DAS ERWACHEN DER ENGEL - Paul Brandl - E-Book

DAS ERWACHEN DER ENGEL E-Book

Paul Brandl

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Beschreibung

Packend. Fantastisch. Überraschend. Sie hob den Stein, den sie eigenhändig während der Schießerei aus dem Pflaster gekratzt hatte, mit ihren blutenden Fingern hoch und ging auf John zu. »Verzeih mir, mein Liebster«, sagte sie und holte aus… Als John in einer kalten Winternacht auf der Straße erwacht, stellen sich ihm mehrere Fragen: Wer ist er? Wer oder was macht Jagd auf ihn? Und vor allem: aus welchem Grund? Während er noch versucht, in sein altes Leben zurückzufinden, ereignen sich in seiner Heimatstadt unheimliche Dinge, die unaufhaltsam ihrem Höhepunkt zustreben. Und nicht nur sein Schicksal, sondern auch das der ganzen Menschheit liegt in seinen Händen... DAS ERWACHEN DER ENGEL, der Debüt-Roman des deutschen Schriftstellers Paul Brandl (Jahrgang 1966), ist eine überaus geschickte Mischung aus Krimi, Fantasy und Horror, die den Leser bis zum überraschenden Ende nicht aus seinem Bann entlässt.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Ähnliche


 

 

 

 

PAUL BRANDL

 

 

Das Erwachen der Engel

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

Signum-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

DAS ERWACHEN DER ENGEL 

Epilog 

Tag 1: JOHN 

Tag 2: DER TOD 

Tag 3: GLORIA 

Tag 4: JOSEPH 

Tag 5: JACOB 

Tag 6: ER 

Liste der Haupt- und Nebenpersonen. 

Impressum

 

Copyright 2023 © by Paul Brandl/Signum-Verlag.

Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.

Umschlag: Copyright © by Christian Dörge.

 

Verlag:

Signum-Verlag

Winthirstraße 11

80639 München

www.signum-literatur.com

[email protected]

Das Buch

 

 

Packend. Fantastisch. Überraschend.

 

Sie hob den Stein, den sie eigenhändig während der Schießerei aus dem Pflaster gekratzt hatte, mit ihren blutenden Fingern hoch und ging auf John zu.

»Verzeih mir, mein Liebster«, sagte sie und holte aus…

 

Als John in einer kalten Winternacht auf der Straße erwacht, stellen sich ihm mehrere Fragen: Wer ist er? Wer oder was macht Jagd auf ihn? Und vor allem: aus welchem Grund? Während er noch versucht, in sein altes Leben zurückzufinden, ereignen sich in seiner Heimatstadt unheimliche Dinge, die unaufhaltsam ihrem Höhepunkt zustreben. Und nicht nur sein Schicksal, sondern auch das der ganzen Menschheit liegt in seinen Händen...

 

Das Erwachen der Engel, der Debüt-Roman des deutschen Schriftstellers Paul Brandl (Jahrgang 1966), ist eine überaus geschickte Mischung aus Krimi, Fantasy und Horror, die den Leser bis zum überraschenden Ende nicht aus seinem Bann entlässt. 

 

  DAS ERWACHEN DER ENGEL

 

 

 

 

 

  Epilog

 

 

Für den Hauch eines Augenblicks war das Scharren der Hufe im Sand das einzig wahrnehmbare Geräusch. Sie zogen tiefe Furchen auf knochentrockenem Boden, der ausgedörrt und vor Verlangen zitternd einen Sturzbach aus Blut erwartete. Schnaubend gebaren Nüstern, die den süßlichen Duft der Arroganz des Feindes witterten, ihre heißen Dämpfe an diesem kühlen Morgen. Gieriges Knirschen von Mahlzähnen, Blecken gelber Reißzähne, bedrohliches Spreizen rasiermesserscharfer Klauen. Spindeldürre heuschreckengleiche Wesen sprangen aus der Schlachtreihe provozierend hervor, kreischend in ihrer blinden Wut. Fangbeine peitschten durch die Luft.  Ritter mit Drachen- und Schweineköpfen trommelten mit Äxten und Streitkolben einen monotonen, einschüchternden Rhythmus auf ihre Schilder und Rüstungen. Bei manchen war die Transformation noch im Gange, die finale Verwandlung in etwas, das sich sonst erst im Pfuhl aus Feuer und Schwefel offenbarte.  

