Das Geheimnis der Königin - Mari Griffith - E-Book

Das Geheimnis der Königin E-Book

Mari Griffith

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Beschreibung

Eine leidenschaftliche Liebe, aus der die mächtigste Herrscher-Dynastie Englands entstand: die Tudors!

Im Jahr 1421 heiratet der englische König Heinrich V. die französische Prinzessin Catherine de Valois. Die beiden finden schnell Gefallen aneinander und ihr Glück wird schon bald noch gekrönt durch die Geburt ihres Sohnes. Doch dann stirbt Heinrich - und Catherine ist mit einem Mal mutterseelenallein am englischen Königshof. Ferngehalten von ihrem Sohn, dem Thronerben, muss sie sich in den Ränkespielen und Intrigen um sie herum zurechtfinden. Eine große Hilfe ist ihr dabei ein junger Waliser namens Owen Tudor - auch er ein Außenseiter in England-, mit dem Catherine Freundschaft schließt und in den sie sich bald rettungslos verliebt! Doch ihre Verbindung muss um jeden Preis geheim bleiben. Catherine ist es verboten, erneut zu heiraten, und außerdem ist Owen Tudor ein Diener und eine solche Liaison nicht standesgemäß ...

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Stammbäume

Stammbaum 1 – Die französische De Valois Dynastie

Stammbaum 2 – Die englische Lancaster Dynastie

Stammbaum 3 – Die alten Waliser Königsfamilien

Teil 1: Heinrich

Kapitel 1: Frankreich, September 1418

Kapitel 2: Frankreich, im späten Frühling 1419

Kapitel 3: Montereau, Frankreich, September 1419

Kapitel 4: Troyes, Frankreich, Mai 1420

Kapitel 5: London, Februar 1421

Kapitel 6: Leicester, Ostern 1421

Kapitel 7: Windsor Castle, England, Sommer 1421

Kapitel 8: Frankreich, Mai 1422

Teil 2: Owen

Kapitel 9: Windsor Castle, November 1422

Kapitel 10: England, November 1422

Kapitel 11: Windsor Castle, Dezember 1422

Kapitel 12: England, Weihnachten 1422

Kapitel 13: England, Sommer 1423

Kapitel 14: England, Weihnachten 1423

Kapitel 15: Sommer 1424

Kapitel 16: Herbst und Winter 1424 – Frühjahr 1425

Kapitel 17: Frühjahr 1425

Kapitel 18: Sommer 1425

Kapitel 19: London, 1428

Kapitel 20: Winter 1428 – Sommer 1429

Kapitel 21: London, 1430

Kapitel 22: Frankreich und London, Herbst und Winter 1435

Kapitel 23: London, Sommer 1436

Kapitel 24: Herbst und Winter 1436

Anhang I – historische Anmerkungen

Anhang II – Living History

Nachwort der Autorin, Bibliografie und Danksagungen

Fußnote

Über dieses Buch

Eine leidenschaftliche Liebe, aus der die mächtigste Herrscher-Dynastie Englands entstand: die Tudors!

Im Jahr 1421 heiratet der englische König Heinrich V. die französische Prinzessin Catherine de Valois. Die beiden finden schnell Gefallen aneinander und ihr Glück wird schon bald noch gekrönt durch die Geburt ihres Sohnes. Doch dann stirbt Heinrich – und Catherine ist mit einem Mal mutterseelenallein am englischen Königshof. Ferngehalten von ihrem Sohn, dem Thronerben, muss sie sich in den Ränkespielen und Intrigen um sie herum zurechtfinden. Eine große Hilfe ist ihr dabei ein junger Waliser namens Owen Tudor – auch er ein Außenseiter in England –, mit dem Catherine Freundschaft schließt und in den sie sich bald rettungslos verliebt! Doch ihre Verbindung muss um jeden Preis geheim bleiben. Catherine ist es verboten, erneut zu heiraten, und außerdem ist Owen Tudor ein Diener und eine solche Liaison nicht standesgemäß …

Über die Autorin

Mari Griffith wurde als Co-Moderatorin der BBC-TV-Show Music Time und als Sängerin im BBC-Radio bekannt. Sie hatte eigene Fernsehserien und war später eine erfolgreiche Regisseurin und Produzentin. Ihr erfolgreicher Debütroman »Das Geheimnis der Königin« wurde in mehrere Sprachen übersetzt.

MARI GRIFFITH

DASGEHEIMNISderKÖNIGIN

Ein Tudor-Roman

Aus dem Englischen vonCécile Lecaux

beHEARTBEAT

Deutsche Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2015 by Mari Griffith

Titel der britischen Originalausgabe: »The Root of the Tudor Rose«

This translation published by arrangement with Accent Press Ltd.

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dorothee Cabras

Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt

Covergestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de

unter Verwendung eines Motivs von © arcangel/Malgorzata Maj

eBook-Erstellung: Olders DTP.company, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-5132-3

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Für Jonah… der immer gesagt hat, ich schaffe das

Stammbäume

Die folgenden Stammbäume werden vereinfacht dargestellt. Charaktere, die in der Geschichte vorkommen, sind fett gedruckt.

Stammbaum 1 – Die französische De Valois Dynastie

Stammbaum 2 – Die englische Lancaster Dynastie

Teil 1Heinrich

»Der König ist ein Goldherz und ein Schatz,Ein Wonnejung’ und Ruhmessproß.Von guten Eltern und höchst tapfrer Faust.Ich küsse seinen schmutz’gen Schuh und liebeDen lieben Eisenfresser ganz und garVon meines Herzens Grund.«1

William Shakespeare, König Heinrich V.,5. Akt, 1. Szene

Kapitel 1Frankreich, September 1418

Schwer auf ihren Stock gestützt, humpelte Schwester Supplice fröstelnd über den gepflasterten Gang zum Dormitorium. Ihre Kerze flackerte, als ihr ein kalter Luftzug entgegenwehte. Ihr graute bereits vor dem nahenden Winter. Das Kloster in Poissy war in der kalten Jahreszeit ein erbarmungsloser, eisiger Ort, und die alte Nonne wusste nur zu gut, dass ihre Gelenke ihr spätestens im Dezember unerträgliche Qualen bereiten würden. Selbstverständlich war sie dankbar, dass der himmlische Vater ihr zum Lohn für ihren Gehorsam Nahrung und Obdach schenkte, wozu ihr leiblicher Vater wenig geneigt gewesen war. Tatsächlich war der Marquis heilfroh gewesen, als seine unscheinbare, pummelige Tochter, der ohnehin ein Leben als Jungfer beschieden gewesen wäre, resigniert den Schleier genommen hatte. Nicht, dass sie wirklich die Wahl gehabt hätte …

Entschlossen drängte die Nonne den alten Groll zurück. In diesem Augenblick zählte nur, dass das graue Licht des frühen Morgens jenen Tag ankündigte, den sie so lange Zeit gefürchtet hatte. Sie hatte immer gewusst, dass es einmal so weit sein würde, und nun war der Moment da. Sie öffnete die Tür zu der winzigen Klosterzelle, in der Catherine schlief, und betrachtete das friedliche Gesicht des jungen Mädchens. Wenn sich doch nur dieser letzte Augenblick der Unschuld für alle Zeit erhalten ließe!

