Das Geheimnis der Zitadelle - Thomas Burg - E-Book

Das Geheimnis der Zitadelle E-Book

Thomas Burg

0,0

Beschreibung

Der Historiker und Burgenkundler Vincent Graf von Löwenstein soll dem weltweit operierenden Konzern DSEE, als Berater bei Verhandlungen mit der kurdischen Regionalregierung helfen. Es geht um die Übernahme von lukrativen Ölförderrechten. Die Verhandlungen stehen von Anfang an unter einem schlechten Stern. Als dann noch die Tochter eines ehemaligen sowjetischen Virologen unter mysteriösen Umständen für tot erklärt wird, und die Truppen der ISIS vor den Toren Erbils auftauchen, nimmt sich von Löwenstein der Lösung des Falls an. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Die Stabilität einer hochexplosiven Region steht auf dem Spiel.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 224

Veröffentlichungsjahr: 2015

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


„Sapere aude!“ - „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ (Immanuel Kant, 1784)

Für Vincent, dem Sonnenschein meines Lebens.

Dieses Buch ist den zahllosen Menschen gewidmet, die in ihren Heimatländern jeden Tag Terror und Krieg ertragen müssen, oder davor auf der Flucht sind.

Artikel 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Personenliste

Vincent Graf von Löwenstein – Altertumsforscher und Ermittler wider Willen

Fredrick McLeod – sein treuer Butler

Austeja Simonaityté – litauische Pianospielerin im Hotel Divan

Dr. Nojus Simonaitis – litauischer Virologe, Vater von Austeja

Dr. Ian Sinclair – Vorstandsvorsitzender der DSEE

Mustafa Omar – Berater des kurdischen Präsidenten

Dr. Karwen Ayami – kurdischer Arzt

Inhaltsverzeichnis

Intro

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Outro

Anhang

Intro

Erbil, Autonome Region Kurdistan

Die Hitze im Raum war unerträglich. Sie war am Ende ihrer Kräfte. Die hübsche, junge Frau hatte sich gewehrt, so lange es ihre Kraft zuließ. Der Schweiß lief ihr, wegen der Hitze und der Anstrengung gegen die Wirkung der Droge anzukämpfen, in Strömen über das Gesicht. Trotz der Torturen sah man ihr immer noch ihre außergewöhnliche Schönheit an. Der uniformierte Mann der sie verhörte, hatte ihr immer und immer wieder mit der flachen Hand in das Gesicht geschlagen. Ihre Ohren dröhnten und vereinzelt waren Blutspritzer auf ihr helles Sommerkleid gespritzt. Das Kleid, das sie am Abend extra für »Ihn« angezogen hatte, war nur noch ein zerfetzter, schmutziger Lumpen. Der Abend, der so nach ihrer Vorstellung begonnen hatte, war nun zu ihrem größten Alptraum geworden. Die Hoffnung heil aus dieser Situation herauszukommen hatte sie schon lange aufgegeben. Sie war bereit sich ihrem unvermeidlichen Schicksal zu fügen.

Der Schrecken stand ihr im Gesicht, als sie den Anführer der Söldnertruppe erblickte. Der bärtige Mann hatte sich die ganze Zeit über im Halbdunkel des Raumes verborgen. Er hatte grausame Augen, die sie mitleidslos und voller Verachtung anblickten. Es waren die kalten Augen eines Menschen ohne Seele und ohne jedes Mitgefühl. Er legte keinen Wert mehr darauf seine Identität vor ihr zu verbergen. Selbst in ihrem benebelten Zustand war ihr klar, dass sie den Raum nicht mehr lebend verlassen würde. Ihr einziger Wunsch war nicht lange Leiden zu müssen. Sie wusste wie grausam die Anhänger dieser fanatischen Gruppe mit ihren Gefangenen, besonders mit den weiblichen, umgingen. Todesangst durchströmte jede Faser ihres gepeinigten Körpers. Das Blut hämmerte an ihre Schläfen.

Der Anführer brummte auf Arabisch einen Befehl. Einer der beiden Schergen schob ihr daraufhin ein schmutziges Stück Stoff, als Knebel, in den Mund. Nur mit Mühe konnte sie den Würgereflex unterdrücken. Der bärtige Mann trat vor sie und streichelte über ihre Wange. Seine Hand wanderte von ihrem Kopf bis zu ihrem Busen, den er fest in seine Hand nahm. Sie stöhnte vor Schmerz leicht auf. Er genoss es sichtlich, ihr weh zu tun.