Der Dunkle sah in der Metamorphose jedoch einen Akt der Befreiung ihrer wahren Gestalt.

 

Ist es soweit? Ist es die prophezeite letzte Schlacht? Werden wir unseren Hunger endlich stillen können?

Geduld, bremste der Dunkle die Seinen. Bald werdet ihr die blutenden Knochen eurer Gegenüber zu Staub zermalmen. Euch an ihrem Fleisch laben, euch mit ihren Häuten kleiden, ihre Seelen trinken.

Er breitete die schwarzen Flügel aus, die aus den Öffnungen seiner leuchtenden Rüstung hervortraten und sträubte jede einzelne Feder. Ein Rascheln, das sich in ein Brausen steigerte und schließlich in einem Dröhnen endete, welches das Getöse seiner Horde um ihn herum überdeckte.

Das grelle Licht brach sich in den Dünen (in Wahrheit Anhäufungen winzig kleiner Diamantsplitter), so dass sich jeder Kämpfer, jeder Gegenstand in ein Farbenspektrum gehüllt fand. Der aufkommende warme Sonnenwind, eine vorübergehende Ordnung in der Bewegungsrichtung der sonst so chaotischen Photonen, fraß die Schatten dieser Welt. Glatte Felswände aus Opalen erhoben sich links und rechts der Schlucht, die der Erfüllungsort seines Schicksals werden würde. Vor kurzem noch war dieses Tal ein Garten, mit Bäumen voller Laub und Früchten. Jetzt war es eine Wüste, eine Ödnis, die seiner Taten würdig war.

Die hundeartige Bestie zu seiner Rechten schüttelte ihr zotteliges, sich am Nacken sträubendes Fell und knurrte bösartig. Die gelben Augen mit den schwarzen, reflektierenden Pupillen ständig fixiert auf den Feind.

Der Dunkle legte seine Hand besänftigend auf die mächtigen Schulterblätter des Tieres. Da erhob es sich auf seine Hinterbeine und stieß sein markerschütterndes Brüllen dem Himmel entgegen. Es fand sofort seinen Widerhall im kollektiven Aufschrei der Truppen.

Zur Linken stand der Fahle. Einen Schritt zurück, um seine Stellung in der Hierarchie zu demonstrieren. Um zu zeigen, wessen Krieg das hier war. Doch als einziger senkte er sein Haupt nicht, wenn der Dunkle ihn ansah.

Spielst du dein eigenes Spiel, Fahler?

Und wie üblich antwortete dieser mit Schweigen.

Nun denn, so beginne ich nun meins...  

 

Seine Gegner standen in Angriffsformation. Der Torso ihres letzten Heerführers lag in seinem Blute ziemlich genau in der Mitte des Niemandslands zwischen den Legionen.

 

Noch habt ihr keine Angst, bedachte der Dunkle das feindliche Heer. Noch habt ihr IHN. Noch vertraut ihr auf IHN. Noch fürchtet ihr IHN. Doch bald schon werde ich an SEINER Stelle regieren und ihr werdet erkennen, was der Unterschied zwischen Furcht und Angst ist.

 

Der Dunkle machte einen Schritt nach vorne, hob das Schwert, an dessen Spitze der Kopf seines Kontrahenten stak, provozierend in Richtung des Allessehenden Auges und sofort kehrte Ruhe in seinen Reihen ein. Er roch den Wunsch nach Vergeltung, der von seinen Feinden aus wie ein Nebel über das zukünftige Schlachtfeld waberte.

