Das Finale - Mitten ins Herz! - Nick Zachries - E-Book

Das Finale - Mitten ins Herz! E-Book

Nick Zachries

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Beschreibung

Nach den beiden ersten sehr erfolgreichen Romanen von Nick Zachries nun der dritte Teil. 'Never change a winning team', findet der 40-jährige Jan. War er tatsächlich 17 Jahre mit Renate verheiratet? Seine Scheidung läuft und sein Partner Nick, 26-jähriger Student, den er im Urlaub vor gut anderthalb Jahren in Frankreich kennen lernte, wohnt nicht nur mit ihm und seinen drei Kindern im Haus, sondern vor allem in seinem Herzen. Jan findet es jetzt selbstverständlich, schwul zu sein. Es ist Nick, der sich nach einem Wochenende mit seiner Mutter seltsam benimmt und Zweifel an seinem bisherigen Lebensstil hegt. Seine gewohnte Selbstsicherheit ist ins Wanken geraten durch das Auftauchen eines Menschen, mit dem er nie gerechnet hat. Jan hat Mühe, seinen Freund ins seelische Gleichgewicht zu bringen. Peinliche Auftritte und Heimlichkeiten in der Familie sind plötzlich an der Tagesordnung. Nach einer wilden Party zu Hause nimmt Nick sich fest vor, alles aufzuklären, doch da passiert ein Unfall ...

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Seitenzahl: 454

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Nick Zachries

                Das Finale

Über den Autor:

Nick Zachries ist … anders.

„Ich bin, was ich bin. Was? Mann? Frau? Irgendwie beides, auf jeden Fall ein Mensch mit sehr viel Herz, Verstand und Gefühl.“

www.nick-zachries.de

Himmelstürmer Verlag, part of Production House GmbH

20099 Hamburg,

www.himmelstuermer.de

E-mail:[email protected]

Originalausgabe, März 2005

E-book Ausgabe Herbst 2012

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des

Verlages

Foto: Thorsten Hodapp, http:www.MalePerceptions.de

Das Modell auf dem Coverfoto steht in keinen Zusammenhang mit dem

Inhalt des Buches und der Inhalt des Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Modells aus. 

Umschlaggestaltung: OlafWelling, Grafik-Designer AGD, Hamburg, www.olafwelling.de

ISNB Print 978-3-934825-40-0

ISBN ePub978-3-86361-255-9

ISBN PDF  978-3-86361-256-6

Inhalt:

Freies Wochenende mit verrückten Gedanken             

Lästige Pflichten: Hand- und Gartenarbeit

Abendessen zu viert

Ein Krankenwagen nebenan

Ein unerwarteter Besucher           

Ein alter Traum

Grünkohl, nein danke!

Warten in Preetz

Eine Lüge           

Männerwirtschaft

Total durcheinander

Ist es doch noch nicht zu spät?

Echte Neuigkeiten ...           

Ein frisch verliebtes Paar

Peinliches Zusammentreffen

Neue Nachbarn

Noch mehr Neuigkeiten!           

Katerstimmung

Ein ganz normales Paar

Ein kleiner Blonder vor der Tür

Eine ganz spezielle Frage ...         

Hauptsache, glücklich!

Mats im Alten Land

Er will’s auch

Fußballspieler sind nicht schwul         

Tagträume der besonderen Art

Patrick ist sich noch nicht sicher

Die Kleinen werden frech

Party!         

Scheidungen kann man feiern

Wer mit wem?

Nick erfreut Frau Melzer

Geständnisse         

Prolog

Jan

Ich gehe in sein Zimmer. Er sitzt schon wieder am Rechner und tippt. Seitdem er beschlossen hat, unsere Story aufzuschreiben, ist er ständig verschwunden.

„Und dein Studium?“, frage ich ihn, als er kurz zu mir hochsieht. Er schnaubt genervt.

Der alte Drucker fiept und röhrt (überholtes Modell, Tintenstrahl, Flecken überall – ich nenne keinen Namen ...) und spuckt neue Seiten aus, die unser Zusammenleben hautnah schildern.

Ich sehe auf die oberste Seite, als das vorsintflutliche Teil wieder erschöpft zum Stillstand kommt.

„Das hast duauchgeschrieben?“, frage ich, „Himmel, Nick, ich gewinne den Eindruck, unser Leben besteht nur aus Sex! Dabei sitzt du in letzter Zeit ständig hier, ich glaub’, ich muss mir mal ein paar Seiten mit ins Schlafzimmer nehmen, um mich wenigstens daran zu erinnern,wiees einmal war ...“

Das ist ein ungerechter Vorwurf, das weiß ich.

Nick ist immer sofort bereit, die „Arbeit“ liegen zu lassen, wenn Wichtigeres anliegt (besser: ansteht!).

Er sieht blinzelnd hoch und seine Augen müssen vermutlich erst einmal adaptieren.

Ob er in zehn Jahren ‘ne Brille braucht?, denke ich belustigt. Nie im Leben wird er die aufsetzen! Dann bestellt er gleich Kontaktlinsen, er ist eitel.

„Ich kann natürlich auch darüber schreiben, wie ich deinen Kindern Spiegeleier brate“, sagt er angewidert, „aber ich glaube, das interessiert keine Sau!“ Spiegeleier mag er nicht. „Schreib‘s Vorwort“, hat er mir gestern gesagt, „für Teil III . Du kannst auch mal was machen.“

Stimmt, ich mach’ ja auch sonst nichts.

Ich geh’ bloß jeden Tag arbeiten, damit wir uns hoffentlich bald

a) einen neuen PC leisten können - „der Alte ist voll scheiße ... 300 Mhz, ich bitte dich, das darf ich gar keinem erzählen!“O-Ton Christoph,

b) ein Klavier „das ist einfach was anderes als ein Keyboard, Papa!“ Katharina, und

c) viele kleine unnütze Dinge „Lisa hat auch die Kutsche von Barbie!“ Lily.

Nicht zu vergessen Tonnen von Hundefutter für Arnie. Und eben den neuen Drucker für Nick. Meinem Partner von Tisch und Bett. Die Kinder habe ich in unsere Beziehung gebracht, weil ich die vorher schon hatte. Ich war nämlich vor Nick „normal“.

Ja, ehrlich!

Ich hab’ noch nicht mal heimlich den Jungs hinterhergesehen ...

Und dann kam er und brachte mein Hetero-Dasein völlig durcheinander. Das Resultat kann man neuerdings lesen.

Beim Himmelstürmer-Verlag aus Hamburg.

„Geht das so?“,  frage ich ihn.

Er ist der Schreiber unserer Geschichte, na, sagen wir, zwei Drittel sind von ihm, es gibt ja hin und wieder auch meinen ganz persönlichen Anteil und den habe ich selbst verfasst. Er neigt bisweilen zu sehr intimen Einzelheiten, vor deren Schilderung ich bisher zurückschreckte.

„Okay“, befindet er, „ich schick‘s Achim mal.“ Er steht auf und streckt sich. Sieht auf seine Uhr.

„Wann kommen die Kinder?“ Es ist Sonntag, sie sind bei Renate und ihrem Freund.

„In einer  Stunde“, sage ich. Er grinst frech.

„Das reicht“, sagt er lüsternd. Er hat Recht.

„Weißt du, was auch als Vorwort zu Teil III reichen würde?“, frage ich ihn danach im Bett und er dreht sich zu mir um.

„Na?“

„Never change a winning team“, sage ich, „wir sind doch ein gutes Gespann, oder?“

Freies Wochenende mit verrückten Gedanken

Lästige Pflichten: Hand- und Gartenarbeit – Abendessen zu viert – Ein Krankenwagen nebenan

Jan

Ich schrecke hoch. Sehe auf die Uhr. Halb zwei.

Kommt er doch nach Hause?, frage ich mich.

Schritte auf dem Flur. Die Tür zum Wohnzimmer klappt. Kurz darauf höre ich laute Musik.Die Petshop-Boys.Er scheint noch in Disco-Stimmung zu sein. Ich stehe auf und gehe zum Wohnzimmer. Öffne langsam die Tür.

Er tanzt und ich verhalte mich ruhig. Er sieht mich nicht. Es ist dunkel, er hat kein Licht angemacht.

Ich sehe ihm gern beim Tanzen zu, weil er sich gut bewegen kann. Leider habe ich nicht oft Gelegenheit ... denn wenn wir schon mal losziehen, was selten genug vorkommt, tanzen wir ja meistens zusammen und da kann ich mich nicht so auf‘s Gucken konzentrieren, weil ich mit mir selbst beschäftigt bin.

Gucken und tanzen gleichzeitig ist schwierig.