„Welch eine Verschwendung für so ein hübsches Ding.“, sagte er zu ihr auf Englisch. „Ihr könntet meinen Männern eine gute Dienerin sein und sie für ihren mutigen Kampf gegen die Ungläubigen belohnen.“ Das Scheusal gab ihr mit aller Kraft eine Ohrfeige, dass sie mitsamt dem Stuhl umkippte und hart auf dem Boden aufschlug. Tränen flossen aus ihren Augen und tropften auf den staubigen Boden. Ihr letzter Gedanke gehörte ihrem Vater, bevor sie das Bewusstsein verlor. Ihre Schmerzen ließen nach und Dunkelheit empfing sie.

Kapitel 1

Darmstadt, Deutschland.

Die Sonne schien hell in die Ecke seines Schlafzimmers, als er die Augen kurz öffnete und die vertrauten Schritte seines Butlers auf dem Flur vernahm. Es war 8:30 Uhr, Fredrick war pünktlich wie jeden Tag. Mit einem leichten Klopfen an der Tür machte sich der Butler bemerkbar.

„Es ist Zeit aufzustehen, Sir.“, hörte er ihn durch die Tür rufen. Mürrisch vergrub er seinen Kopf in das Kissen.

„Jaaaaaa, ich stehe ja schon auf Fredrick.“ Der junge Mann im Bett hatte keine Lust aufzustehen, es war mal wieder einer dieser Tage. In letzter Zeit gab es nichts zu tun was seinen Geist gefordert hatte. Die daraus resultierende Langeweile schlug ihm auf sein Gemüt.

Er öffnete widerwillig die Augen und blickte auf die Außenmauern seines Schlafzimmers. Die dicken, grauen Steinmauern erinnerten ihn immer wieder daran, dass er auf einer Burg lebte. Burg Löwenstein diente bereits seit vielen Generationen als Stammsitz seiner Familie.

Die Burg war im späten 12. Jahrhundert erbaut worden. Es war eine der wenigen gut erhaltenen Anlagen die die vielen, zum Teil kriegerischen Perioden der Geschichte, unbeschadet überstanden hatte. Burg Löwenstein war eine auf massivem Fels gebaute Höhenburg. Sie lag am nördlichen Ausläufer der Bergstraße, südlich von der hessischen Stadt Darmstadt. Das schwere Eingangstor aus massiver Eiche konnte man nur über eine alte Zugbrücke erreichen. Von außen sah sie für Besucher genau so aus, wie man sich eine Burg aus dem Mittelalter vorstellte. Alt, verwittert, mit grünen Efeuranken bewachsen und aus behauenen Steinen erbaut auf denen an manchen Stellen dunkelgrünes, feuchtes Moos wuchs.

Die Einrichtung bestand aus klassischen Möbeln, geschmackvollen Kunststücken und alten Artefakten aus aller Herren Länder. An der Kaminwand hing ein Wandteppich, auf dem das Wappen der Familie in prachtvollen Farben eingewebt war. Die technische Einrichtung war in allen Belangen auf dem neusten Stand. Küche, Bad, Medienraum sowie die Ausstattung des persönlichen Arbeitszimmers des Burgherrn ließen keine Wünsche nach Komfort offen. Aus praktischen Erwägungen war sein Arbeitsplatz direkt in seiner Bibliothek. Es gab Bibliotheken, die schlechter ausgestattet waren als die auf Burg Löwenstein. In den Regalen, die bis unter die Decke des 6 Meter hohen Saales reichten, wurden Bücher aus den verschiedenen Jahrhunderten und in mehreren Sprachen aufbewahrt. Von Löwenstein war der pflegliche Umgang mit Büchern von seiner Mutter vererbt worden. Niemals würde er ein Buch nicht mit dem gebührenden Respekt behandeln. Er hatte immer ein Lesezeichen zur Hand und empfand Eselsohren geradezu als Frevel. In der Bibliothek gab es zwei mannshohe Fenster, die den großen Raum mit ausreichend Tageslicht versorgten.

Sein antiker Schreibtisch, aus rotbraunem Kirschholz, war riesig und erlaubte ihm neben seinem Monitor und der Tastatur, links und rechts hohe Bücherberge zu platzieren. Vincent las immer in mehreren Bücher gleichzeitig. Rechts neben seinem Bildschirm stand eine Banker-Desklamp mit dem typischen, hellgrünen Glasschirm und einem soliden Messingfuß.