Er sah die Spitzen ihrer Lanzen im Lichte glänzen, sah die Bogen, Schwerter und Schilde.

 

...Sah sie drüben in vorderster Reihe kniend beten. Die eine Hand am Schwertgriff, die andere an ihrem Herzen. Das Haupt in Demut vor dem Allessehenden Auge gesenkt. 

Noch kannst du und deine Getreuen euer grausames Geschick abwenden, sandte er ihr in Gedanken eine Botschaft. Ich reiche dir, euch, die Hand. Nimm sie und du könntest eine Göttin sein... 

 

Sie hob den Kopf, sah in seine kalten, bernsteinfarbigen Augen. Keine Antwort, weder mit ihrer Stimme, noch mit ihren Gedanken. Sie verschloss ihr Herz und ihre Seele vor seinen tastenden, ektoplasmischen Tentakeln. Ein ihm entgegengeschrienes Nein hätte nicht deutlicher ihre Ablehnung signalisieren können.

 

Ein weiteres Mal werde ich nicht fragen. Der Dunkle ließ die Brücke, die seinen Geist mit dem ihren verband, zusammenbrechen.   

Ein Nicken. Das vereinbarte Signal für die Bläser der Widderhörner. Der Schädel auf dem Schwert ging in Flammen auf. Unmittelbar darauf setzten sich beide Heere in Bewegung. Erst langsam, dann immer schneller und schließlich prallten die Gegner aufeinander.

 

Der Augenblick der Kollision war der Beginn der gewaltigsten Schlacht und auch gleichzeitig ihr Ende. Das Allessehende Auge, die Singularität am Firmament, zerbarst in unzählige Splitter und zum Licht gesellte sich erstmalig die Dunkelheit. Diese Energien, Licht und Dunkelheit, breiteten sich wellenartig aus. Die Wellenschnittpunkte ergaben die Keimzellen der ersten Materie. Die Naturgesetze wurden befreit aus dem Chaos und als letztes göttliches Geschenk: Der Anbeginn der Zeit.

 

Ein Splitter des Allessehenden Auges durchpflügte Raum und Zeit, zerschnitt Strukturen kosmischer Kräfte auf seinem vorgezeichneten Weg und traf schließlich auf ein unscheinbares Sonnensystem, auf einen Planeten, der von Leben erfüllt war, auf eine Landmasse, einen Ort, einen Menschen mit einer infizierten Seele. Dort fand der Krieg ein neues Schlachtfeld.

 

 

 

 

  Tag 1: JOHN

 

 

1

 

Als John die verschwollenen Augen öffnete, und das Schild »Privat!« sah, wusste er noch nicht, dass sein Name John Smith war.

Oder wusste er es nicht mehr? Egal. Als ihn später jemand mit diesem Namen anredete, kam es ihm vor, als wäre es der Name eines völlig Fremden.

Ihm war kalt. Warum auch nicht? Er lag im Schnee, unter und teilweise über ihm der Unrat aus zwei Mülltonnen. Johns Kleidung war triefend nass, stellenweise gefroren. Sein Kopf schmerzte.

Hatte er getrunken? Verdammt, was war bloß los? Er versuchte seiner Umgebung gewahr zu werden: Die dunkle Gasse zwischen den verfallenen Häusern. Wohnte er in einem von ihnen?

Eine Sackgasse. Der Maschendrahtzaun (mit dem Schild) bildete das eine Ende. An diesem Ende lag er. John rappelte sich hoch, schlug sich den Schnee von der Kleidung...

Designeranzug, Schlips, Mantel...

Gott sei Dank scheine ich kein Obdachloser zu sein.

John hob seinen Kopf und sah aus der Dunkelheit zum anderen Ende der Gasse. Licht.

 

Eine Stimme wie der Hieb eines Schwertes: Warum liebst du MICH nicht? Warum verweigerst du dich MEINEM Licht? 

Unerträgliche Schmerzen im Kopf. Diese Stimme tat weh.