Ha,ha – typisch Mann, würde Renate sagen.

Starke Sachen trägt er. Seine knallenge Lederhose und ein durchsichtiges schwarzes Netzhemd, das ich noch nie an ihm gesehenhabe. Richtige Aufreißerklamotten. So zieht er also los, wenn ermit Mats tanzen geht. Interessant.

„Da ist nichts mehr – ehrlich!“, hatte er erst neulich wieder beteuert. „Mats hat doch ‘nen Freund.“ Und er rümpfte die Nase.

Mats wohnt seit einem Vierteljahr in Hamburg. Seine erste große Liebe. Mit dem hatte er im Sommer herumgehurt. Ein Jahr zuvor hatten sie sich wiedergetroffen nach zehn Jahren. Die erste Zeit wohnte Mats vorrübergehend bei Uli in Josys altem Zimmer, aber er fand ziemlich schnell eine eigene kleine Wohnung in der Innenstadt. Passenderweise St. Georg. Wo sonst?

Nach dem Umzug kam Nick wütend nach Hause.

„Er hat immer noch nicht richtig mit Arne Schluss gemacht“, erzählte er aufgebracht.

„Ich dachte, ich krieg ‘n Trieb, als der Arsch aus dem Auto steigt ... echt, ich versteh‘s nicht!“

„Das klingt verdammt nach Eifersucht, Schätzchen“, sagte ich betont lässig zu ihm, damit er meine eigene nicht gleich witterte. Er sah mich erstaunt an.

„Nee ... es ist nur ... Mats hat einen Netteren verdient, nicht diesen blöden Langweiler Arne!“ Er umarmte mich.

„Ich hab’ ihn nur noch gern, ehrlich“, sagte er und dann küsste er mich. Er tat es auf eine Weise, dass ich ihm glaubte.

‘Go West’ ist vorbei. Wenn es eine von seinen Autokassetten ist, kommt jetzt ... ja, die Bloodhound Gang – ‘Bad touch’. Er scheint genug vom Tanzen zu haben, denn er lässt sich auf‘s Sofa fallen und legt den Kopf zurück auf die Lehne. Sitzt breitbeinig da, die Hände auf seinen Schenkeln. Er greift sich in den Schritt, streichelt sich, dann öffnet er seine Hose ...

Sieh’ mal  an, der Junge ist geil – und wie! Okay, er denkt, er ist allein. Ich fühle Erregung in mir hochsteigen. Guter Ausdruck – und wie es steigt! Es macht mich ganz schön an, ihm zuzusehen ... aber die Rolle des unbeteiligten Voyeurs liegt mir nicht. Ich stoße mich von der Tür ab, an die ich gelehnt habe und gehe langsam auf ihn zu.

Er hat die Augen geschlossen, sein Mund ist leicht geöffnet und er atmet heftig vor Lust, während er sich selbst befriedigt.

„Hey“, sage ich leise. Er reißt die Augen auf vor Schreck und hält inne in seinem eifrigen Tun.

„Oh Gott, Jan“, stöhnt er entsetzt,  „hast du mich erschreckt!“ Ich bin schon bei ihm und mache da weiter, wo er gerade aufgehört hat.

„Handarbeitsstunde?“, frage ich ihn zärtlich und wir küssen uns, „warum biste denn nicht ins Schlafzimmer gekommen?“

„Ich dachte, du bist nicht da ... oh ja, bitte genau so ... “

Ich bin zwischen seine Beine gerutscht, um ihm oral was Gutes zu tun und er reißt grob an meinen Haaren.

„Au“, ich halte inne und er keucht, „sorry ... bitte nicht aufhören ... mach’ um Himmels Willen weiter ...!“

„Ich hätte dich beißen sollen“, sage ich ihm hinterher und massiere meine schmerzende Kopfhaut. Ich habe mich wieder neben ihn gesetzt. Er lacht, noch völlig außer Atem.

„Du bist doch ein wahrer Freund ... danke,  dass du‘s nicht gemacht hast ... wo ist denn der Bus?“

„Den habe ich doch Wolfgang geliehen, der will morgen zu IKEA! Komm’, lass uns rübergehen, da ist‘s bequemer“, schlage ich ungeduldig vor, weil ich auch endlich zum Zug kommen will.

„Nein, wir bleiben hier ... ich will heute Musik dabei hören“, sagt er und zieht mir das T-Shirt aus.

„Was trägst ‘n du da eigentlich für einen heißen Fummel?“, frage ich ihn und streife ihm das Netzhemd ab.

Er grinst. „Stark, was? Hat mir Fabian geschenkt! Guck nicht so! Ich hab’ nix mit dem! Er selbst ist bloß zu fett dafür!“ Endlich ist er fertig mit Ausziehen – seine Lederhose sitzt aber auch verdammt eng.

„Na?“, fragt er, „wie hätten Sie‘s denn gern, Monsieur?“ Mittlerweile liegen wir auf dem Teppich.

„Das volle Programm bitte ... hübsch der Reihe nach“, stöhne ich lustvoll, weil Nick schon mit einer Spezialübung begonnen hat.

„Das kostet aber extra“, sagt er leise und grinst frech hoch zu mir. Miststück. Ich liebe ihn.

Nick

Ich wache auf und höre die Dusche. Wir sind allein. Die Kinder und der Familienköter Arnie sind bei Renate. Diese Samstage, an denen Jan nicht arbeiten muss, sind selten.

Trübes Oktoberwetter, man sollte den ganzen Tag im Bett bleiben. Stattdessen wartet der Schreibtisch auf mich.

Weihnachten will ich die Abschlussarbeit fertig haben. Letztes Semester habe ich ganz schön geschlampt.

Mein Geliebter kommt nackt ins Schlafzimmer.  Hm, er riecht fantastisch!  Ich lege mir demonstrativ die Hände vor die Augen. „Schreibtisch, Schreibtisch, Schreibtisch ...“, murmele ich wie ein Mantra vor mich hin und höre ihn lachen. Er bleibt vorm Bett stehen und zieht mir die Decke weg.

„Junge ... wie siehst du denn aus?“, fragt er. „Machst du etwa gegen mich mobil? Probst du hier den Aufstand?“

Was erwartet er denn? Es ist schließlich morgens, ich bin jung und stehe in der Blüte meines Lebens ...!

Okay, aber gleich nach dem Frühstück gehe ich in mein Zimmer und werde was tun.

„Ich muss dieses Wochenende unbedingt was im Garten machen“, sagt Jan, als wir uns beim Frühstück gegenübersitzen, „es sieht echt schlimm aus – total verwildert.“ Er sieht sich im Wohnzimmer um.

„Und du könntest mal wieder die Pflanzen hier drinnen gießen, die haben‘s nötig!“

Hab’ ich behauptet, einen grünen Daumen zu haben? Josy hat mir mal gesagt, bei mir würden sogar Kakteen eingehen!

„Ja, doch“, murre ich. Unsere Aufgabenverteilung ist klar abgesteckt, was das Grünzeug angeht. Ich drinnen, er draußen. Nee, bei aller Liebe, also zum Gärtner tauge ich nicht, dann greif’ ich lieber schon mal zum Bügeleisen ... was selten genug vorkommt.

Wozu auch? Die paar Hemden, die wir besitzen, bügele ich alle Jubeljahre mal an ‘nem Samstag Nachmittag und höre dabei die Bundesligaübertragung im Radio auf NDR 2 mit Uwe Bahn. Beim Quiz bin ich fast immer schneller mit den Antworten als die Kandidaten, die dort anrufen. Ob ich es auch mal versuchen soll, um mir damit mein Taschengeld aufzubessern?

„Woll‘n wir nicht Josy und Klara einladen?“, frage ich und bestreiche meine zweite Brötchenhälfte mit sehr reifem cremigem Camembert, „du gehst mit Josy in den Garten und ich trinke mit Klara Kaffee und trage den Kleinen herum ... das würd’ ich glatt machen!“

„Friss nicht den ganzen Käse! Lass mir auch noch was!“ Jan isttotal ausgehungert. Nach dem Sex ist er das immer. Ich aberauch.  „Meinst du?“,  fragt er und ich sehe mit Bedauern, dass er kackfrech den Rest des von uns beiden so geliebten Sauermilcherzeugnisses auf sein – bereits drittes! – Brötchen schmiert. „Ist das nicht ein bisschen ausverschämt?“

„Ach wo – Josy liebt solche Aktionen“, behaupte ich, „du hast doch auch keine Ahnung, was du machen sollst draußen. Renate hat sich doch letztes Jahr schon die Haare gerauft, was du alles abgeschnitten hast ... soll ich ihn nicht mal anrufen?“

„Es klappt“, sage ich, als ich fünf Minuten später zurückkomme. Auf meinem Teller liegt Jans zweite Brötchenhälfte mit dem Käse. Er zwinkert mich an. „Für dich, du dünnes Hemd“, sagt er liebevoll. „Damit du ‘n bisschen mehr auf die Rippen kriegst und nicht so piekst im Bett ...“ So ist er, mein  Jan.  „Heute Nachmittag um halb drei“, sage ich zufrieden und beiße genüsslich in mein geschenktes Brötchen. „Und was ist mit Kuchen?“, fragt Jan.