Nachdem er sich angezogen hatte, ging er über die Galerie hinunter. Wie jeden Morgen nahm er an dem liebevoll gedeckten Frühstückstisch vor der großen Fensterfront im Kaminzimmer Platz. Der Tisch war gedeckt mit edlem Geschirr von Rosenthal und altem Silberbesteck von Thomas Bradbury & Sons, beides mit dem alten Wappen der Familie versehen. Neben diesem wahrlich noblen Gedeck stand seine Tasse aus der er seinen morgendlichen Kakao trank. Die Tasse schmückte ein Bild mit dem Comic Kater Garfield. Von den früher einmal existierenden Henkeln, war einer bereits abgebrochen. Auf der Rückseite stand ein Schriftzug, »Eigentlich könnte ich jetzt etwas trainieren - hab sowieso schon schlechte Laune«. Die Tasse passte auf den stilvoll gedeckten Tisch genauso wie ein tattoowierter 80er Jahre Punk mit Irokesenfrisur in eine Vorstandssitzung der Deutschen Bank in Frankfurt. Den jungen Mann störte das nicht. Es war nun mal seine Lieblingstasse. Sicher, er mochte den Luxus, den sein Lebensstil ihm bot, er war in den Wohlstand hineingeboren. Aber er war sich bewusst, dass es bei weitem wichtigeres im Leben gab.

Sein Blick streifte das große Ölgemälde, das seine Eltern zeigte. Die beiden sahen auf dem Bild so glücklich, so zufrieden aus. Seine Eltern hatten sich immer liebevoll um ihn, ihren einzigen Sohn, gekümmert. Manchmal dachte er sie hätten es geahnt, dass ihnen als Familie nicht viel Zeit zusammen vergönnt sein würde. Gedankenverloren sah er auf die rote Couch im großen Saal. Die Zeit schien auf einmal stehen geblieben zu sein. Ihm war als würde er seine Eltern darauf sitzen sehen wie sie miteinander scherzten. Seine Mutter drehte sich zu ihm herum und er hörte sie sagen: „Vincent, komm zu uns mein Schatz.“ Sie streckte ihm ihre Hand entgegen. Die Hand, die ihn als Kind abends immer sanft über den Kopf gestreichelt hatte, nachdem sie ihn zu Bett gebracht hatte.

„Sir Vincent, möchten Sie noch etwas Kakao?“ Die Stimme seines Butlers riss ihn aus seinem Tagtraum. Das Bild vor seinen Augen war erloschen. Immer noch etwas abwesend sah er auf seine Hand die er in Richtung der Couch entgegengestreckt hatte. Ein Gefühl tiefster Leere überkam ihn, als ihm bewusst wurde, dass er die Hand seiner Mutter nie wieder spüren würde.

„Nein, ……..nein danke sehr Fredrick.“, antwortete er mit teilnahmsloser, monotoner Stimme. Sein Kinn auf die verschränkten Hände gestützt verlor sich sein Blick wieder in den im Wind wogenden Bäumen. Auch nach so vielen Jahren erfüllte ihn der Gedanke an den frühen Verlust seiner Eltern mit Trauer. Seit diesem tragischen Tag, an dem sie bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren, war er, Vincent Rolf Graf von Löwenstein, der Burgherr und Stammhalter des so ruhmreichen Namens.

Kapitel 2

Von Löwenstein war 1979, als einziges Kind von Johann und Susanne von Löwenstein geboren worden. Seine Vorfahren entstammten dem deutschen Uradel und waren in direkter Linie mit dem Geschlecht des hessischen Großherzogs verwandt. Dessen altes Schloss stand noch immer gegenüber dem historischen Rathaus, am Marktplatz der alten Residenzstadt Darmstadt. Vincent war ein bekennender Lokalpatriot.

Seine Eltern waren Aristokraten, die in ihrer Weltanschauung liberal gewesen waren. Fleiß, Pflichtbewusstsein und Gerechtigkeit, das waren die Eckpfeiler seiner Erziehung. Es viel ihm nicht immer leicht den starren Regeln der Aristokratie Folge zu leisten. Für Vincent war jeder Mensch, egal welcher Religion oder Hautfarbe, gleich. Der junge Graf hatte sich immer seine natürliche, hilfsbereite und herzliche Art bewahrt. Durch nichts konnte man sein frohes Gemüt erschüttern.