Schwester Supplice empfand Catherine gegenüber nach all der Zeit noch denselben ausgeprägten Beschützerinstinkt wie bei ihrer ersten Begegnung. Vierzehn Jahre war es her, dass zwei mitleiderregend dürre flachsblonde kleine Mädchen ohne viel Federlesens im Kloster abgegeben worden waren – verängstigt, halb verhungert und den Tränen nah. Die elfjährige Prinzessin Marie de Valois hielt ihre dreijährige kleine Schwester Catherine an der Hand, und nachdem die königlichen Gardisten sie in die Obhut der Nonnen gegeben hatten, überließ man die Kinder ihrem Schicksal. Nur eine einzige Bedienstete begleitete sie, eine ungepflegte Person mit schmutzigem Gesicht und lückenhaftem Gebiss.

»Sie stinken!«, hatte Schwester Marie-Thérèse gezischt und angewidert die Nase gerümpft. »Sie starren vor Schmutz, und auf ihrem Kopf wimmelt es von Läusen. Ich wette, man hat ihnen seit dem Maifeiertag nichts Sauberes mehr zum Anziehen gegeben!«

»Zügelt Eure Missbilligung, Schwester«, hatte die Mutter Oberin sie ermahnt. »Das Kloster ist kaum in der Position, sich dem Willen des Königs zu widersetzen, zwei seiner Kinder aufzunehmen.«

»Aber der König ist …«

»Ja, danke, Schwester, wir alle sind über das Leiden des Königs im Bilde.«

Die Nonnen wussten so gut wie jeder andere, dass der König geisteskrank war, die arme Seele, doch das war Gottes Wille, und es stand ihnen nicht zu, über Seine Hoheit zu urteilen. Und so war ihnen gar nichts anderes übrig geblieben, als die Töchter des Königs bestmöglich zu versorgen. Wenigstens wurden sie hierfür anständig entlohnt, was auch nur angemessen war, da sie sich ja nicht nur um das leibliche Wohl der Prinzessinnen kümmern sollten, sondern auch um ihre geistige Bildung.

Schwester Consolata, die nichts mehr liebte als schlüpfrigen Klatsch, machte die Königin hierfür verantwortlich. »Man sagt, sie habe den Bruder des Königs zu ihrem Vertrauten erwählt. Und ihn in ihr Bett geholt!«, flüsterte sie Schwester Supplice zu und stieß ihr den Ellbogen in die Rippen.

Die Mutter Oberin brachte sie mit einem Stirnrunzeln zum Schweigen. »Das ist alles, Schwestern. Klatsch zu verbreiten gehört sich nicht für eine Braut Christi. Ich hoffe sehr, dass das Kloster von Poissy sich des Vertrauens unseres Monarchen als würdig erweisen wird. Ich vertraue darauf, dass Ihr den Töchtern Seiner Majestät mit Würde und christlicher Nächstenliebe begegnen werdet, solange diese sich in unserer Obhut befinden.«

Die Nonnen waren über den erbärmlichen Zustand der beiden Kinder ehrlich bestürzt gewesen, und wenn sie nicht gerade von ihren Alltagspflichten und Gebeten beansprucht wurden, tuschelten und tratschten sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Schaudernd raunten sie einander zu, dass die kleinen Prinzessinnen zu ihrer eigenen Sicherheit ins Kloster gegeben worden seien. Es sei ja allgemein bekannt, dass Königin Isabeau nichts taugte, während ihr armer, verrückter Gatte in Saint Pol eingesperrt war. Sie weigerte sich sogar, für eine Dienerschaft für Seine Majestät aufzukommen. Die Königin zog es vor, das Geld für Kleider und allerlei Firlefanz zu verschwenden. Schändlich! Dann war da noch der Vetter des Königs, der Herzog von Burgund, »Johann Ohnefurcht«, wie ihn alle nannten. In den Augen der Nonnen war er nicht besser als der Rest der Familie, stritt mit der Königin über die Sorge für die königlichen Nachkommen, während der arme König ein Dasein hinter Schloss und Riegel fristete.

Schlimmer noch. Die Nonnen hatten gehört, dass kein Geringerer als der Bruder der Königin versucht hatte, die zwei jüngsten Töchter des Monarchen zu entführen, und das nur wenige Wochen, bevor die beiden dem Kloster übergeben worden waren. Kein Wunder, dass sie schmutzig, verwahrlost und verstört gewesen waren. Schwester Supplice erinnerte sich, dass sie wie kleine Tiere gerochen hatten und die Mutter Oberin befohlen hatte, die flohverseuchten Kleider der Mädchen zu verbrennen, nachdem die Kinder entkleidet und gewaschen worden waren.

Seit jenem Tag hatte sich Schwester Supplice ungeachtet ihrer schmerzenden Knochen während der Laudes niedergekniet und inbrünstig gebetet, dass dies nicht der Tag sein möge, an dem der gefürchtete königliche Befehl eintraf, der ihr Catherine entriss und an den Hof zurückbeorderte, wo über ihre Zukunft entschieden werden würde. Sollen sie doch statt ihrer Marie holen, dachte sie ungerührt. Immerhin war sie die Ältere der beiden, diejenige, für die sich leichter ein Gatte finden ließ. Aber Marie hatte sich schnell im Kloster eingelebt. Sie war bereits Postulantin und würde in Kürze ihr Noviziat beginnen. Niemals würde Marie an den Hof zurückkehren.

Catherine ihrerseits gab sich zwar nach außen hin recht fromm, hatte jedoch nie Interesse bekundet, Nonne zu werden. Sie hatte lesen und schreiben gelernt und besaß eine gewisse Sprachbegabung, sodass sie inzwischen fließend Latein sprach und sogar einige Brocken Englisch beherrschte. Die akkuraten Stiche auf dem Altartuch, an dem sie mitarbeitete, zeugten von ihrem Talent als Näherin, und bei den Litaneien sang sie die Antworten mit wohlklingender, melodischer Stimme. Es gab nichts, was die Nonnen sie noch hätten lehren können.

Immer noch tief und fest schlafend, drehte das Mädchen sich auf die Seite und murmelte etwas Unverständliches.