Was tat weh? Die Stimme oder was diese Stimme sagte?

Und warum hörte er Stimmen?

Er rieb sich mit den Handballen an den Schläfen. Wer war er? Wer tat ihm weh? Er hatte Angst. Nur weg hier. Zum Licht...

Panisch rannte er los.

Der Angriff würde sich um 6.00 Uhr morgens ereignen, nicht einmal zwei Stunden, nachdem John gefühlt zum ersten Mal seine Augen geöffnet hatte.

 

Um sich gegen die beißende Kälte und den schneidenden Wind zu schützen, drängte sich John ganz nah an die Hauswände. Er stand im Licht der Straßenlaterne und fror erbärmlich. Der Mantel war dünn, die Kleidung zu leicht für dieses Wetter.

 

Diese Stadt - war sie seine Stadt? – schien nicht zu erwachen. Unbelebt lag sie da in der Kälte der Nacht. Die Straßen, Lebensadern jeder Zivilisation, waren wie leergefegt, ja, schienen erstarrt unter der jungfräulichen Schneedecke.

Aber wer würde auch freiwillig in so einer Nacht sein Haus verlassen, wenn er nicht musste?

 

Es hatte mittlerweile wieder zu schneien begonnen. Das machte diese verwirrende Situation noch unwirklicher. Sein Atem war das einzige hörbare Geräusch in dieser Nacht. Und dann, als der einsame Mann die finsteren Felder zwischen den Lichtkegeln durchspurtete, war noch ein anderer Atem zu...

...fühlen.

 

Es war wirklich mehr ein Gespür als eine akustische Wahrnehmung. Der Atem war langsam, tief... Die Lunge musste gigantisch sein.

Beunruhigend gigantisch.

Im Licht blieb John stehen und erkannte sofort, dass das ein Fehler war. Im Gegensatz zu dem Lungenträger stand er da, wie auf einem Präsentierteller.

Das langgezogene Atmen ging in ein kürzeres Hecheln über, wurde lauter.

Etwas fing an, auf ihn zu zu laufen. John kniff die Augen zusammen. Aus der Richtung, in der er den vermeintlichen Angreifer vermutete, schien das Licht zurückzuweichen, flackerte, verwischte, schälte sich nach innen...

und gab den Feind preis.

 

Wie ein prähistorischer Antichrist, der Ur-Alptraum der Menschheit, zeigte sich der von der Moderne längst verleugnete Spitzenprädator in seiner vollen mörderischen Pracht. Dampfender Atem aus einer langgezogenen Schnauze. Ein behaarter wölfischer Schädel. Muskeln, Sehnen, Knochen...

 

Ein Hund, groß wie ein Kalb, ein schwarzer, rasender Schatten mit gelben Augen und Zähnen wie weiße Stahlnägel. Hunderte dieser schrecklichen Zähne. Ein Bellen. Ein Knurren. Lefzen zogen sich vor Hass zitternd noch weiter zurück als möglich schien. Die Kiefer schoben sich nach vorne wie bei einem Hai, präsentierten auf diese Art die perverse Karikatur eines Lächelns.

Dann, als wäre das, was John bisher gesehen hatte, nicht schon wahnsinnig genug, bog sich der Rücken des Tieres nach hinten durch, die vorderen Pfoten hoben vom Boden ab, und es stand aufrecht wie ein Mensch.

 

Die Bestie heulte, drohte, verschwand wieder im Schatten, so dass sie nur noch zu erahnen war und fing an, sein Opfer zu umkreisen.  

 

John war wie versteinert. In welchem Alptraum war er gelandet? Die Augen des Tieres glühten wie zwei ferne, kalte Sonnen in dunkler Nacht. Seine Flanken dampften in der eisigen Morgenluft. Dann entzog es sich komplett seinem Blickfeld.

Was bist du? Was willst du von mir? 