„Welche Garderobe wünschen Sie für die Reise, Sir?“ Die Worte seines Butlers rissen Vincent aus seinen Gedanken. Seit er sich erinnern konnte, war Fredrick Teil seines Lebens gewesen.

Fredrick MacLeod, geboren auf Dunvegan Castle, dem Jahrhunderte alten Stammsitz des schottischen Clans der McLeods auf der Isle of Skye, war ein Butler der alten Schule. Er war ein großgewachsener, drahtiger Mann. Seine Gesichtszüge konnten die keltischen Vorfahren nicht verleugnen. Auch wenn er das 50. Lebensjahr bereits überschritten hatte konnte er sich noch immer auf seinen Körper und Geist verlassen. Als Sohn eines Offiziers ihrer Majestät, war er durch und durch ein disziplinierter Mann. Er war Ende der 60er Jahre im Orient, während sein Vater dort als Militärattaché der britischen Botschaft tätig war, aufgewachsen. Fredrick sprach fließend Arabisch und mehrere der lokalen Dialekte. Nach seinem verletzungsbedingten Ausscheiden aus dem Militärdienst hatte er sich für den Beruf des Butlers entschieden. Er verlor niemals, wirklich niemals seine Beherrschung und hatte bereits Vincents Eltern gedient. Trotz der großen Vertrautheit und emotionalen Nähe zu Vincent, achtete er immer peinlich genau auf eine gewisse Distanz zwischen ihnen beiden. Das war einer der Gründe warum ihm von Löwenstein auch nie dass »Sehr wohl, Sir.« abgewöhnen konnte. Er hatte es lange genug versucht, bereits in seiner Jugend als Fredrick ihn noch »Master Vincent« rief, jedoch ohne Erfolg. Gegen den schottischen Dickkopf kam er nicht an.

„Das übliche Fredrick, packen Sie bitte alles ein, was ich für eine Woche im Irak benötige.“ Von Löwenstein hatte in der letzten Woche einen exklusiven, gut dotierten Beraterauftrag angenommen. Dr. Ian Sinclair, der CEO (Chief Executive Officer, der Vorstandsvorsitzende) von einem der weltweit größten Waffentechnik- und Energiekonzerne, der DSEE (Defensive Systems & Energy Extraction), hatte ihn nach London gebeten, um mit ihm persönlich die Details eines Übernahmeangebotes für die kurdische Regionalregierung auszuarbeiten. Die DSEE war bemüht den Zuschlag für die Erschließung der Erdölvorkommen, in der autonomen Region, im Norden des Irak, zu bekommen. Nicht alle Teile der Bevölkerung sahen das so optimistisch wie die Regierung und es würde seine Aufgabe sein, diese Zweifel zu beseitigen. Es herrschten im Moment unsichere Zeiten im Irak und zu oft waren die Kurden ein Spielball fremder Mächte gewesen. Es lagen schon viele Monate an Planungsarbeit hinter der DSEE, für die entscheidende Endphase hatte man nun von Löwenstein hinzugezogen. Dr. Sinclair wollte Graf von Löwenstein mit seinem guten Namen, den dieser als respektierter Altertumsforscher genoss, für positive Publicity benutzen. Seit dem Sturz Saddam Husseins 2003, waren die kurdischen Iraker bestrebt einen eigenen Staat zu gründen. Auf Grund der gefundenen großen Ölvorkommen in dem Gebiet, gab es allerdings in der letzten Zeit Spannungen. Nicht zu vergessen, die ganzen ethnischen und religiösen Konflikte, die während Saddams Regime blutig niedergeschlagen wurden und jetzt nach vielen Jahren offen zu Tage traten. Einmal mehr machten sich erst viele Generationen später die Auswirkungen einer verfehlten Politik des Westens bemerkbar, die nach der Zerschlagung des osmanischen Reiches begangen worden waren. Der Bürgerkrieg in Syrien und der Machtzuwachs fundamentaler, gewaltbereiter Islamisten, in vielen Ländern des Middle-East, destabilisierte die Region in einem gefährlichen Ausmaß.