Schwester Supplice berührte sanft ihre Schulter. »Was ist denn, mein Schatz? Wieder ein Albtraum?«

Es beunruhigte sie, wenn Catherine im Schlaf weinte, wie es gelegentlich der Fall war, um dann aufgelöst aufzuwachen, ohne klare Erinnerung an das, was sie geträumt hatte, oder schluchzend von schreienden Menschen und wild galoppierenden Pferden zu erzählen. Und das Merkwürdigste an diesen Träumen war, dass Catherine beim Aufwachen immer das süße Aroma von Marzipan auf der Zunge schmeckte.

Sanft schüttelte Schwester Supplice ihren Schützling bei der Schulter. Wie konnten junge Mädchen nur so tief und fest schlafen? Vielleicht lag es daran, dass sie in diesem Alter so schnell wuchsen. Es bereitete ihr Sorge, dass das unförmige Gewand aus grauer Wolle, das Catherine tagtäglich trug, nicht länger verhehlen konnte, dass sie zu einer jungen Frau gereift war, einer attraktiven, ja sogar schönen jungen Frau. Nach Schwester Supplice’ Verständnis war Schönheit für eine Frau jedoch ebenso nachteilig wie Hässlichkeit, da die Menschen sich nur selten die Mühe machten, hinter die Fassade zu blicken.

Am meisten sorgte die alte Nonne sich jedoch wegen des Gerüchts, von dem Schwester Madeleine ihr erzählt hatte, die für den Seiteneingang zuständig war und regelmäßig mit Händlern in Kontakt kam. Ein Hausierer hatte ihr berichtet, dass die Königin versuche, eine Ehe zwischen ihrer Tochter Catherine und dem englischen König Heinrich V. zu stiften.

Diese selbstsüchtige, liederliche Person! Es käme einem Opfer gleich, das Mädchen mit dem arroganten, brutalen Ausländer zu verheiraten, der verkündet hatte, ganz Frankreich erobern zu wollen. Schwester Supplice bekreuzigte sich bei dem Gedanken an die blutige Schlacht von Agincourt. Allein der Name erfüllte die Franzosen mit Hass, Furcht und Scham gleichermaßen.

»Catherine, wach auf, Liebes«, flüsterte sie, diesmal eindringlicher, und schüttelte das schlafende Kind kräftiger. »Mach schon, du musst aufwachen. Es ist wichtig.«

Catherine drehte sich erneut um, gähnte, streckte sich und setzte sich dann abrupt mit weit aufgerissenen Augen auf. »Haben sie nach mir geschickt, Schwester?«

»Ja, Kind, der Augenblick, den wir gefürchtet haben, ist da«, entgegnete die Nonne. Ihre Kehle zog sich schmerzhaft zusammen. »Du musst aufstehen und dich fertig machen für die Reise zum Schloss von Meulan. Der Befehl der Königin ist spät am gestrigen Abend eingetroffen. Zwanzig bewaffnete Gardisten wurden als Eskorte geschickt, um euch zu begleiten, aber die Ehrwürdige Mutter hat dem Kapitän nicht gestattet, dich zu sehen.« Sie selbst war voll und ganz einverstanden gewesen mit der empörten Weigerung der Mutter Oberin, der Anweisung des Mannes Folge zu leisten. Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Catherine habe sich bereits zur Nachtruhe zurückgezogen, hatte sie dem Kommandeur der königlichen Garde eröffnet. Punkt. Er werde sich bis zum Morgen gedulden müssen, und, nein, das Kloster könne nicht ohne Vorankündigung zwanzig Männer beherbergen. Sie müssten sich eine andere Unterkunft suchen. Es gebe in der Umgebung zahlreiche Scheunen und zudem ein ordentliches Gasthaus weniger als eine Meile entfernt.

Schwester Supplice hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Stattdessen hatte sie die Nachtstunden auf den Knien verbracht und die quälenden Schmerzen ignoriert. Sie betete um ein Wunder, um irgendetwas, das verhinderte, dass Catherine Poissy verließ. Schwester Supplice konnte sich ein Leben ohne das Mädchen nicht mehr vorstellen.

Aber Catherine war bereits aufgesprungen, zog ihre Truhe unter dem Bett hervor und begann, ihre wenigen Habseligkeiten hineinzulegen.

»Du musst nicht gehen, Catherine!« Schwester Supplice ließ sich schwer auf die Kante des schmalen Bettes sinken und zupfte nervös an den Röcken ihres Habits. »Du kannst dich weigern mitzugehen. Würdest du nicht lieber hierbleiben und Postulantin werden wie Marie? Wenn du Nonne wirst, bist du für alle Zeit in Sicherheit. Gott wacht über seine Dienerinnen.«

Catherine hielt kurz inne, schenkte der Nonne ein liebevolles Lächeln und schüttelte kaum merklich den Kopf. Dann fuhr sie fort zu packen.

»Denk doch nach, Catherine! Denk nach! Wenn du an den Hof zurückkehrst, musst du vielleicht König Heinrich heiraten und nach England gehen, um dort zu leben! Liebes, du bist noch so jung. Du verstehst nicht, was man von dir erwartet. Wie unwürdig das alles ist! Wenn man dich mit dem König verheiratet, wirst du das Bett mit ihm teilen und … und … und dich ihm unterwerfen müssen! Und er ist bekannt für seine Brutalität. Er ist ein Tier! Das sagen alle. Er … er ist eine Ausgeburt der Hölle, und es heißt, er habe einen Schwanz wie der leibhaftige Satan!«

Perplex hielt Catherine inne, ehe sie ihr Gebetbuch in ihr zweites Unterkleid wickelte und in die Truhe legte. In England leben? König Heinrich heiraten? Nein, ganz sicher nicht! Selbstverständlich würde eine Ehe für sie arrangiert werden, damit war zu rechnen. Aber doch nicht mit dem König von England, nicht, nachdem dieser Frankreich verwüstet und so viel Leid über ihr Volk gebracht hatte. Impulsiv beugte sie sich vor und küsste die alte Nonne auf die Wange.