Seine Augen auf die Stelle gerichtet, an der er den Hund vermutete, entfernte sich John rückwärtsgehend langsam aus dem Lichtschein der Lampe. An der Schattengrenze blieb er stehen und horchte.

Er hörte... das Rauschen seines eigenen Blutes und das Pochen seines eigenen Herzens.

Also ließ er die Wahrnehmungsgrenze weiter nach außen wandern und hörte... fallenden Schnee, das Brechen mikroskopisch kleiner Eiskristalle und...

 

Da war es wieder: Das ihm inzwischen so vertraute Atmen der tierischen Lunge. Aber nicht dort, wo er sie erwartet hatte, sondern rechts von ihm.

John drehte sich um und rannte um sein Leben. Sein Tod ihm unmittelbar auf den Fersen. Da durch die Flucht das natürliche Patt zwischen Hetzjäger und seiner Beute nicht mehr Bestand hatte, gab es auch keinen Grund mehr für den Hund, leise zu sein. Das Schappen seiner Kiefer war wie das Geräusch einer Guillotine, wenn das Fallbeil den Block traf.

Den Wettlauf konnte John nicht gewinnen, das war ihm klar. Aber kampflos wollte er sein Leben nicht hergeben. Er ballte seine Hände zu Fäusten, wirbelte herum und erwartete den Aufprall des Monsters. Doch nur eine Windböe traf auf seinen Körper. Sein Verfolger war verschwunden.

  

Schwer atmend stand John da. Wenn er nicht komplett verrückt geworden war, dann musste das eine Finte sein. Da er den Hund nicht sehen konnte, schloss er die Augen und vertraute nochmals auf seine Instinkte.

Und erstmals gesellte sich eine Stimme zu den Geräuschen der schwindenden Nacht.

Die Stimme, die ihm seltsamerweise vertraute erschien, flüsterte ihm eine wirre Botschaft: Gib ihn frei, gib ihn frei, ich töte dich, gib ihn frei... 

 

Johns Nasenflügel bebten. Brennend ätzender Schwefelgestank lag in der Luft und quälte seine Schleimhäute.

Du verrätst dich.

Das grausame Spiel näherte sich seinem Ende. Ein erneutes Aufheulen, ein beschleunigendes Anlaufen der krallenbewehrten Pfoten im weichen, dämpfenden Schnee, ein heißer Atem an seinem Genick.

 

Instinktiv ließ sich John nach vorn fallen, drehte sich in der Hüfte und bog sich nach hinten durch. Seine Hände schnellten nach oben, zur ungeschützten Brust des über ihn springenden Höllenhundes. Rippen brachen, Epidermis riss. Das darauffolgende Heulen der Bestie war kurz und voller Pein. Warmer, klebrig-weicher Regen. Kupfergeschmack.

John knallte mit dem Rücken auf die schneebedeckte Straße, so dass es ihm die Luft nahm. Als er die Augen öffnete, lag er in einer Lache von Blut.

 

Ein kurzes Aufblitzen der Erinnerung: Nachdem er zugestoßen hatte, konnte er das schwarze, zuckende Herz des Tieres in seiner Hand fühlen. Seine Finger hatten sich um den glitschigen Muskel geschlossen, doch er riss ihn nicht heraus. Er wusste, er wäre dazu fähig gewesen... Als wäre in Wahrheit er der Jäger und das Scheusal die Beute.

Ein Heulen in der Nacht, weit entfernt.

Gib ihn frei... 

 

 

2

 

Jacob Bad Boy Brown stand an diesem Morgen zeitig auf. Sonst schlief er immer bis Mittag, aber heute hatte der große Schwarze einen dicken Fisch an der Angel. Den verdammt nochmal dicksten Fisch, den die Welt je gesehen hatte. Heute war der letzte Tag in seinem alten Leben. Wenn alles gut ging...

 

Scheiße, was dachte er? Natürlich würde es gut gehen. Coolness war sein zweiter Name.