„Das schaff’ ich schon“, sage ich, „den Käsekuchen kann sogar ein Trottel backen!“ Jan lacht und wir sehen uns an – und sagen gleichzeitig  „Tati!“

Bleibt mir heute also doch noch mal der Schreibtisch erspart.

Nach dem Frühstück schwinge ich mich auf‘s Rad. Für die paar Besorgungen brauch’ ich kein Auto.

Als ich an der Kasse im Supermarkt anstehe, tippt mir wer auf die Schulter. Ich drehe mich um.

„Andreas!“,  sage ich erfreut und er grinst mich an.

„Hi“, sagt er, „geht‘s euch gut?“ Wir bezahlen unsere Sachen und gehen raus.

„Warum hast du dich nicht mal gemeldet?“, frage ich ihn. Teufel, er sieht noch besser aus, als ich ihn in Erinnerung hatte! Er verstaut seine Sachen im Rucksack und weicht meinem Blick aus.

„Es hat eben ‘ne Weile gedauert, bis ich ... drüber weg war“, sagt er leise und dann: „Dein Jan hat mich ganz schön umgehauen ...“

Und ich hatte Angst gehabt, dass mein Jan mich wegen Andreas verlässt. Der hatte eine Menge auf seinem Plus-Konto zu bieten: Nicht bloß sein gutes Aussehen ... er war zudem auch noch ein echt lieber Typ ... jetzt, wo ich ihm gegenüberstehe, spüre ich wieder Erleichterung, dass sich Jan dennoch für mich entschieden hat ... schließlich hatte ich Andreas auch „hautnah“ erlebt und konnte von daher einschätzen, auf was Jan verzichtete – mir zuliebe.( „Ich würde euch gern mal wiedersehen“, sagt er undwickelt sein Fahrradschloss um den Sattel. Klar, warum eigentlich nicht?

„Woll‘n wir nicht demnächst zusammen kochen?“, frage ich, „irgendwelche Nudeln und Salat?“

„Klingt gut“, sagt er , „ich hab’ ein paar geile Gewürze aus Holland mitgebracht .“  Wir stehen voreinander.

„Machen wir doch gleich Nägel mit Köpfen! Wie wär‘s beispielsweise mit morgen Abend?“, schlage ich vor.

„Da bin ich mit ein paar Kollegen verabredet ... heute ist wohl arg spontan, oder?“ Junge, der kann vielleicht gucken!  Ich rechne schnell nach. Josy und Klara fahren bestimmt am frühen Abend, weil der Kleine gerade so ‘ne nervige Schreiphase hat ... warum eigentlich nicht?

„So gegen acht?“, frage ich, „am Nachmittag kommen unsere frischgebackenen Eltern ... “

„Zwei Besuche an einem Tag?“, zweifelt er.

„Wieso? Essen müssen wir doch trotzdem“, sage ich,  „komm’ ruhig ... “ Es wird Zeit für einen normalen Umgang.

Jan

Ein Riesenberg verblühten Gesträuchs liegt auf dem Rasen. Josy war noch viel beherzter als ich, aber ich kann ihm als Gärtner da voll vertrauen. Es hat richtig Spaß gemacht, doch jetzt reiben wir uns die Hände und freuen uns auf den Kaffee. Kurz nach vier. Ich wühle schon seit halb zwölf hier rum.

Klara klopft an die Scheibe und macht Zeichen, dass sie was essen will. Ich sehe Nick mit dem Kleinen auf dem Sofa sitzen. Er grinst mich an, nimmt Jannicks kleine Hand und winkt mir damit zu.

„Mein Patenkind ... irre, was? Ich bin Patenonkel!“

Die Feier war gleich nach unserem Kroatien-Urlaub und Nick war rührend stolz. Josys Mutter hatte in der Kirche neben mir gestanden.  „Joachim sagt, Nick ist ganz vernarrt in Ihre Kleine ... Lily. Und er freut sich immer, wenn er für den Vater gehalten wird!“

Das kommt sogar optisch hin. Lily hat als einziges von meinen Kindern blonde Haare und sie und Nick haben eine gewisse Ähnlichkeit auf Kinderfotos.

Wenn man sie dann noch miteinander herumalbern sieht, denkt wirklich jeder, dass sie verwandt sind.

Die Vermieterin in Kroatien hatte auch gedacht, dass Lily Nicks Tochter ist und wir haben sie in dem Glauben gelassen – es hatte ihm so viel Freude bereitet.

Wir gehen rein und kommen ins Wohnzimmer, wo Klara den Kleinen gerade auf dem Couchtisch wickelt. Nick dreht sich zu mir um und sieht mich mit langem Gesicht an, wobei er die Nase rümpft.

„Was – hat er schon wieder gekackt?“, fragt Josy. „Er hatte doch erst vorhin  ‘ne gewaltige Ladung drin ...!“

„Na, so oft wie er mir am Busen hängt“, sagt Klara, „da, bring sie mal weg!“ Und sie drückt Josy die volle Pampers in die Hand.

„Sieht gar nicht wie Kacke aus“, sagt Nick und sieht mich irritiert an dabei, „eher wie dünner Kartoffelbrei mit Curry vermischt ... “

„Das ist die Muttermilch“, sage ich und Klara zwinkert mir zu.  Tja - ich kenn’ mich da bestens aus!

„Komisch, dass du das auch alles durchgemacht hast“, sagt Nick gedankenverloren beim Kaffeetrinken.

„Ich meine, Babies wickeln und so ... “

„Und nicht zu vergessen schlaflose Nächte,“ sage ich und muss grinsen, als Josy und Klara synchron aufstöhnen.

„Wie schläft er denn?“

Josy winkt ab. „Lass gut sein“, sagt er gutmütig. Klara sitzt mit geöffneter Bluse am Tisch und Jannick nuckelt zufrieden an ihrem Busen.

„Ach, es geht eigentlich. Er schläft bei uns im Bett und wir machen ihm eine extragroße Windel um, so dass wir nicht aufzustehen brauchen ... eine Freundin von mir meint, sich das antun zu müssen. Sechsmal ist sie neulich hoch, hat sie erzählt ...“ Sie isst mit Appetit an ihrem Käsekuchen weiter.

„Lecker“, sagt sie, „wer hat den gebacken?“

„Ich“, sagt Nick stolz, „gut, ne?“

„Kannst du ihn uns mal ausleihen?“, fragt sie und lächelt mich verschwörerisch an, „wir kommen im Augenblick zu gar nichts ... so ‘ne Luxusarbeit wie Kuchenbacken ist zur Zeit bei uns nicht drin.“

Halb sieben. Klara sieht Josy an. Der versteht sofort.

„Ja“, sagt er und steht auf, „war nett bei euch ... aber wir machen jetzt einen Abflug ... Jannick wird uns nicht den Gefallen tun und heute mal nicht schreien ... im Moment pennt er ja und wenn wir Glück haben, wird er auf der Fahrt nicht wach, aber wenn es dann soweit ist ... “ Sie packen ihren Kram zusammen und Klein-Jannick, der auf dem Sofa lag, wird angezogen und in seinen Autositz gepfercht. Er schläft und kriegt nichts mit.

„Und er macht richtig Krach?“, fragt Nick, „er sieht so friedlich aus!“

Josy sieht Nick an. „Und wie! Ich wollte schon sagen, wart es ab, aber das wirst du vermutlich nicht durchmachen ... “ Er dreht sich zu mir um und grinst, „eure Kinder sind ja schon groß!“

„Ja“, sage ich, „quasi aus dem Gröbsten raus, wie man so schön sagt. Nick wird es erst mitkriegen, wenn Katharina uns zu Opas macht – vorausgesetzt, er hält es so lange mit mir aus ... “ Nick kommt zu mir und legt den Arm um mich. „Dazu müsstest du mich aber erst heiraten“, scherzt er, „vorher lass ich mich nicht zum Opa machen!“

„Würdest du mich denn heiraten wollen?“, frage ich, „bin ich nicht schon viel zu alt für dich?“

„Komm’ Josy“, sagt Klara da und stößt ihren Gatten an, „die lassen wir jetzt mal besser allein, dann können sie in Ruhe darüber diskutieren!“

Wir stehen Arm in Arm in der Tür und winken. Josy fährt, sein Kleiner sitzt neben ihm und Klara hinten. Ich schließe die Tür.  Nick steht mit funkelnden Augen vor mir.