»Ach, Schwester Supplice, mein lieber Vater, der König, würde nicht im Traum daran denken, mir so etwas abzuverlangen. Sorgt Euch nicht um mich. Nein, wirklich, dazu besteht kein Anlass. Aber ich muss rasch aufbrechen. Die Königin hat meine Rückkehr an den Hof befohlen, und es ist meine Pflicht, ihr zu gehorchen.«

Catherine war erleichtert, dass es hierauf kein Gegenargument gab. Sie hatte sich in den letzten Monaten im Kloster zunehmend wie eine Gefangene gefühlt, geplagt von innerer Unruhe und Rastlosigkeit. Sie hatte versucht, mit Marie darüber zu sprechen, war jedoch bei ihrer Schwester auf völliges Unverständnis gestoßen. Für Marie zählte es zu den größten Privilegien einer Frau, Gott dienen zu dürfen. Catherine hatte diesbezüglich weniger hehre Ambitionen und vor allem weniger klare Vorstellungen von ihrer Zukunft. Nur eines wusste sie genau: Sie wollte ein Leben außerhalb der Klostermauern führen, wollte sich an Musik erfreuen und nicht nur an Kirchengesängen; sie wollte andere junge Leute treffen, vielleicht sogar das Tanzen erlernen. Catherine hatte keinen Schimmer, wie sich diese Wünsche erfüllen lassen würden, doch eines war sicher: Innerhalb des Klosters von Poissy würde sie nichts von alldem erleben.

Eine Stunde später hatte der Kapitän der königlichen Garde, ein mürrisch dreinblickender Mann in der Uniform eines Soldaten König Karls VI. von Frankreich, seine Männer im Innenhof versammelt, wo die Gardisten noch einmal ihre Sättel überprüften und sich für den bevorstehenden Ritt bereit machten. Die Pferde schüttelten den Kopf und schnaubten, Geschirre klirrten, und der Atem der Tiere dampfte in der kalten Luft des frühen Morgens. Im nördlichen Kreuzgang verabschiedete Catherine sich von den Nonnen, die so viele Jahre ihre Familie gewesen waren, als die Mutter Oberin unvermittelt einen Entschluss fasste. Hocherhobenen Hauptes schritt sie hinaus auf den Hof und verlangte vom Kapitän zu wissen, warum keine Anstandsdame für die Prinzessin geschickt worden sei. Man erwarte ja wohl nicht, dass sie sich ganz allein in Begleitung einer rein männlichen Eskorte auf die Reise begab?

Catherine hielt die Luft an, und Panik stieg in ihr auf. Was, wenn die Mutter Oberin sich weigerte, sie gehen zu lassen? Dann wäre sie hier gefangen wie eine Legehenne im Hühnerstall. Sie sah, wie der Kapitän den königlichen Befehl zückte und damit herrisch der Mutter Oberin vor der Nase herumwedelte. Des Lesens und Schreibens unkundig, vermochte er die Unterschrift Königin Isabeaus nicht zu entziffern, aber er bebte förmlich von der Autorität, die ihm das königliche Siegel verlieh.

Die Mutter Oberin gab sich geschlagen. Mit hängenden Schultern kehrte sie zum Kreuzgang zurück und ließ Catherine feierlich schwören, auf der Reise alles zu beherzigen, was man ihr in puncto schicklichen Benehmens beigebracht hatte. Catherine hätte in diesem Moment alles geschworen, nur um endlich fortzukommen.

Dann fiel ihr Blick auf Marie, die in ihrer Postulantinnenrobe neben Schwester Supplice stand und die geballte Faust an die Lippen gedrückt hielt in dem Bemühen, sich nicht von ihren Gefühlen überwältigen zu lassen. Das gequälte Gesicht ihrer Schwester machte Catherine plötzlich bewusst, dass es sehr lange dauern konnte, bis sie einander wiedersahen.

»Gott sei mit dir!«, flüsterte Marie ergriffen und umarmte sie. »Und gib Papa einen Kuss von mir. Ach ja, und Maman natürlich auch.«

Catherine biss sich auf die zitternde Unterlippe, während Schwester Supplice weinte wie eine Mutter, der man das geliebte Kind entriss.

Als sie losritten, blickte Catherine vom Rücken des braven kleinen Zelters, der sie nach Meulan tragen würde, noch einmal zurück. Eine einsame gebeugte Gestalt stand, auf einen Stock gestützt, auf der Schwelle des Klosters und winkte ihr zum Abschied noch ein letztes Mal zu.

Sie folgten der Seine in nordwestliche Richtung, und der angenehme Ritt entlang des glitzernden Flusses linderte bald Catherines Trennungsschmerz. Endlich befreit von den strengen Klosterregeln, beugte sie sich gelegentlich vor, um von den Sträuchern am Wegesrand Beeren zu pflücken, die sie sich genüsslich auf der Zunge zergehen ließ, ohne befürchten zu müssen, hierfür gerügt oder bestraft zu werden. Der Kapitän der Garde sprach sie ehrerbietig mit »Eure Hoheit« an, und sie straffte die Schultern und hielt den Kopf hoch erhoben, als ihr einfiel, dass er ja ein Untergebener war. Er ritt an ihrer Seite, um sie zu beschützen, und nicht, um ihr Vorschriften zu machen.

Nach einigen Stunden wählte der Kapitän ein sonniges Fleckchen am Flussufer für eine Rast aus. Die Soldaten stillten ihren Durst und ihren Hunger mit einer bescheidenen Mahlzeit aus Brot und Käse, die die Nonnen ihnen als Wegzehrung eingepackt hatten. Die Pferde, die im Schatten der Weiden angebunden worden waren, ließen sich derweil das saftige grüne Gras schmecken und verscheuchten schweifschlagend lästige Fliegen.

Nach dem Essen entschuldigte sich Catherine und zog sich hinter einen Weißdornstrauch zurück, um sich zu erleichtern. Die Mutter Oberin wäre mit meinem schicklichen Benehmen zweifellos hochzufrieden gewesen, sagte sie sich mit einem schiefen Lächeln, als sie den Rock glatt strich, ehe sie zu ihrer Eskorte zurückkehrte.

Als sie am späten Nachmittag Meulan erreichten, wurden sie weder empfangen noch willkommen geheißen. Der Kapitän der Garde geleitete Catherine in den Großen Saal des Schlosses, dessen hoch aufragende Steinwände mit staubigen Gobelins geschmückt waren. Rauch stieg von einem Stapel von Apfelholzscheiten auf, die im Kamin aufgeschichtet worden waren. Ein kleiner Junge mühte sich ab, mithilfe eines Blasebalgs, der beinahe so groß war wie er selbst, ein Feuer in Gang zu bringen. Vom Pfeiferstuhl her waren die Klänge einer Rebek zu hören. Ein unsichtbarer Musiker übte immer wieder dieselbe Passage. Da Catherine nirgendwo eine Sitzgelegenheit entdecken konnte, blieb sie an der Tür stehen, während Bedienstete geschäftig hin und her eilten und Tische und Bänke hereintrugen.

Der Kapitän hielt einen vorbeieilenden Lakaien auf und befahl, eine Bank für Catherine an der Wand aufzustellen. Hiernach schickte er den Mann los, die Königin von der Ankunft ihrer Tochter zu unterrichten. Catherine nahm vorsichtig Platz, da ihr Hinterteil und ihr Rücken von dem ungewohnten langen Ritt von Poissy hierher schmerzten. Fasziniert beobachtete sie die geordnete Geschäftigkeit um sich herum.