Der Bad Boy war ein Mann mit der Statur eines Bären. Ein Fels, durch nichts zu erschüttern, aber durch die Erosionswirkung vielgesehenen Leides perforiert. Sein Problem war, dass er für seinen Lebenswandel einen zu sanftmütigen Kern hatte.

 

Wenn du mich nur so sehen könntest, Fran. Ich bin auf bestem Wege, ein gemachter Mann zu werden. Jetzt wäre die Zeit gekommen, dir den Ring zu geben, der in meiner Tasche schon Wurzeln schlägt.

Mit dreizehn Jahren war er von zu Hause durchgebrannt. Er dachte, er wäre der Hölle entflohen, aber tatsächlich tat sich dann erst die Hölle richtig für ihn auf. Sein Alter, ein Pastor, der ihn Israel nannte, hatte ihn ab und zu verprügelt, aber das Leben, das er anschließend führte, war an Brutalität nicht zu überbieten. In Street-Fights hatte er sich rasch einen Namen gemacht: Bad Boy. Kleine Diebstähle, Raubüberfälle mit Körperverletzung, dann Knast, den er anfangs nur durch seine Erfahrung als Straßenkämpfer überlebte. Und im Gefängnis wurde er schließlich Leibwächter eines Drogenbosses, der ihn auch nach seiner Entlassung als Mann für besondere Aufgaben beschäftigte. Nun, so lange, bis Jacob ihm eine Kugel durch den Kopf jagte.

Das hatte das Schwein verdient.

 

Jacob, räum‘ mal den Dreck weg. Sein Boss saß nur mit einem Bademantel bekleidet auf der Bettkante und zündete sich mit zitternden Händen eine Zigarette an. Ich kann doch auf deine Loyalität zählen? fragte er und sah den großen Kerl misstrauisch an.

Das blutige Bündel, das einmal eine junge Frau war, lag starr auf der Bettdecke.

Jacob war wie vom Donner gerührt.

Wer ist das, Tony?

Das Kleid. Das rote Kleid, das er ihr geschenkt hatte. Es war genauso zerfetzt wie der zierliche Körper der Tänzerin.

Das ist nicht mehr... 

Ist das Fran?

Jacob, halt dein verdammtes Maul. Er warf ihm ein dickes Bündel Dollarscheine zu. Und jetzt versenk‘ das Miststück.

 

Tony flog quer durchs Zimmer und knallte mit dem Kopf schwer auf den Boden. Blutend versuchte er aufzustehen, sprachlos vor Schock. Der Bad Boy stand nur da und betrachtete die herausgerissenen, zerquetschten Hoden seines Bosses in seiner Faust. Dann stopfte er sie Tony mitsamt dem Geldbündel in den Mund.

Friss sie! Los, du Ratte.  

Als er das jämmerliche Stück Scheiße vor sich betrachtete, das an dem Brei aus Papier und Fleisch - Götzendienst und Lust - zu ersticken drohte, fiel ihm ein Bibelzitat seines Vaters ein: Den, der gegen mich gesündigt hat, streiche ich aus meinem Buch.

 

Jacob zog seine Pistole und schraubte den Schalldämpfer auf den Lauf.

Das anschließende Feuer löschte alle Spuren. Jacob, der vorher sorgfältig alle Türen versperrt und die Schlösser zerstört hatte, hörte noch die verzweifelten Schreie der Gang, dann verschwand er mit dem toten Körper seiner Verlobten in der Nacht.

 

Der Bad Boy packte den schweren Gitarrenkoffer. Das Ding darin... immer wieder warf er einen kurzen Blick hinein, ob sich die Ware tatsächlich noch darin befand. Und immer wieder schien das Ding ihm zu sagen: Nimm mich. Streif deine Handschuhe ab und berühre mich mit deiner bloßen Haut...  

 

Kein Grund, nervös zu werden.

Sonnenbrille auf, Hut, Mantel... Kanone hinten in den Hosenbund. Yeah, und lässig aus dem Haus.