„War das jetzt wieder ‘n Antrag oder was?“, fragt er und schlingt die Arme um meinen Hals.

Beim Küssen denke ich, dass ich ihn nie, nie verlieren möchte ...

„Komm’“, sage ich, „ich will dich jetzt ...“, und ziehe ihn ins Schlafzimmer. Hastig ziehen wir uns aus und schlüpfen unter die Decken.

„Brr, kalt“, schlottert Nick, „mach’ mal das Fenster zu!“ Ich sehe zur Uhr, bevor ich ins Bett gehe.

Schon kurz nach sieben und ich habe ihm noch gar nichts von dem Anruf erzählt ... ach, egal.

„Warum krieg’ ich nie genug von dir?“, murmele ich an seinem Nacken, „es geilt mich noch genauso auf wie am Anfang, mit dir ins Bett zu gehen ...!“ Er schließt für einen Moment die Augen genießerisch und seufzt.

„Wahrscheinlich wollen wir beide das Gleiche“, sagt er lächelnd, „ach, Jan, ich liebe dich ... ich würde dich echt heiraten!“

„Wie würden wir dann heißen?“, frage ich danach. Er hat seinen Kopf auf meinem Bauch und sieht hoch.

„Wie? Was meinst du?“, fragt er.

„Wenn wir heiraten würden“, sage ich, „möchtest du, dass ich deinen Namen annehme?“ Er stützt sich auf und grinst. „Würdest du?“, fragt er.

„Ja“, sage ich. Er robbt hoch und küsst mich.

„Verrückt“, sagt er verträumt und als sein Blick auf den Wecker fällt, „oh, verflixt, schon viertel vor acht ... wir müssen aufstehen!“ Er setzt sich hastig auf. Ich auch.

„Jan, ich ... “,

„Nick, du, ich ... “, wir setzen beide gleichzeitig ein und müssen stutzen und lachen.

„Was ist?“, frage ich. Er holt tief Luft.

„Ich hab’ jemanden zum Abendessen eingeladen“, sagt er. „Es war ganz spontan. Ich traf ihn heute beim Einkaufen ... und ich dachte, man könnte sich echt mal wieder sehen ... Ich hoffe, es ist dir recht ... es ist Andreas.“

Andreas.

Seit fast drei Monaten habe ich nichts mehr von ihm gehört. „Ich find‘s doof, wenn wir so tun, als würden wir uns nicht kennen ... du hast doch nichts dagegen, oder?“ Seine Augen gucken beinahe ängstlich.

Ach, Nick, du bist süß, denke ich.

„Nein“, sage ich lächelnd, „du hast vollkommen Recht. Ich werd‘s schon verkraften ... “

„Prima“, sagt er. Es klingt erleichtert und er nimmt seine Sachen, „dann wird‘s aber echt Zeit jetzt!“ Und er geht zum Bad.

Ich hab’ ihm noch gar nicht erzählt, dass noch jemand kommt.

Mats.

Den hab’ ich aus demselben Grund eingeladen. Ich wollte Nick zeigen, dass ich auch drüber weg bin ...

Nick

Ich föne noch schnell meine Haare, Jan duscht gerade, da klingelt‘s auch schon.

Mit nacktem Oberkörper geh’ ich zur Tür und öffne. Ich staune nicht schlecht.

„Mats?“, sage ich überrascht, „du?“

„Ja“, sagt er grinsend, „dein Jan hat mich eingeladen ... hat er dir nichts erzählt?“ Ach, nee ... ist ja ‘n Ding.

„Wann?“,  frage ich, als Mats seine Jacke auszieht.

„Heute Vormittag“, sagt er, „hier – Eis zum Nachtisch, die Sorte ist total lecker ... sollte aber noch mal in den Gefrierschrank ... willste dir nichts überziehen?“, fragt er dann, „ich hab’ zwar nichts dagegen, wenn du so rumläufst, aber du frierst doch schnell,  oder?“ Er sieht mich begehrlich an, der freche Mats. Ich strecke ihm die Zunge raus.

„Bin noch nicht dazu gekommen. Ich hab’ gerade geduscht.“ Ich verstaue die Packung im Kühlgerät. „Jan kommt gleich, der ist noch im Bad.“

„Verstehe“, sagt Mats und grinst anzüglich wissend, „Sonnabendnachmittagsschläfchen, wie? Keine Bundesliga? Sonst seid ihr doch so scharf drauf!“

„Kennst du die Ergebnisse?“, frage ich ihn und gehe ins Schlafzimmer, um mir einen Pulli zu holen.

Zuerst hatte ich ja meine Klamotten in meinem Zimmer, aber seit unserem Urlaub habe ich da nur noch meine Bücher und den ganzen Studiumskram ... meine Hosen, Pullis und T-Shirts liegen jetzt Seite an Seite im Schlafzimmerschrank neben Jans Sachen. Wo sie eben hingehören.

„Rostock hat verloren ... diese Idioten!“, ruft Mats vom Flur.

Da spielen die meisten Schweden. Ich sitze auf dem Bett und ziehe Strümpfe an, da klingelt‘s wieder.

„Mach’ mal auf, Mats!“, rufe ich, „wir haben noch einen Gast!“ Ich gehe raus und sehe Andreas vor der Tür stehen, der zu Mats hochstarrt. Und Mats starrt zurück.

Es hat beiden die Sprache verschlagen.

Donnerwetter, denke ich, der Sommer ist zwar vorbei, aber hier hat anscheinend trotzdem gerade der Blitz eingeschlagen ...!

Das wär‘s doch. Die ideale Kombination!

Warum ist mir das nicht schon eher eingefallen?

Jan kommt aus dem Bad. Andreas gibt sich einen Ruck und reißt sich los.

„Hallo“, sagt er schüchtern zu Jan und Mats - mein Mats ist völlig sprachlos. Er steht da, den Türgriff in der Hand und gafft Andreas an, als wär’ der ein Außerirdischer.

Mats hat‘s erwischt, stelle ich verwundert fest und muss mir das Grinsen verkneifen.

Wenn er sich nicht bald wieder unter Kontrolle hat, muss ich einschreiten, sonst denkt Andreas noch, er ist ‘n Vollidiot. Dabei hat er ein Abi von 1,0! (Mats ist ein richtiger Überflieger ... würdeman gar nicht glauben, wenn man ihnjetztsieht ... Mund zu, denke ich, sonst läuft dir noch die Spucke raus ...)  Verständlich ist es ja.

Andreas ist so appetitlich wie eh und je. Er hat noch immer Farbe vom Sommerurlaub und jetzt ist vom Fahrtwind  beim Radeln noch etwas Röte hinzugekommen, was ihn ungeheuer vital erscheinen lässt. Die Haare sind verstrubbelt und das steht ihm besonders gut. Ein bisschen zu lang sind sie außerdem – hoffentlich schneidet er sie nicht so bald ab!

Er hat eine Schüssel in der Hand.

„Salat“, murmelt er, „wir müssen nur noch ‘ne Soße dazu machen!“ Jan geht zu ihm und legt den Arm um ihn.

„Schön, dich wiederzusehen“, sagt er liebevoll und dann küsst er ihn. Mitten auf den Mund! Ich muss schlucken. Und bin ziemlich irritiert, muss ich gestehen.

Ich weiß ja, dass er mit Andreas ein Verhältnis gehabt hat, aber sie beide so voreinander zu sehen ... so vertraut und zärtlich ...

„Gib her, ich bring‘s in die Küche”, sage ich rauh und nehme Andreas die Schale ab.

Der zieht jetzt seine Jacke aus und guckt dabei verstohlen zu Mats, der es - Gott sei Dank! - inzwischen tatsächlich geschafft hat, die Tür zu schließen und offenbar auch seine Intelligenz  wiedergefunden hat. Zumindest guckt er nicht mehr so debil wie eben.  Na also, geht doch!

Beide jiepern förmlich danach, endlich einander vorgestellt zu werden.

„Das ist übrigens Andreas“, sage ich mit boshafter Freude zu Mats, „der Lehrer, mit dem Jan mich vorm Urlaub betrogen hat.“

Amüsiert stelle ich fest, dass Andreas rot anläuft und Jan genervt die Augen zur Decke verdreht.

„Und das ist Mats“, kontert Jan sofort und sieht Andreas mit einem teuflischen Glitzern in den Augen an, „Nicks erste Liebe und einer seiner Bettgespielen vom Sommer ... “

Wir grinsen uns an. Quitt.