»Wisst Ihr, was das alles zu bedeuten hat, Hauptmann?«

»Offenbar wird ein Bankett vorbereitet, Eure Hoheit«, entgegnete er schulterzuckend. »Und ich vermute, dass es mit dem König von England zu tun hat.«

»König Heinrich?«

»Ja. Er verbringt neuerdings viel Zeit in Frankreich. Ich schätze, er hält Ausschau nach Schätzen, die er sich einverleiben kann.«

»Aber er wird doch nicht heute Abend hier erwartet, oder?«

»Das glaube ich nicht, Eure Hoheit, sonst hätte ich im Wachraum davon gehört. Doch er verbringt verdammt viel Zeit in der Gegend. Er und seine verfluchten Spitzel.«

Sein hasserfüllter Tonfall verblüffte Catherine, und sie spürte, wie nagende Furcht in ihr aufstieg. Warum hatte man sie herbringen lassen? Die Königin hatte sie wohl kaum um des Vergnügens ihrer Gesellschaft willen an den Hof berufen. Immerhin war sie vierzehn Jahre lang sehr gut ohne dieses Vergnügen ausgekommen, abgesehen von einigen wenigen kurzen Besuchen im Kloster. Catherine erinnerte sich noch gut an die Aufregung, die diese seltenen königlichen Aufwartungen verursacht hatten, und daran, wie ungewohnt unterwürfig die gestrenge Mutter Oberin gegenüber der Königin gewesen war. Die Nonnen hatten sich wie aufgescheuchte Hühner aufgeführt, sogar Schwester Supplice, die sonst immer Ruhe bewahrte, es sei denn, jemand erwähnte die englische Besatzungsmacht. Und nun wirkte auch der Kapitän bei der Erwähnung des Feindes sichtlich erregt.

»Haben Sie in Agincourt gekämpft, Hauptmann?«

»Das habe ich, Eure Hoheit, und ich habe in dieser Schlacht drei gesunde Finger durch ein englisches Beil verloren.« Er zog den Lederhandschuh aus, und Catherine zuckte beim Anblick der verstümmelten linken Hand zurück. »Immerhin habe ich es überlebt – im Gegensatz zu den meisten meiner Kameraden. Sechstausend Mann haben dort ihr Leben gelassen oder wurden verwundet, Adlige und Nicht-Adlige gleichermaßen.«

»War es wirklich so schlimm, wie man sich erzählt?«

»O ja, noch viel schlimmer. Es war, als hätten sich die Pforten der Hölle geöffnet. Männer und Pferde ertranken, schreiend vor Qualen, in einem Meer von Blut und Schmutz.« Er redete sich in Rage. »Und König Heinrich macht keine Gefangenen: Die armen Kerle wurden im blutgetränkten Schlamm zusammengetrieben wie Vieh und abgeschlachtet. Er ist ein Barbar, ein Tier, ein Teufel. Verzeiht, Hoheit«, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu. Er war zu weit gegangen, aber, bei Gott, es entsprach der Wahrheit.

Catherines Augen hatten sich bei den Worten des Kapitäns über die berüchtigte Schlacht vor Entsetzen geweitet, und sie empfand den Anblick seiner Hand als abstoßend.

»Verzeihung, Eure Hoheit.«

Erleichtert ob der Störung, wandte sich Catherine der Stimme zu. Eine dunkelhaarige Frau etwa in ihrem Alter machte einen tiefen Hofknicks vor ihr.

»Ja, was gibt es?«

Die junge Frau richtete sich wieder auf. »Die Königin wünscht, Euch unverzüglich zu sehen, Mylady. Ich soll Euch zu ihr bringen.«

Catherine wurde zu ihrer Mutter gerufen. Sie atmete tief durch und straffte die Schultern. »Gut, äh … wie ist dein Name?«

»Guillemote, Mylady. Ich wurde zu Eurer Zofe bestimmt.«

Eine eigene Zofe! Ein völlig neues Leben erwartete sie. Catherine erhob sich von der Bank und entließ den Kapitän der königlichen Garde mit einem würdevollen Nicken. Dann folgte sie dem Mädchen namens Guillemote, das eine schwere Eichentür am anderen Ende des Großen Saales ansteuerte. Ein Lakai in Livree öffnete die Tür, und ein kleiner brauner Hund sprang kläffend um sie herum, als sie über die Schwelle traten.

»Catherine! Da bist du ja, Kind! Warum kommst du so spät? Hat dieser Idiot von Hauptmann sich unterwegs verirrt?«

Catherine wurde sogleich von der unbändigen Energie ihrer Mutter, Königin Isabeau von Frankreich, erfasst. Sie hatte ganz vergessen, was für ein Temperament ihre Mutter besaß, wie hektisch Bedienstete in deren Gegenwart hin und her sprangen, mit welcher Autorität sie Befehle erteilte und deren umgehende Ausführung erwartete. Sie trug einen hohen, aufwendigen konisch zulaufenden Kopfputz, mit dem sie alle um sich herum überragte, und ihre hohe Stirn und die gezupften Augenbrauen verliehen ihr einen Ausdruck arroganter Überlegenheit.

»Komm her«, sagte die Königin und schlug den Staub aus Catherines Mantel. »Wir müssen dich herausputzen, bevor unser Besuch eintrifft.« Sie packte Catherines Arm und dirigierte sie zu der Steintreppe, die ins Obergeschoss führte.

»Besuch?« Beunruhigt versuchte Catherine, sich aus dem schraubstockartigen Griff zu befreien. »Erwartet Ihr am heutigen Abend König Heinrich?«

»König Heinrich? Grundgütiger, nein, Kind! Wie um alles in der Welt kommst du denn auf so was?«

»Aber der Kapitän der Garde hat gesagt …«

Die Finger der Königin schlossen sich noch fester um Catherines Oberarm. »Hör nicht auf das Gerede von Untergebenen, diese Leute haben von nichts eine Ahnung. Nein, ich erwarte nicht den König, wohl aber seinen Gesandten, Sir Robert Waterton. Komm. Wir müssen ihn beeindrucken.«

Catherine zögerte. »Aber warum denn? Zu welchem Zweck, Mylady?«

»Weil es unsere Aufgabe ist, den Engländern klarzumachen, dass man sich Frankreich und die Franzosen nicht einfach so aneignen kann. Wir müssen uns teuer verkaufen.«

