitgekriegt, Marie? Ich muss noch mal schnell in die Praxis. Kannst du für Ricky und dich Abendessen machen? Papa kommt heute später. Da ist irgendeine Sitzung im Bauamt.«

Ich nicke nur. »Okay.«

Schon ist meine Mutter aus der Tür. Ich gehe langsam nach oben, meine Beine fühlen sich ganz steif an. Mein Radiowecker zeigt die Zeit in roten Ziffern: 17.35 Uhr. In fünf Minuten muss ich los. Ich hole tief Luft. Verdammt, warum musste diese Szene eben noch sein? Bis vor einer halben Stunde war ich so entschlossen, so sicher, im Recht zu sein mit meiner heimlichen Aktion. Und jetzt…? Jetzt fühle ich mich wie ein Schwein!

Aber ich mache automatisch weiter, wie ich es geplant hatte, ziehe den vorbereiteten Brief aus der Schublade und lege ihn auf mein Kopfkissen. Dann greife ich nach dem Rucksack und laufe die Treppe hinunter. Leise ziehe ich die Tür hinter mir ins Schloss.

»Mensch, wo bleibst du denn?«

Natürlich kommt Daniel mal wieder auf den letzten Drücker. Ich habe schon längst die Fahrkarten gekauft und laufe seit zehn Minuten auf dem Bahnsteig auf und ab, ständig die Vorstellung im Kopf, dass hier gleich irgendein Bekannter meiner Eltern auftaucht und mir die »Untat« an der Stirn abliest. So was nennt man wohl schlechtes Gewissen…

Daniel ist bester Laune, scheint sich von dem Schock mit der Mathearbeit völlig erholt zu haben. Stürmisch reißt er mich in seine Arme, schwenkt mich im Kreis und lässt mich erst los, als der Zug einfährt.

»Los, komm!« Ungeduldig ziehe ich Daniel hinter mir die Stufen hinauf.

Wir suchen so lange, bis wir ein Abteil für uns allein gefunden haben, stellen unser Gepäck nach oben und lassen uns aufatmend in die abgewetzten roten Sitze fallen. Endlich fährt der Zug an. Geschafft! Wir sind tatsächlich auf dem Weg nach Köln. Ich kann’s irgendwie noch gar nicht glauben.

Nach einer Weile zieht mich Daniel von meinem Sitz hinüber auf seinen Schoß.

»Bist du gut weggekommen von zu Hause?«

Ich zucke die Achseln. »Ging so.«

Ich sehe ihn an. »Lass uns über was anderes reden, okay? Ich will jetzt nur noch an die Tage denken, die wir vor uns haben.«

Seine Hände streichen zärtlich über mein Gesicht. »Es wird eine super Zeit, das verspreche ich dir.« Er nimmt eine meiner langen Haarsträhnen und wickelt sie langsam um seine Finger. »Ich find’s toll, dass du das mit Köln durchgezogen hast, Marie, ehrlich. Und…«, er grinst, »auch wenn das jetzt blöd klingt: Ich verspreche dir, dass du deinen Entschluss nicht bereuen wirst.«

Ich schließe die Augen, kuschele mich noch tiefer in seinen Arm, würde am liebsten in ihn hineinkriechen, um seine Nähe noch inniger zu spüren.

So sitzen wir schweigend da, halten uns fest und schauen hinaus auf die vorüberfliegende Landschaft.

Kurz nach sieben kommt der Zug endlich in Köln an. Ich wollte eigentlich spätestens um halb acht in der Kölnarena sein. Aber wir schaffen es nicht, der Bus fährt uns vor der Nase weg und wir müssen ein Taxi nehmen. Das kostet mich fünfzehn Euro.

Um Viertel vor acht sind wir endlich da. Die Kölnarena ist ein riesiges gläsernes Bauwerk und wird überragt von einem halbrunden Stahlbogen. Vor dem Eingang tummeln sich eine Menge Leute. Es dauert alles ewig, weil jeder einzelne Besucher kontrolliert wird. Fotoapparate und auch die neuen Handys, die Fotos machen können, müssen abgegeben werden. Manche Besucher sträuben sich dagegen, aber die Kontrolleure sind gnadenlos. Und dann sind wir endlich in der Halle, die Vorband stimmt gerade ihre Gitarren.