Von Löwensteins Aufgabe war es, mit seinen guten Beziehungen, die in der Bevölkerung aufkeimenden Widerstände gegen das Multi-Milliarden-Dollar-Projekt, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Von Löwenstein war ein anerkannter Experte auf dem Gebiet der Burgenkunde und Altertumsforscher. Er war der jüngste, von einer Handvoll Spezialisten, auf diesem sehr anspruchsvollen Fachgebiet. Durch Investments in zivile Projekte, mit denen Teile des kulturellen Erbes der jeweiligen Länder erhalten werden sollten, versuchten große Konzerne Einfluss auf den Prozess der Meinungsbildung zu nehmen. Von Löwenstein war sich bewusst, dass man Kompromisse eingehen musste, wenn man gewillt war bedeutende Altertümer für die Nachwelt zu erhalten. Für ihn war es sinnvoll eingesetztes Kapital, sozusagen eine Form von modernem Kultursponsoring.

Nach seinem Abitur, studierte Vincent in Deutschland, England und den USA und hatte mit 28 Jahren seinen Master Abschluss in Geschichte der Universität in Darmstadt in der Tasche. Von Löwenstein war ein Gentleman, der von Frauen ein äußerst charmantes Wesen attestiert bekam. Er war von durchschnittlicher Größe, schlank und athletisch gebaut. Seine an den Seiten bereits leicht ergrauten Haare, verliehen ihm ein gewisses Maß an Reife. Er war immer gepflegt und neigte zu etwas übertriebener Eitelkeit. Der Graf hatte die angenehm zurückhaltende Art eines Aristokraten. Sein Humor war für Fredricks Geschmack manchmal »schwärzer« als man es von einem nicht Briten erwarten würde. Die wenigen Menschen, die ihn näher kannten, wussten seine loyale Art zu schätzen.

Seit mehreren Jahren war er als renommierter Wissenschaftler anerkannt und hatte sich in seinem Fachgebiet einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Neugier, Achtung und Respekt vor den Hinterlassenschaften der Geschichte waren Werte, die ihm etwas bedeuteten. Neben der Forschung, arbeitete von Löwenstein zeitweise für Unternehmen, die sich mit lokalen Bräuchen und Kulturen nicht auskannten, aber aus Imagegründen immense Summen in die Erhaltung von Altertümern investieren wollten.

Er war ein Mann ohne Allüren. Wenn es etwas gab, das man ihm nachsagen konnte, dann dass er sich etwas zu viel Zeit für die angenehmen Dingen des Lebens, wie Zigarren und gutem Cognac, widmete. Ein Mann mit Überzeugungen für die er ohne zu zögern Einstand. Für von Löwenstein hatte jeder Mensch¸ ohne Ansehen auf Geld, Status oder Position, den gleichen Wert. Diese Gleichheit war für ihn ein fundamentaler Grundsatz.

Den Auftrag der DSEE hatte er gerne angenommen. Er mochte es im Middle-East zu arbeiten, dieser Teil der Welt war eine der Wiegen unserer modernen Zivilisation. Es war ihm eine Ehre dabei zu helfen, einem Volk, dem man es in der Vergangenheit nicht immer leicht gemacht hatte, beim Weg in die Unabhängigkeit zu unterstützen. Die Kurden waren weltweit die größte Ethnie ohne ein eigenes Land. Wenn die Wirtschaft ihren Teil beitragen wollte, dass man den Kurden endlich den Platz zugestand, den sie verdient hatten, war er gerne gewillt seinen Teil dazu beizutragen.

Kapitel 3

Die Fahrt zum Flughafen verlief problemlos. Der elegante, geräumige Wagen glitt anmutig über den Asphalt. Fredrick war ein besonnener Fahrer und dank der Bequemlichkeit seines Wagens, eines blausilbernen Maybach 62S, konnte sich von Löwenstein in Gedanken ganz den bevorstehenden Treffen widmen. Verhandlungen im Middle-East wurden anders geführt als im Westen, man musste gewieft taktieren und geschickt argumentieren. Bei aller gebotenen Sachlichkeit galt es auch immer eine persönliche Beziehung aufzubauen. Die Vorfreude die Ausgrabungen zu begleiten war groß, aber er durfte nicht vergessen, dass es dabei um die Zukunft und Stabilität einer politisch hochexplosiven Region ging.