Catherine atmete auf. Was ihre Mutter sagte, klang vernünftig. »Oh, ich verstehe. Ja, natürlich. Der König von England ist ein Ungeheuer, nicht wahr? Das sagen alle. Der Kapitän der Garde hat erzählt, König Heinrich habe in Agincourt alle Überlebenden kaltblütig abschlachten lassen. Und … und … Schwester Supplice meint, er sei eine Ausgeburt der Hölle und habe einen Schwanz wie der leibhaftige Satan!«

»Um Himmels willen! Sei doch nicht so naiv, Catherine! Und schenk Nonnengeschwätz keinen Glauben. Ein Schwanz? Was für ein Unsinn! Tatsächlich habe ich König Heinrich persönlich kennengelernt und fand ihn sehr charmant.« Königin Isabeau, die einen zweiten kläffenden Schoßhund unter dem Arm trug, ließ das arme Tier einfach fallen, wandte sich um und musterte ihre Tochter abschätzig. »Sieh dich an! Du bist staubbedeckt und riechst nach Pferd. Komm, wir werden alle Hände voll zu tun haben, dich herzurichten.«

Königin Isabeau gab sich so herrisch wie eh und je. Als sie ihrer Mutter die spiralförmige Treppe hinauf folgte, ging Catherine durch den Kopf, dass es nett gewesen wäre, mit Zuneigung empfangen zu werden, vielleicht sogar mit einem Kuss. Sie war sicher, dass ihr Vater sie zur Begrüßung geküsst hätte.

»Wie geht es meinem lieben Papa?«, fragte sie. »Sehe ich ihn heute Abend?«

»Nein.« Die Königin blieb kurz stehen und blickte stirnrunzelnd auf ihre Tochter herab. »Dein Vater wird nicht kommen. Es geht ihm nicht gut. Und ich habe befohlen, dass er zu seiner eigenen Sicherheit in Saint Pol bleibt, bis er vollständig von seiner Krankheit genesen ist. Seine Diener sorgen dafür, dass es ihm an nichts fehlt.«

»Dann plagt ihn immer noch sein altes Leiden?«

»Sehr«, erwiderte die Königin ernst. »Als ich ihn letzten Monat besucht habe, behauptete er steif und fest, er sei aus Glas.«

»Glas?«

»Ja, Glas. Er bestand darauf, dass Eisenstäbe in seine Kleider genäht werden, um ihn zu schützen, und er wollte niemanden in seine Nähe lassen, aus Angst, man könnte ihn zerbrechen.«

»Nicht einmal Ihr durftet Euch ihm nähern?«

»Ich schon gar nicht«, entgegnete die Königin, und ihre Finger schlossen sich einen Moment fester um das Geländer, ehe sie die letzten Stufen hinaufstieg.

Catherine hatte nur wenige undeutliche Erinnerungen an die Zeit, bevor Marie und sie in die Obhut des Klosters von Poissy gegeben worden waren, aber sie erinnerte sich noch an ihren Vater als einen großen, liebevollen Bär von einem Mann. Sie erinnerte sich an Gelächter, Herzenswärme und das Gefühl der Geborgenheit in seinen Armen, wenn sie auf seinem Schoß saß und er ihr Geschichten erzählte oder ihr Kinderreime und Zählen beibrachte. Dabei bezog er stets ihre Finger und Zehen ein. Aber jedes Mal trübten andere Erinnerungen das Bild: Es waren vage Erinnerungen daran, wie sie mitten in der Nacht wach geworden war und sich in panischer Angst an ihre Schwester geklammert hatte, daran, wie ihnen vor Furcht das Herz bis zum Hals geschlagen hatte und sie sich die Bettdecke über den Kopf gezogen hatten. So hatten sie die Schreie und das laute Wehklagen aus dem Schlafgemach des Königs auszublenden versucht, ebenso die Schritte der Diener, die draußen auf dem Flur vorbeihasteten. Auch Jahre später, wenn Catherine im Kloster vom Schrei einer Eule oder dem Schnarchen einer Nonne wach geworden war, hatte sie an jene weit zurückliegenden Nächte in ihrem Kinderzimmer auf Saint Pol denken müssen. Ihr war klar geworden, dass ihr geliebter Vater mehr und mehr in seiner eigenen düsteren Welt des Wahnsinns versunken war. Es stimmte sie traurig, dass es ihm offenbar immer noch nicht besser ging.

Ein leises Klopfen an der Tür riss Catherine aus ihren trüben Gedanken.

»Ah, Guillemote, da bist du ja«, sagte die Königin, als die Tür aufschwang. »Geh und erhitze Wasser, um der Prinzessin das Haar zu waschen. Und achte darauf, dass du auch gute Seife aus Marseille benutzt. Nach dem Waschen musst du das Haar mit Zitronensaft spülen, um ihm Glanz zu verleihen. Wenn es trocken ist, flichtst du es zu einem Zopf und ziehst Catherine eins von meinen Kleidern an. Das neue rote. Ich glaube, das passt besonders gut zu ihrem blonden Haar. Nein, warte! Nicht das rote, darin würde sie zu verführerisch aussehen. Das grüne ist dezenter. Ja, das grüne wird gut zu ihrer Augenfarbe passen. Und, nein, ich habe es mir anders überlegt. Das Haar nicht flechten. Das ist nicht nötig, sie ist ja nicht verheiratet. Noch nicht. Außerdem ist ihr Haar wunderbar wellig, das macht es offen besonders hübsch. Husch, husch, beeile dich, Mädchen! Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit!«

Guillemote knickste ein letztes Mal und eilte davon, um zu tun, was ihr aufgetragen worden war. Die Königin drückte ihre Tochter auf einen Stuhl vor einem kleinen Frisiertisch und wandte sie dem Spiegel zu, dessen Griff in einer Halterung steckte. Verblüfft starrte Catherine das Gesicht an, das ihr entgegenblickte: ein ovales Gesicht mit großen, graublauen Augen und langen dunklen Wimpern, das von blondem Haar eingerahmt wurde. Die hohen Wangenknochen lenkten von der einen Hauch zu langen Nase ab, und die blasse Haut war vor Verlegenheit leicht gerötet. Zum ersten Mal in ihrem Leben sah Catherine ein Spiegelbild ihrer selbst als erwachsene Frau. Sie beugte sich vor, musterte ihr Antlitz prüfend, und was sie sah, missfiel ihr gründlich.

»Meine Nase ist viel zu groß«, stellte sie fest und schob den Spiegel beiseite.