Wir haben unnummerierte Karten für den Innenraum, der nicht bestuhlt ist. Mist, der Innenraum ist jetzt schon gut gefüllt, aber ich ziehe Marie einfach an meiner Hand hinter mir her. Und nach einem zehnminütigen Spießrutenlauf gelingt es mir, einen recht guten Platz im vorderen Drittel zu ergattern, von dem man einen guten Blick auf die Bühne hat.

Der erste Sound dröhnt aus den Boxen. Es ist so laut, dass ich das Gefühl habe, der ganze Boden vibriert. Fünf Musiker stehen auf der Bühne, die voll gestellt ist mit Instrumenten, Boxen, Scheinwerfern und anderem technischen Zeug. Die Vorband stammt aus Köln, sie spielen einen harten Rock. Ziemlich fade. Ihre deutschen Texte sind ein müder Abklatsch von BAP.

Um halb zehn ist es dann endlich so weit. Die Vorband ist abgetreten, ein Ansager betritt die Bühne und verkündet: »Ladies and gentlemen, let’s have a big welcome to… Madonna! «

Tosender Applaus. Und sie springt auf die Bühne, in einer roten, taillierten, halblangen Lederjacke und darunter ein sehr enges, weit ausgeschnittenes schwarzes T-Shirt. Sie fetzt los mit Like a virgin. Neben mir steht ein Mädchen mit einer knallroten Sportjacke mit der Aufschrift COLONIA. Sie hat kurze rote Haare, im exakt gleichen Farbton wie ihre Jacke. Das Mädchen lässt einen fiependen Schrei los, als ob sie gleich in Ohnmacht fallen würde. Ich drehe mich zu ihr. Für einen Moment presst sie ihre Augen fest zusammen. Sie wirkt wie in Ekstase.

Plötzlich wird das Licht runtergedreht, zwei Sekunden später ist es ganz dunkel. Dann geht ein gleißender Spot an, er ist nur auf den Star gerichtet und alle Augen gehören ihr…

Das ist wirklich ein irrer Sound! Man kann sich zwar nicht unterhalten, aber wer geht schon in ein Madonna-Konzert, um mit seinem Nebenmann zu quatschen. Ich blicke mich um. Weit über mir, in der Mitte der Halle, befindet sich ein großer Videowürfel, auf dem man von allen vier Seiten das Geschehen auf der Bühne auf riesigen Videoschirmen verfolgen kann. Dann blicke ich auf die Uhr. Wahnsinn, es ist schon halb zwölf. Die letzten zwei Stunden sind wie im Flug vergangen. Marie steht neben mir, auf der anderen Seite steht das Mädchen mit den knallroten Haaren und neben ihr noch zwei andere Mädchen, alle mit den gleichen Sportjacken.

Es ist ziemlich eng hier. Das Mädchen neben mir schwingt im Rhythmus der Musik mit ihrem Oberkörper hin und her. Manchmal berührt sie mich. Ich blicke zu ihr. In diesem Moment fasst sie sich in ihren Ausschnitt und holt ein winziges Döschen heraus. Mit einer Hand öffnet sie den Schnappverschluss, mit spitzen Fingern entnimmt sie dem Döschen eine kleine Pille und schluckt sie sofort. Für ein paar Sekunden schließt sie die Augen, und als sie sie wieder öffnet, fällt ihr Blick auf mich.

»Na, willste auch eine?« Sie grinst mich an und stupst mich in die Seite.

»Was sind denn das für Dinger?«

»Na, was wohl? – Glückys, Putschys, Ecstasy.«

»Ja, gerne… äh, kann ich mal eine probieren?«

»Na klar, kannste, ey… musste bloß vorher löhnen.«

Ach so. Klar. Ich bin vielleicht naiv. Dachte wohl, weil ich so ein nettes Gesicht habe, schenkt mir die Braut ihre Pillen. »Was kostet eine?«

»Stück zehn Euro. Drei Stück zwanzig.«

So ein Mist, hätte ich mir nur das Taxi gespart, dann könnte ich die drei Pillen jetzt locker zahlen.