Der Irak war ein Pulverfass und man konnte jeden Tag von neuen Bombenanschlägen aus den Medien erfahren. In manchen Gebieten konnte es schon tödlich sein, der falschen religiösen Minderheit anzugehören. Die Gewissheit dass Menschen in allen Teilen der Erde, Bombenanschläge und Kriege als probates Mittel der Konfliktlösung betrachteten, enttäuschte ihn immer wieder aufs Neue. Hinter jedem einzelnen Opfer steckte eine Geschichte, jedes Opfer hatte eine Mutter, einen Vater oder Kinder. Mit jedem Leben das man auslöschte, zerstörte man eine ganze Welt. Er hatte den Eindruck, dass die Menschen nicht aus den Fehlern der Vergangenheit lernen wollten. Es war ein ewiges Rad des Leids, das sich immer und unaufhörlich weiterdrehte.

Fredrick fuhr den Wagen von der Autobahn auf die Ausfahrt und steuerte Zielsicher das 1. Klasse Terminal der Lufthansa am Rhein-Main-Airport an.

Von Löwenstein stieg aus und ging über den blauen Teppich mit dem Logo der Airline in die First-Class-Lounge der Lufthansa.

Eine junge, in ihrer dunkelblauen Airline Uniform umwerfend gut aussehende Blondine, er schätzte sie auf höchstens Mitte 20, kam zu ihm und zeigte dabei ihr strahlendstes Lächeln. Das helle blau ihrer Augen schien mit dem des Himmels konkurrieren zu wollen.

„Ich freue mich, Sie wieder bei uns begrüßen zu dürfen, Graf von Löwenstein. Haben Sie Ihre Miles & More Karte und Pass für mich griffbereit?“ Vincent überreichte ihr die gewünschten Sachen ohne den Blickkontakt mit der jungen Frau dabei zu unterbrechen. Um seinen Mund zog sich ein verschmitztes Lächeln.

„Bitte checken Sie doch auch gleich Herrn McLeod mit ein.“, sagte er. Vincent war fasziniert von dem süßlichen Duft ihres Parfums.

Die junge Frau drehte sich um und ging zu dem Counter, um die beiden Passagiere einzuchecken. Sie war sich seines Blickes auf ihrem sanft wippenden Po gewiss. Der Check-In Vorgang dauerte nur einen kurzen Augenblick.

„Hier sind Ihre Dokumente und Bordkarten. Ich habe mir erlaubt, den Fahrer des VIP Service, der Sie wie gewohnt an die Maschine bringen wird, bereits zu informieren.“, sagte die Blondine.

„Ich danke Ihnen Frau…“, er lehnte sich etwas nach vorne, um ihr Namensschild besser lesen zu können „…Frau Larsen.“ Vincent konnte nicht begreifen, wie er sie bei seinem letzten Besuch in der LH Lounge, übersehen haben konnte.

„Sagen Sie doch bitte einfach Svenja zu mir.“ gurrte die attraktive Schönheit mit dem erotischsten Tonfall, den er je gehört hatte. Mit einem Lächeln zum dahinschmelzen verabschiedete sie sich von ihm. Von Löwenstein war nicht der klassische Machotyp, aber seine freche, jungenhafte Art kam beim weiblichen Geschlecht an und er ging keinem Flirt aus dem Weg. Er hatte eben eine Schwäche für schöne Frauen. Im entging nicht dass Fredrick, der sich mittlerweile diskret zu ihm gesellt hatte, mit einer Kombination aus Lächeln und gleichzeitigem Kopfschütteln reagierte. Was Vincent zu einem unschuldigen »Ich habe doch nichts gemacht Blick« veranlasste.

Auf dem Weg zum VIP-Service, schaute die Frau nochmal zu ihm auf. Mit einer eleganten Handbewegung schob sie sich die langen, blondgelockten Haare aus dem Gesicht. Er zwinkerte ihr frech zu und konnte erkennen, dass sie errötete. »Svenja Larsen«, er würde sich ihren Namen mit Sicherheit gut merken.

Kapitel 4

Erbil, Autonome Region Kurdistan

Erbil (kurdisch Arbil) war die Hauptstadt und der Regierungssitz der Autonomen Region Kurdistan. Diese hatte gemeinsame Grenzen zum Iran, der Türkei und zu Syrien. Es war eine Stadt, die begünstigt durch die relative Sicherheit in der autonomen Region, beständig am Wachsen war. Man schätzte, dass ca. 2,5 Millionen Menschen im direkten Einzugsgebiet von Erbil lebten. Der größte Teil der Bevölkerung bestand aus moslemischen Kurden.