Man musste das Hotelzimmer hier immer im Voraus bezahlen und da er mindestens noch eine Nacht zu bleiben gedachte, legte er der Frau an der Rezeption die nötigen Dollar auf den Tresen. Sie betrachtete den kräftigen Kerl mit einem abschätzigen Blick über ihre Brillengläser. Er hielt ihrem Blick eiskalt stand, dann grinste er. Goldzähne blitzten. Die Frau hob eine Augenbraue, dann sah sie, ihre Nase rümpfend, wieder in die Zeitung.

»Könnte glatt sein, draußen«, sagte sie zu ihm, ohne nochmals aufzusehen.

 

Brr, Scheiße ist das kalt. Kopfschüttelnd betrachtete Jacob die Wetterkapriolen. Schneeflocken stoben ihm ins Gesicht.

Ein Blizzard in Georgia? Gestern hatte es noch die normalen gemäßigten Januartemperaturen für diesen Bundesstaat und jetzt lag eine dicke, weiße Schicht Pulverschnee auf den Straßen. Das bisschen Verkehr war fast komplett zum Erliegen gekommen. Ein Taxi konnte er sich abschminken.

Ein Fahrzeug näherte sich.

Meine Freunde sind heute auch schon unterwegs.

 

Langsam fuhr ein Streifenwagen des Seven Hills Police Department an ihm vorbei. Ein Weißer und eine Schwester, registrierte der Bad Boy.

Ja, ja, Cops. Schaut schön auf die Straße. Jacob grinste. Habt mit dem Schnee mehr zu tun als mit ´nem alten Bruder. 

Er zog mit der Hand seinen Kragen zu, als ein eisiger Wind seinen Mantel aufblähte. Scheiß drauf. Bald bin ich wieder daheim in Atlanta und genieße meinen Ruhestand. Nur noch ein verdammter Job.  

Und endlich das verdammte Gewicht des Gitarrenkoffers los sein.

Er pfiff einen alten Song, aber der Wind riss ihm die Töne von den Lippen. Langsam schritt er die Straße entlang, wich umgefallenen Mülltonnen aus und kämpfte gegen die Naturgewalt an. Eine Gasse lockte ihn. Windgeschützt, trocken, ideal zum Rasten. Doch etwas hielt ihn zurück. Er blieb stehen, nahm seine Brille ab, zwickte seine Augen zusammen und spähte in die Finsternis zwischen den beiden Häusern. Als er sich schon wieder abwenden wollte, glaubte er, eine Gestalt zu erkennen. Groß. So groß wie er selber, aber viel dünner. Lange Arme schienen in der Dunkelheit nach ihm zu greifen.

War das real?

 

Plötzlich zuckte er zurück. Aus der Dunkelheit gelangten Hände ins trübe Licht der Straßenlaterne. Knochige Hände mit langen Fingern, wie die dürren Zweige eines toten Baumes. Finger, die nach ihm griffen.

 

Von jetzt an hielt er sich von den schmalen, finsteren Gassen fern.

Ihm blieben noch vier Tage...

In vier Tagen würde man seine verbrannten Knochen aus dem geschmolzenen Asphalt herausbrechen und ihn nur noch an den Zahnlücken identifizieren können, aus denen jemand posthum die Goldzähne herausgebrochen hatte.

Bad Boy, ein ewiger Loser, im Leben wie im Tod.

 

Police Officer Williams warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel, nachdem sie an dem Typen, der im größten Schneetreiben mit einer Ray-Ban-Sonnenbrille herumstand, vorbei gefahren war. Dann blickte sie wieder nach vorne, schob sich einen Streifen Kaugummi zwischen die Zähne und verfluchte das Wetter.

Sergeant Cooper auf dem Beifahrersitz sah seine Kollegin kurz an und schmunzelte. Sie hatten Streichhölzer gezogen, wer fahren durfte, und Williams hatte gewonnen.

---ENDE DER LESEPROBE---