Jan

Wir gehen in die Küche, wo ich erst mal einen Wein öffne und wir auf den Abend anstoßen. Andreas ist ungewöhnlich zurückhaltend.

Typisch Nick, denke ich, ihn so in Verlegenheit zu bringen ... dieses rachsüchtige Luder! Ich kenne Andreas natürlich anders.

Es war schön mit ihm. Fast zu schön. Beinahe hätte ich die Kurve nicht gekriegt ...

Nick stellt den großen Topf mit Wasser auf den Herd.

„Tomatensoße, Signore?“, fragt er mich mit rollendem „r“, „scharf? All’arrabbiata?“ Seine Augen funkeln. Heute ist er verdammt gut drauf, ich krieg schon wieder Gelüste.

„Ganz scharf“, flüstere ich und packe ihn an den Hüften und ziehe ihn an mich. Er trägt seine alte enge Jeans und ich kann überhaupt nicht den Blick von ihm lassen, geschweige denn meine Hände. Er dreht sich zu mir um und zieht erstaunt die Brauen hoch.

„Was ist los?“, fragt er verblüfft. Ich werfe einen Blick zu Mats und Andreas, die mit ihren Weingläsern mitten im Wohnzimmer stehen und sich unterhalten.

„Keine Ahnung ... du machst mich heute einfach tierisch an“, sage ich leise und streichle über seinen Hintern.

„Ich freu’ mich schon wieder auf nachher.“ Er strahlt und macht sich von mir los. „Dann geht‘s dir ja wie mir“, sagt er, „aber ich fürchte, er wird sich noch ein wenig gedulden müssen.“ Er sieht dabei nachdenklich auf meine Hose, „wir haben Gäste ... “

Die haben sich diskret zum Bücherregal begeben.

Ich gehe zum CD-Spieler und lege Nicks Neuerwerbung rein. Eine finnische Truppe.

Er hat ein Faible für Musik und bringt oft was Neues mit, zum Entzücken von Katharina und Christoph, die musikmäßig voll auf seiner Linie liegen.

„‘The Rasmus’? Die sind gut“, befindet Mats und guckt mir über die Schulter, „die hab’ ich mir auch gekauft.“

Er und Nick reden über die CD, Andreas steht vorm Terrassenfenster. Ich geselle mich zu ihm.

„Wie war dein Sommer?“, frage ich. Er lächelt versonnen vor sich hin. „Schön“, sagt er, „viel Bewegung, ich bin durch ganz Holland gefahren ... hatte auch ein paar nette Begegnungen,   aber ... “, er sieht mich an, „war nichts dabei, was dem ähnelte, was ich mir so vorstellte.“

Er trinkt einen Schluck Wein und sieht zu Nick und Mats. „Und du bist nicht mehr eifersüchtig?“, fragt er leise. Ich sehe auch zu den beiden rüber.

Sie stehen voreinander und lachen und Nick boxt Mats in den Bauch. Der krümmt sich mit theatralischem Gesichtsausdruck, dann lachen sie wieder. Wie zwei alberne Schuljungen sehen sie aus.

„Ich habe mit ihm geschlafen, okay“, hatte Nick mir vorm Urlaub gesagt. „Es war eine wilde Nacht! Aber ...“, er kicherte, alser‘s mir erzählte, „wir waren auch total albern dabei ... es machte Spaß, klar! Aber weder er noch ich haben danach geseufzt und gesagt, dass wir uns wieder ineinander verliebt haben ... das istdurch! Ehrlich! Mats ist echt stark, aber es kribbelt nicht mehr ... verstehst du?“

Ich verstand sehr gut ... bei uns kribbelte es nämlich ganz schön nach dieser Woche ...

„Nicht mehr“, sage ich. (Na? Sei ehrlich, Jan. Immer, wenn ich sie zusammen sehe, dann gibt‘s mir trotz Nicks Beteuerungen einen Stich. Sie wirken halt so vertraut im Umgang miteinander ... und Mats sieht einfach verboten gut aus.) Nick geht in die Küche, als der Topfdeckel wegen des kochenden Wassers klappert, Mats schlendert hinterher.

Andreas guckt ihm gedankenverloren nach und nimmt noch einen Schluck Wein.

„Und ... dieser Mats wohnt jetzt in Hamburg?“, fragt er und räuspert sich.

„Ja“, sage ich, „seit drei Monaten.“

„Allein?“, fragt Andreas und sieht dabei aus, als hielte er die Luft an.

„Er hatte einen Freund, hat Nick erzählt, aber ich weiß nicht, ob sie noch zusammen sind ... der wohnt in Heidelberg“, erzähle ich und Andreas nickt und starrt abwesend vor sich hin.

„Heidelberg ist ‘ne ganz schöne Entfernung“, sagt er nach einer Weile.

Ob er Mats gut findet?, frage ich mich.

Der war ja immer ein rotes Tuch für mich, seit ich ihn kennen lernte. Dabei ist er wirklich nett und witzig. Nick hätte es auch nie mit einem humorlosen Typen ausgehalten.

Er und Andreas kümmern sich um die Soßen, während Mats und ich am Tisch sitzen.

„Ist doch nett, hier so faul zu sitzen und zuzugucken, wie sie kochen, was?“, sagt Mats leise zu mir rübergeneigt.

„Stimmt“, sage ich, „weißt du was? Ich hol’ uns noch einen Wein!“

„Au ja“,sagt Mats und grinst verschwörerisch. Gut gelaunt stoßen wir an.

„Auf was?“, fragt Mats.

„Auf die Liebe natürlich“, sage ich und er lächelt. Schöne braune Augen hat er – mit langen dunklen Wimpern und Grübchen. Er könnte Patricks älterer Bruder sein. Auch von der Größe kommt‘s  hin. Ich sehe ihn Andreas angucken. Der fühlt, dass er beobachtet wird, sieht hoch und ihre Blicke begegnen sich.

Huch! Was ist das denn? Funkenflug in der Küche? Was wohl Nick davon hält ...? Andreas und Mats ...?

Warum nicht?, denke ich, die würden gar nicht schlecht zusammenpassen!  

Nick

Die ganze Zeit über beobachte ich schon Mats.

Es hat ihn echt erwischt, denke ich begeistert, und Andreas ist auch nicht abgeneigt ...!

Beim Essen setze ich mich absichtlich so hin, dass sie einander gegenübersitzen und sich voller Verlangen anstarren können.

Jan und ich erzählen vom Urlaub.

„Nick hat richtig zugenommen“, sagt Jan, „wenn ich nicht aufpasse, wird er noch zu dick!“

66 kg zeigte die Waage am ersten Tag zuhause.

„Du könntest noch 2 kg mehr vertragen, Süßer, dann spüre ich deine Rippen nicht so ... obwohl ‘s angenehm ist, dass du so leicht bist, wenn du oben liegst “, kicherte er.

„Ach ja? Und du? Hast du nicht auch ‘n bisschen viel gegessen im Urlaub? Wieviel wiegst  du denn ?“

„75 kg, also bitte, ja? Letztes Jahr hast du dich in ein Schwergewicht von fast 82 Kilo verliebt ... weißt du noch?“

Unser ‘Nachhausekommen’ nach dem Urlaub erinnerte mich an das Jahr zuvor. Als Katharina, Christoph und Lily noch nicht wussten, was  zwischen uns lief ... und wir uns heimlich treffen mussten ... Es hatte seinen Reiz für eine kurze Zeit, aber dann war es nur noch frustrierend.

Wir kamen morgens um 6 Uhr nach Hause, ich war das letzte Stück gefahren. Jan, Katharina und Lily schliefen. (Christoph war diesen Sommerurlaub nicht dabei, er war in einem Fußballcamp.)

Zuhause, dachte ich, echt, ich wohn’ in ‘nem kleinen Kaff auf dem Land ... unglaublich ... und warum? Ich sah nach rechts und wusste, weshalb. Für den Mann meines Lebens. Klingt kitschig, was?

Parkte vorm Haus. Legte meine Hand auf seinen Schenkel. „Hey“, sagte ich leise, „wir sind da ... zuhause!“ Er wachte auf, sah mich an und lächelte.

„Nick“, sagte er müde, „weißt du noch ...? Letztes Jahr?“ „Na klar weiß ich das noch“, sagte ich, „da sind wir zum ersten Mal ins Bett gegangen ... “

„Was? Da erst?“, ließ sich Katharina gähnend von hinten vernehmen, „habt ihr nicht schon im Urlaub damit angefangen ... hast du doch erzählt!“, sagte sie zu ihrem Vater.