Er freute sich immer auf das Divan. Ein zweckmäßiges Wachhaus für die Personen- und Gepäckkontrolle war vor der langen Auffahrt zum Hautgebäude positioniert. Das gesamte Hotelareal wurde von einer drei Meter hohen Mauer, die sich harmonisch in das Gesamtbild einfügte, geschützt. Die grimmig dreinblickenden Sicherheitsleute waren bewaffnet mit deutschen H&K USP Pistolen und H&K UMP Maschinenpistolen.

Der Sicherheitsdienst kontrollierte ausnahmslos alle Fahrzeuge mit Spiegelsonden und Spürhunden. Die hohen Sicherheitsvorkehrungen an allen Orten mit internationalem Publikumsverkehr, waren ein Grund dafür, dass es seit Jahren zu keinen nennenswerten Anschlägen in der Autonomen Region gekommen war. Ganz im Gegensatz zum vom Terror überzogenen Süden und Westen des Landes. Die verstärkt auftretenden Übergriffe der radikalen Fundamentalisten der ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) wurden mit großer Besorgnis zur Kenntnis genommen.

Als sie die Hotellobby betraten, kam ein geschäftstüchtig umherhuschender, kleiner Mann auf sie zugelaufen.

„Graf von Löwenstein, welch eine Freude, Sie und Mister McLeod wieder im Divan begrüßen zu dürfen.“ Mr. Calvin der neuseeländische Hotelmanager des Luxushotels, begrüßte sie wie immer persönlich.

„Ich danke Ihnen Mister Calvin, auch für mich ist es immer ein Privileg Ihr Gast zu sein.“, antwortete von Löwenstein höflich. Der Hotelmanager erinnerte ihn in seiner ganzen Art und Aussehen an Mr. Higgins, dem resoluten Majordomus des fiktiven Autors Robin Masters, aus der TV-Serie Magnum.

„Wir haben Ihre Suite wie immer nach Ihren Wünschen hergerichtet, Graf von Löwenstein.“, sagte der Hotelmanager mit einem freundlichen Lächeln. »Nach ihren Wünschen hergerichtet« bedeutete, dass ein extra Vorrat an Schokolade und seines Lieblingscognac auf ihn warteten.

Mr. Calvin führte den Grafen und seinen Butler zum Aufzug und fuhr mit ihnen in die oberste Etage des Hotels. Die Penthouse Suite des Divan nahm das gesamte Stockwerk ein und man konnte sie nur mit einer speziellen Schlüsselkarte für den Aufzug erreichen. Sie verfügte über einen separaten Bereich mit drei Räumen für die persönlichen Bediensteten der meist gut betuchten Gäste. Vincent hatte Fredrick schon oft angeboten sich mit ihm die eigentliche Suite mit ihren zwei Schlafzimmern zu teilen, was dieser jedoch immer höflich ablehnte. Vom Aufzug betrat man einen kleinen Flur in dem die Eingangstüren zum Bediensteten Bereich und der Suite lagen.

Die Suite war riesig, auf ca. 350 qm hatten ein Schlafzimmer mit King Size Bett, ein Esszimmer mit Platz für 8 Personen, das Bad mit Jacuzzi und vergoldeten Wasserhähnen, ein geräumiges Arbeitszimmer und die Terrasse mit gemütlichen Loungemöbeln, ihren Platz. Durch die Rundumverglasung hatte man in alle Himmelsrichtungen einen herrlichen Ausblick auf die Umgebung. Von hier konnte man die angrenzenden Gebirge und Erbil in seinem ganzen Ausmaß bestaunen. Sämtliche Räume waren mit allem erdenklichen Luxus, den der Orient zu bieten hatte, ausgestattet. In der Bar befanden sich zwei Flaschen seiner bevorzugten Cognac Marke, eines Courvoisier XO Imperial. Obwohl es erst kurz nach 17 Uhr Ortszeit war öffnete Vincent eine Flasche, schenkte sich und Mr. Calvin ungefragt einen Drink ein und reichte diesem einen der schweren Cognacschwenker.

„Auf Ihr Wohl, Mister Calvin.“, sagte der Graf fröhlich.