Marie fasst mich am Arm und schreit mir ins Ohr: »Was machst du denn da? Was will das Mädchen von dir?«

»Nichts, schon gut…«

Ich hole schnell einen Zwanziger aus meiner Jeans und gebe sie dem Mädchen. Sie gibt mir drei rote kleine Pillen. Marie schreit mir ins Ohr.

»Nein, es ist nicht gut. Sag mal, spinnst du, hier irgend so ein Zeug zu kaufen. Ich will das nicht!«

»Komm, jetzt hab dich nicht so. Ist doch nicht schlimm…«

»Doch, ich find das ganz schlimm. Wenn du so was nimmst, dann gehe ich. Und was quatschst du denn dauernd mit dem Mädchen?«

»Jetzt stell dich nicht so an. Ich werde doch noch drei Sätze mit einem fremden Mädchen wechseln dürfen?«

»Mit mir hast du bis jetzt keine zwei Sätze gewechselt«, sagt Marie.

»Was? – Ich verstehe dich nicht, es ist so laut hier«, sage ich und bringe mein Ohr näher an ihres, als ob ich ihren Satz nicht verstanden hätte.

Aber Marie setzt sich wieder hin. Gut so. Das Letzte, was ich jetzt brauchen kann, ist ein Streit, weil sie mal wieder eifersüchtig ist.

Die Pillen halte ich immer noch in der Hand, habe doch ein wenig Schiss bekommen. Ich wickele sie schnell in ein Tempo und stecke sie in meine Jeans.

Madonna singt mein Lieblingslied: A lover does always right. Im Madonna-Konzert brauchst du keine Droge mehr, denke ich mir und muss grinsen. Die Musik ist total geil. Irre laut, vibriert bis in die Eingeweide. Ich schließe die Augen.

Nach einer langen Weile öffne ich sie wieder. Drehe mich um. Auch hinter mir schauen die Leute wie gebannt auf die Bühne. Es kommt so ein Feeling rüber, als ob alle das Gleiche spüren, alle gut drauf sind und keiner irgendwelche Sorgen hat. Zumindest für eine kurze Zeit. Einfach eine geile Sache.

Um halb zwei sind wir dann endlich in der Wohnung von Daddys Freund. Sie ist mitten im Zentrum von Köln, im belgischen Viertel, eine Vierzimmerwohnung mit Balkon und großer Küche. Am Boden der Diele liegt ein Zettel für uns.

Hallo Daniel,

ihr könnt alles benutzen in meiner Wohnung, auch Speisen und Getränke im Kühlschrank. Frische Wäsche liegt auf dem Bett, bitte bezieht es noch, bin nicht mehr dazugekommen.

PS: Bitte nicht vergessen, Hausschlüssel nach Verlassen der Wohnung in den Briefkasten stecken.

Schöne Zeit. Karl

Prima. Dieser Charly scheint in Ordnung zu sein.

Seit einer halben Stunde hat Marie kein Wort mehr mit mir geredet. Ist immer noch schwer beleidigt. Ich muss sie unbedingt umstimmen. Aber wie?

Ich gehe durch die große Wohnung und schaue mir alles an. Marie geht bewusst immer in ein anderes Zimmer. Das Schlafzimmer hat ein großes Doppelbett. Gegenüber steht ein riesiger Fernseher. Im Wohnzimmer entdecke ich eine CD-Anlage mit mindestens zweihundert CDs. »Hey, soll ich Musik auflegen?«, rufe ich ins Schlafzimmer hinüber.

Keine Antwort.

Ich gehe ins Schlafzimmer. Dort finde ich Marie. Schweigend bezieht sie das Bett. Ich gehe ins Bad. Auch das ist sehr geräumig, hat zwei Waschbecken. Im Spiegelschrank entdecke ich eine Menge Tuben und Tabletten. In einem Glasfläschchen stecken rote Pillen, die mich auf eine Idee bringen. Ich schaue mich kurz um, ob Marie in der Nähe ist. Heimlich entnehme ich dem Fläschchen drei rote Pillen, hole das Tempo aus meiner Hosentasche und wickele die drei neuen Tabletten hinein. Die sind zwar etwas größer und haben ein tieferes Rot, aber ich denke nicht, dass man das bemerkt. Die echten wickele ich ein Stück Klopapier und stecke sie in die andere Hosentasche. Dann gehe ich ins Schlafzimmer und nehme Marie, die gerade mit Bettenmachen fertig ist, an der Hand. Sie will sich mir entziehen, aber ich halte sie fest.