„Ja ... er meinte doch, dass wir‘s da das erste Mal im Bett machten und nicht im Wald“, klärte ich sie auf. Jan und ich grinsten uns an und stiegen aus. Katharina streckte sich draußen.

„Im Wald ... mein Vater treibt‘s im Wald!“ Ihre Stimme überschlug sich förmlich.

„Schrei‘s doch bitte noch lauter oder klingel gleich bei den Nachbarn ...! Im übrigen hab’ ich‘s nicht mehr nötig, in den Wald zu gehen, du kannst also eine Vergangenheitsform wählen“, knurrte Jan.

„Seid ihr immer abends in den Wald gegangen?“  Katharina konnte sich offensichtlich gar nicht vom Thema lösen. Sie schien es sehr spannend zu finden. Wir luden das Auto aus, während Jan die schlafende Lily in ihr Bett trug.

„Nein ... morgens, wir sind doch immer zusammen gelaufen“, sagte ich grinsend, „aber es war ganz schön unbequem.“

Sandiger Waldboden voller Nadeln. Ätzend. Dann lieber unter der Dusche, aber das hatte sich Jan nur einmal getraut.

„Hallo?“, sagt Jan, „bist du noch da?“ Alle drei sehen mich an. Ich tauche auf und grinse.

„Sorry“, sage ich, „ich schwelgte in Erinnerungen ... bin quasi noch mal am Atlantik gewesen ...“

„Mittelmeer ist was anderes, nicht?“, fragt Andreas, „also auf jeden Fall von wegen Surfen.“

„Surfst du?“, fragt Mats da interessiert und schiebt seinen Teller weg.

Was, nureinePortion?, denke ich verblüfft, als ich sehe, dass erden Kopf schüttelt. Jan hat gerade noch mal gefragt, wer noch was will. Mats kann sonst ganz schön reinhauen. Ich schiele in den Topf. Drei Tage Nudeln? Ist ja echt frustrierend. Warum hab’ich bloß so viele gekocht?

„Ja“, sagt Andreas gerade, „ich surfe total gern. Du auch?“ „Ich hoffe, dass ich jetzt wieder dazu komme, mit Nord- und Ostsee vor der Tür ... in Heidelberg war‘s nicht so ideal.“ Er verzieht sein Gesicht. Jetzt haben sie ein gemeinsames Thema. Brettgrößen und –arten werden durchgenommen und Fachbegriffe schwirren durch die Luft. Jan und ich verstehen nur Bahnhof und drücken unterm Tisch die Beine aneinander. Er lehnt sich zu mir rüber.

„Eigentlich könnten wir uns jetzt unauffällig zurückziehen und ‘ne Nummer schieben“, raunt er mir leise ins Ohr, „vorm Nachtisch ...“, und dabei streichelt er mir unterm Tisch über den Schenkel. Was ist bloß los mit ihm heute? „Lass uns lieber eine rauchen“, sage ich, vernünftig, wie ich nun mal bin.

Die zwei Surfer sehen uns mit leerem Blick an, als wir unsere Jacken holen und mit den Zigaretten rausgehen.

„Merkst du auch, was hier abgeht?“, fragt Jan draußen und gibt mir Feuer.

„Klar doch, ich bin doch nicht blind ... passen sie nicht wunderbar zusammen?“ Er zieht an seiner Zigarette und lehnt sich an die Hauswand.

„Macht‘s dir nichts aus?“, fragt er an Stelle einer Antwort. Ob‘sihmwas ausmacht?, denke ich.

„Nee, warum? Ich würde mich echt freuen für Mats ... und Andreas ist doch nett, nicht?“ Ich suche in seinem Gesicht nach verräterischen Spuren von ... ja, von was eigentlich? Eifersucht nehme ich an.

Vielleicht hätte ich Andreas doch noch nicht einladen sollen?

Jan

Nick zieht fröstelnd die Schultern zusammen und ich denke, dass ich jetzt am liebsten mit ihm allein wäre. Ich würde uns ein schönes heißes Bad einlassen und ihn anschließend vögeln ...

Ob er wirklich nicht ein bisschen eifersüchtig ist auf Andreas? Der wirkt richtig verschossen in seinen Mats ...

Wir rauchen schweigend.

Er drückt seine Zigarette aus und steckt die Hände in die Taschen seiner Jeansjacke.

„Mach’ hin“, sagt er zitternd. Ich rauche zu Ende und er will rein.

„Warte.“ Ich habe ihn am Ärmel festgehalten. „Komm’ mal her“, ich streiche ihm durch‘s Haar und halte sein Gesicht in meinen Händen.

„Nick ... ich bin unheimlich glücklich mit dir“, sage ich, „das ist mir so bewusst geworden in den letzten Wochen ... ich liebe dich.“ Und ich küsse ihn. Er umarmt mich, hält mich ganz fest und sieht mich danach atemlos an.

„Bist du nicht eifersüchtig?“, fragt er. Ich verstehe zunächst nicht.

„Wie? Auf wen?“, frage ich verdutzt.

„Na ja ... auf Mats, wegen Andreas“, sagt er leise.

„Was? Aber nein! Ich wünsch’ Andreas nur, dass er endlich mal Glück hat und einen netten Typen findet ... eifersüchtig? Hast du das echt geglaubt?“ Er sieht mich unsicher an.

„Ein bisschen schon“, murmelt er.

„Ach, du“, sage ich und zerzause ihm das Haar, „was du aber auch denkst, du Spinner!“ Wir gehen wieder rein.

Andreas und Mats stehen vorm CD-Regal und überlegen, für welche Musik sie sich entscheiden sollen.

„Irgendein Wunsch?“, fragt mich Andreas, als ich die Tür schließe.

„Nö, sucht was aus“, sage ich und Nick und ich bringen unsere Jacken auf den Flur.

„Lass sie uns betrunken machen und dann übernachten sie hier“, flüstert Nick eifrig, „wir sollten ein bisschen nachhelfen!“

„Lass das“, sage ich, „das können sie allein!“

„Nee ... Mats hat doch noch Arne“, sagt Nick genervt, „der ist imstande und erzählt‘s Andreas.“

„Na und?“, sage ich. „Erstens hat es Mats auch nicht gestört, als er mitdirschlief“, diese Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen, „und zweitens ist Andreas auch nicht gerade schüchtern ... im übrigen weiß er schon, dass Mats einen Freund hat. Vorhin hat er mich gefragt.“

Nick stößt einen Laut aus, der wie ein Grunzen klingt.

„Hättste ihm nicht sagen müssen“, sagt er, verärgert das Gesicht verziehend.

„Ach, komm’, Nick, wenn‘s was wird, ist gut, wenn nicht ... wir können das sowieso nicht erzwingen!“

„Nein, das nicht – aber wir könnten‘s ihnen leichter machen!“

„Warum bist du so wild drauf?“, frage ich ihn, „warum willst du sie jetzt so eilig verkuppeln? Kannst du‘s nicht ertragen, dass Mats immer noch mit Arne zusammen ist? Oder hast du Angst, dass ich wieder was mit Andreas anfange, weil der immer noch Single ist?“ Nick sieht mich prüfend an, dann lächelt er.

„Vielleicht beides“, sagt er, „ach, Mann, die beiden wären doch echt ein schönes Paar!“

Stimmt zweifellos.

Nick

Schon halb eins. Satt und müde sitzen wir auf dem Sofa. Jan hat seinen Arm ausgestreckt auf der Lehne und massiert meinen Nacken. Ich mag‘s total gern.

Manchmal im Bett massiert er meine Schultern und meinen Rücken. Wenn ich zu lange vorm Rechner gesessen und gearbeitet habe und mörderisch verspannt bin, dann kommt das unheimlich gut. Er hat ein richtiges Händchen dafür, er macht das ganz professionell. So ‘n lecker riechendes Öl haben wir uns auch extra dafür besorgt und meistens geht seine Entkrampfungsmassage gleich nahtlos über in die Behandlung von Verhärtungen in anderen Körperteilen ... die krieg’ ich dabei nämlich immer.

„Schmeiß’ den Job im Baumarkt hin“, witzele ich dann, „das wird noch mal deine zweite Karriere. Als Masseur ...! Himmel, ich müsste dann aber Angst haben um dich ... du mit weißem Handtuch um die Lenden, braungebrannt und  eingeölt ... die Kunden würden dir die Bude einrennen ... du bräuchtest aber eine Spezialliege, damit sie sich nicht wehtun ... so ‘n Teil mit ‘ner Aussparung, wenn man auf dem Bauch liegt ... wenn du verstehst, was ich meine?“

Das hübsche Paar sitzt nebeneinander, emsig bemüht, sich nicht zu berühren. Mats hat sich vorhin neben Andreas hinfallen lassen und der ist gleich ein Stückchen abgerückt, als wolle er sich nicht verbrennen an dem heißen gutaussehenden Schweden.