„Auf Ihr Wohl, Graf von Löwenstein.“, erwiderte dieser etwas entsetzt dreinblickend ob der frühen Zeit des Alkoholgenusses. Von Löwenstein nahm diesen Blick, mit einem Schmunzeln war und lachte still in sich hinein.

Nachdem sich Mr. Calvin von ihm verabschiedet hatte, reservierte Vincent telefonisch im Restaurant einen Tisch für sich und Fredrick. Er koppelte sein iPhone mit der Anlage, startete seine Soul Playlist, nahm sich noch einen Drink und verschwand fröhlich pfeifend im Bad.

Das Essen war gut gewesen, genau dass, was sie beide nach einem langen Anreisetag gebraucht hatten. Zufrieden und satt wischte sich von Löwenstein den Mund mit der Stoffserviette ab.

„Ich erwarte morgen ein Gespräch ohne größere Probleme.“, sagte er zu Fredrick. „Die Regierung kann bei dem Angebot, das die DSEE ihnen unterbreitet, kaum eine andere Entscheidung treffen als zuzustimmen. Die zusätzlichen Investitionen, die die Arbeit und Forschung zum Erhalt der kulturhistorischen Stätten auf Jahre sichern würde, sind ein gewichtiges Argument. Die DSEE bekommt die Förderrechte und die Kurden erfahren endlich Anerkennung ihrer traditionsreichen Geschichte.“ Auch wenn Dr. Sinclair bei dem Treffen in London noch von einem »Ass im Ärmel« gesprochen hatte, war von Löwenstein sich sicher, dass das Angebot bereits jetzt durchdacht und solide geplant war. Zu gut wusste er um die Bedeutung strategischer Partner für ein aufstrebendes Land. Ein Global Player wie die DSEE kam in so einer Situation wie gerufen.

„Ich hoffe, dass alles nach Ihren Wünschen verläuft. Wenn Sie keine Einwände haben Sir, würde ich mich jetzt gerne auf mein Zimmer zurückziehen.“, sagte sein Butler.

„Natürlich nicht Fredrick. Diese Fragen werde ich Ihnen wohl nie abgewöhnen können.“, antwortete von Löwenstein. Fredrick lächelte den Einwand wie immer einfach weg. Kurz nachdem er gegangen war, erhob sich auch von Löwenstein und ging den kurzen Weg in die Piano Bar. Die meisten Geschäfte im Middle-East wurden entweder beim Essen oder beim gemütlichen Zusammensein und einer Shisha getätigt. Man konnte den süßlichen Geruch des Wasserpfeifentabaks überall in der Luft riechen. Neben den Kellnern gab es spezielles Personal, dass sich nur um die Shishas kümmerte und regelmäßig die Glut kontrollierte. Dafür hatten sie eigens einen Metalltopf mit einem langen Tragebügel, der mit glühenden gepressten Kokosnussschalen, die als Naturkohle dienten, gefüllt war. Dazu eine lange Greifzange, die zum Wenden der Kohle benutzt wurde. Vincent sah sich im Raum nach einem freien Platz um und setzte sich in eine der elegant ausgestatteten Sitzgruppen, direkt vor das Podium mit dem Piano.

„Was darf ich Ihnen bringen?“, fragte ihn der herbeigeeilte Ober.

„Einen Courvoisier mit einem Eiswürfel und eine Partagás bitte. Ich würde die dominikanische Variante bevorzugen.“, Vincent gedachte sich zum Ausklang des Tages eine seiner von ihm geschätzten Zigarren zu gönnen. Mit einem zufriedenen Seufzer lehnte er sich nach hinten in die weiche Polsterung. Langsam wich die Anspannung der Anreise von ihm.

Nachdem der Kellner ihm seine Bestellung gebracht hatte, widmete sich von Löwenstein dem Ritual des Zigarre Anzündens. Nur Banausen zündeten Zigarre direkt mit der Flamme an und ruinierten dadurch den Geschmack. Seiner Erfahrung nach entfaltete eine Zigarre ihr Aroma am besten wenn man sie drehend über der Flammenspitze, durch die Hitze und nicht mit der Flamme, zum Glühen brachte. Sobald die Zigarre an der Spitze einen schönen runden Glutring aufwies tat er den ersten Zug. Von Löwenstein musste immer wieder an die aufwendige Arbeit denken, die in einer von Hand produzierten Zigarre steckten. Eine Arbeit die er zu schätzen wusste.