»Marie, bitte. Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe, aber vielleicht kann ich es wieder gutmachen, hm?«

»Lass mich los.«

Ich lasse sie los. »Schau, ich wusste doch nicht, dass du mir das so übel nimmst. Ich versprech dir jetzt was. Ich spül die blöden Dinger ins Klo hinunter, okay?«

»Echt?« Endlich schaut sie mich an.

»Ja, echt. Komm mit.« Ich nehme sie an der Hand und führe sie ins Bad. Dann hole ich das Tempo mit den drei roten Pillen hervor, halte sie ihr kurz unter die Nase, werfe sie ins Klo und drücke die Spülung.

So. Jetzt ist sie zufrieden. Ich fühle mich zwar ziemlich mies, aber ich kann doch nicht zwanzig Euro ins Klo runterspülen.

Eine halbe Stunde später ist alles wieder okay. Ich liege im Bett und glotze Mission Impossible mit Tom Cruise. Irrer Film, es läuft gerade die Szene, im der er aus dem Restaurant hechtet und hinter ihm die Flutwelle heranbraust. Neben mir eine Flasche Bier und Käse und Trauben. Haben wir alles im Kühlschrank gefunden. Marie ist noch im Bad. Als sie rauskommt, bleibt sie einen Moment an der Badezimmertür stehen und blickt mich erwartungsvoll an. Sie trägt ein kurzes Nachthemd mit Spagettiträgern. Ihre langen Haare fallen über ihre nackten Schultern. Jetzt sieht sie überhaupt nicht mehr aus wie ein kleines Mädchen.

»Hey Marie, du siehst toll aus.«

»Gefällt es dir? Ich hab es extra noch gekauft.«

»Echt? – Es sieht total super aus… habe ich das überhaupt verdient?«

»Nee, haste nicht…«, sagt sie und legt sich neben mich, ohne sich zuzudecken. »Mach mal das Licht aus…«

Ich knipse die Nachttischlampe aus. Nun fällt nur noch das blaue Fernsehlicht auf das Bett. Von dem Film bekommen wir beide nicht mehr allzu viel mit.

Wenn Marie ganz entspannt ist und sich an mich kuschelt und ich dann weiß, dass sie jetzt mit mir schlafen will, kommt es mir immer wie eine Belohnung vor. Das ist ein unwahrscheinlich schönes Gefühl. Ich hab ihr das einmal gesagt, und da hat sie nichts geantwortet, aber sie hat gestrahlt wie noch nie, und danach hatte sie ihren ersten Orgasmus, obwohl wir schon eine ganze Weile geübt hatten. Eigentlich war ich ein bisschen sauer, weil sie mich vorher angeschwindelt hatte. Ich hab sie nämlich schon ein paarmal gefragt, ob sie denn hätte… aber sie hat das Gespräch immer abgebogen. Über so was kann sie ganz schwer reden und ich hab’s dann sein lassen. Aber irgendwie hat sie mich in meinem Glauben gelassen. Sie hat nämlich immer gesagt, es ist schön für sie.

Ich lausche Daniels tiefen, ruhigen Atemzügen. Er schläft ganz fest, während ich mich noch hellwach fühle. Ich habe mal gelesen, dass die meisten Männer nach dem Sex ziemlich schnell einschlafen und die meisten Frauen das tierisch nervt. Zugegeben, ich hätte auch gern noch etwas länger mit Daniel gekuschelt, über das Konzert geredet, über uns… Aber es ist auch schön, hier ganz ruhig zu liegen und Daniels schlafendes Gesicht zu betrachten. Es einfach zu genießen, endlich einmal nicht die Uhr im Auge zu haben, nicht auf das Klappen der Haustür horchen zu müssen, um dann hektisch in die Klamotten zu springen und im Dunkeln nach Hause zu radeln.

Vorhin, als wir miteinander geschlafen haben, war ich dann auch total entspannt. Ich hatte sogar wieder einen Orgasmus und habe Daniel davon erzählt, bevor er die bewusste Frage stellen konnte.