Die Königin drehte den Kopf ihrer Tochter von einer Seite auf die andere und studierte ihr Gesicht aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. »Hm, hm. Ja, du neigst zur typischen Valois-Nase, fürchte ich, und daran können wir nicht viel ändern. Sie ist etwas lang, aber glücklicherweise gerade. Elegant. Aristokratisch. Und es räumt jegliche Zweifel an deiner Herkunft aus: Deine gesamte königliche Familie väterlicherseits hat eine Valois-Nase.« Isabeau setzte die kritische Betrachtung ihres Antlitzes fort. »Du hast eine makellose Haut, und zu deinem Glück hast du meine Augen geerbt. Lass mich deine Zähne sehen.« Catherine zuckte zusammen, als die Königin ihr grob den Mund öffnete, als prüfte sie das Alter eines Schafes. »Ah, sehr gut! Du hast noch alle Zähne. Das heißt, du hast einen reinen Atem, und mit etwas Myrrhentinktur wird er noch frischer werden. Das ist perfekt.«

»Ist das nicht sündig, Mutter?«

»Sündig? Was sollte daran sündig sein?«

»Nun ja, der Spiegel. In Poissy gab es keine Spiegel …«

Die Königin schnaubte verächtlich. »Allmächtiger, Kind! Spiegel sind doch nicht sündhaft, auch wenn Nonnen einem weismachen wollen, dass man das Gesäß des Leibhaftigen zu sehen bekommt, wenn man hineinschaut. Nein, es ist keine Sünde, das Beste aus jedem Vorteil zu ziehen, der sich im Leben ergibt. Die alten Vetteln haben dich doch sicherlich das Evangelium nach Matthäus gelehrt?«

»Ja, ja, selbstverständlich.« Catherine war schockiert von den gotteslästerlichen Worten ihrer Mutter.

»Dann denke immer an das Gleichnis von den Talenten, Catherine. ›Wer da hat, dem wird gegeben werden.‹ Lass uns sehen, welche Talente der liebe Gott dir mit auf den Weg gegeben hat. Nun, dein Haar ist recht hübsch, hat aber eine gründliche Wäsche nötig. Hast du dir in diesem Kloster überhaupt je das Haar gebürstet? Es sieht jedenfalls nicht danach aus. Und dieses Kleid! Grundgütiger! Kein Wunder, dass aus Frauen, die solche Kleider tragen, allesamt alte Jungfern werden.«

»Sie sind Nonnen, Maman.«

Königin Isabeau verzog das Gesicht. »Eben. Und wenn ich daran denke, dass deine Schwester Marie entschieden hat, den Schleier zu nehmen … Das arme irregeleitete Kind! Gott sei Dank habe ich noch dich.«

Die melodische musikalische Phrase ging Catherine nicht mehr aus dem Kopf. Das erste Mal hatte sie den Rebekspieler bei ihrer Ankunft im Großen Saal üben hören, und jetzt, begleitet von Schalmei und rhythmischen Trommelklängen, entpuppte sich das Stück als das beliebteste des Abends. Catherine beobachtete von ihrem Platz auf der königlichen Estrade aus das bunte Treiben der etwa dreißig Männer und Frauen auf der Tanzfläche des Großen Saales. Sie war über die fröhlichen Klänge der Tanzmusik entzückt, die sie noch nie zuvor gehört hatte. Nicht minder begeistert war sie von ihrer eigenen Verwandlung, nachdem ihre Mutter und ihre neue Zofe, Guillemote, sie nach allen Regeln der Kunst zurechtgemacht hatten. Unter einem eleganten Schleier, der von einer goldenen Fibel gehalten wurde, fiel ihr das seidig glänzende Haar in weichen Wellen über die Schultern. Catherine trug das meergrüne Seidenkleid ihrer Mutter und liebte das Schimmern des kostbaren Stoffes, das jede ihrer Bewegungen im Kerzenschein begleitete. Vierzehn Jahre klösterlicher Befangenheit fielen nach und nach von ihr ab.

Natürlich hatte sie selbst kein einziges Mal getanzt. Tanzen gehörte nicht zu den Fertigkeiten, die man im Kloster erlernte, und die Hand ihrer Mutter, die gebieterisch auf ihrem linken Arm ruhte, sorgte dafür, dass sie gar nicht erst in Versuchung geriet, sich auf der Tanzfläche vor dem Gesandten des englischen Königs der Lächerlichkeit preiszugeben. Sir Robert Waterton, der zu ihrer Rechten saß, schien bestrebt, bei jeder sich bietenden Gelegenheit Catherines Arm zu berühren. Er hatte ein kantiges Kinn, einen leichten Silberblick, und als er sich zu ihr herüberbeugte, wehte ihr sein heißer, übelriechender Atem entgegen.

»Ihr seid noch schöner, als es das Miniaturporträt ahnen ließ, das König Heinrich von Euch besitzt«, raunte er ihr zu. »Er betrachtet es häufig und hat des Öfteren geäußert, Ihr wärt außerordentlich hübsch.«

»König Heinrich besitzt ein Porträt von mir?« Catherines Augen weiteten sich vor Überraschung.

»Ja, selbstverständlich«, erwiderte Königin Isabeau. »Ich habe ihm die neueste Miniatur geschickt, die, die ich letztes Jahr habe anfertigen lassen. Der Künstler war bei dir im Kloster, erinnerst du dich?«

Catherine konnte sich noch gut an den Besuch des Malers erinnern, war jedoch davon ausgegangen, dass das Porträt für ihre Eltern bestimmt sei. Offenbar hatte sie sich geirrt. Und jetzt, da sie darüber nachdachte, fiel ihr außerdem ein, dass von ihrer Schwester Marie kein Porträt gemalt worden war, auch wenn ihr das seinerzeit nicht seltsam erschienen war.

Zunehmend beunruhigt folgte sie dem Gespräch rechts und links von ihr.

»Catherine wird von jeder Jungfer in ganz Frankreich um ihre Schönheit beneidet«, erklärte Königin Isabeau gerade. »Sie kommt nach mir.« Das war nicht zu leugnen. Catherine hatte tatsächlich die hohe Stirn und die feinen Wangenknochen ihrer Mutter geerbt, jedoch glücklicherweise weder ihr herrisches Auftreten noch ihr aufbrausendes Temperament. »Sie gilt sogar unbestritten als die hübscheste Prinzessin in ganz Europa«, fuhr die Königin fort. »Jeder Mann könnte sich glücklich schätzen, sie zur Frau zu bekommen.«

»Zweifellos, Mylady«, pflichtete Sir Robert ihr bei. »Auf Gottes Erde dürften nur sehr wenige Männer von den Reizen Eurer Tochter unbeeindruckt bleiben. Selbstverständlich bin ich nicht mit allen Prinzessinnen in Europa bekannt, ich habe aber schon so manche von ihnen kennengelernt. Prinzessin Catherines Schönheit übertrifft ganz zweifellos bei Weitem die der Prinzessin Marie von Anjou, der ich erst kürzlich vorgestellt wurde.«

»Und was hat Euch an ihr missfallen? Ihr müsst zugeben, dass sie von tadelloser Herkunft ist.«