Trotzdem kann ich ein Gähnen nicht unterdrücken, was Andreas sogleich bemerkt. Verstohlen sieht er auf seine Uhr.

„Wird Zeit“, sagt er. Mats seufzt und streckt sich. „Stimmt.“  „Du willst doch nicht ernstlich noch nach Hamburg zurück?“, frage ich ihn, „hast du nicht auch Wein getrunken?“ „Eineinhalb Glas“, sagt Mats, „danach nur noch Wasser!“ Aber er wirkt unschlüssig, das bemerke ich genau.

„Lasst den Mist“, sagt Jan da. Er kann manchmal so wohltuend autoritär und bestimmt sein. Als Vater hat man so was irgendwann drauf.

„Die Kinder sind nicht da, wir haben Platz. Bleibt doch beide ... dann können wir morgen früh noch zu viert frühstücken ... wäre doch nett, oder?“

Mats wirft Andreas einen schnellen Seitenblick zu, der ihn ebenso schnell erwidert, aber dann gleich wieder wegguckt. Er lächelt Jan an.

„Na gut“, sagt er, „Große Lust hab’ ich ehrlich gesagt nicht, bei dem Wetter noch mit dem Rad zu fahren ...“

Es regnet seit ‘ner Stunde. Ich werde aktiv.

„Fein“, freue ich mich und stehe auf, „dann geh’ ich jetzt mal hoch und kümmere mich um‘s Bettzeug!“

Vorher mach’ ich noch einen kleinen Umweg in mein Zimmer, um mal nachzusehen, ob in meiner speziellen Schachtel mit den Herzen noch ein kleiner Vorrat ist ...?

Da hab’ ich schon ewig nicht mehr reingeguckt. Monogames Leben erfordert keine Kondome. Ich habe Glück.

Wo platzier’ ich die bloß, damit‘s nicht zu auffällig und aufdringlich wirkt? Bei Katharina, beschließe ich. Die hätte ebensogut Patrick da liegen lassen können.

In der kleinen Schale auf dem Tisch neben ihrem Bett zwischen ihren Ringen und Armbändern machen sie sich gut, die kleinen Billy-Boys! Meine letzten vier! Geschmacksneutral. Ich stand noch nie auf Pariser mit Erdbeergeschmack oder so ‘n anderen widerwärtigen künstlichen Kram, da vergeht mir echt alles.

Für Mats werden sie ja mindestens eine Nummer zu klein sein, bei seiner Konfektionsgröße, aber das ist nicht mein Problem. Ich habe meine Pflicht als guter Gastgeber getan. Im Bad lege ich Handtücher raus und finde doch tatsächlich auch noch zwei nagelneue Kinder-Ersatzzahnbürsten. Hein Blöd und Captain Blaubär. Nun gut, sie werden sich schon einig werden – hoffentlich nicht nur bei den Zahnbürsten! Ich grinse mir im Spiegel zu und zeige mir den aufgereckten Daumen.

Kann losgehen!

Mats kommt die Treppe hoch. Als er mich sieht, grinst er mich an.

„Wo schlaf’ ich?“, fragt er und mit einem verstohlenen Blick nach unten umarmt er mich schnell.

„Ach, Nick, mein Süßer, weißt du noch?“ Er kann‘s doch nie lassen.

„Pfoten weg“, sage ich tadelnd, „das Ding ist durch ...!“ Er hat seine Hände auf meinem Hintern gehabt, jetzt hebt er sie und sieht mich unschuldig mit seinen großen braunen Augen an.

„Was denn? Ich will doch gar nichts ... habe ich dich etwa unanständig berührt? Na also ... ich hab’ dich bloß gern!“ Ich seufze, er zieht mich wieder an sich und küsst mich schnell. Küsst so ein Kumpel? Ich winde mich aus seiner Umarmung. „Ich dich doch auch“, sage ich, „du, sag’ mal ... dein Arne ... wann kommt der denn mal wieder?“

„Warum fragst du?“, fragt Mats misstrauisch. Was Arne angeht, da scheiden sich unsere Geister.

„Och, nur so ...“, sage ich.

„Er hat erst mal keine Zeit“, sagt Mats nach einem kleinen Zögern, „weil er doch jetzt Prüfungen hat!“

Sehr gut, denke ich. „Ja, also ... du kannst es dir aussuchen, wo du pennen willst. Hier bei Katharina ... “, ich öffne die Tür und lasse ihn einen Blick hineinwerfen, „oder bei Christoph!“

„Wow – Spiderman!“, sagt Mats und pfeift durch die Zähne, „das ist doch dein Werk, oder?“

„Stimmt ... also wo jetzt?“

„Ich denke hier“, sagt er, „Katharinas Bett ist so eingeklemmt zwischen Wand und Schrank ... hier bei Christoph kann ich zur Not die Füße über ‘n Rand hängen lassen ... Andreas ist sowieso kleiner.“ Mats misst 1,95 m.

„Handtücher liegen im Bad, ‘ne Zahnbürste hab’ ich auch noch gefunden“, sage ich, „wenn du willst, kann ich auch noch meinen Rasierer für morgen hochbringen, aber du rasierst dich immer nass, nicht?“ Er winkt ab. „Wen stört’s“, sagt er.

Stimmt, denke ich, Andreas hat bestimmt nichts dagegen. „Na, dann schlaf gut!“, wünsche ich ihm.

„Du auch“, sagt er und küsst mich noch einmal schnell, bevor er im Bad verschwindet.

Jetzt kommt auch Andreas die Treppe hoch.

„Mats schläft da bei Christoph“, sage ich ihm, „du darfst in Katharinas Reich! Bring aber ihre Lippenstifte nicht durcheinander, wenn du sie ausprobierst“, kichere ich, als er sich in ihrem Zimmer umsieht.

„Blödmann“, sagt er, aber er muss grinsen.

So, denke ich, dann mal los, Jungs!

Jan

Ich bin gerade in der Küche am Aufräumen, als Nick reinkommt. Er hat einen Gesichtsausdruck, als ob er was angestellt hätte. Dieser Unschuldsblick ist verdächtig. Ich kenne ihn.

„Was hast du gemacht?“, frage ich ihn streng. Er reißt seine Blau-Augen auf und zieht die Brauen hoch.

„Ich? Nichts!“, sagt er fast empört, „ was soll ich denn gemacht haben?“

„Tu nicht so“, sage ich, „irgendeine Ferkelei hast du angestellt ... das seh’ ich dir doch an!“

„Nein! Wirklich nicht! Na gut, ich hab’ was hingelegt ... aber ganz unauffällig, ehrlich!“ Er schwingt sich auf den Tresen, der unsere Küche vom Wohnzimmer abtrennt. Ich stelle mich zwischen seine gespreizten Beine und umarme ihn. „Sag’ schon, was hast du gemacht?“, bohre ich hartnäckig weiter und dabei  küsse ich seinen Nacken, dass er schaudert. „Ich krieg’ ‘ne Gänsehaut auf dem Oberschenkel“, sagt er kichernd, „ach, ich hab’ bloß ein paar Pariser auf den Nachttisch von Katharina gepackt ... das ist alles ...“

Dacht’ ich‘s mir doch. Genau so was hatte ich erwartet.

„Ist doch ein wahrhaftig gutes Werk – so oder so – wenn die beiden Idioten die Gelegenheit nicht nutzen, freuen sich eben Patrick und Katharina!“ „Wie selbstlos“, murmele ich und ziehe ihn zu mir, schiebe meine Hände unter seinen kleinen festen Hintern und hebe ihn vom Tresen, meinen leichten Jungen. „Ey, lass mich runter“, beschwert er sich, „ich find‘s peinlich, wenn du mich trägst!“

„Wenn wir heiraten, trag’ ich dich über die Schwelle, das ist dir hoffentlich klar, mein Hübscher“, sage ich und setze ihn ab, „sonst weigere ich mich!“Er sieht mich nachdenklich an. „Schon wieder redest du vom Heiraten“, sagt er, „langsam komme ich ins Grübeln ... Ich geh’ schon mal ins Bad“, setzt er hinzu.

Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.

Warum geht mir diese Geschichte nicht aus dem Kopf?

Ist doch albern, oder? Heiraten. Nick heiraten.

Mein ‘Mann’ ist er ohnehin schon ... Ich stelle mir vor, wie wir beide im Anzug nebeneinander stehen und ich ihm einen schmalen goldenen Ring über den Finger streife.