Ich hasse diese Frage nämlich, sie setzt mich irgendwie total unter Druck, weiß auch nicht, warum. Immer und überall einen tollen Orgasmus haben zu können scheint auch eine dieser Sachen zu sein, die die selbstbewusste, aufgeklärt-sinnliche Frau ganz selbstverständlich »bringen« muss.

Manchmal habe ich das Gefühl, mein Orgasmus ist für Daniel wichtiger als für mich selber, und deswegen habe ich ein bisschen »geschauspielert«. Nicht so richtig, aber eben ein bisschen. Vom Mich-selber-Streicheln und vom Petting wusste ich ja etwa, wie sich das anfühlt.

Aber so wie heute war es wirklich wunderschön. Könnten wir nur häufiger solche Wochenenden verbringen. So ganz allein, nur wir zwei…

»Ich dachte schon, du bist ins Koma gefallen.« Daniel küsst mich auf die Nase und strahlt mich an. »War’s so anstrengend für dich gestern Nacht… ?« Er zwinkert mir zu.

»Quatsch«, ich richte mich auf und will Daniel schnell in meine Arme ziehen. Aber der platziert stattdessen ein riesiges Tablett auf meinen Schoß.

»So, und jetzt wackle bitte nicht, ja?«

Vorsichtig schlüpft er neben mich ins Bett. Toll, er hat uns ein richtig super Frühstück gemacht: Milchkaffee, frischer Orangensaft, Jogurt, sogar zwei weich gekochte Eier, Marmelade… Und er hat schon frische Croissants vom Bäcker geholt! Ich bin hin und weg, richtig gerührt.

So gut, wie das mit dem schwankenden Tablett auf meinem Schoß eben geht, drehe ich mich zu ihm und küsse ihn auf den Mund. »Danke!«

Wir schneiden uns gegenseitig die Croissants auf, füttern uns mit Ei und Jogurt, lecken uns die Krümel von unseren Schultern…

Ich fühle mich wie in einem Werbespot: Schöne Menschen mit einem schönen Frühstück in einem schönen Bett in einer schönen Wohnung. Einfach wunderbar, rundum glücklich. Wieder so ein Moment zum Festhalten und Einfrieren für die Ewigkeit…

Kaum ist das letzte Brötchen verputzt, schieben wir kichernd das Tablett auf den Boden und fangen an, uns zu streicheln und zu küssen. Ich wundere mich immer wieder, dass ich kaum genug von Daniel bekommen kann, ich möchte eins werden mit ihm, verschmelzen…

Oh, wie sehr ich ihn liebe!

Irgendwann später stehe ich auf, um endlich zu duschen. Daniel will noch liegen bleiben, er hat sich Kopfhörer aufgesetzt und lauscht verzückt der alten Madonna-CD, die er in Charlys Regal gefunden hat.

Ich gehe ins Bad, verbringe eine Ewigkeit unter der heißen Dusche und creme mich dann sorgfältig ein. Dieses schicke weiß gekachelte Badezimmer ist wirklich der pure Luxus!

Prüfend betrachte ich mein Gesicht in dem leicht beschlagenen Spiegel. Ich lächle mir zu: keine Spur vom blassen Blondie heute. Frisch und rosig sehe ich aus, obwohl ich nur ein paar Stunden geschlafen habe.

Ich wickele mich in ein großes Badetuch und schlendere zurück ins Schlafzimmer.

»Was wollen wir denn jetzt machen?«, rufe ich Daniel zu. Aber er reagiert nicht. Klar, die Kopfhörer… Ich sprinte auf ihn zu und ziehe ihm die Dinger abrupt von den Ohren.

»Hey, was soll ’n das?«

Daniel windet mir die Kopfhörer aus der Hand, setzt sie sich wieder auf und bewegt sich im Rhythmus der Musik hin und her.

»Geil, dieses Stück! «, ruft er mir zu.

Ich nicke nur, streife meine dicken Wollsocken über und

1. Auflage

Originalausgabe Januar 2005

Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform

© 2005 cbt/cbj Verlag, München

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Alle Rechte vorbehalten

eISBN 978-3-641-03437-5

go - Herstellung: ReD Satz: Uhl + Massopust, Aalen

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