»Unbestritten, ja. Doch Herkunft allein sagt noch nichts über das Aussehen aus. Im Übrigen ist sie ein zu dunkler Typ mit zu dunklem Teint.«

Königin Isabeau nickte. »Und habt Ihr auch schon Gräfin Jakobäa von Holland kennengelernt, Mylord?«

»O ja. Sie gehört zu den hübschesten ledigen Prinzessinnen. Sie war einmal als geeignete Kandidatin für den jüngeren Bruder des Königs im Gespräch, den Herzog von Bedford.«

»Ah, aber sie war bereits mit meinem Sohn Johann verlobt. Wenn er nicht gestorben wäre, wären sie heute verheiratet. Gott sei seiner Seele gnädig!« Isabeau bekreuzigte sich knapp. »Doch Ihr habt recht, Jakobäa ist eine hübsche Person. Sie ist ja auch mit uns verwandt«, fügte sie hinzu, als wäre dies ein Garant für gutes Aussehen.

Sir Robert Waterton musterte Catherine wieder mit lüsternem Blick. »Unglücklicherweise ist bei den Verhandlungen um eine königliche Heirat nicht allein die Schönheit der Braut entscheidend. Auch die Vertragsklauseln spielen eine Rolle. Seine Hoheit König Heinrich würde einer Mitgift niemals zustimmen, sofern sie nicht Normandie und Aquitanien einschließt. Und zusätzlich achthunderttausend Kronen«, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu.

Catherine errötete. Man schacherte um sie. Ihre Mutter und dieser widerwärtige Mann feilschten um ihre Mitgift wie Bauern auf einem Markt, die sich von der Verpaarung zweier Zuchttiere besonders wertvolle Nachkommen versprachen. Und als Beschäler hatte man die Bestie von Agincourt gewählt.

Schwester Supplice hatte also doch recht behalten.

In jener ersten Nacht in Meulan weinte Catherine bitterlich. Sie fühlte sich verraten und überfordert, sodass ihr heiße Tränen über das Gesicht liefen und ihr Körper von heftigem Schluchzen geschüttelt wurde. Bevor sie mit einem ungeduldigen Rascheln ihrer Röcke aus dem Zimmer stolziert war, hatte Königin Isabeau sie kalt ermahnt, sich zusammenzureißen und dankbar zu sein für die Aussicht auf eine glamouröse Zukunft als Königin von England.

Voller Mitgefühl bereitete Guillemote ihrer Herrin einen Becher heißer Milch mit Wein und Kräutern zu und setzte sich zu ihr, während sie trank. Dabei hielt sie ihr eine Serviette unter das zitternde Kinn, streichelte mit der freien Hand besänftigend ihre Schulter und redete beruhigend auf sie ein, um sie in ihrem offenkundigen Leid zu trösten und zu beschwichtigen.

Catherine erschien der Zofe sehr kindlich, obwohl sie in etwa gleich alt waren. Guillemote hätte erwartet, dass eine Prinzessin um ihre politische Rolle wusste. Auch wenn sie im Kloster aufgewachsen war, musste ihr das Prinzip einer von den Eltern arrangierten Ehe vertraut sein. Und doch war nachzuvollziehen, dass eine erzwungene Ehe mit der Bestie von Agincourt sie in tiefste Verzweiflung stürzte. Das arme Ding.

Guillemote, die als Tochter einer Bediensteten der Valois’ geboren und aufgewachsen war, wusste bestens über die politischen Winkelzüge der Königin in Bezug auf ihre Sprösslinge Bescheid. Nun erlebte sie jedoch zum ersten Mal hautnah, welches Leid diese taktischen Überlegungen erzeugen konnten. Zumal auf der Hand lag, dass aus taktischen Erwägungen heraus arrangierte Ehen nicht immer funktionierten. Vor vielen Jahren war Catherines ältere Schwester Isabelle im Alter von elf Jahren als Witwe heimgekehrt, nach einer nicht vollzogenen Ehe mit dem englischen König Richard II. Und vor neun Jahren war Prinzessin Michelle mit ihrem Cousin, dem Herzog von Burgund, verheiratet worden. Nachdem es ihr bis zu diesem Tage nicht gelungen war, einen Erben zu gebären, stand ihr die Verbitterung ins Gesicht geschrieben, sodass getuschelt wurde, mit ihrer sauertöpfischen Miene brächte sie Milch zum Gerinnen.

Die Söhne der Valois waren beide von Geburt an kränklich gewesen, und keiner von beiden hatte seinen zwanzigsten Geburtstag erlebt. Als Nächster stand somit Catherines jüngerer Bruder Karl in der Thronfolge, ein verschlagener Fünfzehnjähriger mit Knollennase und Pusteln im Gesicht. Er war das letzte von zwölf Kindern der Königin und das schwarze Schaf ihrer Brut. Guillemote verabscheute den Dauphin Karl seit jenem Tag vor sechs Monaten, als er sie draußen vor der Küche grob an die Palastmauer gedrückt und sie gegen ihren Willen geküsst hatte. Gleichzeitig hatte er ihre Röcke hochgeschoben und versucht, ihr zwischen die Beine zu fassen. Nur mit heftiger Gegenwehr war es ihr gelungen zu flüchten, doch sein spöttisches, schrilles Lachen klang ihr immer noch in den Ohren.

Eines Tages würde Karl zum König von Frankreich gekrönt werden. Guillemote dachte an den Ekel, den sie empfunden hatte, als seine Zunge sich in ihren Mund geschoben hatte. In ihren Augen war er gänzlich ungeeignet für das höchste Amt im ganzen Land – aber sie war nur eine Bedienstete, also stand ihr ein solches Urteil nicht zu. Darüber entschieden andere. Ihre Aufgabe bestand vielmehr darin, ihrer bemitleidenswerten jungen Herrin Trost zu spenden.

Kapitel 2Frankreich, im späten Frühling 1419

Trotz der Frühlingssonne war es auf dem Fluss recht kühl. Fröstelnd zog Catherine das Wollcape fester um die Schultern. Die prunkvolle Barkasse, die ihre Mutter für den Anlass gemietet hatte, glitt langsam die Oise im Nordwesten von Paris entlang. Königin Isabeau war fest entschlossen, bei der Begegnung, die über die Gesandten des englischen Monarchen und der französischen Königin ausgehandelt worden war, Eindruck zu schinden. Das Treffen sollte um drei Uhr in Meulan stattfinden, und bei dieser Gelegenheit sollten die Bedingungen eines potenziellen Staatsvertrags ausgehandelt werden, der auch eine Heirat der französischen Prinzessin Catherine von Valois mit dem englischen König Heinrich V. vorsah.

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