Nick Grewe oder Jan Zeidler?

Oder einen Doppelnamen? Jan Grewe-Zeidler. Klingt gut. Ich seh’ uns mit den Familien feiern ...

So was Verrücktes aber auch, habe ich heute zu viel getrunken oder was?

Als Mann einen Mann heiraten ...? Na und?

Ich würd‘s glatt tun. Ich würde meinen Nick heiraten.

Nick

Ich liege im Bett und lausche.

Im Grunde warte ich darauf, oben Schritte zu hören. Mats, der zu Andreas schleicht oder umgekehrt ... verdächtige rhythmische Geräusche ... (Andreas war immer verdammt laut dabei, heute müsste er sich mal beherrschen ...!).

Jan kommt rein und macht die Tür zu.

„Lass doch ‘n bisschen auf“, sage ich, „ich will hören, ob sich oben was tut.“

Er schüttelt lachend den Kopf, tut mir aber den Gefallen. „Du bist ja ‘n richtiger Kuppler, das wusste ich ja noch gar nicht“, sagt er, als er nackt zu mir ins Bett kriecht, „jetzt sag’ bloß nicht, ich soll dabei leise sein ... oder hast du am Ende Kopfschmerzen?“, zieht er mich auf. Ich grinse. „Das hoffst du wohl, was? Is’ aber nich’ - ich bin topfit – hier, bitte!“ und schlage die Decke zurück. (Ich gestehe, dass ich gut vorbereitet bin. Während er noch im Bad war, habe ich  schon mal Hand an mich gelegt ...)

„Boah, Wahnsinn!“, staunt er, „Hast du heimlich Viagra eingeworfen?“ „Nee ... mich reizt bloß die Vorstellung, was für ‘n sündiges Treiben hier im Haus abgeht“, sage ich und ziehe ihn auf mich.

„Da läuft nichts oben, da wette ich mit dir“, sagt er zwischenzwei Küssen, „es sei denn ...“ „Was?“, keuche ich atemlos. „... du könntest dich dazu entschließen, ein bisschenlauterzu stöhnen ... das könnte ihren Appetit anregen ... mich turnt es auf jeden Fall an.“

Gut. Wenn er meint, dass es hilft ...?

„Mein Gott“, schnauft er hinterher und lacht, „das hat bestimmt die halbe Straße mitgekriegt ... Junge, Junge ... morgen früh guckt mich Herr Oppermann böse an und Frau Melzer legt das nächste Mal beim Kaufmann demonstrativ Ohropax auf ‘s Band, wenn sie vor mir dran ist!“

Echt? War ich wirklichsolaut?

Zwischendurch habe ich nichts mehr mitgekriegt, weil ich kurz vorm Hyperventilieren war!

„Schön war‘s“, sage ich gähnend und kuschele mich zufrieden ins Kissen, „und es ist mir ehrlich gesagt vollkommen schnuppe, ob‘s die da oben gehört haben oder nicht ... ich liebe dich, aber jetzt nicht mehr, ich bin total müde ... gute Nacht.“

Jan knipst die kleine Lampe aus und legt sich dicht hinter mich. Er umschlingt mich mit seinem Arm und sagt leise: „Gute Nacht, mein Liebster ... träum’ was Schönes!“

Die beiden wären wirklich ein schönes Paar, denke ich noch und dann bin ich weg.

Jan

Ich wache auf. Nick kommt ins Schlafzimmer. Er trägt seinen Trainingsanzug ... oh, nein ...! Wie spät? Erst neun. „Los, Alter, aufstehen! Laufen!“

Am besten umdrehen und so tun, als schliefe man noch. Ich spüre sein Gewicht neben mir. Seine Hand auf meiner Schulter. Das kann er mir doch nicht antun ...?

„Hallo, Schatzi! Bist du wach?“ Wie munter er klingt!

Manchmal ist er grausam.

„Haben wir nicht heute Nachmittag das Spiel gegen diese Chaoten aus Pinneberg?“, frage ich vorsichtig, mich umdrehend, „es reicht doch, wenn ich dann laufe!“ Schrecklich, wie unternehmungslustig er ist!

„Das reicht eben nicht“, sagt er streng, „außerdem frier’ ich mirdoch wieder den Arsch ab ... du stehst ja nicht im Tor –ich brauche Bewegung!“

„Komm’ wieder ins Bett, ich verschaff’ dir Bewegung“, versuche ich ihn rumzukriegen, aber es ist zwecklos. Er sieht mich bereits leicht genervt an.

„Schon gut“, seufze ich ergeben, „ich komm’ ja schon ...“

Er gibt doch keine Ruhe.

Müde schlurfe ich ins Bad, putze mir die Zähne, gehe pinkeln – oder war‘s umgekehrt?

Auf jeden Fall sieht mir ein ziemlich unausgeschlafener Typ aus dem Spiegel entgegen. Was ich von dem Blonden da hinter mir, der sich gegen die Dusche lehnt, nicht behaupten kann. Ich rasiere mich. Kaltes Wasser ins Gesicht. Scheußlich.

Viel lieber würde ich jetzt heiß duschen, nach dem gemächlichen Wachwerden in den Armen meines stürmischen Liebhabers. Der schnürt jedoch nur stürmisch seine Laufschuhe zu und guckt ungeduldig.

„Ja, ja“, murmele ich.

Wahrscheinlich legt er wieder ein Tempo vor, dass ich armer alter Mann nur noch japsen kann.

Das ist natürlich übertrieben. So schlimm ist es gar nicht. Er und ich haben eigentlich das gleiche Tempo und geschnauft habe ich vielleicht letztes Jahr im Urlaub, als ich nach ewigen Zeiten des Nichtstuns mal wieder mit dem Sport anfing.

Im Grunde hat er ja recht, dass er so dahintersitzt ... er selbst läuft unheimlich gern, von daher ist‘s schon okay, dass er mich mitreißt.

Düster und wolkenverhangen ist es draußen. Aber wenigstens regnet es nicht.

„Oben ist nix gelaufen“, sagt er, als wir auf dem Feldweg sind.

„Woher weißt ‘n das?“, frage ich.

„Ich hab’ geguckt“, sagt er, „beide schliefen brav – jeder für sich in seinem Bettchen ... echt, Mats war früher anders!“ „Das musst du ja wissen!“, höhne ich gutmütig. Er bekommt in seinem Ärger meinen Spott nicht mit.

„Natürlich! Deshalb ist es ja so enttäuschend! Ich hab’ echt gedacht, die stehen aufeinander ... “

Wir laufen eine Zeitlang, ohne was zu sagen.

„Vielleicht liebt Mats ja doch Arne“, wage ich zu sagen, was mir sofort ein aggressives Knurren von ihm einbringt.

„Der!“, sagt er abfällig.

„Warst du vorgestern Abend mit Mats weg?“, frage ich im Wald.

„Ja,“ sagt er, „wieso? Das weißt du doch ... mach’ ich doch meistens, wenn ich tanzen geh’ ... .“

„Sag’ mir ehrlich ... da läuft nichts zwischen euch?“

Er bleibt stehen.

„Ich schwöre! Jan, glaub‘s mir endlich – die Geschichte mit Mats ist vorbei! Ich genieße seine Gegenwart, tanze gern mit ihm und alle, die uns sehen, denken, wir sind ein Paar, was uns wiederum vor Anmache schützt ... wir gehen beide gern tanzen, das ist alles!“

„Und dann kommst du nach Hause und bist so aufgegeilt?“, frage ich ihn, auf den gestrigen Abend anspielend. Er lächelt und kommt auf mich zu.

„Ach, Jan“, sagt er und legt die Arme um meinen Hals, „das bin ich doch immer ... weißt du doch ... das hatte nichts mit Mats zu tun.“

Wir küssen uns im Wald. Uns beiden ist warm, wir sind ja auch schon mehr als Dreiviertel der Strecke gelaufen.

„Hier?“, sagt er und reißt die Augen auf, als ich mich von ihm freimache und beherzt meine Hose runterschiebe.

„Du wolltest ja eben nicht“, sage ich und fummele seine Trainingshose auf. Er starrt mich atemlos an und grinst.

„Ich hab’ mir gedacht, wir duschen zuhause gleich zusammen ... nein, nein, ist schon okay, mach’, au ja ...!“

Ich kenn’ ihn doch.

Außerdem: Bewegung an frischer Luft ist gesund, hat meine Mutter immer gesagt.

Als ich zurückkomme, Nick ist noch zum Bäcker gelaufen, der neuerdings auch sonntags Vormittags geöffnet hat, steht ein Krankenwagen vor Oppermanns Haus, bei dem gerade die Türen geschlossen werden.